TE Vwgh Erkenntnis 2001/12/12 2000/03/0111

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Veröffentlicht am 12.12.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs2 idF 1994/518;
StVO 1960 §99 Abs1 litb idF 1998/I/092;
VStG §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. Josef Thaler und Mag. Wilfried Huber, Rechtsanwälte in 6280 Zell am Ziller, Dorfplatz 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 16. Februar 2000, Zl. uvs-1999/7/023-3, betreffend Übertretung gemäß der StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 4. Oktober 1998 durch sein im Zeitraum zwischen 20.49 Uhr und 21.15 Uhr auf einer bestimmten Landesstraße in einem näher beschriebenen Bereich gesetztes Verhalten, nämlich indem er sich nicht bereit erklärt habe, in das Gendarmeriefahrzeug einzusteigen, um zum nächstgelegenen Gendarmerieposten mitzufahren, die Vornahme eines Alkotests beim nächstgelegenen Gendarmerieposten verweigert, obwohl er im Verdacht gestanden sei, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand am 4. Oktober 1998 um 20.30 Uhr im näher beschriebenen Bereich einen nach dem Kennzeichen bestimmten PKW in südliche Richtung gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verschuldet zu haben, indem er einen entgegenkommenden PKW gestreift habe. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Tagen) verhängt.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 2 StVO, BGBl. Nr. 159/1960 i.d.F. BGBl. Nr. 518/1994, sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand

1.

ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder

2.

als Fußgänger einen Verkehrsunfall verursacht zu haben,

auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO i.d.F. BGBl. I Nr. 92/1998 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von

S 16.000,-- bis S 80.000,--, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,

              "b)              wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht."

Der Beschwerdeführer macht geltend, die einschreitenden Organe seien nicht berechtigt gewesen, den Beschwerdeführer zum Zwecke der Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächstgelegenen Dienststelle zu bringen. In der Anzeige der Gendarmerie werde behauptet, der Beschwerdeführer hätte sich ganz offensichtlich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden. Diese Behauptungen würden nicht näher begründet, obwohl auf Beilage 1 der Anzeige ausgeführt werde, dass der Beschwerdeführer lediglich ein großes Bier getrunken habe. Aus der Anzeige ergebe sich nicht, wie die Beurteilung betreffend die Alkoholisierungssymptome zu Stande gekommen sei. Der Beschwerdeführer habe, worauf er im Verfahren hingewiesen habe, eine eher undeutliche Aussprache, die durchaus als lallend gewertet werden könne. Warum der Gang des Beschwerdeführers als unsicher bzw. schwankend festgestellt worden sei, werde ebenfalls nicht begründet.

Diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu. Auf Grund der Wahrnehmungen der einschreitenden Organe wurde in der Beilage zur Anzeige im Hinblick auf die Beurteilung von Alkoholisierungssymptomen festgehalten, dass der Alkoholgeruch stark, der Gang des Beschwerdeführers unsicher, z.T. schwankend, die Sprache lallend und die Bindehäute des Beschwerdeführers leicht gerötet seien. Straßenaufsichtsorgane sind als befähigt anzusehen, das Vorliegen von Alkoholisierungssymptomen zu beurteilen. Nach der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 25. April 1997, Zl. 97/02/0050) genügt bereits das Vorliegen eines Symptoms, das für eine Alkoholbeeinträchtigung typisch ist. Auf welche Ursachen die Symptome, die einen durch Alkohol beeinträchtigten Zustand vermuten lassen, tatsächlich zurückzuführen sind, ist nach der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 14. Juli 1993, Zl. 92/03/0080) nicht von Bedeutung. Der Beschwerdeführer hat selbst das Vorliegen einer lallenden Sprache zugestanden; dieses Merkmal reicht für eine Vermutung der Alkoholisierung im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO hin.

Den Ausführungen in der Beschwerde, dass den Beschwerdeführer an dem konkreten Verkehrsunfall kein Verschulden getroffen habe, genügt es entgegenzuhalten, dass dies für die verfahrensgegenständliche Verwaltungsstraftat keine Rolle spielt.

Weiters meint der Beschwerdeführer, es liege keine Verweigerung des Alkotestes vor. Er sei dazu bereit gewesen, er habe aber zuvor seinen frei herumlaufenden Hund einfangen wollen, was ihm jedoch erst zu einem Zeitpunkt gelungen sei, als die Amtshandlung von den einschreitenden Beamten bereits für beendet erklärt worden sei.

Auch diesem Vorbringen des Beschwerdeführers kann nicht gefolgt werden. Eine Weigerung, die Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, liegt auch dann vor, wenn der Betreffende einer solchen an ihn gerichteten und auch von ihm verstandenen Aufforderung tatsächlich keine Folge leistet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. März 1968, Zl. 1377/67, und vom 15. Jänner 1982, Zl. 81/02/0305). Die belangte Behörde hat daher zutreffend festgestellt, dass der Alkoholtest auch bei einem grundsätzlichen Einverständnis dadurch verweigert wird, dass das Zustandekommen des Testes durch entsprechende Handlungen faktisch verhindert wird. Indem der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall den entlaufenen Hund einzufangen versuchte, was ihm in ca. 25 Minuten, in denen die Gendarmeriebeamten auf den Beschwerdeführer warteten, nicht gelang, hat er die Ablegung des Alkotestes verweigert.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, in dem Umstand, dass er den entlaufenen Hund einzufangen versucht habe, sei ein entschuldbarer Notstand gelegen. Er verweist dabei auf seine Haftung als Tierhalter gemäß § 1320 ABGB. Es handle sich dabei um eine verschuldensunabhängige Haftung des Tierhalters. Der unkontrollierte Freilauf eines Hundes sei jedenfalls generell als unzulässig zu beurteilen, sofern die Möglichkeit bestehe, dass das Tier eine befahrene Straße erreiche. Im vorliegenden Fall komme hinzu, dass der Jagdhund auf Grund des Verkehrsunfalles erschrocken gewesen sei. Die Hündin sei überdies hitzig (läufig) gewesen. Eine große und unmittelbar drohende Gefahr sei insbesondere dadurch gegeben gewesen, dass der Jagdhund des Beschwerdeführers einen Verkehrsunfall auslöse, wobei in solchen Fällen mit einem erheblichen Schadensausmaß gerechnet werden müsse. Nach zivilgerichtlichen Urteilen hafte der Tierhalter zu 100 %. Dies gelte auch in dem Fall, dass eine unfähige oder untüchtige Person als Aufsichtsperson ausgewählt werde. Wenn die belangte Behörde meine, es wäre dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen, eine andere Person mit der Suche nach seinem Hund zu beauftragen, sei dem entgegenzuhalten, dass - wie er dies im Verfahren vorgetragen habe - der Hund an ihn gebunden sei. Er habe ihn selbst ausgebildet, sodass er zu keinem fremden Menschen hingehe. Auch sein Sohn sei keine geeignete Aufsichtsperson, da ihm der Hund nicht folge. Auch dies habe er vor der belangten Behörde vorgetragen. Es sei auch nicht erwiesen, ob der Sohn des Beschwerdeführers zum fraglichen Zeitpunkt überhaupt verfügbar und erreichbar gewesen wäre. Im Übrigen wäre das Einfangen des Hundes einer fremden Person überhaupt nicht geglückt, da schon der Beschwerdeführer erhebliche Schwierigkeiten gehabt habe.

Dazu ist zunächst auszuführen, dass unter einem die Strafbarkeit ausschließenden (entschuldbaren) Notstand im Sinne des § 6 VStG, wie dies der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 18. September 1973, VwSlg. Nr. 8456 A/1973), der Fall einer Pflichten- (Interessen-)kollision zu verstehen ist, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbar Gefahr nur dadurch retten kann, das er eine sonst allgemein strafbare Handlung begeht. Wirtschaftliche Nachteile können nur dann Notstand begründen, wenn sie die Lebensmöglichkeiten selbst unmittelbar bedrohen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. April 1983, Zl. 82/04/0169). Des Weiteren gehört es zum Wesen des Notstandes, dass die Gefahr zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist und dass die Zwangslage nicht selbst verschuldet ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1998, Zl. 98/02/0331). Es muss sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1992, Zl. 92/02/0090). Die belangte Behörde hat dazu zutreffend die Auffassung vertreten, die vom Beschwerdeführer aufgezeigte Gefahr, der Hund könnte einen Verkehrsunfall verursachen, bloß eine mögliche nachteilige Folge darstellt, von einer schweren unmittelbar drohenden Gefahr kann dabei aber nicht gesprochen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1991, Zl. 91/02/0020, zur Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung durch den Verlust eines wertvollen Hundes, der aber nicht die Lebensmöglichkeit des Besitzers unmittelbar bedrohte). Der Beschwerdeführer hat in keiner Weise dargelegt, dass die Verkehrsverhältnisse auf der vorliegenden Landesstraße allenfalls solche besonderen gewesen wären, dass die Frage des Vorliegens einer schweren unmittelbar drohenden Gefahr allenfalls anders zu beurteilen gewesen wäre. Wenn im vorliegenden Fall aber das Vorliegen einer unmittelbar drohenden Gefahr für Leben, Freiheit oder Vermögen des Beschwerdeführers oder Dritter auszuschließen ist, braucht nicht mehr darauf eingegangen zu werden, ob die belangte Behörde auch zu Recht die Auffassung vertreten hat, der Beschwerdeführer hätte die ins Treffen geführte Gefahr auch in zumutbarer Weise auf andere Art beheben können, wenn er seinen Sohn herbeigerufen hätte. Auch aus dem Umstand, dass die Gendarmeriebeamten dem Beschwerdeführer beim Einfangen des Hundes nicht geholfen haben, kann für die Frage, ob ein Notstand vorgelegen sei, nichts gewonnen werden.

Da die belangte Behörde nicht davon ausgegangen ist, dass sich der Beschwerdeführer selbst in die Zwangslage versetzt hat (nämlich den Hund wieder einfangen zu müssen), ist es im Übrigen auch nicht verfahrenswesentlich, wenn die belangte Behörde dazu (nämlich durch welche Umstände es dem Hund während der Amtshandlung möglich war, das Auto zu verlassen) keine Feststellungen getroffen hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 12. Dezember 2001

Schlagworte

Alkotest Verweigerungfreie BeweiswürdigungAlkotest Straßenaufsichtsorgan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000030111.X00

Im RIS seit

02.04.2002

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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