TE Vwgh Erkenntnis 2001/12/20 2001/16/0529

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Veröffentlicht am 20.12.2001
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

EURallg;
FinStrG §35 Abs1;
FinStrG §4 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 26. April 2001, GZ RV/19-13/98, betreffend das Finanzvergehen des versuchten Schmuggels, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Wie aus der Beschwerde, der Beschwerdeergänzung und dem angeschlossenen angefochtenen Bescheid ersichtlich ist, wurde der beschwerdeführende Rechtsanwalt mit Straferkenntnis des Hauptzollamtes Wien vom 17. März 1998 schuldig erkannt, er habe anlässlich seiner Einreise aus Italien am 24. April 1994 versucht, näher bezeichnete eingangsabgabepflichtige Waren unter Verletzung der zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren zu entziehen und damit das Finanzvergehen des versuchten Schmuggels begangen. Die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 25. September 2001, B 946/01, wurde die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde abgelehnt; gleichzeitig wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Vor diesem Gerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer (allein) in seinem Recht auf Anwendung des § 4 Abs 2 FinStrG verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs 2 FinStrG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre.

Des Schmuggels machte sich nach § 35 Abs 1 FinStrG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung schuldig, wer eingangs- und ausgangspflichtige Waren vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- oder Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzieht.

Nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Obersten Gerichtshofes als auch des Verwaltungsgerichtshofes stellt § 4 Abs 2 FinStrG nur auf die Änderung strafrechtlicher Vorschriften ab und kommt daher bei Gesetzesänderungen im außerstrafrechtlichen Bereich der Abgabenfestsetzung nicht zum Tragen (vgl Fellner, Kommentar zum FinStrG5, § 4, Rz 9, und die dort wiedergegebene Judikatur). Insbesondere hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach mit den Auswirkungen des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union auf Finanzstrafverfahren hinsichtlich von vor dem Beitritt gesetzten Taten - näherhin solchen Taten, die dem Tatbild des Schmuggels nach § 35 Abs 1 FinStrG entsprachen - auseinandergesetzt. Dabei ist der Verwaltungsgerichtshof zu der Auffassung gelangt, dass die Günstigkeitsregel des § 4 Abs 2 FinStrG durch die mit dem Beitritt veranlassten Rechtsänderungen nicht berührt wird (vgl zuletzt die hg Erkenntnisse vom 29. April 1998, Zl 98/16/0106, und vom 14. Oktober 1999, Zl 96/16/0109, m. w.H.). Die Beschwerdeausführungen können den Gerichtshof nicht veranlassen, von dieser Auffassung abzugehen:

Der Beschwerdeführer geht davon aus, bei § 35 Abs 1 FinStrG handle es sich um eine Blankettstrafnorm, die erst durch die Ausfüllungsnormen ihre entsprechende Gestalt als Strafgesetz enthalte. Die mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union eingetretenen Rechtsänderungen seien einem grundsätzlichen Werturteil gleichzuhalten, das einen weiteren Schutz der früheren Rechtslage ausschließe.

Blankettstrafnormen sind durch die äußere Trennung von Tatbild und Strafdrohung gekennzeichnet, sei es, dass sie in verschiedenen Normen desselben Gesetzes, sei es dass sie in verschiedenen Gesetzen - desselben Gesetzgebers oder verschiedener Gesetzgeber - umschrieben sind (vgl das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1991, G 280/91 ua, Slg. Nr. 12947). Betrachtet man den Tatbestand des Schmuggels iSd § 35 Abs 1 FinStrG unter diesem Gesichtspunkt, so ist die Frage zu prüfen, ob blankettausfüllende Normen aus der Sicht des anzustellenden Günstigkeitsvergleiches allenfalls als strafrechtliche Normen angesehen werden können - wie dies in der zu § 24 Devisengesetz ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 19. März 1991, 11 Os 130/90, EvBl 1991/150, für den Fall grundsätzlicher Werturteile, die einen weiteren Schutz der früher bestandenen Rechtslage ausschließen würden, bejaht worden ist -, oder ob das Blankettstrafgesetz an einen hinter der ausfüllenden Norm stehenden Regelungseffekt anknüpft.

Auch dieser Gerichtshof ging ausdrücklich davon aus, dass der durch das FinStrG geschützte Abgabenanspruch nach seiner Entstehung nicht dadurch vernichtet wird, dass der Gesetzgeber für die Zukunft günstigere Abgabengesetze erlässt. Werde etwa eine Ware, die vorschriftsmäßig an der Grenze nicht zu Verzollung gestellt wurde, in der Folge aus Liste zollpflichtiger Waren herausgenommen oder einem niedrigeren Zollsatz unterworfen, so genüge der Sachverhalt in seiner damaligen (zoll-)rechtlichen Ausformung dem gegenwärtigen Strafgesetz: Insofern lasse eine Änderung an sich außerstrafrechtlicher Normen den einmal entstandenen Strafanspruch nicht erlöschen.

Der demgegenüber nicht näher begründeten Meinung des Beschwerdeführers, die Aufhebung "aller Zollgrenzen" zu den anderen Mitgliedstaaten sei einem grundsätzlichen Werturteil gleichzuhalten, das einen Schutz der früher bestandenen "Zollpflicht" ausschließe, kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil das Weiterbestehen der Strafnorm (schon wegen der EU-Außengrenzen Österreichs) ein solches "grundsätzliches Werturteil" ausschließt. Folgte man der Auffassung des Beschwerdeführers, so wäre ein Schmuggel aus einem benachbarten (beitrittswerbenden) Drittstaat nach Österreich nicht strafbar, wenn es dem Schmuggler gelingt, sein Strafverfahren bis zum Beitritt dieses Staates zur Europäischen Union hinauszuzögern.

Da somit bereits der Inhalt der ergänzten Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am 20. Dezember 2001

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1 Gemeinschaftsrecht kein innerstaatlicher Anwendungsbereich EURallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001160529.X00

Im RIS seit

21.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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