TE Vwgh Erkenntnis 2001/12/13 2001/07/0115

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Veröffentlicht am 13.12.2001
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Index

L37134 Abfallabgabe Müllabgabe Sonderabfallabgabe Sondermüllabgabe
Müllabfuhrabgabe Oberösterreich;
L82404 Abfall Müll Sonderabfall Sondermüll Oberösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AWG OÖ 1997 §39 Abs1;
AWG OÖ 1997 §39;
AWG OÖ 1997 §4 Z1;
AWG OÖ 1997 §4;
GebG 1957 §14 TP5 Abs1;
GebG 1957 §14 TP6 Abs5 Z1 idF 1997/I/088;
GewO 1994 §360 Abs2;
GewO 1994 §360 Abs4 idF 1997/I/063;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde

1. des G und 2. der H Sch in P, vertreten durch Dr. Günther Klepp, Dr. Peter Nöbauer und Mag. Franz Hintringer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 28, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 13. Juli 2001, Zl. UR-710223/59/2001-Hay/Wu, betreffend einstweilige Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen gemäß § 39 des Oberösterreichischen Abfallwirtschaftsgesetzes,

1.) zu Recht erkannt:

Spruch

Auf Grund der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.180,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

2.) den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer betreibt auf näher bezeichneten Grundstücken der KG P. eine Kompostieranlage, auf der Grün-, Gras- , Strauch- und Baumschnitt sowie Biotonnenmaterial übernommen werden dürfen. Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. August 1998 war über Anzeige des Erstbeschwerdeführers vom 12. Mai 1998 gemäß § 46 Abs. 8 und § 19 Abs. 1 des Oberösterreichischen Abfallwirtschaftsgesetzes, LGBl. Nr. 86/1997 (Oö. AWG 1997), festgestellt worden, dass "die Kompostieranlage des (Erstbeschwerdeführers), auf Grundstücken Nr. ... KG P, bewilligungspflichtig ist und weiter betrieben werden darf."

Im März und Mai des Jahres 2000 langten bei der Behörde Anzeigen und Beschwerden von Anrainern über Luftbelastungen durch Sporen und Keime und über Geruchsbelästigungen durch die Anlage des Erstbeschwerdeführers ein, aus denen eine Gesundheitsgefährdung resultiere. U.a. wurde dabei ins Treffen geführt, dass die Kompostierungsanlage von den nächstgelegenen Anrainern lediglich ca. 40 m entfernt sei.

Zur Abklärung des Sachverhaltes, insbesondere einer allfälligen Gesundheitsgefährdung infolge vermehrten Auftretens von Sporen, wurde Univ.Prof. Dr. V., Facharzt für Sozialmedizin, mit Bescheid vom 13. September 2000 als nichtamtlicher Sachverständiger zur Befragung der Anrainer vor Ort und Erstellung eines Gutachtens bestellt. Diese Anrainerbefragung erfolgte am 26. September 2000. Auf Grundlage der Ergebnisse dieser Anrainerbefragung übermittelte der nichtamtliche Sachverständige ein Gutachten, aus dem hervorgeht, dass sich der Standort der Kompostieranlage in unmittelbarer Nähe eines Wohngebietes (Siedlung G.) befinde. Der nächstgelegene Anrainer sei nur 40 m von der Anlage entfernt, 5 Wohnhäuser lägen in einer Entfernung von etwa 100 m. Es sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass einige Anrainer einer unzumutbaren Geruchsbelastung ausgesetzt seien. Ob diese Geruchsbelastung die Richtwerte - stark wahrnehmbare Gerüche maximal 3 % Jahresstunden, wahrnehmbare Gerüche maximal 8 % der Jahresstunden - überschreite, können aus den Angaben nicht abgeleitet werden. Festzuhalten sei, dass Geruchsimmissionen einer Kompostierungsanlage für ein Wohngebiet nicht als ortsüblich anzusehen seien. Ein kausaler Zusammenhang zwischen den berichteten Gesundheitsstörungen und Emissionen/Immissionen der Anlage sei sehr unwahrscheinlich. Auch die vorliegenden ärztlichen Befunde wiesen nicht in diese Richtung. Da starke Staubentwicklung bei der Mietenwendung dokumentiert werde, könnten Irritationen der Schleimhäute und auch allergische Reaktionen (bei empfindlich reagierenden Personen) jedoch nicht völlig ausgeschlossen werden.

Es sei mit großer Sicherheit davon auszugehen, dass einige der berichteten Gesundheitsstörungen Toxikopien darstellten und daher von medizinischer Relevanz seien. Es sei davon auszugehen, dass es bei einigen Brunnen zu einem Eintrag landwirtschaftlicher Abwässer (Gülle und Kompost würden gemeinsam ausgebracht) gekommen sei und diese nicht mehr benutzt werden könnten. Aus medizinischer Sicht sei der Standort - auf Grund der oben genannten Befunde - für eine Kompostieranlage ungeeignet.

Aus dem "Anhang" dieses Gutachtens geht hervor, dass wahrnehmbare Umweltfaktoren und Umweltbedingungen auch bei Fehlen einer toxischen Wirkung zu einer wesentlichen Störung des Wohlbefindens führen könnten. Über Stressmechanismen und/oder Verhaltensbeeinflussung könne daraus sehr wohl ein Gesundheitsrisiko entstehen oder eine Toxikopie (= Kopie einer toxischen Reaktion). Das von der Sozialmedizin entwickelte Toxikopiemodell beschreibe vornehmlich körperliche Reaktionen, die durch subjektive Informationsbewertung über ein angeblich vorhandenes Gift ausgelöst würden. Die Reaktionen würden daher ohne relevante Schadstoffkonzentrationen auftreten und seien ausschließlich abhängig von der subjektiven Bedrohung. Es sei ein Schutzmechanismus, der wirksam werde, wenn die Bedrohung (ohne Anwesenheit einer Noxe) plausibel erscheine.

Es werde zwischen der spezifischen und unspezifischen Toxikopie unterschieden. Unspezifische Toxikopie liege vor, wenn die Bedrohung durch ein unbekanntes Gift erscheine und die Reaktion im Sinne einer Minimierung der Aufnahme (z.B. Schluckbeschwerden, Zunahme des Atemwiderstandes), durch die Erhöhung der Ausscheidung (z.B. Übelkeit, Erbrechen) oder Reduzierung des Stoffwechsels (z.B. Schwäche) erfolge. Eine spezifische Toxikopie liege dann vor, wenn die Person die Belastung zu kennen glaube (z.B. durch Information seitens glaubwürdiger Personen), und die Reaktion mit der entsprechenden spezifischen Antwort (im Sinne einer Placebo-Wirkung) erfolge.

Dieses Gutachten wurde dem Erstbeschwerdeführer zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt. In seiner Stellungnahme vom 8. März 2001 machte der Erstbeschwerdeführer zum einen geltend, seine Verfahrensrechte seien verletzt worden, weil ihm das Ergebnis der Anrainerbefragungen des nichtamtlichen Sachverständigen nur auszugsweise zur Einsicht vorgelegt worden sei; der Textteil der Aussagen der vom nichtamtlichen Sachverständigen befragten Personen sei ihm nicht zur Verfügung gestellt und bislang von der Akteneinsicht ausgenommen worden. Der nichtamtliche Sachverständige baue jedoch ausschließlich auf diesen Anrainerangaben auf und gelange in der Folge zum Ergebnis, dass der Standort für eine Kompostieranlage nicht geeignet sei. Er beantragte daher sämtliche der Anrainerbefragung zugrundeliegenden Erhebungsergebnisse vollständig zur Einsichtnahme zu erhalten.

Weiters wurde darauf hingewiesen, dass die behördlichen Bewilligungs- und Feststellungsbescheide rechtskräftig seien und die angedachte Untersagung bzw. Schließung der Anlage in die rechtskräftigen Bescheide eingreife. Die Kompostieranlage sei mit Bescheid vom 29. März 1996 wasserrechtlich bewilligt und mit Bescheid vom 17. Februar 1997 auch wasserrechtlich kollaudiert worden. Mit Bescheid vom 28. August 1998 sei die Kompostierungsanlage gemäß § 46 Abs. 4 Oö. AWG 1997 angepasst und festgestellt worden, dass sie bewilligungspflichtig sei und weiter betrieben werden dürfe. Diesem Bescheid sei die Anzeige nach § 46 Abs. 8 und 9 Oö. AWG 1997 zu Grunde gelegen.

Am 12. Mai 1998 sei die Anlage kommissionell überprüft und im Sinne der Oberösterreichischen

Kompostierungsanlagenverordnung 1993 (Oö. KompostAnlV) als Mittelkompostierungsanlage auf befestigter Fläche qualifiziert worden; des Weiteren sei gutachterlich festgestellt worden, dass die Anlage ordentlich betrieben werde und die Aufzeichnungen korrekt geführt würden. Es habe damals keine Geruchsentwicklung festgestellt werden können. Ausdrücklich sei festgestellt worden, dass die Anlage den Vorschriften und Grundsätzen der Oö. KompostAnlV sowie des Oö. AWG 1997 entspreche. Nachträgliche oder zusätzliche Auflagen in einem allfälligen Anpassungsbescheid seien aus kompostiertechnischer Sicht nicht erforderlich.

In der Folgezeit hätten unzählige Kontrolluntersuchungen (häufig auch unangemeldet) an Ort und Stelle stattgefunden. Statt vieler werde in diesem Zusammenhang auf die Ergebnisse der Nachschau vom 22. Mai 2000 verwiesen. Damals sei u.a. festgestellt worden, dass beim Betrieb der Anlage die Grundsätze nach § 4 Oö. AWG 1997 uneingeschränkt Beachtung fänden.

Auch bei einer am 28. September 2000 stattgefundenen (unangemeldeten) Überprüfung sei festgestellt worden, dass den Aufzeichnungspflichten nach den Bestimmungen der Oö. KompostAnlV 1998 voll nachgekommen werde und dass insbesondere keine Geruchsentwicklung festgestellt hätte werden können. Damals sei lediglich die Entleerung des Sickerwasserbeckens aufgetragen worden; diesem Antrag sei umgehend entsprochen worden. An diesem Zustand habe sich bis heute nichts geändert; es liege somit keine andere Sachverhaltsgrundlage vor, als jene, welche auch dem bis dato rechtswirksamen Bescheid vom 28. August 1998 zu Grunde gelegen war. Eine neuerliche Entscheidung in der Verwaltungssache wäre jedoch auf Grund "res iudicata" unzulässig und würde nachdrücklich als rechtswidrig bekämpft werden.

Weiters rügte der Erstbeschwerdeführer in der Stellungnahme das Gutachten des nichtamtlichen Sachverständigen als objektiv nicht überprüfbar, nicht nachvollziehbar und vage. So sei die Unzumutbarkeit der Geruchsbelastung nicht nachvollziehbar, weil unerfindlich bleibe, auf welche Erhebungsergebnisse sich diese Aussage tatsächlich stütze. Der Sachverständige übersehe auch, dass es bei der Mietenwendung nicht zu einer Staub- sondern zu einer Dampfbildung komme. Vor dem Hintergrund fehlender Angaben über die Art der Gesundheitsbeeinträchtigungen der Anrainer sei auch das Vorliegen von Toxikopien nicht nachvollziehbar. Derartige subjektive Reaktionen rechtfertigten aber nicht die Annahme, dass die gegenständliche Kompostieranlage dem allgemeinen Grundsatz des § 4 Abs. 1 Oö. AWG 1997 widerspreche. Auch die Aussage der Beeinträchtigung von Brunnen sei mangels konkreter Feststellungen, um welche Brunnen es sich handle und inwiefern die Anlage des Erstbeschwerdeführer damit in Zusammenhang stehe, vage und unbegründet.

Zusammengefasst stehe fest, dass die Ansicht des nichtamtlichen Sachverständigen, aus medizinischer Sicht sei der Standort für eine Kompostieranlage ungeeignet, auf unbekannt gebliebene, im Übrigen rein subjektive Angaben der Anrainer gestützt werde; wissenschaftliche Untersuchungen, welche in der Lage gewesen wären, die tatsächliche Ist-Situation zu erheben und die Anrainerangaben zu überprüfen sowie insbesondere festzustellen, ob und wenn ja, welche Emissionen auf die Anrainer einwirkten, seien gänzlich unterblieben. Die medizinische Schlussaussage werde daher ausdrücklich bestritten.

Am 4. Mai 2001 legte der nichtamtliche Sachverständige ein ergänzendes Gutachten vor, in welchem er die Frage, ob toxikopische Phänomene auch dann gegeben seien, wenn eine Staubbelästigung nicht mehr auftrete, bejahte und dies damit begründete, dass wahrnehmbare Umweltfaktoren und Umweltbedingungen auch bei Fehlen einer toxischen Wirkung zu einer wesentlichen Störung des Wohlbefindens führen könnten. Über Stressmechanismen und/oder Verhaltensbeeinflussung könne daraus sehr wohl ein Gesundheitsrisiko oder eine Toxikopie entstehen. Die Toxikopie werde vom Betroffenen subjektiv als Krankheit empfunden. Aus medizinischer Sicht sei daher ein Interventionsbedarf abzuleiten. Darüber hinaus könnten durch Stressmechanismen und/oder Verhaltensbeeinflussung Gesundheitsrisken entstehen und in weiterer Folge kausal begründbare Gesundheitsstörungen.

Auf die Frage, ob (technische) Maßnahmen denkbar wären, die das Auftreten der toxikopischen Phänomene hintanhalten könnten, führte der nichtamtliche Sachverständige aus, zur Behandlung und Vorbeugung von Toxikopien bedürfe es neben der Bevölkerungsinformation auch "eines Handlungsbedarfes" seitens der Anlagenbetreiber und des Gesetzgebers. In Bezug auf die Bevölkerung nennt der Sachverständige folgende Maßnahmen:

"-

Symptomatisch (Nebenwirkungen vermeiden)

-

Allgemeinen Informationsstand abklären.

-

Bedeutungsunterschiede von Grenzwerten für Öffentlichkeit, Arbeitsplatz und Individuum erklären.

-

Klarstellen, dass Präventivmechanismen wie Toxikopie oder Stress keine Geisteskrankheiten sind.

In Bezug auf Betrieb und Gesetzgeber:

-

Neuesten Stand der Technologie (Gerüche, Lärm) durchsetzen.

-

Alle potentiellen Emissionen limitieren

-

Genaue Zusammensetzung des Rohmaterials offen legen, zusätzliche Genehmigungspflicht bei Änderungen.

-

Überprüfung bei Emissions-, Immissions- und anderen relevanten Bedingung sicherstellen (zB. permanente Aufzeichnung).

-

Originalaufzeichnungen zugänglich machen.

-

Black Box-Situation vermeiden.

-

Überprüfbarkeit der Aussagen (aller Experten) sicherstellen.

-

Feedback-Mechanismen einrichten (Informationsmöglichkeit)

-

Literatur zugänglich machen.

-

rechtzeitige Information, bevor eine technische Verbesserung, ein neuer Anlagenteil usw. behördlich genehmigt werden soll."

Der Sachverständige schloss sein Gutachten mit der Bemerkung, es sei fraglich, ob in der vorliegenden Angelegenheit wegen der langen Zeitdauer der Angelegenheit und der kurzen Entfernung der nächstgelegenen Anrainer zur Anlage entsprechende Interventionsmaßnahmen noch zum Erfolg führen könnten.

Auch der Sachverständige für Kompostiertechnik erstattete ein Gutachten vom 3. Mai 2001, in dem die Ansicht vertreten wurde, dass eine mögliche Staubentwicklung beim Auf- bzw. anfänglichen Umsetzen der Kompostmieten durch den Einbau einer Bewässerungsanlage auf dem Wendegerät (Sprühdüsen) weitgehend vermieden werden könne. Aus kompostiertechnischer Sicht werde festgestellt, dass abgesehen von der Auf- und Umsetztätigkeit zu Beginn der Rotte eine Staubentwicklung beim Wenden der Kompostmieten weitgehend ausgeschlossen werden könne.

Der Erstbeschwerdeführer erstattete mit Schriftsatz vom 30. Mai 2001 zu den Gutachten eine Stellungnahme, in der er sein gesamtes bisheriges Vorbringen bzw. seine Anträge wiederholte und neuerlich geltend machte, die Aussagen der befragten Personen, die dem Gutachten des nichtamtlichen medizinischen Sachverständigen zugrundelägen, seien ihm noch immer nicht bekannt. Er sei daher in seinem Recht auf Akteneinsicht verletzt, sollte ihm diese nach neuerlichem Antrag wieder verweigert werden. Neuerlich wurde die Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit des Gutachtens des beigezogenen Sachverständigen für Medizin bestritten und die Bestellung eines anderen Sachverständigen aus diesem Fachgebiet beantragt. Ausdrücklich wurde bestritten, dass der gegenständliche Anlagenstandort aus medizinischer Sicht ungeeignet sei. Der Kausalzusammenhang zwischen der Anlage des Erstbeschwerdeführers und den allenfalls aufgetretenen toxikopischen Reaktionen der Anrainer bestehe nicht. Es handle sich um Überreaktionen Einzelner. Neuerlich wurde auf den mit der beabsichtigten Schließung der Anlage einhergehenden Eingriff in die Rechtskraft hingewiesen.

Am 27. Juni 2001 wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des Erstbeschwerdeführers Akteneinsicht gewährt und u.a. eine anonymisierte Ausfertigung der Anrainerbefragung (A1 bis A12) ausgefolgt. Am 29. Juni 2001 erstattete der Erstbeschwerdeführer dazu eine weitere Stellungnahme, in der er unter anderem vorbrachte, die Anrainerangaben seien teilweise gar nicht, teilweise nur durch Einsichtnahme in diverse Befunde überprüft worden. Laut Dr. V. handle es sich um Befunde, die "der Umweltrechtsabteilung bekannt sind (Anrainerbefragung Seite 2 unten)". Tatsächlich fänden sich diese Befunde weder im Behördenakt noch als Anhang zur Anrainerbefragung. Es lägen somit keine wie immer gearteten objektiven Beweismittel dafür vor, dass die betroffenen Anrainer tatsächlich unter den - behaupteten - Krankheitssymptomen litten und deswegen in ärztlicher Behandlung stünden. Eine Überprüfung durch objektive Befunde wäre geboten gewesen, wobei auch auf Vorerkrankungen - der Erstbeschwerdeführer verweist diesbezüglich auf die Anrainer A2, A3 und A12 -, welche mit der Kompostieranlage nicht in Verbindung gebracht werden könnten, Rücksicht zu nehmen wäre. Die Bestellung eines anderen medizinischen Sachverständigen werde beantragt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. Juli 2001 wurde mit sofortiger Wirkung die Übernahme und Kompostierung biogener Abfälle von Dritten (wie z.B. Grasschnitt, Grünschnitt, Baumschnitt, Strauchschnitt und Biotonnenmaterial) mit Ausnahme bereits übernommener bzw. aufgesetzter Materialien auf der von den Beschwerdeführern auf näher bezeichneten Grundstücken der KG P betriebenen Kompostieranlage untersagt; als Rechtsgrundlagen für diesen Spruchabschnitt I des angefochtenen Bescheides wurden die §§ 58 ff AVG sowie die §§ 4, 23 und 39 des Oö. AWG 1997 in der Fassung LGBl. Nr. 79/2000 herangezogen.

Unter Spruchabschnitt III. wurde den Anträgen und Einwendungen des Erstbeschwerdeführers, bekannt gegeben mit Schriftsätzen vom 8. März 2001, 30. Mai 2001 und 29. Juni 2001, gemäß § 17 AVG in Verbindung mit den §§ 23 und 39 Oö. AWG keine Folge gegeben.

Mit Spruchabschnitt II wurde Einwendungen und Anträgen der Gemeinde Puchenau mangels Parteistellung keine Folge gegeben; mit Spruchabschnitt IV wurde dem Antrag einer weiteren Partei auf Sicherung der Einfahrt zur Kompostieranlage mit einem Schranken keine Folge gegeben.

Aus rechtlicher Sicht führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Oö. AWG zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides aus, das Gutachten des Sozialmediziners lege für die Behörde schlüssig dar, dass aus der Natur der Sache bei Toxikopie eine objektive Sichtweise in Bezug auf Ursache und Wirkung einer gesundheitlichen Beschwerde nicht möglich sei, da, wie die Definition zur Toxikopie treffend feststelle, "es sich dabei um subjektive Reaktionen auf ein angebliches vorhandenes Gift, ohne dass eine derartige relevante Schadstoffkonzentration überhaupt vorliege", handle. Die Reaktionen würden daher ausschließlich in Abhängigkeit von einer subjektiven Bedrohung auftreten. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Erhebung der Ist-Situation seien in Bezug auf das Auftreten bzw. Zurückdrängen toxikopischer Phänomene nicht zielführend, weil diese unabhängig von tatsächlich vorhandenen Beeinträchtigungen auftreten würden. Toxikopie sei vielmehr ein dynamischer Vorgang, der im Wesentlichen nicht durch negative Umwelteinflüsse, sondern durch mangelnde Information über die Arbeitsweise an einer Anlage und mögliche Emissionen von Schadstoffen hervorgerufen würde. Verschärft werde diese Symptomatik auch durch z.B. falsch interpretierte, vom Betroffenen angeeignete Informationen über von Anlagen tatsächlich ausgehende Schadstoffe und deren mögliche Auswirkungen. Auch wenn somit die Angaben über Beschwerden überwiegend subjektiven Charakter hätten, die mit einer objektiv betrachteten tatsächlich bestehenden Gefährdung und den damit verbundenen gesundheitlichen Auswirkungen nicht kongruent seien, sei die Behörde aus den oben angeführten Gründen im Sinne des § 4 Oö. AWG 1997 zum Einschreiten verpflichtet.

Technisch/physikalische, objektive Untersuchungen seien nicht in der Lage, toxikopische Erscheinungen zu beseitigen. Sie dienten ausschließlich zur Feststellung der Einwirkung der von der Anlage ausgehenden Emissionen, könnten jedoch in diesem Fall für die Behörde keine Entscheidungsgrundlage darstellen. Allenfalls dienten sie dem Betreiber zur Festlegung der weiteren Vorgangsweise. Für die Deeskalation dieser Angelegenheit sei jedenfalls der Betreiber der Anlage verantwortlich.

Als Auslöser für die Einschränkung des gesundheitlichen Wohlbefindens der Anrainer sei in diesem Fall - subjektiv gesehen -

die Kompostieranlage der Beschwerdeführer und die allenfalls beim Betrieb entstehenden Emissionen anzusehen. Auf Grund von Toxikopie seien somit Gesundheitsbeeinträchtigungen feststellbar, die aus medizinischer Sicht als Krankheit zu beurteilen seien. Auf deren Entstehen habe der/die Betroffene keinerlei Einfluss. Es sei ein Schutzmechanismus, der wirksam werde, wenn die Bedrohung (ohne Anwesenheit einer Noxe) plausibel erscheine. Aus diesem Grund liege eine Verletzung der allgemeinen Grundsätze (§ 4 des Oö. AWG 1997) - insbesondere des Schutzes des Lebens und der Gesundheit von Menschen - vor. Auf Grund des sich darbietenden Krankheitsbildes könnten weitere Überprüfungen und wissenschaftliche Untersuchungen unterbleiben, weil sie keinerlei Einfluss auf die Verfassung der Betroffenen haben könnten. Zusammenfassend sei somit festzustellen, dass die Ausführungen im Gutachten des nicht amtlichen Sachverständigen plausibel, nachvollziehbar und schlüssig seien, sodass, wie in Spruchabschnitt I geschehen, zu entscheiden gewesen sei.

Spruchabschnitt III wurde damit begründet, dass dem Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Akteneinsicht und Zurverfügungstellung des sozialmedizinischen Gutachtens samt Anrainerangaben bereits Rechnung getragen worden sei, soweit dadurch nicht personenbezogene Daten bekannt gegeben wurden. Es sei daher weiters nicht mehr auf diesen Antrag einzugehen gewesen.

Erwachse ein Bescheid in materieller Rechtskraft, so entfalte er bestimmte Rechtswirkungen, nämlich Verbindlichkeit, Unwiderrufbarkeit und Unwiederholbarkeit. Sei ein Sachverhalt rechtskräftig entschieden, so könne über einen unveränderten Sachverhalt nicht mehr neu entschieden werden. Die Rechtsfeststellung werde damit endgültig. Eine neue Sachentscheidung könnte nur dann ergehen, wenn sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt wesentlich geändert habe. Bei näherer Betrachtung des Oö. AWG 1997 werde dieses Element zum Schutz des Menschen und der Umwelt insofern unterbrochen, als von der Bewilligungsbehörde zum Schutz der Grundsätze des § 4 zusätzliche Maßnahmen oder Baulichkeiten im Rahmen von nachträglichen Auflagen (§ 29), einstweilige Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen (§ 39) bzw. die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes (§ 40) vorzuschreiben bzw. das Erlöschen der abfallrechtlichen Bewilligung (§ 31) festzustellen sei. Im Sinne dieser Ausführungen werde der Bewilligungsbescheid vom 28. August 1998 nicht widerrufen oder wiederholt und es liege nicht eine Entscheidung in der selben Sache vor, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt auf Grund der Auswirkungen durch den Betrieb der Anlage und somit der Verletzung der Normen des § 4 Oö. AWG 1997 ein anderer sei. Darüber hinaus normiere § 39 Oö. AWG 1997 einstweilige Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen und stelle somit keinen Eingriff in einen bestehenden Bescheid dar.

Bis zum Inkrafttreten des Oö. AWG 1997 sei keine Bewilligungspflicht für die Kompostieranlage des Erstbeschwerdeführers vorgelegen, weil ständig lediglich ca. 600 m3 Kompostmaterial gelagert gewesen seien. Mit "Rechtskraft" des Oö. AWG 1997 seien die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung für Kompostierungsanlagen geändert und in den Übergangsbestimmungen die Vorgangsweise für bereits bestehende Anlagen festgelegt worden. Auf Grundlage dieser rechtlichen Bestimmungen sei der "Anpassungsbescheid" der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. August 1998 erlassen worden. Bei den in der Folge durchgeführten Überprüfungen sei im Wesentlichen keine Änderung in der Betriebsführung festgestellt worden. Der Erstbeschwerdeführer sei beim Betrieb der Anlage den Bestimmungen der Oö. KompostierungsAnlV 1998 nachgekommen. Diese Bestimmung stelle aber nur den Standard hinsichtlich der Errichtung, Absicherung und Betriebsweise dar und es könne somit trotz Erfüllung dieser Mindeststandards zu Geruchsbelästigungen kommen. Darüber hinaus könnten Überprüfungen lediglich zeitlich sehr eingeschränkte Beobachtungen wiedergeben und seien Geruchsbelästigungen von Witterung, Luftströmung, Rottefortschritt, Wendehäufigkeit usw. abhängig.

Die Aussage des nichtamtlichen Sachverständigen, die Geruchsbelastung sei für ein Wohngebiet nicht üblich, sei aber nicht kausal für die im Spruch angeführte Anordnung. Dafür sei vielmehr das Erscheinungsbild der Toxikopie ausschlaggebend.

Der Ansicht des Erstbeschwerdeführers sei zuzustimmen, dass er im Falle der Kompostierung von nur bei ihm als Landwirt anfallendem Stallmist gemäß § 17 Abs. 3 Oö. AWG 1997 keinerlei Bewilligungs- oder Anzeigepflicht unterläge, doch wäre es ihm nicht möglich, sonstige Materialien, die zur erfolgreichen Kompostierung in ausreichender Menge erforderlich seien, beizumengen, wenn diese nicht im eigenen Betrieb anfielen. Im Falle einer Verwendung von Materialien Dritter sei jedenfalls eine abfallrechtliche Bewilligungs- bzw. Anzeigepflicht gegeben. Für die Sammlung und Behandlung von Stallmist und Gülle im Sinne des § 2 Abs. 2 Oö. AWG 1997 sei nur dann kein öffentliches Interesse gegeben, wenn sie in einem landwirtschaftlichen Betrieb anfielen und im Bereich dieses Betriebes einer zulässigen Verwendung zugeführt würden. Die anlässlich der Errichtung der Anlage angefallenen Kosten seien schließlich im Sinne des § 39 Oö. AWG 1997 kein relevantes Entscheidungskriterium.

Die geforderten fachlichen Gutachten würden eine Grundlage für objektive Messung und Prüfung der Immissionen darstellen. Die bereits durchgeführten wiederkehrenden Überprüfungen der Anlage hätten gezeigt, dass diese weitestgehend entsprechend den rechtlichen Grundlagen betrieben werde. Anlass für das Verfahren seien aber die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Nachbarn. Die Behörde habe durch das für sie schlüssige sozialmedizinische Gutachten und dessen Aussagen über das Vorliegen einer Toxikopie den Grundsatz des § 4 Z. 1 Oö. AWG 1997 verletzt gesehen, weshalb keine Veranlassung für weitere Gutachten gesehen werde.

Nach den Bestimmungen des Oö. AWG 1997 stünden der Behörde zur Einhaltung der allgemeinen Grundsätze folgende Möglichkeiten zur Verfügung: die Vorschreibung nachträglicher Auflagen (§ 29), die Vorschreibung einstweiliger Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen (§ 39) und die Vorschreibung der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes (§ 40). Den verschiedenen Überprüfungsberichten sei zu entnehmen, dass die Kompostierungsanlage im Wesentlichen entsprechend den Vorschreibungen der KompostierungsAnlV geführt werde und die Mieten entsprechende Werte aufwiesen. Die Erteilung nachträglicher Auflagen erweise sich nicht als zielführend, weil nach dem Gutachten entsprechende Maßnahmen zur Vermeidung des Auftretens von Toxikopie bereits im Vorfeld eines Genehmigungsverfahrens oder Vorhabens durchgeführt werden müssten (z.B. Mediation). Die Anwendung der Bestimmung des § 40 Oö. AWG 1997 für die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes entbehre im anhängigen Fall der Voraussetzung des konkreten Tatbestandes. Einzig die Vorschreibung einstweiliger Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen könne den Anforderungen des § 4 Oö. AWG 1997 entsprechen und eine rasche Abhilfe bringen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der angefochtene Bescheid enthält die oben angeführten 4 Spruchpunkte. Die Beschwerdeausführungen beziehen sich nur auf Spruchpunkt I (Untersagung der Übernahme und Kompostierung biogener Abfälle von Dritten), sodass der Verwaltungsgerichtshof von der Bekämpfung nur dieses Spruchpunktes durch die vorliegende Beschwerde ausgeht.

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Oö. AWG 1997 lauten:

"§ 4. Unter Beachtung der Ziele des § 3 sind Abfälle nach Maßgabe des jeweiligen Standes der Technik so zu lagern, zu sammeln und abzuführen, zu befördern und zu behandeln, dass insbesondere

1. das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährdet werden, ...

§ 29. (1) Ergibt sich bei bewilligten Abfallbehandlungsanlagen oder Sammeleinrichtungen, dass mangels entsprechender behördlicher Auflagen oder trotz Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen Auswirkungen im Sinn des § 4 auftreten, so hat die Bewilligungsbehörde die zur Beseitigung dieser Auswirkungen erforderlichen (zusätzlichen) Auflagen auch nach Erteilung der abfallrechtlichen Anlagenbewilligung vorzuschreiben. Soweit solche Auflagen nicht zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen erforderlich sind, dürfen sie nur vorgeschrieben werden, wenn sie nicht unverhältnismäßig sind, vor allem, wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolgt steht.

(2) Zugunsten von Menschen, die erst nach Erteilung der abfallrechtlichen Anlagenbewilligung Parteien im Sinne des § 24 Abs. 1 Z. 5 und 6 geworden sind, sind Auflagen gemäß Abs. 1 nur soweit vorzuschreiben, als dies zur Vermeidung einer Gefahr für das Leben oder die Gesundheit dieser Menschen erforderlich ist.

(3) Die Abs. 1 und 2 gelten sinngemäß auch bei anzeigepflichtigen Anlagen bzw. Maßnahmen (§ 19 Abs. 2) und bei mobilen Abfallbehandlungsanlagen (§ 26).

§ 39. (1) Um die durch den Betrieb einer diesem Landesgesetz unterliegenden Anlage oder Maßnahme (§ 19 Abs. 1 und 2) verursachte Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für das Eigentum abzuwehren oder unzumutbare Belästigungen abzustellen, hat die Bewilligungsbehörde entsprechend dem Ausmaß der Gefährdung oder Belästigung mit Bescheid die gänzliche oder teilweise Schließung der Anlage, die Stilllegung von Maschinen oder sonstige die Anlage betreffende Sicherheitsmaßnahmen oder Vorkehrungen zu verfügen. Hat die Bewilligungsbehörde Grund zur Annahme, dass zur Gefahrenabwehr Sofortmaßnahmen an Ort und Stelle erforderlich sind, so darf sie nach Verständigung des Betreibers oder, wenn dessen Verständigung nicht ohne Verzögerung möglich ist, einer Person, die tatsächlich die Betriebsführung wahrnimmt, solche Maßnahmen auch ohne vorausgegangenes Verfahren und vor Erlassung eines Bescheides an Ort und Stelle treffen; hierüber ist jedoch binnen zwei Wochen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die getroffene Maßnahme als aufgehoben gilt. Der Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn er gemäß § 19 des Zustellgesetzes wegen Unzustellbarkeit an die Behörde zurückgestellt worden ist.

(2) Die Bescheide gemäß Abs. 1 sind sofort vollstreckbar; wenn sie nicht kürzer befristet sind, treten sie mit Ablauf eines Jahres, vom Tag der Rechtskraft an gerechnet, außer Kraft.

(3) Liegen die Voraussetzungen für die Erlassung eines Bescheides gemäß Abs. 1 nicht mehr vor und ist zu erwarten, dass in Hinkunft jene abfallrechtlichen Vorschriften, deren Nichteinhaltung für die Maßnahmen nach Abs. 1 bestimmend war, eingehalten werden, so hat der Behörde auf Antrag des Betreibers die mit Bescheid gemäß Abs. 1 getroffenen Maßnahmen ehestens zu widerrufen.

§ 40. (1) Wenn eine Abfallbehandlungsanlage oder eine Sammeleinrichtung ohne die nach diesem Landesgesetz erforderliche Bewilligung errichtet, betrieben oder geändert wird, ist dem Betreiber von der Behörde (§ 23) unabhängig von einer allfälligen Bestrafung aufzutragen, innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist entweder

1. um die nachträgliche Erteilung der Bewilligung anzusuchen, oder

2. die gesetzten Maßnahmen zu beseitigen bzw. die betreffenden Tätigkeiten einzustellen.

Die Möglichkeit nach Z. 1 ist nicht einzuräumen, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Bewilligung nicht erteilt werden kann.

§ 46. ...

(8) Bewilligungen gemäß den §§ 26 und 27 Oö. AWG 1990 gelten als Bewilligungen im Sinne der §§ 25 und 27 dieses Landesgesetzes. Bestehende Anlagen, die unter § 19 Abs. 1 fallen, aber bisher nicht bewilligungspflichtig waren, gelten als bewilligt, wenn sie binnen sechs Monaten nach Inkrafttreten dieses Landesgesetzes (§ 47) der Landesregierung unter sinngemäßer Anwendung von § 22 Abs. 3 angezeigt werden; erforderlichenfalls sind sie binnen fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Landesgesetzes diesem unter sinngemäßer Anwendung des § 29 anzupassen.

(9) Bestehende Anlagen bzw. Maßnahmen, die unter § 19 Abs. 2 fallen, dürfen weiter betrieben werden, wenn sie binnen sechs Monaten nach Inkrafttreten dieses Landesgesetzes (§ 47) der Landesregierung unter sinngemäßer Anwendung von § 22 Abs. 3 angezeigt werden; erforderlichenfalls sind sie binnen fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Landesgesetzes diesem unter sinngemäßer Anwendung des § 29 anzupassen.

..."

Zur Beschwerde des Erstbeschwerdeführers:

Die belangte Behörde verfügte, soweit es um die Übernahme von Materialien von Dritten geht, mit dem angefochtenen Bescheid die Schließung des Betriebes des Erstbeschwerdeführers und berief sich diesbezüglich auf § 39 Oö. AWG 1997. Grundlage für ihr Vorgehen war die Annahme einer Gefahr für die Gesundheit von Menschen durch "Toxikopie". Diese Annahme stützte die belangte Behörde allein auf das im Verfahren eingeholte Gutachten (samt Ergänzungsgutachten) ihres nichtamtlichen Sachverständigen für Medizin und auf darauf aufbauende eigene Schlussfolgerungen.

Wie schon im Verwaltungsverfahren macht der Erstbeschwerdeführer auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrensmängel insofern geltend, als er die Unvollständigkeit, mangelnde Nachvollziehbarkeit und fehlende Schlüssigkeit dieses Gutachtens rügt; die von der belangten Behörde daraus gewonnenen Schlüsse träfen nicht zu. Bereits mit diesem Vorbringen macht der Beschwerdeführer erfolgreich einen für den Verfahrensausgang wesentlichen Verfahrensmangel geltend.

Das genannte Gutachten wurde auf Basis einer Anrainerbefragung vom 26. September 2000 erstattet; im angefochtenen Bescheid wurden diese - als Grundlage des Gutachtens dienenden - Ergebnisse der Anrainerbefragung nicht wiedergegeben. Lediglich den in anonymisierter Fassung im Akt befindlichen Ausfertigungen des Gutachtens sind die Ergebnisse der Anrainerbefragung zu entnehmen. Dieses vollständige Gutachten mit dem Titel "Anrainerbefragung" besteht neben den Ergebnissen der Anrainerbefragung aus einem "Befund" (Punkt 3) und einer "Beurteilung" mit Annex (Punkt 4). Der Befund begnügt sich im hier interessierenden Zusammenhang mit dem Hinweis, dass "mit großer Sicherheit davon auszugehen sei, dass einige der berichteten Gesundheitsstörungen Toxikopien darstellen und daher von medizinischer Relevanz sind"; die Beurteilung des Gutachtens erschöpft sich darin, dass "der Standort auf Grund der oben genannten Befunde aus medizinischer Sicht für eine Kompostieranlage ungeeignet ist." Eine nähere Darstellung des Inhaltes, welche ("einige der berichteten") Gesundheitsstörungen welcher ("einiger") Anrainer als Toxikopien qualifiziert werden könnten, fehlt ebenso wie eine Darstellung des Inhaltes der ärztlichen "Befunde", die - nach den einleitenden Worten des Gutachters - ihm anlässlich der "Anrainerbefragung" übergeben worden sein sollten. Dem vorliegenden Gutachten können zwar, ebenso wie dem Ergänzungsgutachten, wissenschaftliche Darlegungen des Phänomens der Toxikopie in abstrakter Hinsicht entnommen werden, eine Bezugnahme zu konkreten Gesundheitsbeeinträchtigungen der Anrainer fehlt jedoch.

Aus diesen wissenschaftlichen Erläuterungen (im Anhang des Gutachtens) geht hervor, dass die Toxikopie die "Kopie einer toxischen Reaktion" darstellt und sich in verschiedenen körperlichen Reaktionen äußern kann. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Reaktionen ein Ausmaß erreichen können, bei dem von einer Gefahr für die Gesundheit gesprochen werden kann. Die Toxikopie stellt somit keine eigenständige Krankheit oder Gesundheitsbeeinträchtigung dar, sondern bewirkt erst solche Beeinträchtigungen, die wiederum - je nach Person, Umfeld und subjektivem Bedrohungsbild - verschiedenartig und verschieden intensiv ausgeprägt sein können. Um die Art und Schwere einer durch Toxikopie ausgelösten Gesundheitsbeeinträchtigung beurteilen zu können, bedarf es daher auch der Darstellung dieser Beeinträchtigungen, also der durch die Toxikopie hervorgerufenen körperlichen Reaktionen. Die wissenschaftliche Darstellung des Phänomens der Toxikopie allein ohne Bezugnahme auf die dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen kann keine ausreichende Grundlage für die Schlussfolgerung bieten, dass - "wegen Toxikopie" - eine konkrete Gefahr für die Gesundheit von Menschen vorliegt. Das vorliegende Gutachten ist daher schon aus diesem Grund nicht geeignet, als Grundlage für die Schlussfolgerung der Behörde, es liege eine Gefahr für die Gesundheit von Menschen vor, herangezogen zu werden.

Dazu kommt, dass der Erstbeschwerdeführer während des Verfahrens insbesondere auch darauf hingewiesen hat, dass bei näher bezeichneten Anrainern auf Grund von Vorerkrankungen ein Kausalzusammenhang zwischen seiner Anlage und allfälligen (durch toxikopische Phänomene ausgelösten) konkreten Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht nachgewiesen worden sei. Auf diesen Einwand ist die Behörde nicht weiter eingegangen.

Eine der Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 39 Abs. 1 Oö. AWG 1997 ist der Umstand, dass die Gefahr für die Gesundheit durch den Betrieb der diesem Landesgesetz unterliegenden Anlage (Kompostieranlage) verursacht wurde. Gerade weil die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Toxikopie auf rein subjektiver Ebene ausgelöst werden, bedürfte es jedenfalls auch Untersuchungen dahin, ob die - im Gutachten nicht näher dargestellten - Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht einerseits schon durch die bloße Existenz der Anlage - unabhängig vom Betrieb - ausgelöst werden oder andererseits bereits dann eintreten, wenn der Erstbeschwerdeführer nur den betriebseigenen Stallmist (nach § 2 Abs. 2 Oö. AWG bewilligungsfrei) kompostiert. Träfe einer dieser Punkte zu, dann fehlte aber ein Kausalzusammenhang der Gesundheitsgefährdung der Anrainer zum Betrieb der Kompostieranlage, soweit sie dem Oö. AWG 1997 unterliegt.

Nach § 39 Abs. 1 Oö. AWG dürfen nur Maßnahmen "entsprechend dem Ausmaß der Gefährdung" gesetzt werden. Mangels näherer Darstellung des "Ausmaßes der Gefährdung" durch den Betrieb der Anlage des Erstbeschwerdeführers ist auch nicht nachvollziehbar, dass die verfügten Maßnahmen dieser Vorgabe entsprechen.

Dazu kommt, dass der genannte Feststellungs- und Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides auch keine Überprüfung erlaubt, ob die belangte Behörde überhaupt zu Recht vom Instrument des § 39 Abs. 1 Oö. AWG 1997 Gebrauch gemacht hat. Diese Bestimmung wurde - dies ergibt sich aus den Erläuterungen zum Oö. AWG 1997 - dem § 360 GewO, damals dessen Absatz 2 (nunmehr - in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1997 - dessen Abs. 4), nachgebildet. Damit sollte eine Möglichkeit der kurzfristigen Beseitigung einer konkreten Gefahr geschaffen werden; es handelt sich dabei um eine Notmaßnahme ("einstweilige Zwangs- und Sicherungsmaßnahme"), die im öffentlichen Interesse eine sofortige Abhilfe ermöglichen soll.

Eine Beurteilung dahingehend, ob die Voraussetzungen für das Vorgehen mit einer solchen "einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahme" (Notfallszenario) überhaupt vorgelegen sind, ob nicht einerseits ein Vorgehen nach § 29 Oö. AWG 1997 (nachträgliche Vorschreibung von Auflagen) ausgereicht hätte oder ob nicht andererseits sogar ein Vorgehen nach § 68 Abs. 3 AVG (eine - über die Befristung des § 39 Abs. 2 Oö. AWG 1997 hinausgehende - Einstellung des Betriebes) geboten gewesen wäre, kann auf Basis der mangelhaften Feststellungen nicht getroffen werden.

Aus den oben dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt I daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Zur Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin:

Die mit Bescheid vom 28. August 1998 ausgesprochene Feststellung nach § 46 Abs. 8 in Verbindung mit § 19 des Oö. AWG 1997 erfolgte auf Anzeige des Betreibers der Anlage, des Erstbeschwerdeführers; darin wird festgestellt, dass die Kompostierungsanlage des Erstbeschwerdeführers bewilligungspflichtig sei und weiterbetrieben werden dürfe. In diesen, nur dem Erstbeschwerdeführer erteilten Konsens zur Weiterführung der Kompostieranlage greift der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt I ein.

Feststellungen dazu, dass bzw. auf welcher Sachverhaltsgrundlage auch die Zweitbeschwerdeführerin als Anlagenbetreiberin anzusehen wäre, sind weder dem angefochtenen Bescheid noch dem Verwaltungsakt zu entnehmen. Auch das Verwaltungsverfahren wurde (nur) mit dem Erstbeschwerdeführer, nicht aber mit der Zweitbeschwerdeführerin durchgeführt.

Der angefochtene Bescheid konnte die Zweitbeschwerdeführerin daher nicht in ihren Rechten verletzen. Ihre Beschwerde war somit - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Die Aussprüche über den Kostenersatz stützen sich jeweils auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Der geltend gemachte Ersatz der Stempelgebühr für Beilagen (hier: den angefochtenen Bescheid) war nicht zuzusprechen, weil der Beschwerdeführer zu ihrer Entrichtung nicht verpflichtet war. Gemäß TP 5 Abs. 1 zu § 14 des Gebührengesetzes 1957, BGBl. Nr. 267, ist die Vorlage von Beilagen nur dann gebührenpflichtig, wenn diese Beilagen einer auch sonst gebührenpflichtigen Eingabe beigelegt werden. Unter "gebührenpflichtig" im Verständnis dieser Bestimmung ist die Pflicht, die in TP 6 leg. cit. festgelegte Eingabengebühr zu entrichten, zu verstehen. Gemäß TP 6 Abs. 5 Z 1 zu § 14 des Gebührengesetzes 1957 in der Fassung BGBl. I Nr. 88/1997 unterliegt jedoch die hier erhobene, nach § 24 Abs. 3 VwGG gebührenpflichtige Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, welcher die in Rede stehende Beilage angeschlossen war, nicht der Pflicht zur Entrichtung einer Eingabengebühr.

Wien, am 13. Dezember 2001

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001070115.X00

Im RIS seit

23.04.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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