TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/23 2001/19/0034

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Veröffentlicht am 23.11.2001
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
20/09 Internationales Privatrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §10 Abs2 Z1;
FrG 1997 §10 Abs3;
IPRG §1 Abs1;
IPRG §24;
MRK Art8;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des am 19. Februar 1956 geborenen OF in W, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. März 2001, Zl. 128.019/2-III/11/00, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Philippinen, beantragte am 6. Juni 2000 "die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung/Sichtvermerk für jeden Aufenthaltszweck" mit einer Gültigkeit von 24 Monaten ab positiver Erledigung dieses Antrags. Der Beschwerdeführer wies darauf hin, dass sich im Bundesgebiet seine beiden Schwestern und sein Schwager, jeweils österreichische Staatsbürger, befänden; in der Hauptmietwohnung einer der Schwestern bestehe für den Beschwerdeführer eine gesicherte Unterkunft, durch das geregelte Arbeitseinkommen der anderen Schwester sei auch ein gesicherter Unterhalt gegeben.

Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 29. September 2000 den Antrag nach § 19 Abs. 3 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) mangels einer Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ab.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er darauf hinwies, er wolle keine unselbständige Erwerbstätigkeit ausüben. Er habe vielmehr ausdrücklich behauptet und bewiesen, dass für ihn durch seine zahlreichen weiblichen Verwandten, welche bereits österreichische Staatsbürger seien, sowohl eine gesicherte Unterkunft als auch ein gesichertes Einkommen bestehe.

Die belangte Behörde forderte den Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 16. November 2000 auf, den genauen Aufenthaltszweck, den er anstrebe, bekannt zu geben, ebenso den derzeitigen Aufenthaltsort bzw. den Aufenthaltsort zum Zeitpunkt der Antragstellung. Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes seien in Kopie nachzuweisen, ebenso ein Rechtsanspruch auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft; schließlich sei auch ein alle Risken abdeckender Krankenversicherungsschutz nachzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2000 brachte der Beschwerdeführer vor, er habe zum Nachweis einer gesicherten Unterkunft den Mietvertrag vom 3. Dezember 1993 vorgelegt. Zum Nachweis eines gesicherten Unterhaltes habe er die Dienst- und Lohnbestätigung seiner Schwester vorgelegt. Weiters brachte er vor, es befänden sich in seinem Heimatland keine Verwandten mehr, weshalb er an der Aufrechterhaltung familiärer Beziehungen interessiert sei. Er habe bereits bekannt gegeben, eine Aufenthaltsberechtigung für jeden Aufenthaltszweck zu begehren, insbesondere dem der Familiengemeinschaft sowie der selbständigen und/oder unselbständigen Tätigkeit.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit den §§ 10 Abs. 2 Z. 1 und 14 Abs. 3 FrG 1997 ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der bezughabenden Gesetzesbestimmungen stellte die belangte Behörde fest, es sei kein aktueller Nachweis der Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers vorgelegt worden. Der Beschwerdeführer habe lediglich auf die Lohnbestätigung seiner Schwester verwiesen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verschaffe das Bestehen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches gegen eine Person, die in der Lage sei, diesen zu erfüllen, eigene Mittel. Ein solcher Unterhaltsanspruch bestehe gegenüber der Schwester des Beschwerdeführers jedoch nicht. Da der Beschwerdeführer auch keine eigenen Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes vorgewiesen habe, könne seinem Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 nicht stattgegeben werden.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, im Bundesgebiet (auch) eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausüben zu wollen, sei festzuhalten, dass eine Erstniederlassungsbewilligung diesfalls nur erteilt werden dürfte, wenn für den Beschwerdeführer eine Sicherungsbescheinigung oder eine Beschäftigungsbewilligung ausgestellt worden sei, oder wenn er über eine Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein verfüge. Eine solche arbeitsmarktrechtliche Bestätigung im Sinne des § 19 Abs. 3 FrG 1997 habe der Beschwerdeführer nicht vorgelegt, weshalb die belangte Behörde die Möglichkeit auf Zugang zu legaler Beschäftigung und einer ordnungsgemäß erlaubten Arbeitsaufnahme verneinen müsse. Weiters habe der Beschwerdeführer angegeben, eine Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seinen österreichischen Schwestern anzustreben. Der Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreichern" gemäß § 47 und 49 FrG 1997 beziehe sich auf Ehegatten und Verwandte in absteigender und aufsteigender Linie. Die Familiengemeinschaft mit Geschwistern sei nach dem FrG 1997 nicht vorgesehen, wodurch auch die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft ausgeschlossen sei. Zu § 8 FrG 1997 sei festzustellen, dass durch den Aufenthalt der Schwestern des Beschwerdeführers im Bundesgebiet jedenfalls familiäre Bindungen in Österreich bestünden. In seinem konkreten Fall hätte den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen absolute Priorität eingeräumt werden müssen, weil der Beschwerdeführer keinen aktuellen Nachweis hinsichtlich eigener Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes habe erbringen können. Sein Antrag sei daher abzuweisen gewesen, weil die Sicherung des Lebensunterhaltes eine wichtige Grundvoraussetzung für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung darstelle.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde und machte Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 10 Abs. 2 und 3 FrG 1997 lauten (auszugsweise):

"§ 10.

...

(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere versagt werden, wenn

1. der Fremde nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise verfügt;

2. der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruches;

...

(3) Die Behörde kann einem Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs. 2 Z 1 oder 2 ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis erteilen, wenn ... auf Grund der Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten gesichert erscheint, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung ist unzulässig."

Unstrittig ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügte. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde seinen Antrag als solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung wertete.

Aus dem angefochtenen Bescheid geht hervor, dass die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers unter anderem deshalb abgewiesen hat, weil sie der Auffassung war, es läge der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 (Fehlen ausreichender eigener Mittel zum Unterhalt) vor und sei auch wirksam geworden.

Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde vor, die belangte Behörde habe das Bestehen von engsten familiären Beziehungen als "absolutes Nichts" gewertet und "die auf den familiären Bindungen gegebene Beistandspflicht vollkommen grundlos glattweg verneint". Durch die familiären Bande bestehende gegenseitige Verpflichtungen seien im bürgerlichen Recht statuiert und im Bedarfsfall auch durchsetzbar.

Im vorliegenden Verfahren hat der Beschwerdeführer lediglich die Staatsbürgerschaftsnachweise seiner Schwestern und eines Schwagers sowie die Arbeits- und Gehaltsbestätigung einer Schwester vom 19. Mai 2000 vorgelegt. Eine Erklärung seiner Schwester, den Beschwerdeführer durch Gewährung von Unterhalt unterstützen zu wollen, legte dieser während des Verfahrens nicht vor. Die bloße Behauptung des Beschwerdeführers, seine Schwester werde ihn unterstützen, lässt aber nicht auf das Vorliegen eines rechtsgültig zu Stande gekommenen Unterhaltsvertrages zwischen ihm und seiner Schwester schließen. Dass ein solcher abgeschlossen wurde, wird vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet.

Der Beschwerdeführer beruft sich hinsichtlich eigener Mittel in Form (realisierbarer) Unterhaltsansprüche vielmehr auf eine gesetzliche Verpflichtung seiner Schwester, die im ABGB bzw. im philippinischen Recht statuiert sei.

§ 24 IPRG legt fest, dass die Wirkungen der Ehelichkeit und der Legitimation eines Kindes nach dessen Personalstatut zu beurteilen ist. § 24 IPRG kann (allenfalls) auch als Anknüpfungspunkt für die Unterhaltsansprüche von Geschwistern untereinander verstanden werden; allerdings nur in den Fällen, in denen die Geschwister gleiche Staatsangehörigkeit haben (so offenbar das LG Krems im Urteil vom 7. März 1997, Zl. 2 R 1376/96g); im vorliegenden Fall unterschiedlicher Staatsangehörigkeit (der "Kinder", an deren Personalstatut anzuknüpfen wäre) kann aus dieser Bestimmung aber nichts gewonnen werden. Analoge Überlegungen kämen wohl auch im Falle einer unehelichen Geburt gemäß § 25 Abs. 2 IPRG zum Tragen.

Der diesfalls anzuwendende § 1 IPRG verweist nun auf die Rechtsordnung, zu der die stärkste Beziehung besteht. Der Beschwerdeführer meint, im Anschluss an seine Einwanderung nach Österreich stehe ihm ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch gegen seine Schwester zu. Im Hinblick auf den dann vorliegenden Wohnsitz beider Geschwister in Österreich geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers nicht ausreicht, um im Sinne des § 1 Abs. 1 IPRG die stärkste Beziehung zur philippinischen Rechtsordnung annehmen zu können. Es ist dann vielmehr eine stärkere Beziehung zur österreichischen Rechtsordnung gegeben (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen Schwimmanns in Rummel, Kommentar zum ABGB2, 2. Band, Nebengesetze zu § 18 Abs. 2 zweiter Satz IPRG, wo es für die Bejahung der stärksten Beziehung von Ehegatten zu einem Staat als ausreichend erachtet wurde, dass der eine Ehegatte gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat hat, dessen Staatsangehöriger der andere Ehegatte ist).

Die solcherart anzuwendende österreichische Rechtsordnung sieht aber - im Gegensatz zur philippinischen Rechtsordnung (vgl. § 194 des philippinischen Familiengesetzbuches, abgedruckt in Bergmann/Fried, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht) - keine Unterhalts- oder Beistandspflicht von Geschwistern untereinander vor. Dem Beschwerdeführer stehen daher auch keine, auf gesetzlicher Grundlage bestehenden Unterhaltsansprüche gegen seine österreichische Schwester, deren Einkommen er allein nachgewiesen hat, zur Verfügung.

Besteht aber weder eine vertragliche noch eine gesetzliche Verpflichtung seiner Schwester zur Leistung von Unterhalt an den Beschwerdeführer und macht der Beschwerdeführer keine anderen ihm zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel geltend, so kann auch der Schluss der belangten Behörde, der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 liege vor, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Zwar trifft es zu, dass der Ausdruck "kann" im § 10 Abs. 2 FrG 1997 dahingehend zu verstehen ist, dass die Behörde bei Anwendung eines der dort angeführten Versagungsgründe zu prüfen hat, ob ein durch diese Anwendung erfolgter Eingriff in ein durch Art. 8 MRK geschütztes Recht des Antragstellers aus den in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Gründen gerechtfertigt ist. Unter diesem Aspekt macht der Beschwerdeführer seine familiären Beziehungen zu seinen Schwestern geltend. Art. 8 MRK normiert allerdings keine allgemeine Verpflichtung des Staates, einem Fremden einen Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung zur Niederlassung zum Zweck des Familiennachzuges zu gewähren. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass ein durch Art. 8 MRK geschützter Anspruch auf Aufnahme einer Familiengemeinschaft mit der (Familie der) Schwester nicht besteht. Damit erübrigt sich aber im vorliegenden Fall eine Erforderlichkeitsprüfung gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 97/19/0651).

Der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 ist daher wirksam geworden und die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 8 Abs. 1 FrG 1997 unzulässig. Auf Grund des Wirksamwerdens bereits dieses Versagungsgrundes hatte - in diesem Zusammenhang - eine Ermessensentscheidung unter Heranziehung der in § 8 Abs. 3 FrG 1997 genannten Kriterien zu unterbleiben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zl. 98/19/0153).

Weil bereits dieser Versagungsgrund der Erteilung eines Aufenthaltstitels an den Beschwerdeführer jedenfalls entgegenstand, erübrigte sich ein Eingehen auf die weiters von der belangten Behörde herangezogenen Abweisungsgründe.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. November 2001

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001190034.X00

Im RIS seit

29.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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