TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/15 98/07/0039

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Veröffentlicht am 15.11.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §42 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs2;
WRG 1959 §111 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde der Marktgemeinde N, vertreten durch den Bürgermeister, dieser vertreten durch Dr. Paul Herzog, Rechtsanwalt in Mittersill, Kirchgasse 12, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft (nunmehr: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) vom 24. Jänner 1998, Zl. 514.004/02-I 5/97, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Peter Kaiser in N), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 4. August 1997 hat der Landeshauptmann von Salzburg (kurz: Landeshauptmann) der beschwerdeführenden Partei die wasserrechtliche Bewilligung zur Erweiterung der Ortskanalisation (Ortsnetzerweiterung) durch Verlegung von Kanalsträngen (Schmutzwasserkanäle, Haupt- und Nebensammler) im Ortsteil R, bei einer Gesamtlänge der Kanalstränge von ca. 1.266 m und einem Anschlusswert von 38 EGW (Projekt Erweiterung 1997/2) unter näher ausgeführten Auflagen insbesondere gemäß den §§ 32 Abs. 2 lit. a und 99 Abs. 1 lit. d WRG 1959 erteilt.

Unter Spruchpunkt VII wird unter dem Titel "Grundbenützung und Entschädigung" u.a. Folgendes verfügt:

"Hinsichtlich der durch das Projekt berührten Grundstücke sind die erforderlichen Dienstbarkeiten gemäß § 111 Abs. 4 WRG 1959 mit der Erteilung dieser Bewilligung als eingeräumt anzusehen, da die Anlagen bei Einhaltung der Auflagen unter Spruchpunkt II fremden Grund in einem für die Betroffenen nur unerheblichen Ausmaß in Anspruch nehmen und weder von den Grundeigentümern eine Einwendung erhoben noch von diesen oder dem Bewilligungswerber ein Antrag auf ausdrückliche Einräumung einer Dienstbarkeit nach § 63 WRG 1959 gestellt wurde ......"

Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Berufung und brachte im Wesentlichen vor, er sei mit der Verlegung der Abwasserleitung von seinem Nachbarn A. S., vulgo H., auf sein Grundstück nicht einverstanden, weil ihm infolge des "Nichterhaltens" eines Lageplans nicht einmal bekannt sei, wo sie genau verlegt werde. Durch die Schächte könnten für ihn auch Nachteile entstehen. Ferner baue er sich eine vollbiologische Kläranlage und weigere sich dann, sich an das Kanalnetz anzuschließen.

In der Folge wurde der beschwerdeführenden Partei von der belangten Behörde eine zweiwöchige Frist zur Äußerung bzw. Stellungnahme eingeräumt.

Die beschwerdeführende Partei teilte der Behörde daraufhin mit Eingabe vom 16. September 1997 u.a. mit, dass das Projekt "Kanal R" am 21. Jänner 1997 in einem näher genannten Gasthof "vorgestellt" und in allen Details erläutert worden sei. Im Zuge der nochmalige Überarbeitung der Trassenführung - so die beschwerdeführende Partei weiter - sei die Trasse des Kanals im Bereich des Mitbeteiligten mit ihm persönlich festgelegt worden. Eine umfangreiche und ausreichende Information des Mitbeteiligten sei in der Wasserrechtsverhandlung vom 15. Juli 1997 erfolgt, an der der Mitbeteiligte zumindest zeitweise teilgenommen habe. Dabei sei diesem der genaue Verlauf der geplanten Kanalführung erklärt und im Lageplan vorgezeigt worden.

In weiterer Folge klärte die belangte Behörde ab, ob allenfalls eine Präklusion des Mitbeteiligten vorliege, weil dieser trotz ausgewiesener Ladung zur mündlichen Verhandlung am 15. Juli 1997 nicht persönlich erschienen sei und auch keinen bevollmächtigten Vertreter entsandt habe.

Die belangte Behörde hielt der Behörde erster Instanz im Zuge einer ergänzenden Überprüfung der Lage des Grundstücks des Mitbeteiligten vor, dass dieses Grundstück durch die gegenständliche Anlage in einem mehr als nur unerheblichen Ausmaß in Anspruch genommen werde, und demnach § 111 Abs. 4 WRG 1959 nicht als Rechtsgrundlage - wie im erstinstanzlichen Bescheid angenommen - dienen könne.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 24. November 1997 vertrat der Landeshauptmann die Auffassung, dass der Mitbeteiligte auf Grund der eingetretenen Präklusionsfolgen der Inanspruchnahme seines Grundeigentums durch die Kanalverlegung zugestimmt habe, und demnach durch die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung keine Rechte des Grundeigentümers verletzt worden seien. Da der Grundeigentümer - so der Landeshauptmann in der Stellungnahme weiter - im gegenständlichen wasserrechtlichen Verfahren weder Einwendungen gegen die Kanalverlegung wegen des Umfangs der hiefür erforderlichen Grundinanspruchnahme erhoben habe, noch sonstige Forderungen gestellt worden seien, sei die Wasserrechtsbehörde erster Instanz bei ihrer Entscheidung davon ausgegangen, dass "auf Grund der stillschweigenden Zustimmung" des Mitbeteiligten dessen Grundeigentum durch die Kanalverlegung in einem nur unerheblichen Ausmaß in Anspruch genommen werde, weshalb gemäß § 111 Abs. 4 WRG 1959 als Rechtsgrundlage herangezogen worden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24. Jänner 1998 wurde auf Grund der Berufung des Mitbeteiligten der erstinstanzliche Bescheid vom 4. August 1997 gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, es ergebe sich zwar aus dem vorgelegten Aktenmaterial, dass der Mitbeteiligte infolge nicht rechtzeitiger Erhebung von Einwendungen gegen das gegenständliche Vorhaben eine Präklusion seiner Ansprüche gegen sich wirken lassen müsse, und es sei auch weder ein Antrag auf ausdrückliche Einräumung einer Dienstbarkeit nach § 63 WRG 1959 gestellt, noch eine ausdrückliche Vereinbarung über die Einräumung einer solchen getroffen worden. Die belangte Behörde könne jedoch nicht die Rechtsansicht teilen, wonach "auf Grund der infolge Präklusion anzunehmenden stillschweigenden Zustimmung des Mitbeteiligten zum gegenständlichen Vorhaben" davon auszugehen sei, dass sein Grundeigentum durch die Kanalverlegung in einem nur unerheblichen Ausmaß in Anspruch genommen werde.

Es sei vielmehr Sache der Behörde, im Rahmen des amtswegig durchzuführenden Ermittlungsverfahrens auch das Maß der Beeinträchtigung fremder Rechte durch ein Vorhaben festzustellen. Da eine von der belangten Behörde anhand der vorliegenden Projektsunterlagen vorgenommene Überprüfung, ob das Grundeigentum des Mitbeteiligten durch das gegenständliche Projekt wirklich nur in einem unerheblichen Ausmaß in Anspruch genommen werde, ergeben habe, dass dem nicht so sei, habe somit auch nicht § 111 Abs. 4 WRG 1959 als Rechtsgrundlage herangezogen werden können. Das erstinstanzliche Verfahren leide somit an einem Mangel in der Sachverhaltsfeststellung, welche eine Zurückweisung gemäß § 66 Abs. 2 AVG rechtfertige.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die beschwerdeführende Partei bringt insbesondere vor, die belangte Behörde habe zu Unrecht keine Sachentscheidung erlassen. Ferner habe sie nicht nur den den Mitbeteiligten betreffenden Teil des Projektes bzw. der Projektsbewilligung behoben und zur neuerlichen Sachentscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen, sondern auch den von niemandem angefochtenen Teil. Die belangte Behörde habe auch keinen überprüfbaren Grund für die Annahme angeführt, dass der Mitbeteiligte in seinem Grundeigentum in einem nicht nur unerheblichen Umfang berührt werde. In der erneut durchzuführenden mündlichen Verhandlung werde seitens der Behörde auf den Abschluss einer ausdrücklichen Vereinbarung über die Inanspruchnahme des Grundeigentums des Mitbeteiligten durch das gegenständliche Vorhaben hinzuwirken sein. Sollte es zu keiner gütlichen Übereinkunft hinsichtlich diese Eigentumseingriffs kommen, sei die Möglichkeit einer Zwangsrechtsbegründung zu prüfen.

Mit Bescheid vom 13. März 1998 berichtigte die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid vom 24. Jänner 1998 gemäß § 62 Abs. 4 AVG dahingehend, dass der Bescheid des Landeshauptmanns vom 4. August 1997 betreffend das beeinträchtigte Grundeigentum dieses Berufungswerbers gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen wird.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, es ergebe sich aus der Begründung des Bescheides der belangten Behörde unzweifelhaft, dass sich der festgestellte und zur Zurückweisung führende Mangel in der Sachverhaltsfeststellung der Wasserrechtsbehörde erster Instanz allein auf das durch das gegenständliche Projekt in Anspruch genommene Eigentum des Mitbeteiligten beziehe.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Von der mitbeteiligten Partei wurde keine Äußerung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wird ein vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtener Bescheid nach Erhebung der Beschwerde von der belangten Behörde berichtigt, dieser Berichtigungsbescheid vom Beschwerdeführer aber unangefochten belassen, so hat der Verwaltungsgerichtshof den berichtigten Bescheid seiner Überprüfung zu Grunde zu legen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Aufl., S. 546, wiedergegebene Judikatur).

Die vorliegende Beschwerde wurde am 10. März 1998 zur Post gegeben. Der Berichtigungsbescheid stammt hingegen vom 13. März 1998 (Bescheiddatum) und blieb unangefochten. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher im Sinne der vorzitierten hg. Judikatur den angefochtenen Bescheid in der Fassung des Berichtigungsbescheides zu prüfen. Es erübrigt sich daher auch, auf den Vorwurf der beschwerdeführenden Partei, die belangte Behörde habe eine zu umfangreiche Aufhebung nach § 66 Abs. 2 AVG durchgeführt, näher einzugehen.

Die beschwerdeführende Partei wendet insbesondere ein, die belangte Behörde habe von der Regelung des § 66 Abs. 2 AVG ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, somit zu Unrecht Gebrauch gemacht und keine Sachentscheidung erlassen.

Die Berufungsbehörde darf eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens berechtigt demnach die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 2 AVG nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn sich dieser Mangel nicht anders als mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Form von Rede und Gegenrede aller an der Sache beteiligten Personen und aller sonst für eine Ermittlung (Erhebung der Tatsachen und deren Erhärtung durch Beweise) in Betracht kommenden Personen, die daher gleichzeitig am gleichen Ort zu einer mündlichen Verhandlung versammelt werden müssen, beheben lässt. In allen anderen Fällen hat die Berufungsbehörde immer in der Sache selbst zu entscheiden und die dafür notwendigen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens unter Heranziehung der Behörde erster Rechtsstufe oder selbst vorzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 1996, Zl. 95/07/0025, m.w.N.).

Das von der Wasserrechtsbehörde erster Instanz bei der mündlichen Verhandlung behandelte Projekt der beschwerdeführenden Partei ließ schon aus den Einreichunterlagen klar erkennen, welche Grundstücke des Mitbeteiligten von diesem Projekt berührt werden. Auf der Basis dieser Projektsunterlagen wurde die mündliche Verhandlung vor der Behörde erster Instanz am 15. Juli 1997 abgeführt. Unbestritten steht auch fest, dass der Mitbeteiligte, der zu dieser Verhandlung von der Behörde geladen war, gegen das Projekt anlässlich der Verhandlung keine Einwendungen erhob. Die belangte Behörde ging daher auch zutreffend von der Präklusion des Mitbeteiligten im gegenständlichen Verfahren aus.

War aber der Mitbeteiligte präkludiert, so konnte die belangte Behörde auf Grund seiner Berufung weder zu einer anders lautenden Sachentscheidung gelangen noch mit einer Zurückweisung nach § 66 Abs. 2 AVG vorgehen.

Eine allfällige Verletzung der objektiven Rechtsordnung, die im vorliegenden Fall durch die Heranziehung des § 111 Abs. 4 WRG 1959 an Stelle einer Zwangsrechtseinräumung möglicherweise vorliegt, kann von der präkludierten Partei im Verfahren nicht geltend gemacht werden (vgl. auch die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, unter E 125, S 626, wiedergegebene hg. Judikatur).

Aus den dargelegten Gründen belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren betreffend die Erstattung von Stempelgebühren war abzuweisen, weil die Beschwerdeführerin als Gebietskörperschaft im Rahmen ihres öffentlich

rechtlichen Wirkungskreises gemäß § 2 Z. 2 Gebührengesetz 1957 von der Entrichtung von Gebühren befreit ist.

Wien, am 15. November 2001

Schlagworte

Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungsrecht und Präklusion (AVG §42 Abs1)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998070039.X00

Im RIS seit

23.04.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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