TE Vwgh Erkenntnis 2001/12/20 2001/16/0299

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Veröffentlicht am 20.12.2001
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Index

E3R E02202000;
35/02 Zollgesetz;

Norm

31992R2913 ZK 1992 Art220;
31992R2913 ZK 1992 Art29;
ZollRDG 1994 §108 Abs1;
ZollRDG 1994 §72a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der B GmbH in W (als Gesamtrechtsnachfolgerin der I AG), vertreten durch Price Waterhouse AG, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in Wien IV, Prinz-Eugen-Straße 72, gegen den Bescheid des Berufungssenates II der Region Innsbruck bei der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 1. März 2001, GZ. ZRV 177/1-I2/00, betreffend Abgabenerhöhung gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- (= EUR 1.090,05) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin importierte im Jahr 1998 Waren aus den USA, die sie auf Grund der ihr damals vom Verkäufer gestellten Rechnungen zum zollrechtlich freien Verkehr anmeldete.

Mit Eingabe vom 9. Juni 1999 teilte sie der Zollbehörde erster Instanz mit, dass sie eine nachträgliche Erhöhung der Preise akzeptieren hätte müssen, worauf das Hauptzollamt Wien mit Bescheid vom 14. Juli 1999 ausgehend davon, dass seiner Ansicht nach eine Eingangsabgabenschuld von insgesamt S 35,940.391,-- (an Einfuhrumsatzsteuer) angefallen sei, auszugsweise folgenden Spruch fällte:

"Buchmäßig erfasst wurden jedoch nur Eingangsabgaben im Betrage von S 17,725.000,00 (das Zoll (Z1): S 0,00 und Einfuhrumsatzsteuer (EU): S 17,725.000,00), also ein geringerer als der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag.

Der Differenzbetrag von S 18,215.391,00 (das sind Zoll (Z1):

S 0,00 und Einfuhrumsatzsteuer (EU): S 18,215.391,00) wird also weiterhin gesetzlich geschuldet und ist gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK nachzuerheben.

Als Folge dieser Nacherhebung ist gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG weiters eine Abgabenerhöhung (ZN) laut Berechnungsblatt im Betrage von S 1,135.125,00 zu entrichten.

Im Sinne des § 72a ZollR-DG unterbleibt die nachträgliche buchmäßige Erfassung der Einfuhrumsatzsteuer.

Der verbleibende Differenzbetrag von S 1,135.125,00 an Abgabenerhöhung (ZN) wird gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK nachträglich buchmäßig erfasst und gemäß Art. 221 Abs. 1 ZK mitgeteilt."

Dagegen berief die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin im Wesentlichen mit der Begründung, eine nachträgliche Preiserhöhung habe gemäß Art. 29 und 67 ZK außer Betracht zu bleiben. Außerdem habe § 108 ZollR-DG nicht zur Anwendung zu kommen, weil die nachträgliche buchmäßige Erfassung der Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 72 a leg. cit. unterblieben sei.

Die daraufhin mit Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamtes Wien erfolgte Abweisung der Berufung wurde mit Beschwerde bekämpft.

Die belangte Behörde wies die Beschwerde als unbegründet ab und vertrat - ohne dabei auf die Frage überhaupt einzugehen, ob eine nachträgliche Preiserhöhung durch den Lieferanten eine Anwendung des Art. 220 Abs. 1 ZK rechtfertigt - die Auffassung, eine Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG sie auch dann vorzunehmen, wenn die nachträgliche buchmäßige Erfassung der Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 72 a ZollR-DG zu unterbleiben habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, keine Abgabenerhöhung gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG entrichten zu müssen, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird. Die Beschwerdeführerin replizierte darauf.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. 29 Abs. 1 ZK ist der Zollwert eingeführter Waren der Transaktionswert, das ist der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis.

Nach Art. 67 ZK ist, wenn nichts anderes bestimmt ist, der Zeitpunkt der Annahme der Anmeldung durch die Zollbehörden in Bezug auf alle Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet werden, zu Grunde zu legen.

Nach herrschender Ansicht ist daher der maßgebliche Zeitpunkt für die Bewertung der Zeitpunkt der Annahme der Ware zur Zollanmeldung (Müller/Eiselt, EG-Zollrecht, Rz 390 zu Art. 29 ZK). Vertragsänderungen nach diesem maßgeblichen Zeitpunkt, insbesondere auch Erhöhungen des Kaufpreises haben zollwertrechtlich außer Betracht zu bleiben (Müller/Eiselt a.a.O. Rz 392 mwN).

Allerdings kommt es in diesem Zusammenhang darauf an, ob die in Art. 29 Abs. 1 Buchstaben a) - d) und Abs. 2 Buchstaben a) - c) ZK aufgelisteten weiteren Kriterien vorliegen, was zu klären die belangte Behörde verabsäumt hat, was aber wegen der allenfalls gegebenen Verbundenheit der Beschwerdeführerin mit dem Lieferanten erforderlich ist. Insbesondere wären die Begleitumstände der Preiserhöhung zu ermitteln gewesen (Art. 29 Abs. 2 Buchstabe a) ZK).

Art. 220 Abs. 1 ZK lautet:

"(1) Ist der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Artikeln 218 und 219 buchmäßig erfasst oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden, so hat die buchmäßige Erfassung des zu erhebenden Betrages oder des nachzuerhebenden Restbetrages innerhalb von zwei Tagen nach dem Tag zu erfolgen, an dem die Zollbehörden diesen Umstand feststellen und in der Lage sind, den gesetzlich geschuldeten Betrag zu berechnen sowie den Zollschuldner zu bestimmen (nachträgliche buchmäßige Erfassung). Diese Frist kann nach Art. 219 verlängert werden."

Eine nachträgliche buchmäßige Erfassung im Sinne dieser Gesetzesstelle setzt also voraus, dass der maßgebliche Abgabenbetrag ursprünglich mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst wurde.

Bereits dadurch, dass sich die belangte Behörde in Anwendung des § 108 Abs. 1 ZollR-DG mit der Frage, ob die von der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin bekannt gegebene nachträgliche Preiserhöhung überhaupt den Tatbestand nach Art. 220 Abs. 1 ZK ausgelöst hat, nicht befasst hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen muss.

Dazu kommt, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. März 2001, Zl. 2000/16/0080, zur Frage, ob dann, wenn eine Eingangsabgabenschuld gar nicht festzusetzen ist, trotzdem ein Säumniszuschlag vorgeschrieben werden darf, bereits Stellung genommen hat. Die Vorschreibung eines Säumniszuschlages für nicht festgesetzte Einfuhrumsatzsteuer ist danach rechtswidrig. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnisses verwiesen.

Dasselbe hat für die Vornahme einer die Funktion eines Säumniszuschlages erfüllenden Abgabenerhöhung gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG für Fälle zu gelten, in denen gemäß § 72 a leg. cit. die nachträgliche buchmäßige Erfassung von Einfuhrumsatzsteuer gemäß Art. 220 ZK zu unterbleiben hat. Es wäre grob sinnwidrig, die Partei einerseits nicht mit Einfuhrumsatzsteuer zu belasten, ihr andererseits aber eine Abgabenerhöhung vorzuschreiben, der nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 108 Abs. 1 ZollR-DG die Funktion von "Säumniszinsen" zukommt.

Mit Rücksicht auf die durch die oben zitierte Lehre und hg. Judikatur klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. Dezember 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001160299.X00

Im RIS seit

21.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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