TE Vfgh Erkenntnis 1998/12/16 B261/97

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.12.1998
beobachten
merken

Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art83 Abs2
RAO §2 Abs2

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung eines Antrags auf Anerkennung der Tätigkeit in einer ausländischen Rechtsanwaltskanzlei als praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt mangels Eintragung des Antragstellers in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Schriftsatz vom 23. April 1995 beantragte der Beschwerdeführer beim Ausschuß der Rechtsanwaltskammer Wien die Feststellung, daß seine Tätigkeit in der Rechtsanwaltskanzlei C, G, S & H in New York bzw. Frankfurt vom 7. September 1993 bis zum 17. November 1994 als praktische Verwendung "bei einem Rechtsanwalt" im Sinne des §2 Abs2 zweiter Satz RAO anerkannt werde.

Mit Bescheid der Abteilung II des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 16. Mai 1995 wurde dieser Antrag zurückgewiesen. Begründet wurde dies damit, daß der Antragsteller weder derzeit in der Liste der Rechtsanwaltsanwärter der Rechtsanwaltskammer Wien eingetragen sei noch bis zuletzt war, weshalb es für das konkrete Antragsbegehren auf Anrechnung gemäß §2 RAO an den die Zuständigkeit der Rechtsanwaltskammer Wien begründenden Voraussetzungen fehle.

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung an den Ausschuß der Rechtsanwaltskammer Wien. Dieser bejahte seine Zuständigkeit und das Vorliegen eines Feststellungsinteresses, verneinte jedoch das Bestehen der Voraussetzungen für die gewünschte Anrechnung. Er gab daher mit Bescheid vom 30. April 1996 der Vorstellung Folge und änderte den Spruch des angefochtenen Bescheides auf Abweisung des Antrags des Beschwerdeführers ab.

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK), der mit Bescheid vom 4. November 1996 nicht Folge gegeben wurde. Begründend wurde dem Sinne nach u.a. ausgeführt, daß es an den sachlichen Voraussetzungen für die Erlassung des begehrten Feststellungsbescheides gefehlt habe; deshalb sei schon aus diesem Grund das Begehren zutreffend "abgelehnt" worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der mit näherer Begründung die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

3. Die OBDK als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (vgl. zB VfSlg. 8828/1980), etwa, wenn die Behörde einen antragsbedürftigen Bescheid erläßt, ohne daß ein Antrag der Partei vorliegt (vgl. zB VfSlg. 5163/1965, 5419/1966).

Hier sind zumindest in erster und letzter Instanz die zuständigen Behörden, nämlich die Abteilung II des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien sowie die OBDK eingeschritten. Die Frage nach der Gesetzmäßigkeit des Einschreitens des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) als Mittelinstanz kann hier ungeprüft auf sich beruhen, weil nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes selbst eine gesetzwidrige Einbindung dieser Behörde in das Verfahren in Form der Hinzufügung als weitere Instanz das Grundrecht des Art83 Abs2 B-VG nicht verletzt hätte (vgl. VfSlg. 9169/1981, 9776/1983).

Da die belangte Behörde in Wahrheit eine Sachentscheidung getroffen hat (siehe Abschnitt 1.3.), ist es unter dem Blickwinkel des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter unerheblich, welcher prozeßtechnischer Mittel sie sich hiebei bediente und ob sie richtig entschied.

Der Beschwerdeführer ist sohin durch den Bescheid vom 4. November 1996 nicht in diesem Recht verletzt worden.

4.2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen, die auch vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen werden, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht nur durch eine willkürliche Gesetzesanwendung bzw. durch Unterstellung eines gleichheitswidrigen Inhaltes verletzt worden sein.

Derartige schwerwiegende, in die Verfassungssphäre reichende Fehler sind der belangten Behörde aber nicht anzulasten:

Es ist jedenfalls die Annahme vertretbar, daß nach der RAO jemand erst mit der Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter zum Rechtsanwaltsanwärter im funktionellen Sinn wird und daher die Rechtsanwaltskammer die gesetzlichen inhaltlichen Voraussetzungen für die Erlassung eines Feststellungsbescheides über die Anrechnung einer "zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderlichen praktischen Verwendung" iSd. §2 RAO zu Recht verneinen durfte, wenn ein solcher Feststellungsbescheid von einem extraneus, also von einer Person, die nicht Rechtsanwaltsanwärter (oder ein bei der Finanzprokuratur tätiger Jurist) ist oder war, beantragt wird.

Der Beschwerdeführer ist sohin durch den angefochtenen Bescheid auch nicht im Gleichheitsrecht verletzt worden.

4.3. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht behauptet und kam auch im Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht hervor; ebensowenig entstanden - aus der Sicht dieser Beschwerdesache - verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften; der Beschwerdeführer wurde mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

5. Die Beschwerde war bei der gegebenen Sach- und Rechtslage als unbegründet abzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Rechtsanwälte, Rechtsanwaltskammer, Berufsrecht, Feststellungsbescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B261.1997

Dokumentnummer

JFT_10018784_97B00261_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten