TE Vwgh Erkenntnis 2002/1/25 99/02/0146

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Veröffentlicht am 25.01.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
KFG 1967 §1 Abs1;
KFG 1967 §36 lita;
KFG 1967 §36 lite;
KFG 1967 §36;
KFG 1967 §57a Abs5;
KFG 1967 §57a Abs6;
StVO 1960 §1 Abs1;
StVO 1960 §43 Abs1 litb;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr (nunmehr: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie) gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 5. März 1999, Zl. VwSen-106152/2/Ki/Shn, betreffend Übertretung des KFG 1967 (mitbeteiligte Partei: VW in A) zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 11. Juni 1997 wurde die mitbeteiligte Partei für schuldig befunden, sie habe es als Zulassungsbesitzerin eines dem Kennzeichen nach näher genannten Kraftfahrzeugs unterlassen, dieses Fahrzeug "wiederkehrend begutachten zu lassen, obwohl die in der Begutachtungsplakette eingetragene Frist zur wiederkehrenden Begutachtung um mehr als vier Monate (Toleranzfrist) überschritten gewesen sei. Als Tatort wurde ein näher genannter Ort in Gmunden und als Tatzeit "3.4.1997,

10.13 Uhr" angeführt. Sie habe dadurch eine Übertretung des "§ 36 lit. e i.V.m. § 57A Abs. 1 KFG 1967" begangen, weshalb über sie gemäß § 134 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Gegen diese Strafverfügung erhob die mitbeteiligte Partei Einspruch.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 1. Februar 1999 wurde die Mitbeteiligte für schuldig befunden, sie habe es als Zulassungsbesitzerin eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Kraftfahrzeugs unterlassen, dieses Kraftfahrzeug wiederkehrend begutachten zu lassen, weil am 3. April 1997 um

"10.30 Uhr" bei einer Verkehrskontrolle an einem näher genannten Ort in Gmunden festgestellt worden sei, dass die in der Begutachtungsplakette eingetragene Frist zur wiederkehrenden Begutachtung um mehr als vier Monate (Toleranzfrist) überschritten gewesen sei. Sie habe dadurch "§ 57a Abs. 1 i.V.m.

§ 36 lit. e KFG 1967" verletzt, weshalb über sie gemäß § 134 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, dass nach der Anzeige einer näher genannten Organwalterin der Stadtpolizei Gmunden zum Tatzeitpunkt festgestellt worden sei, dass die Begutachtungsplakette des an einem näher genannten Ort in Gmunden abgestellten Fahrzeugs der mitbeteiligten Partei die Lochung "11/96" aufgewiesen habe. Das Kraftfahrzeug sei zum Tatzeitpunkt auf einer öffentlichen Verkehrsfläche im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO mit einer abgelaufenen Begutachtungsplakette abgestellt gewesen. Das objektive Tatbild des "§ 36 lit. e i.V.m.

§ 57a Abs. 1 KFG 1967" sei daher gegeben gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. März 1999 wurde der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

In der Begründung dieses Bescheides wird insbesondere ausgeführt, dass durch die Bestimmung des § 57a Abs. 3 Z. 1 KFG 1967 dem Zulassungsbesitzer aufgetragen werde, sein Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt, es sei dies spätestens bis zum Ablauf des vierten des dem vorgesehenen Zeitpunkt darauf folgenden Kalendermonates, begutachten zu lassen. Komme der Zulassungsbesitzer bis zu diesem Zeitpunkt seiner Verpflichtung nicht nach, so liege ein verwaltungsstrafrechtlich relevanter Tatbestand vor. Dies bedeute, dass, anders als im Falle einer Verwendung des Kraftfahrzeug im Sinne des § 36 lit. e KFG 1967, die Tat (Unterlassung) mit Ablauf der Begutachtungsfrist abgeschlossen sei und die laut VStG vorgesehenen Verjährungsfristen zu laufen beginnen würden.

Im konkreten Fall - so die belangte Behörde weiter - hätte der mitbeteiligten Partei im Sinne des Konkretisierungsgebotes vorgeworfen und zur Last gelegt werden müssen, bis zu welchem Zeitpunkt, im Hinblick auf die festgestellte Lochung dürfte dies der 31. März 1997 gewesen sein, sie ihr Fahrzeug im Sinne des § 57a Abs. 3 KFG 1967 begutachten hätte lassen müssen. Dies sei ihr jedoch weder im erstinstanzlichen Verfahren, noch im Straferkenntnis zur Last gelegt worden und es sei der belangten Behörde im Hinblick auf die mittlerweile eingetretene Verfolgungsverjährung (§ 31 VStG) verwehrt, eine entsprechende Konkretisierung des Tatvorwurfes vorzunehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 123 Abs. 1 letzter Satz KFG 1967 gestützte Amtsbeschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Insoweit die Mitbeteiligte in der erstatteten Gegenschrift unter dem Gesichtspunkt der Verletzung eines "fairen Verfahrens" gegen einen solchen Bescheid Beschwerde zu führen, gegen die - u.U. erst nach Rechtskraft des Berufungsbescheides gegebene - Amtsbeschwerdemöglichkeit nach Art. 131 Abs. 2 B-VG i.V.m. § 26 Abs. 1 Z. 2 VwGG Bedenken vorbringt, weil der zuständige Bundesminister "praktisch unbeschränkt" die Möglichkeit habe, so werden diese aus der Sicht des vorliegenden Falles vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt.

Der beschwerdeführende Bundesminister wendet ein, dass bereits die von der Behörde erster Instanz im Spruch des Straferkenntnisses gewählte Tatumschreibung verfehlt gewesen sei. Die primäre Übertretungsnorm sei § 36 lit. e KFG und nicht § 57a Abs. 1 leg. cit. Demgemäß habe auch der Tatvorwurf nicht dahingehend zu lauten, dass die mitbeteiligte Partei es als Zulassungsbesitzerin unterlassen habe, das Kraftfahrzeug wiederkehrend begutachten zu lassen (siehe Spruch des Straferkenntnisses), sondern dass sie das Kraftfahrzeug auf öffentlichen Straßen verwendet (abgestellt) habe, obwohl keine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette am Fahrzeug angebracht gewesen sei, weil aus der Lochung dieser Plakette ersichtlich gewesen sei, dass die sich aus den Vorschriften über die wiederkehrende Begutachtung ergebende Frist überschritten gewesen sei. Die belangte Behörde habe die Rechtslage verkannt. Der Gesetzgeber des KFG konstruiere den in Rede stehenden Tatbestand nicht als Unterlassen der sich aus § 57a leg. cit. ergebenden Verpflichtung, sondern "als die Verwendung eines Fahrzeugs", welches nicht die gesetzlich erforderlichen Voraussetzungen (Begutachtungsplakette im Sinne des § 36 lit. e leg. cit.) erfülle. Es handle sich daher nicht um ein Unterlassungsdelikt, sondern um ein Begehungsdelikt. Im Beschwerdefall habe das "Verwenden" des Fahrzeugs nicht in einer Tätigkeit (wie z.B. dem Lenken eines Kraftfahrzeuges) bestanden; vielmehr habe der Tatvorwurf auf das Abstellen des Fahrzeugs gelautet. "Abstellen" sei jedoch keine Tätigkeit, sondern ein Zustand. Daraus ergebe sich zwangsläufig, dass das Verwenden eines nicht vorschriftsgemäß ausgestatteten Fahrzeugs - insbesondere durch Abstellen - ein Dauerdelikt sei (und zwar für die Dauer des nicht durch Inbetriebnahme unterbrochenen Abstellens), weil die Tathandlung so lange nicht abgeschlossen sei, als der rechtswidrige Zustand aufrecht erhalten werde. Bei Dauerdelikten beginne jedoch die Verjährung erst ab dem Aufhören (Beseitigung) des rechtwidrigen Zustands. Der Ansicht der belangten Behörde, dass die Verjährung bereits mit Ablauf der Begutachtungsfrist (inklusive Nachfrist) zu laufen beginne, könne daher nicht gefolgt werden.

Nach § 36 lit. e KFG i.d.F. vor der 19. KFG-Novelle BGBl. I Nr. 103/1997 dürfen u.a. Kraftfahrzeuge auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn bei den im § 57a Abs. 1 lit. a bis h angeführten zum Verkehr zugelassenen Fahrzeugen, soweit sie nicht unter § 57a Abs. 1 letzter Satz fallen, eine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette (§ 57a Abs. 5 und 6) am Fahrzeug angebracht ist.

Nach § 57a Abs. 1 lit. b KFG 1967 i.d.F. vor der 19. KFG-Novelle fallen Personenkraftwagen unter die wiederkehrende Begutachtung, wobei die erwähnten Ausnahmen für Fahrzeuge von näher genannten Gebietskörperschaften etc. nach § 57a Abs. 1 letzter Satz leg. cit. im Beschwerdefall nicht in Betracht kommen.

Gemäß § 57a Abs. 1 erster Teilsatz KFG i.d.F. vor der Novelle BGBl. I Nr. 103/1997 hat der Zulassungsbesitzer eines Fahrzeuges der in den lit. a bis h angeführten Art dieses zu den im Abs. 3 erster Satz festgesetzten Zeitpunkten von einem hiezu gemäß Abs. 2 ermächtigten Verein oder Gewerbetreibenden wiederkehrend begutachten zu lassen, ob es den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit entspricht und, ausgenommen bei einem Fahrzeug der in lit. d angeführten Art, ob mit dem Fahrzeug nicht übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch oder schädliche Luftverunreinigungen verursacht werden können.

Nach dem Einleitungssatz des § 36 KFG (in der Stammfassung BGBl. Nr. 267/1967) wird schlechthin auf das "Verwenden" von Kraftfahrzeugen und von näher im Gesetz umschriebenen Anhängern auf Straßen mit öffentlichen Verkehr abgestellt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. September 1991, Zl. 91/02/0039, ausgeführt hat, wird ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 36 KFG 1967 auch dann "verwendet", wenn es auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr zum Halten und Parken abgestellt wird, und dies nicht nur für den Abstellvorgang als solchen, sondern für die gesamte Dauer des Abstellens zutrifft (das Wort "verwenden" erfasst im Übrigen - auch - das Lenken, vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1987, Zlen. 87/03/0075, 0087).

Die Strafnorm des § 36 lit. e KFG richtet sich gegen den jeweiligen "Verwender" des Kraftfahrzeuges (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1994, Zl. 93/03/0219).

Wesentlich ist nach § 36 lit. e KFG, dass die gültige Begutachtungsplakette am Fahrzeug angebracht ist, sodass aus ihr jederzeit zu entnehmen ist, dass die Begutachtungsfrist (samt Nachfrist) noch nicht abgelaufen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1993, Zl. 92/03/0099).

Wenngleich sowohl in der Strafverfügung vom 11. Juni 1997 als auch im Straferkenntnis vom 1. Februar 1999 insbesondere darauf abgestellt wird, dass es die Mitbeteiligte "unterlassen" habe, ein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug "wiederkehrend begutachten zu lassen", wurde jedoch bereits in der vorgenannten Strafverfügung eine bestimmte Tatzeit und ein näher bezeichneter "Tatort" festgehalten, wobei im nachfolgenden Straferkenntnis noch ergänzend festgehalten wurde, dass diese Feststellungen "bei einer Verkehrskontrolle" erfolgten. Ferner wurde auf die ungültige Begutachtungsplakette auf dem näher genannten Fahrzeug hingewiesen. Sowohl in der Strafverfügung als auch im Straferkenntnis wird als übertretene Norm auch "§ 36 lit. e KFG 1967" angeführt.

Unbestritten ist, dass es sich bei dem bereits in der Strafverfügung genannten "Tatort" um eine Straße mit öffentlichen Verkehr in Gmunden handelte, auf der das Fahrzeug der Mitbeteiligten zum Tatzeitpunkt ohne eine an diesem Fahrzeug angebrachte gültige Begutachtungsplakette gesichtet wurde. Somit lag durch Erlassung der vorgenannten Strafverfügung eine (rechtzeitige) und hinreichend konkretisierte Verfolgungshandlung in Bezug auf eine Übertretung nach § 36 lit. e KFG 1967 vor. Da diesbezüglich jedoch eine Verfolgungsverjährung - worauf der beschwerdeführende Bundesminister in der Beschwerde zutreffend hinweist - nicht eingetreten war, wäre die belangte Behörde im Rahmen der ihr nach § 66 Abs. 4 AVG zustehenden Entscheidungsbefugnis berechtigt und verpflichtet gewesen, den Spruch des Straferkenntnisses entsprechend - auf die "Verwendung" -

zu ändern. Da die belangte Behörde jedoch insoweit die Rechtslage verkannte, war

der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 25. Jänner 2002

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999020146.X00

Im RIS seit

23.04.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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