TE UVS Tirol 2008/06/16 2007/11/2464-6

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.06.2008
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch den Vorsitzenden Dr. Christoph Purtscher über die Berufung der H. GmbH mit dem Sitz in S., K., vertreten durch Dr. P. R., Rechtsanwalt in I., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 24.08.2007, Zl 2.1 A-791/47, betreffend die Schließung der Betriebsanlage im Standort K., nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 in Verbindung mit § 67h Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Text

Die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel hat am 22.08.2007 die sofortige Schließung der Betriebsanlage (Werkstättengebäude) der H. GmbH auf dem Gst XY, GB K., als Sofortmaßnahme (Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) verfügt.

Mit Bescheid vom 24.08.2007, Zl. 2.1 A-791/47, hat die Behörde hierüber (Schließung der Betriebsanlage, dokumentiert in der Verhandlungsschrift vom 22.08.2007) gemäß § 360 Abs 4 zweiter Satz GewO 1994 einen schriftlichen Bescheid erlassen.

 

Gegen diesen Bescheid hat die H. GmbH fristgerecht Berufung erhoben und sich im Ergebnis gegen diese Schließung der Betriebsanlage ausgesprochen.

 

Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:

 

Vorauszuschicken ist, dass gemäß § 359a GewO 1994 Entscheidungen in I. Instanz in Verfahren betreffend Betriebsanlagen unmittelbar beim Unabhängigen Verwaltungssenat angefochten werden können.

 

Die im gegenständlichen Fall maßgebenden Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl Nr 194 idF des Gesetzes BGBl I Nr 68/2008, lauten wie folgt:

 

?§ 74

(1) Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.

(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1.

das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl Nr 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs 1 Z 4 lit g angeführten Nutzungsrechte,

2.

die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3.

die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung der den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4.

die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5.

eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

 

§ 360

(4) Um die durch eine diesem Bundesgesetz unterliegende Tätigkeit oder durch Nichtbeachtung von Anforderungen an Maschinen, Geräte und Ausrüstungen (§ 71) verursachte Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für das Eigentum abzuwehren oder um die durch eine nicht genehmigte Betriebsanlage verursachte unzumutbare Belästigung der Nachbarn abzustellen, hat die Behörde, entsprechend dem Ausmaß der Gefährdung oder Belästigung, mit Bescheid die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes, die Stilllegung von Maschinen, Geräten oder Ausrüstungen oder deren Nichtverwendung oder sonstige die Anlage betreffende Sicherheitsmaßnahmen oder Vorkehrungen zu verfügen. Hat die Behörde Grund zur Annahme, dass zur Gefahrenabwehr Sofortmaßnahmen an Ort und Stelle erforderlich sind, so darf sie nach Verständigung des Betriebsinhabers, seines Stellvertreters oder des Eigentümers der Anlage oder, wenn eine Verständigung dieser Person nicht möglich ist, einer Person, die tatsächlich die Betriebsführung wahrnimmt, solche Maßnahmen auch ohne vorausgegangenes Verfahren und vor Erlassung eines Bescheides an Ort und Stelle treffen; hierüber ist jedoch binnen eines Monats ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die getroffene Maßnahme als aufgehoben gilt. Der Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn er gemäß § 19 des Zustellgesetzes wegen Unzustellbarkeit an die Behörde zurückgestellt worden ist.

(5) Die Bescheide gemäß Abs 1 zweiter Satz, 2, 3 oder 4 sind sofort vollstreckbar; wenn sie nicht kürzer befristet sind, treten sie mit Ablauf eines Jahres, vom Beginn der Vollstreckbarkeit an gerechnet, außer Wirksamkeit. Durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der von den einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen betroffenen Anlagen, Anlagenteile oder Gegenstände wird die Wirksamkeit dieser Bescheide nicht berührt.

(6) Liegen die Voraussetzungen für die Erlassung eines Bescheides gemäß Abs 1 zweiter Satz, 2, 3 oder 4 nicht mehr vor und ist zu erwarten, dass in Hinkunft jene gewerberechtlichen Vorschriften, deren Nichteinhaltung für die Maßnahmen nach Abs 1 zweiter Satz, 2, 3 oder 4 bestimmend war, von der Person eingehalten werden, die die gewerbliche Tätigkeit ausüben oder die Betriebsanlage betreiben will, so hat die Behörde auf Antrag dieser Person die mit Bescheid gemäß Abs 1 zweiter Satz, 2, 3 oder 4 getroffenen Maßnahmen ehestens zu widerrufen.?

 

Ebenfalls beachtlich ist nachfolgende Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl Nr 51, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 5/2008:

 

?§ 66

(4) Außer dem in Abs 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.?

 

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 24.07.2002, Zl 2.1 A-791/28, wurde der H. und K. B. und H. GmbH mit dem Sitz in K. die gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Werkstättengebäudes mit Betriebstankstelle und Waschplatz auf dem Gst XY erteilt (Feststellung nach § 359b Abs 1 und 8 GewO 1994).

Diese Betriebsanlage wird nunmehr von der H. GmbH mit dem Sitz in K. i. T. betrieben.

 

Im Zuge einer Kontrolle durch die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel am 22.08.2007 wurden mehrere Abweichungen zum genannten Genehmigungsbescheid festgestellt; die gravierendsten Abweichungen wurden wie folgt zusammengefasst:

Eine geänderte bauliche Ausführung des Dachgeschosses; die Nutzung dieses Bereiches erfolgt in Form eines Büros und einer Dienstnehmerunterkunft.

Kein bescheidgemäß brandschutztechnisch abgeschlossenes Stiegenhaus; somit bildet die gesamte Betriebsanlage (inklusive Heizraum und Lagerraum für brennbare Flüssigkeiten) einen einzigen Brandabschnitt!

Keine normgerechte Ausführung der Absturzsicherungen im Bereich des Stiegenhauses (Brüstungshöhe 70 cm, keine Handläufe).

Zusätzliche Flugdächer sowohl im nördlichen als auch im südlichen Bereich des Betriebsgebäudes; in diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass zumindest das nördliche Flugdach brandschutztechnisch die Mindestansprüche nicht erfüllt. Es wurde ein Stiegenhausfenster mit den Holzbauteilen verbaut. Zudem wird die statische Festigkeit der Flugdächer stark angezweifelt.

Errichtung eines Zwischenpodestes im Bereich der Werkstatt oberhalb der im Projektsplan bezeichneten Box 2 und 3, auf dem eine Reifenmontiermaschine und ein Wuchtgerät aufgestellt sind. Diese Bereiche sind als Arbeitsplätze eingerichtet. Zudem befinden sich in diesem Bereich diverse Lagerungen, insbesondere ein Reifenstapel mit einer Höhe von mehr als 2 m im direkten Absturzbereich. Dieser gesamte Lagerbereich verfügt über keinerlei Absturzsicherungen bzw Schutz gegen herabfallende Gegenstände.

Die Schmiergrube verfügt über eine direkte Verbindung mit dem Kellergeschoss und weist eine Tiefe von ca 1,65 m auf. Die Schmiergrube verfügt über keinerlei Zugänge. Zudem können Abgase in diesem Bereich direkt in das Kellergeschoss gelangen (keine Absaugung).

Im gesamten Betriebsbereich erfolgen mehrere Lagerungen von brennbaren Flüssigkeiten, Flüssiggas und diversen Ölen. Die Lagerung entspricht nicht den Forderungen der VBF und der Flüssiggasverordnung, die Lagerung der Öle erfolgt nicht in erforderlichen Auffangwangen.

Der Heizraum wurde nicht als Brandabschnitt ausgebildet und weist allergröbste sicherheitstechnische Mängel jeglicher Art auf.

Im gesamten Betriebsanlagenbereich konnten stark beschädigte elektrische Betriebsmittel, Installationen und Einrichtungen vorgefunden werden, die einen sicheren Betrieb praktisch ausschließen.

Für den im Kellergeschoss befindlichen Kompressor konnten keinerlei Abnahme- oder Prüfungsunterlagen oder Kennzeichnungen vorgefunden werden. Die Ansaugung von diversen Gasen kann nicht ausgeschlossen werden.

Die vorgeschriebene Notbeleuchtung bzw Fluchtwegkennzeichnungen konnten im gesamten Betriebsbereich nicht vorgefunden werden. Zudem sind die erforderlichen Verkehrswege im Kellergeschoss, auf den Stiegen und in der Werkstatt nicht gegeben.

 

Eine Prüfbescheinigung gemäß § 82 b Gewerbeordnung sowie die für die diversen Betriebseinrichtungen erforderlichen Abnahme- oder Prüfbescheinigungen (zB Hebezeuge, Rolltore, Kompressoranlage, Elektroinstallationen usw) konnten nicht vorgelegt werden.

Die vorhandene Betriebstankstelle wird offensichtlich als öffentliche Tankstelle genutzt. Genehmigt ist nur eine Betriebstankstelle.

 

Anknüpfend an diese Feststellungen hat die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel als Sofortmaßnahme an Ort und Stelle , nach vorausgegangener Verständigung des Geschäftsführers der Betriebsanlageninhaberin (ist gleich die nunmehrige Berufungswerberin) , die Schließung der Betriebsanlage verfügt. In weiterer Folge hat die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel den nunmehr angefochtenen Bescheid erlassen. Sache des gegenständlichen Berufungsverfahrens ist die Berufung gegen diesen Bescheid.

 

Mit Eingabe vom 27.02.2008 hat die Berufungswerberin bei der Bezirkshauptmannschaft K. den Antrag auf Widerruf der Schließung der Betriebsanlage im Standort S. Nr XY, K., gestellt. Eine Entscheidung der Erstinstanz über diesen Antrag ist bisher nicht erfolgt.

 

Am 06.05.2008 hat die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel eine Überprüfung der Betriebsanlage , unter Beiziehung des gewerbetechnischen Amtssachverständigen, eines Vertreters des Arbeitsinspektorats Innsbruck und des brandschutztechnischen Sachverständigen , vorgenommen. Dabei wurde Folgendes festgehalten:

?Aufgrund eines an Ort und Stelle durchgeführten Augenscheines im Beisein der vorgenannten Sachverständigen sowie des Herrn H. konnte festgestellt werden, dass die im Zuge der Revision am 22.08.2007 festgestellten Mängel noch nicht zur Gänze behoben wurden. Zu den einzelnen Punkten des zitierten Überprüfungsberichtes kann folgendes festgehalten werden (bei der damaligen Überprüfung wurden lediglich die augenscheinlichsten und gröbsten Mängel dargestellt und aufgelistet):

zu 1:

Zu Punkt 1. ist anzumerken, dass die geänderte bauliche Ausführung nach wie vor gegeben ist und die Nutzung des Bereiches im 1. Obergeschoss und 2. Obergeschoss nicht den Beschriftungen des genehmigten Planes entspricht. (Abbildung 25) zu 2:

Die brandschutztechnische Abtrennung der einzelnen Geschosse, insbesondere über das vorhandene Stiegenhaus, ist nach wie vor nicht gegeben. Hinsichtlich des Heizraumes ist anzumerken, dass eine brandschutztechnische Abtrennung im Bereich des Zuganges nunmehr gegeben ist, jedoch eine brandschutztechnische Abtrennung der Leitungsdurchführung bzw der Kabeltasse ist nach wie vor nicht gegeben. Im Heizraum befinden sich 2 Kessel (Ölkessel und Festbrennstoffkessel), die in denselben Kaminzug münden, ein gleichzeitiger Betrieb ist jederzeit möglich. Zudem konnte im Zuge des Ortsaugenscheines festgestellt werden, das Brennstofflagerungen (Holz) im direkten Nahebereich des Kessels vorgefunden werden konnten. Diesbezüglich wird ebenfalls auf die Abbildung in der Anlage verwiesen. (Abbildung 1, 2, 3, 4, 6) zu 3:

Die Absturzsicherung im Bereich des Stiegenhauses wurde nunmehr ausgeführt. zu 4:

Hinsichtlich des Stiegenhausfensters, welches im Bereich des nördlichen Flugdaches situiert war, ist anzumerken, dass dieses nunmehr zugemauert wurde. Die übrige Ausführung ist unverändert. (Abbildung 29) zu 5:

Im Bezug auf das Zwischenpodest im Bereich der Werkstatt ist anzumerken, dass nunmehr ein entsprechendes Geländer angebracht wurde, die Fußleiste fehlt jedoch. Der Zugang (?Stiege?) entspricht nicht der Arbeitsstättenverordnung. (Abbildung 9, 11, 12, 15) zu 6:

Die Ausführung der Schmiergrube konnte zum heutigen Augenschein unverändert festgestellt werden. (Abbildung 7) zu 7:

Die Lagerungen von brennbaren Flüssigkeiten und diversen Ölen in der gesamten Betriebsanlage ist nach wie vor gegeben. Diesbezüglich wird auf den Überprüfungspunkt 7 der letzten Überprüfung verwiesen. (Abbildung 8, etc.)

zu 8:

siehe Punkt 2.

zu 9:

Die im gesamten Betriebsanlagenbereich stark beschädigten elektrischen Betriebsmittel bzw. hilfsmäßig angeschlossenen Anlagen waren praktisch im unveränderten Zustand. (Abbildung 2)

zu 10:

Der Kompressor ist nicht prüfpflichtig. In weiterer Folge kann jedoch die Ansaugung von diversen Gasen nicht ausgeschlossen werden. (Abbildung 7) zu 11:

Die vorgeschriebene Notbeleuchtung und Fluchtwegkennzeichnung konnte ebenfalls noch nicht vorgefunden werden. zu 12:

 

zu 13:

Eine Prüfbescheinigung gemäß § 82b Gewerbeordnung konnte ebenfalls nicht vorgelegt werden. zu 14:

Wird festgehalten, dass derzeit keine Änderungsgenehmigung aufrecht ist. Diese Tankstelle wird jedoch als öffentliche Tankstelle betrieben. (Abbildung 24) Zudem konnten im Zuge des Augenscheines weitere Missstände bzw Mängel festgestellt werden, die im Zuge der Überprüfung am 22.08.2007 nicht vorgefunden wurden. Unter anderem die Aufstellung eines zusätzlichen Heizgerätes im Werkstättenraum dessen Abgase über einen Schlauch durch die Außenwand abgeführt werden. Dabei kann von einer ordnungsgemäßen Ausführung und Betriebweise keinesfalls gesprochen werden (siehe Abbildung 13, 14, 20).

Auf Frage der Verhandlungsleitung ergeht seitens der anwesenden Sachverständigen folgende gemeinsame Stellungnahme:

Aufgrund der vorstehend beschriebenen Umstände kann dem beantragten Widerruf nicht zugestimmt werden. Dies begründet sich darin, dass eine wesentliche sicherheitstechnische Veränderung noch nicht gegeben ist. Hinsichtlich der Tätigkeit in der Betriebsanlage bzw Nichtbeachtung von Anforderungen an Maschinen, Geräte und Ausrüstungen besteht nach wie vor die Gefahr für das Leben bzw die Gesundheit von Menschen.?

 

Für die Berufungsbehörde war nun zu beachten, dass unter anderem ein Bescheid nach § 360 Abs 4 erster Satz GewO 1994 als Leistungsbescheid zu erlassen ist. Das heißt, dass nicht die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der bescheidmäßig verfügten Schließung der Betriebsanlage zu beurteilen war. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage kommt es vielmehr auf den Zeitpunkt der Berufungsentscheidung an. Im Zeitpunkt der Erlassung der Berufungsentscheidung müssen daher ebenso wie im Zeitpunkt der Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung die Voraussetzungen für die Maßnahme (hier die Schließung der Betriebsanlage) gegeben sein. Fällt während des Verfahrens eine der Voraussetzungen weg, so ist ein vergangenheitsbezogener Feststellungsbescheid zu erlassen. Diesfalls hat sich die Entscheidung auf den Zeitraum beginnend ab der (faktischen) Setzung der Maßnahme bis zum Wegfall der Voraussetzung zu beziehen (vgl VwGH 26.06.2001, Zl 2001/04/0073).

 

Vom gefährdeten Personenkreis ist im § 360 Abs 4 GewO 1994 keine Beschränkung auf Nachbarn vorgesehen; insbesondere sind also auch Fälle der Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Arbeitnehmern und Kunden erfasst (vgl VwGH 22.11.1988, Zl 88/04/0085, 88/04/0029).

 

Notmaßnahmen nach dem zweiten Satz des § 360 Abs 4 GewO 1994 dürfen nur getroffen werden, wenn Gefahr unmittelbar droht. Solche Maßnahmen sind allerdings bereits dann zulässig, wenn die Behörde Grund zur Annahme hat, dass zur Gefahrenabwehr Sofortmaßnahmen an Ort und Stelle erforderlich sind. Voraussetzung für solche Sofortmaßnahmen sind daher

1.

das Vorliegen einer konkreten solche Maßnahmen an Ort und Stelle erforderlich machenden Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder das Eigentum, die durch eine den Bestimmungen der Gewerbeordnung unterliegende oder gleichgestellte Tätigkeit verursacht worden ist, sowie

2.

die vorausgegangene Verständigung einer in dieser Gesetzbestimmung näher bezeichneten Person.

 

Diese Voraussetzungen haben nun nach Ansicht der Berufungsbehörde unbestreitbar vorgelegen. Zum Zeitpunkt der (faktischen) Schließung der Betriebsanlage lag , entgegen dem genehmigten Projekt , kein brandschutztechnisch abgeschlossenes Stiegenhaus vor. Die gesamte Betriebsanlage (inklusive Heizraum und Lagerraum für brennbare Flüssigkeiten) hat einen einzigen Brandabschnitt (!) gebildet. Allein vor diesem Hintergrund war die Schließung der Betriebsanlage an Ort und Stelle gerechtfertigt. Auch die Tatsache, dass zudem in der gesamten Betriebsanlage brennbare Flüssigkeiten und diverse Öle gelagert wurden sowie stark beschädigte elektrische Betriebsmittel, Installationen und Einrichtungen vorlagen, bestätigt die Richtigkeit der von der Erstinstanz verfügten Schließung der Betriebsanlage. Der Schließung der Betriebsanlage vorausgegangen ist die Verständigung des (gewerbe- und handelsrechtlichen) Geschäftsführers der H. GmbH, nämlich Herrn W. H.

 

Wie darüber hinaus die Überprüfung am 06.05.2008 durch die Erstinstanz ergeben hat, verfügt die Betriebsanlage nach wie vor nicht über ein , so wie dies im genehmigten Projekt vorgesehen ist , brandschutztechnisch abgeschlossenes Stiegenhaus. Auch die übrigen dargelegten (gravierenden) Mängel sind nicht behoben. Damit sind die Voraussetzungen für die verfügte Maßnahme weiterhin gegeben. Bedingt durch die bestehende Gefahrensituation , die durch die im Akt einliegenden Lichtbilder in augenscheinlicher Weise dokumentiert wird , konnte letztlich auch nur die Schließung der Betriebsanlage in ihrer Gesamtheit erfolgen.

 

Die Berufungswerberin hat darüber hinaus auch den Kostenspruch des erstinstanzlichen Bescheides bekämpft. Die Erstinstanz hat gemäß der Landes-Kommissionsgebührenverordnung 2007 , LKGV Kommissionsgebühren in der Höhe von insgesamt Euro 128,00 vorgeschrieben (zwei Amtsorgane durch vier halbe Stunden; je angefangene halbe Stunde Euro 16,00).

 

Gemäß § 75 Abs 1 AVG sind Kosten für die Tätigkeit der Behörden in Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu tragen, sofern sich aus den §§ 76 bis 78 nicht anderes ergibt. Nach § 76 Abs 1 AVG hat dann, wenn der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen erwachsen, dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese von Amts wegen zu tragen sind, im allgemeinen die Partei aufzukommen, die um die Amtshandlung angesucht hat. Gemäß Abs 2 dieser Bestimmung sind dann, wenn die Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht wurde, die Auslagen von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten nach dieser Bestimmung die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind. Gemäß § 77 Abs 1 AVG können für Amtshandlungen der Behörden außerhalb des Amtes Kommissionsgebühren eingehoben werden. Hinsichtlich der Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühren ist § 76 leg cit sinngemäß anzuwenden.

 

Vorliegend hat nicht die Berufungswerberin um die Durchführung der Amtshandlung angesucht, sondern es wurde diese von Amts wegen angeordnet. Wenn die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet wurde, belasten nach dem im vorliegenden Fall maßgebenden zweiten Satz des § 76 Abs 2 AVG die Auslagen die Berufungswerberin dann, wenn sie durch ihr Verschulden herbeigeführt worden sind. Voraussetzung für die Verpflichtung zum Kostenersatz ist also ein gemäß § 1294 ABGB zu beurteilendes Verschulden (vgl VwGH 02.12.1997, Zl 97/05/0191). Ein Verschulden liegt insbesondere dann vor, wenn die Partei sorglos vorgeht und die Verfahrenshandlungen provoziert (vgl Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht3, Rz 655).

 

Ein derartiges Verschulden liegt nun aber nach Ansicht der erkennenden Behörde zweifellos vor. Die Betriebsanlage der Berufungswerberin befindet sich in einem Zustand, die letztlich die Schließung der Anlage erforderlich gemacht hat. Dazu war allerdings vorher eine entsprechende Überprüfung erforderlich. Damit ist die Vorschreibung der Kommissionsgebühren für zwei Amtsorgane durch je vier halbe Stunden zu Recht erfolgt.

 

Soweit schlussendlich noch gerügt wird, dass der bekämpfte Bescheid nicht unterfertig sei, ist auf die Vorschrift des § 82a AVG zu verweisen, wonach bis zum Ablauf des 31.12.2010 schriftliche Ausfertigungen von elektronisch erstellten Dokumenten , ein solches Dokument stellt der bekämpfte Bescheid dar , keiner Unterschrift, Beglaubigung oder Amtssignatur bedürfen (vgl aber auch § 81 Abs 14 AVG in der Fassung vor der Novelle BGBl I Nr 5/2008).

 

Der Berufung kommt daher insgesamt keine Berechtigung zu, weshalb wie im Spruch zu entscheiden war.

Schlagworte
Vom, gefährdeten, Personenkreis, ist, im, § 360, Abs 4, GewO 1994, keine, Beschränkung, auf, Nachbarn, vorgesehen, insbesondere, sind, also, auch, Fälle, der, Gefahr, für, das, Leben, oder, die, Gesundheit, von, Arbeitnehmern, und, Kunden, erfasst, Diese, Voraussetzungen, haben, nun, nach, Ansicht, der, Berufungsbehörde, unbestreitbar, vorgelegen, Zum, Zeitpunkt, der, (faktischen), Schließung, lag, entgegen, dem, genehmigten, Projekt, kein, brandschutztechnisch, abgeschlossenes, Stiegenhaus, vor, Die, gesamte, Betriebsanlage, hat, einen, einzigen, Brandabschnitt, gebildet, Allein, vor, diesem, Hintergrund, war, die, Schließung, der, Betriebsanlage, an, Ort, und, Stelle, gerechtfertigt
Zuletzt aktualisiert am
26.11.2008
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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