TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/22 99/02/0311

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Veröffentlicht am 22.02.2002
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §17 Abs1;
StVO 1960 §2 Abs1 Z30;
StVO 1960 §7 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des JP in Wien, vertreten durch Dr. Othmar Slunsky und Mag. Ute Maria Caviola, Rechtsanwälte in Wien I, Schottenring 28/1/4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 3. September 1999, Zl. UVS- 03/P/49/01147/99, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. September 1999 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 13. Juni 1998 um 00.50 Uhr an einem näher genannten Ort in Wien als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Kraftfahrzeugs dieses Fahrzeug nicht so weit rechts gefahren, wie es unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer und ohne Beschädigung von Sachen möglich war, weil er die Fahrbahnmitte auf einer Straße mit Gegenverkehr überfahren habe. Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 7 Abs. 1 StVO verletzt, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet insbesondere ein, er sei der Ansicht, dass § 7 Abs. 1 StVO das Vorbeifahren an einer stehenden Kolonne unter Überschreitung der Fahrbahnmitte nicht verbiete. Sachverhaltsrelevante Feststellungen, wonach es einen Gegenverkehr (zum Tatzeitpunkt) gegeben habe und der Beschwerdeführer diesen allenfalls gefährdet oder behindert habe, seien nicht getroffen worden, weshalb eine Bestrafung gemäß § 17 Abs. 1 StVO nicht erfolgen habe können. Diese Bestimmung normiere jedoch ausdrücklich, dass ein Vorbeifahren an einer angehaltenen Kolonne grundsätzlich erlaubt sei, wenn dies ohne Gefährdung oder Behinderung des Gegenverkehrs geschehen könne und weiters die Möglichkeit bestehe, sich ohne Behinderung wieder einzuordnen. Der Beschwerdeführer hätte daher seiner Ansicht nach lediglich wegen einer Übertretung nach § 17 StVO bestraft werden können, diesbezüglich würden jedoch sämtliche Tatbestandsmerkmale fehlen. Eine Bestrafung nach § 7 Abs. 1 StVO sei mit dem zu Grunde liegenden Sachverhalt, dass der Beschwerdeführer an einem näher genannten Ort in Wien an einer angehaltenen Kolonne vorbeigefahren wäre, wobei er die Gegenfahrbahn benutzt habe, rechtlich verfehlt.

Gemäß § 7 Abs. 1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt, so weit rechts zu fahren, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist. Gleise von Schienenfahrzeugen, die an beiden Rändern der Fahrbahn liegen, dürfen jedoch nicht in der Längsrichtung befahren werden, wenn der übrige Teil der Fahrbahn genügend Platz bietet.

Nach § 17 Abs. 1 StVO ist das Vorbeifahren nur gestattet, wenn dadurch andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, weder gefährdet noch behindert werden. Für die Anzeige des Vorbeifahrens, die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes und das Vorbeifahren an Schienenfahrzeugen gelten die beim Überholen zu beachtenden Vorschriften (§ 15). An einem entsprechend eingeordneten Fahrzeug, dessen Lenker die Absicht nach links einzubiegen anzeigt (§ 13 Abs. 2), ist rechts vorbeizufahren.

Unter Vorbeifahren ist nach § 2 Abs. 1 Z. 30 StVO das Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einer sich auf der Fahrbahn befindenden, sich nicht fortbewegenden Person oder Sache, insbesondere an einem anhaltenden, haltenden oder parkenden Fahrzeug zu verstehen.

Unbestritten ist, dass sich der Beschwerdeführer mit seinem Fahrzeug an einer (kurzfristig wegen einer Unfallaufnahme durch die Polizei gebildeten) Kolonne von anhaltenden Fahrzeugen links unter Benützung der Gegenfahrbahn vorbei bewegt hat.

Bezieht sich ein derartiges Vorbeibewegen auf eine unter § 2 Abs. 1 Z. 30 StVO fallende Sache (im Beschwerdefall waren dies mehrere anhaltende Fahrzeuge), so liegt keine Verletzung der Verwaltungsvorschrift des § 7 Abs. 1 StVO (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1983, Zl. 82/03/0154), sondern etwa bei möglicher Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer objektiv eine Verletzung des § 17 Abs. 1 erster Satz StVO vor. Anderes ergibt sich auch aus dem von der belangten Behörde in der Gegenschrift zitierten hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1970, Zl. 602/69, nicht.

Da die Bestrafung des Beschwerdeführers nach § 7 Abs. 1 StVO zu Unrecht erfolgt ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 22. Februar 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999020311.X00

Im RIS seit

21.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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