TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/27 2001/05/1040

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Veröffentlicht am 27.02.2002
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz in Linz, Hauptstraße 1-5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 26. März 2001, Zl. Gem(Wahl)-900027/4-2001-Gru/Ha, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Marktgemeinde St. Florian in St. Florian, 2. Monika Windtner in St. Florian, Wilbirgweg 10), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am 8. März 1976 geborene Zweitmitbeteiligte ist seit Geburt mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters, St. Florian (kurz: St) gemeldet.

Mit Schriftsatz vom 26. Mai 2000 beantragte der Beschwerdeführer die Einleitung eines Reklamationsverfahrens gemäß § 17 Abs. 2 Z 2 MeldeG mit dem Vorbringen, die Zweitmitbeteiligte habe seiner Auffassung nach den alleinigen Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen in der Landeshauptstadt Linz, wo sie aber nur mit weiterem Wohnsitz und nicht mit Hauptwohnsitz gemeldet sei. Sie gehe nämlich in Linz einer Beschäftigung im Ausmaß von 40 Wochenstunden nach und lebe darüber hinaus in Linz (an näher bezeichneter Anschrift) mit einem in Linz mit Hauptwohnsitz gemeldeten 25-jährigen Mann in Lebensgemeinschaft. Den Angaben der Zweitmitbeteiligten zufolge halte sie sich ca. "halbe/halbe" in Linz und in St auf.

Die Zweitmitbeteiligte äußerte sich in einer Stellungnahme an die belangte Behörde vom 18. November 2000 dahin, es sei nach wie vor richtig, dass sie in Linz einer Beschäftigung im Ausmaß von 40 Wochenstunden nachgehe, wie viele andere "nicht LinzerInnen" auch. Es sei allerdings nicht beachtet worden, dass sie seit 1. August 2000 ihren "Nebenwohnsitz geändert" habe. Somit sei auch das Argument entkräftet, dass sie mit jenem Mann in einer Lebensgemeinschaft lebe. Sie beabsichtige weiterhin, mit Hauptwohnsitz in St. gemeldet zu sein. Sie wolle ihr politisches Engagement und ihre Stimme auch zukünftig in ihrer Heimatgemeinde, St., einbringen. Sie bewohne dort eine eigene Wohnung (wenn auch im Hause ihrer Eltern). Weiters sei sie dort Mitglied des Pfarrgemeinderates und des Fachausschusses für Jugend und Jungschar.

Der Beschwerdeführer äußerte sich dazu ablehnend und brachte dabei unter anderem vor, die Zweitmitbeteiligte sei nunmehr seit 1. August 2000 in Linz an einer anderen Anschrift gemeldet, den vorhergehende Wohnsitz (Anmerkung: Wohnort des angeblichen Lebensgefährten) habe sie abgemeldet.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, den Hauptwohnsitz der Zweitmitbeteiligten bescheidmäßig an einer näher bezeichneten Anschrift in Linz festzusetzen, abgewiesen, und ausgesprochen, dass der Hauptwohnsitz der Zweitmitbeteiligten weiterhin an der näher bezeichneten Anschrift in St. verbleibe. Zusammengefasst folgte die belangte Behörde sachverhaltsmäßig dem Vorbringen der Zweitmitbeteiligten in der Eingabe vom 18. November 2000. Das behauptete Bestehen einer Lebensgemeinschaft sei von der Zweitmitbeteiligten dahingehend entkräftet worden, dass sie ihren Wohnsitz in Linz gewechselt habe. Dennoch gehe der Beschwerdeführer davon aus, dass die Lebensgemeinschaft weiter bestehe. Dies könne aber bloß als reine Vermutung angesehen werden. Seine Antragslegitimation sei zwar als gegeben zu bejahen, es könne aber nicht nachvollzogen werden, weshalb er von einer bei weitem überwiegenden Aufenthaltsdauer in Linz ausgehe, bewohne doch die Zweitmitbeteiligte in St. eine eigene Wohnung im Hause ihrer Eltern, wo sie auch Mitglied des Pfarrgemeinderates sowie des Fachausschusses für Jugend und Jungschar sei und dort ihr politisches Engagement zeige.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die nunmehr ausdrücklich in § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001) genannten Kriterien, maßgeblich sind:

Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind (also wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen solche Mittelpunkte darstellen, wobei die vom Betroffenen vorgenommene Bezeichnung eines Hauptwohnsitzes allein nicht jedenfalls maßgeblich ist). Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargelegt, dass eine "absolute Sicherheit" über die Lebenssituation des Meldepflichtigen für die Evaluierung des zu beurteilenden Sachverhaltes nicht notwendig ist; der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 17 Abs. 3 MeldeG bewusst die in Rede stehenden Unschärfen aus rechtspolitischen Gründen in Kauf genommen (siehe dazu näher das genannte Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, oder auch das weitere Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2001/05/0930).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis (ebenfalls) vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0941, dargelegt hat, kann im Bereich des Reklamationsverfahrens nach dem MeldeG eine außereheliche Lebensgemeinschaft, die dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht, insofern einer Ehe gleichgestellt werden, was aber nur für die unstrittige Lebensgemeinschaft gelten kann, weil die beschränkte Beweisaufnahme die Feststellung einer Lebensgemeinschaft gegen den Willen der Betroffenen keinesfalls erlaubt. Von einer solchen unstrittigen Lebensgemeinschaft kann im Beschwerdefall keine Rede sein, sodass es der belangten Behörde verwehrt war, von einer solchen auszugehen.

Auch hat sich im Ermittlungsverfahren nicht ergeben, dass die Zweitmitbeteiligte keinen "Mittelpunkt der Lebensbeziehungen" in St. hätte (und nur daraus wäre nach dem zuvor Gesagten für den prozessualen Standpunkt des Beschwerdeführers etwas zu gewinnen).

Damit war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 27. Februar 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001051040.X00

Im RIS seit

08.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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