TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/21 2001/08/0101

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Veröffentlicht am 21.11.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §24 Abs1;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §36 Abs2;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §47;
AVG §59 Abs1;
NotstandshilfeV §2 Abs1;
NotstandshilfeV §2 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der B in W, vertreten durch Dr. Arno Klecan, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bräunerstraße 10/5, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 7. Mai 2001, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2001-5824, betreffend Widerruf, Berichtigung und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt.

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht nach der Aktenlage seit 10. Oktober 1996 in Bezug von Notstandshilfe (unterbrochen durch den Bezug von Karenzurlaubsgeld im Zeitraum vom 31. März 1997 bis 19. Juli 1998).

Auf Grund einer anonymen Anzeige vom 23. Oktober 2000 erlangte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice davon Kenntnis, dass die Beschwerdeführerin mit dem Vater ihrer drei Kinder Manfred B. seit 13 Jahren in Lebensgemeinschaft wohne. Die von der regionalen Geschäftsstelle eingeleiteten Ermittlungen förderten zunächst Niederschriften zu Tage, die von der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Donaustadt, am 3. und 4. Juli 2000 (im Zusammenhang mit Vorerhebungen gegen Manfred B. auf Grund einer Anzeige der Beschwerdeführerin) mit der Beschwerdeführerin und Manfred B. aufgenommen wurden. Manfred B. gab darin an, mit der Beschwerdeführerin seit 13 Jahren in Lebensgemeinschaft zu leben, welche im April 2000 von der Beschwerdeführerin beendet worden sei. Aus dieser Lebensgemeinschaft seien drei Kinder hervor gegangen, die bei der Beschwerdeführerin lebten. Auch die Beschwerdeführerin gab an, mit Manfred B. von 1987 bis April 2000 eine Lebensgemeinschaft unterhalten zu haben.

Nach Ermittlung der Arbeitsverdienste des Manfred B. seit September 1996 durch amtswegige Einholung von Lohnbestätigungen erließ die regionale Geschäftsstelle den Bescheid vom 7. Februar 2001, worin sie aussprach, dass gemäß § 28 in Verbindung mit § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 10. Oktober 1996 bis 20. Jänner 2000 "widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und gemäß § 38 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 AlVG" die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe im Gesamtbetrag von S 96.399,-- verpflichtet werde. Nach Zitierung der von der belangten Behörde angewendeten gesetzlichen Bestimmungen wurde der Bescheid nur damit begründet, dass die Beschwerdeführerin die Notstandshilfe für den Zeitraum vom 10. Oktober 1996 bis 20. Jänner 2000 "teilweise zu Unrecht bezogen" habe, da sie dem AMS die Lebensgemeinschaft mit Manfred B. von 1987 bis April 2000 nicht gemeldet habe. Durch die rückwirkende Richtigstellung ab 1996 ergebe sich die erwähnte Rückforderung. Einen Hinweis auf die Höhe der berichtigten Notstandshilfe bzw. auf das Ausmaß des auf die Notstandshilfe angerechneten Einkommens des Manfred B. enthalten weder Spruch noch Begründung dieses Bescheides.

Im Berufungsverfahren nahm die Landesgeschäftsstelle mit der Beschwerdeführerin und Manfred B. Niederschriften auf. Die Beschwerdeführerin gab darin an, dass 1987 die Beziehung mit B. begonnen habe. Sie hätten zuerst bei den Eltern der Beschwerdeführerin, anschließend in verschiedenen Wohnungen, meist in Untermiete gemeinsam gewohnt. Sie hätte oft mit B. gestritten, der dann des Öfteren für Wochen wieder ausgezogen sei. Im Jahr 1990 seien die Beschwerdeführerin und B. sowie die beiden Töchter in die Wohnung der Beschwerdeführerin im 22. Bezirk gezogen. Dies sei eine Gemeindewohnung, die auf die Beschwerdeführerin "überschrieben" sei. 1990/91 sei B. zu seiner Schwester ausgezogen. Er habe oft an den Wochenenden bei der Beschwerdeführerin und den Kindern genächtigt und sie hätten auch teilweise die Freizeit gemeinsam verbracht. Seine Wäsche habe seine Schwester versorgt, die Miete für die Wohnung habe die Beschwerdeführerin (zur Gänze) bestritten, die Mittel zur Haushaltsführung habe sie zum großen Teil bereitgestellt, wobei B. Zuschüsse an die Beschwerdeführerin gegeben habe. Die Situation habe sich seit 1990 nicht wesentlich verändert. B. wohne jedoch nicht mehr bei seiner Schwester, sondern habe eine eigene kleine Wohnung, die er auch finanziere. Ab und zu nächtige er bei der Beschwerdeführerin und den gemeinsamen Kindern, man gehe dann gemeinsam auch einkaufen, B. unterstütze die Familie finanziell, da es der Beschwerdeführerin mit der Notstandshilfe nicht möglich sei, sich, die Kinder und die Wohnung zu erhalten. Gelegentlich verbringe man auch die Freizeit gemeinsam. Die Wohnung der Beschwerdeführerin bestehe aus vier Zimmern und Nebenräumen. Manfred B. gab an, dass er 1996 aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und in die Wohnung seiner Schwester übersiedelt sei. Er habe sich immer um seine Kinder gekümmert und zahle auch Alimente. Er führe mit der Beschwerdeführerin eine "offene Beziehung" und habe des Öfteren versucht, die "Beziehung zu retten", daher hätten die Beschwerdeführerin und er auch ein drittes Kind. Danach sei die Beziehung beendet worden. Für die Wohnung und die Lebenshaltungskosten komme B. ganz alleine auf. Er zahle der Beschwerdeführerin lediglich die Alimente, Zuschüsse zahle er ab und zu für seine "Kinder (Kleidung ...)". Der Begriff Lebensgemeinschaft sei eigentlich nicht richtig, es sie vielmehr eine "offene Beziehung", die jedoch nach dem dritten Kind 1997 beendet worden sei. Somit sei der Zeitpunkt April 2000 in der (eingangs schon erwähnten) Niederschrift vom 3. Juli 2000 "eigentlich auch falsch". Im April 2000 sei die Beschwerdeführerin eine andere Beziehung eingegangen. Von 1990 bis 1996 habe eine Lebensgemeinschaft mit der Beschwerdeführerin bestanden. In dieser Zeit hätte er mit ihr gemeinsam gewohnt und auch gemeinsam gewirtschaftet.

Aus einer Bestätigung des Wohnungsamtes der Stadt Wien vom 4. Jänner 2000 geht hervor, dass Manfred B. seit 1. Jänner 2000 die Mietrechte an seiner Wohnung nach der bisherigen Hauptmieterin Karin B. fortsetze.

Die belangte Behörde führte darüberhinaus eine örtliche Erhebung durch, über die ein Bericht vom 22. März 2001 angefertigt wurde. Darin heißt es, dass die Postzustellabteilung des Postamtes 1220 und der für die Wohnung der Beschwerdeführerin zuständige Hausbriefträger bekannt gegeben hätten, dass an der Adresse der Beschwerdeführerin sowohl diese als auch Manfred B. bekannt seien und beide Personen auch "in der Postkartei als postempfangsberechtigte Personen" aufschienen. Es würden "unverändert bis zum heutigen Tage Post- und Briefsendungen an Herrn B. in das Hausbriefkasterl eingelegt und auch regelmäßig behoben". Eine Erhebung an der Adresse der Beschwerdeführerin habe ergeben, dass diese regelmäßig an unterschiedlichen Tagen zu verschiedenen Tageszeiten meist in Begleitung eines mittelgroßen dunkelhaarigen ca. 35 bis 40-jährigen Mannes gesehen werde. Es werde vermutet, dass es sich dabei um den "Mann bzw. Lebensgefährten" der Beschwerdeführerin handle, zumal auch die Kinder den Genannten mit "Papa" ansprechen würden. Bei der Vorsprache in der Wohnung am 22. März 2001 um 8.30 Uhr sei die Wohnungstüre von der Beschwerdeführerin geöffnet worden. Diese habe angegeben, dass sie seit Jahren mit B. eine Bindung habe, sie verstünden sich "sehr gut im Bett, daher bleiben wir auch weiterhin zusammen - wie verleben gerade jetzt wieder eine sehr schöne Zeit". B. sei der Kindesvater der drei gemeinsamen Kinder, die Kinder hingen abgöttisch an ihm und schwärmten von ihrem Papa. Sie halte es für besser, wenn die Kinder B. alle Tage um sich hätten. Da sie schon seit 3 Monaten kein Geld vom AMS bekomme, sei es nur selbstverständlich, dass B. für sie sorge. Der in der Wohnung ebenfalls angetroffene B. habe die Ausführungen der Beschwerdeführerin bestätigt. In seiner Wohnung wohne jetzt ein aus Deutschland eingereister Onkel. Die Beschwerdeführerin habe im Zuge der Einvernahme erklärend angegeben, dass das Zusammenleben mit B. lediglich im Zeitraum März 2000 bis Mai 2000, also für 3 Monate unterbrochen gewesen sei, weil die Beschwerdeführerin in dieser Zeit mit einem anderen Mann zusammen gewohnt habe. Von diesem Mann werde vermutet, dass er der "Überbringer der ominösen Niederschriften und Anzeigen beim AMS" sei. Zu einer weiteren Niederschrift hätten sich die Genannten nicht bereit erklärt. Mit Bescheid vom 7. Mai 2001 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Nach Zitierung der von ihr angewendeten gesetzlichen Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes sowie der Bestimmungen der Notstandshilfeverordnung und einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens stellte die belangte Behörde fest, dass "in

freier Würdigung der Beweise ... bei einer lebensnahen Betrachtung

des Gesamtbildes von einer Lebensgemeinschaft" der Beschwerdeführerin mit B. auszugehen sei. Unbestritten sei, dass B. der Vater der 3 Kinder der Beschwerdeführerin sei. Weiters läge auch eine Wohn- bzw. Wirtschaftsgemeinschaft vor, da B. gelegentlich bei der Beschwerdeführerin wohne und auch Zahlungen für die Lebenshaltungskosten leiste, gemeinsam mit ihr einkaufen gehe und die Freizeit größtenteils mit ihr gemeinsam verbringe. Zu den Wohnverhältnissen seien unterschiedliche und widersprüchliche Angaben gemacht worden: Während die Beschwerdeführerin angegeben habe, B. sei 1991 aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen, habe dieser angegeben, erst 1996 wieder ausgezogen zu sein. Widersprüche fänden sich auch in den Aussagen hinsichtlich des Bestehens einer Lebensgemeinschaft, insbesondere im Verhältnis der Angaben bei der Bundespolizeidirektion Wien zu jenen bei der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice. Die Angaben bei der Bundespolizeidirektion Wien erachtete die belangte Behörde als glaubwürdiger. Daher habe sie es als erwiesen angenommen, dass die Beschwerdeführerin mit B. eine Lebensgemeinschaft führe, weshalb sein Einkommen auf die Notstandshilfe anzurechnen gewesen sei. Die Rückforderung begründete die belangte Behörde wie folgt:

"

Zeitraum

berichtigte Nostandshilfe

tgl. Anspruch

Differenz

10.10.96-07.12.96

S 209,60

S 78,60

S 7.729.--

30.07.98-31.07.98

S 231,90

S 186,--

S 91,80

01.08.98-15.08.98

S 231,90

S 0

S 3.478,50

01.12.98-31.12.98

S 231,90

S 0

S 7.188,90

01.01.99-28.07.99

S 232,80

S 0

S 48.655,20

10.08.99-21.10.99

S 232,80

S 0

S 16.994,40

08.11.99-28.11.99

S 232,80

S 0

S 4.888,80

11.12.99-15.12.99

S 232,80

S 0

S 1.164,--

25.12.99-31.12.99

S 232,80

S 0

S 1.629,60

01.01.00-20.01.00

S 234,10

S 0

S 4.682,--

Insgesamt:

S 96.502,20

Die Rückforderung beträgt daher S 96.503,-- (EUR 7.013,15)"

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bekämpft zunächst die Feststellungen der belangten Behörde, wonach sie mit Manfred B. von 1987 bis April 2000 in Lebensgemeinschaft gelebt habe: Die Behörde habe ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren unterlassen, insbesondere die Beschwerdeführerin nicht ausreichend angeleitet. Die Behörde hätte klären müssen, was von der Beschwerdeführerin unter "Lebensgemeinschaft" verstanden werde. Die getrennte Wohnungsnahme von B. habe nicht dem verpönten Zweck gedient, dass die Beschwerdeführerin Notstandshilfe beziehen könne, sondern sei auf Grund persönlicher Probleme erfolgt. Auch die "Motivation der Aussagen vor der Bundespolizeidirektion Wien" sei nicht näher geprüft worden. Der Begriff der Lebensgemeinschaft im Sinne des Strafrechtes sei zwar ein ähnlicher wie im Arbeitslosenversicherungsgesetz, jedoch sei "die Zielrichtung eine andere" und das Motiv für die Aussagen der Beschwerdeführerin und B.'s "ein anderes gewesen". Die Beschwerdeführerin habe "das Element der Lebensgemeinschaft deshalb hervorgehoben, um dem Vater ihrer Kinder allfällige strafrechtliche Schwierigkeiten zu ersparen". Die Behörde habe es auch unterlassen, nachzufragen, warum sich B. im Zeitpunkt der Nachschau vom 22. März 2001 in der Wohnung aufgehalten habe. Er habe sich "einen Tag nach einer Operation" befunden und die Beschwerdeführerin ersucht, "sich um ihn zu kümmern". Die Beschwerdeführerin wäre anzuleiten gewesen "sämtliche Unterlagen, die ihr wirtschaftliches Leben und jenes Herrn B's. betreffen, vorzulegen, um feststellen zu können, dass eine getrennte wirtschaftliche Lebensführung vorliegt".

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes besteht das Wesen einer Lebensgemeinschaft in einem eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und (vor allem) Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber, wie auch bei einer Ehe, das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Jenes Element, um dessentwillen die Lebensgemeinschaft im konkreten Regelungszusammenhang von Bedeutung ist, nämlich das gemeinsame Wirtschaften, ist jedoch unverzichtbar (vgl. auch dazu die Erkenntnisse vom 21. Mai 1996, Zl. 95/08/0147, vom 3. September 1996, Zl. 95/08/0283 und vom 10. März 1998, Zl. 96/08/0339).

Der im Gesetz angeordneten Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten liegt offenkundig die Annahme zu Grunde, dass dieser wegen der Lebens- (Wohn-)Gemeinschaft auch zum gemeinsamen Wirtschaften zumindest zum Teil (etwa durch Mitfinanzierung der Miete oder der Ernährung) beiträgt (vgl. das Erkenntnis vom 3. September 1996, Zl. 95/08/0283). Gemeinsames Wohnen allein begründet auch zwischen Personen, die gemeinsame Kinder haben, noch keine Lebensgemeinschaft (vgl. das Erkenntnis vom 21. Mai 1996, Zl. 95/08/0147). Es ist vielmehr jenes Element, um dessentwillen die Lebensgemeinschaft im konkreten Regelungszusammenhang von Bedeutung ist, nämlich der Gesichtspunkt gemeinsamen Wirtschaftens, unverzichtbar (vgl. auch dazu das Erkenntnis vom 3. September 1996, Zl. 95/08/0283)

Die belangte Behörde hat das Bestehen einer Lebensgemeinschaft bejaht, sich dabei aber nicht isoliert darauf beschränkt, die seinerzeitigen Angaben der Beschwerdeführerin und des Manfred B. bei der Bundespolizeidirektion Wien als ausschließlichen Beweis für das Bestehen einer Lebensgemeinschaft heranzuziehen, sondern hat auch die von ihr aufgenommenen Niederschriften, die eingeholten postamtlichen Auskünfte und die gepflogenen Erhebungen an Ort und Stelle in ihre Beweiswürdigung einbezogen. Wenn sie aus dem Gesamtbild der eingangs wiedergegebenen Beweisergebnisse, insbesondere auch auf Grund des Eingeständnisses von Beiträgen des B. zur Wirtschaftsführung der Beschwerdeführerin, den Schluss gezogen hat, dass zwischen der Beschwerdeführerin und B. im hier maßgebenden Zeitraum vom 10. Oktober 1996 bis 20. Jänner 2000 eine Lebensgemeinschaft bestanden hat, so kann dies nicht als unschlüssig erachtet werden.

Ob man bei anderer Würdigung der Beweisergebnisse ebenso schlüssig zu anderen Tatsachenfeststellungen gelangen könnte, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen. Die Beschwerde vermag auch nicht aufzuzeigen, dass der Behörde ein Verstoß gegen die Denkgesetze oder die Außerachtlassung eines für die Beweiswürdigung wesentlichen Umstandes unterlaufen wäre.

Die Beschwerde rügt allerdings im Ergebnis mit Recht, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid unzureichend begründet hat:

Es trifft zwar nicht zu, dass die Behörde Erhebungen zum Nettoeinkommen des mit der Beschwerdeführerin in Lebensgemeinschaft lebenden B. nicht angestellt hat, sie hat die Ergebnisse dieser Erhebungen aber der Beschwerdeführerin nicht mitgeteilt und ihr dadurch - entgegen § 45 Abs. 3 AVG - auch keine Gelegenheit gegeben, zu diesen Beweisergebnissen Stellung zu nehmen. Aber auch aus der oben wiedergegebenen Tabelle des angefochtenen Bescheides ist nicht ersichtlich, in welcher Höhe die belangte Behörde Einkünfte des B. festgestellt und auf welche Weise sich diese Einkünfte auf die Notstandshilfe der Beschwerdeführerin angerechnet hat. Damit hat die belangte Behörde die Beschwerdeführerin - entgegen § 60 AVG - über die wesentlichen Grundlagen ihrer Entscheidung nicht unterrichtet und sie damit in der Verfolgung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte behindert. Sie hat aber auch den Verwaltungsgerichtshof an der nachprüfenden Kontrolle des angefochtenen Bescheides insoweit gehindert, zumal es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist, anhand der im Akt befindlichen Lohnbestätigungen und der auf Grund dieser Lohnbestätigung angefertigten Rechenstreifen die Vorgangsweise der belangten Behörde zu rekonstruieren, um sich so erst in die Lage zu versetzen, prüfen zu können, ob der angefochtene Bescheid in jenem Teil, in dem es ihm an Begründung mangelt, zumindest der Aktenlage entspricht.

Schließlich entspricht auch der den - insoweit selbst schon mangelhaften - erstinstanzlichen Bescheid bestätigende Spruch des angefochtenen Bescheides insoweit nicht dem Gesetz, als darin die neue Höhe der Notstandshilfe, soweit sie nicht zur Gänze widerrufen bzw. eingestellt worden ist, sondern nur der Höhe nach berichtigt wurde, nicht festgesetzt wurde. Soweit die Behörde dem Antrag nicht vollständig stattgibt, hat sie gem. § 47 zweiter Satz AlVG einen Bescheid zu erlassen. Dieser Verpflichtung wird nur dann dem Gesetz entsprechend nachgekommen, wenn in diesem Bescheid über die Höhe der Geldleistung abgesprochen wird. Soweit also im Nachhinein eine Geldleistung nicht zur Gänze widerrufen oder eingestellt, sondern nur berichtigt wird, ist die berichtigte Höhe dieser Leistung in den Spruch des Bescheides (und nicht bloß in die Begründung des Berufungsbescheides) aufzunehmen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Verfahren der Beschwerdeführerin zunächst zu den diesbezüglichen Ergebnissen ihrer Ermittlungen, einschließlich des von ihr angestellten Rechenvorganges Parteiengehör zu gewähren und - sollte die belangte Behörde wiederum zum selben Ergebnis gelangen - diese Verfahrensergebnisse in der Begründung ihres Bescheides nachvollziehbar darzustellen haben. Sie wird dabei auch auf die Frage einzugehen haben, ob beim Lebensgefährten der Beschwerdeführer ein schwankendes Einkommen vorlag, wobei bejahendenfalls die Anrechung im Sinne des § 6 Abs. 8 der Notfallshilfeverordnung vorzunehmen sein würde.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Mit der Entscheidung über die Beschwerde ist der Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.

Wien, am 21. November 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001080101.X00

Im RIS seit

02.04.2002

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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