TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/27 2001/05/1038

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Veröffentlicht am 27.02.2002
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
41/02 Melderecht;

Norm

ABGB §44;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
MeldeG 1991 §17 Abs1;
MeldeG 1991 §17 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz in Linz, Hauptstraße 1-5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. März 2001, Zl. Gem(Wahl)-900023/4-2001-Gru/Ha, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Gemeinde Sarleinsbach in Sarleinsbach, 2. Ing. Gerhard Reiter in Sarleinsbach, Schinken 9), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Kostenersatzbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Begründung

Der am 8. Dezember 1971 geborene Zweitmitbeteiligte ist mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters, Sarleinsbach (kurz: S), gemeldet. Er ist verheiratet, seine Frau ist in Linz mit Hauptwohnsitz gemeldet. Er ist seit 3. September 1998 an dieser Anschrift in Linz mit weiterem Wohnsitz gemeldet.

Der erstmitbeteiligte Bürgermeister brachte in einer Stellungnahme vom 13. November 2000 an die belangte Behörde vor, bei einem Gespräch mit dem Zweitmitbeteiligten am 13. November 2000 sei festgestellt worden, dass der Zweitmitbeteiligte in S in einem Einfamilienhaus gemeinsam mit seiner Mutter sowie mit seinem Bruder und dessen Familie wohne. Er sei Mitglied beim Tennisverein, auch sein gesamter Freundeskreis befinde sich in S. Der Wohnsitz in Linz werde seinen Angaben zufolge nur vorübergehend (vor allem als Schlafplatz) benützt. Er verbringe seine gesamte Freizeit, die Wochenenden und Feiertage, meistens gemeinsam mit seiner Ehefrau, in S oder auf der Baustelle in Pregarten. Sein ausdrücklicher Wunsch sei es, S als Hauptwohnsitz zu behalten, vor allem auch deshalb, weil er zu Linz keinerlei Naheverhältnis habe und dort schon gar nicht den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen habe. Der Zweitmitbeteiligte habe immer wieder betont, dass sein Hauptwohnsitz und Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in S gelegen sei und das solange, bis er in sein Haus in Pregarten einziehen könne, wo er einen neuen Lebensmittelpunkt aufbauen werde.

Der Zweitmitbeteiligte brachte in einem Schreiben vom 1. Dezember 2000 vor, seine Arbeitsstelle sei Wels bzw. "unsere Baustelle in Pregarten". Seine Freizeit verbringe er fast ausschließlich in Pregarten oder in S., seiner Heimatgemeinde. Linz sei für ihn nur eine "Schlafstelle" während der Woche. Seine "Bankverbindung" befinde sich in S. Dort wohne auch seine Mutter und dort habe er ebenfalls seinen Freundeskreis. Seine Frau und er würden voraussichtlich Mitte 2001 den Hauptwohnsitz nach Pregarten verlegen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, den Hauptwohnsitz des Zweitmitbeteiligten an der Linzer Anschrift festzusetzen, abgewiesen, und ausgesprochen, dass der Hauptwohnsitz des Zweitmitbeteiligten an der Anschrift in S verbleibe. Zusammengefasst folgte die belangte Behörde dem Tatsachenvorbringen der mitbeteiligten Parteien. Daraus folgerte die belangte Behörde, dass der Zweitmitbeteiligte seinen Hauptwohnsitz in S habe. Der Umstand, dass er eine Wohnung, wenn auch jene der Ehefrau, in einer anderen Gemeinde, vorliegendenfalls in Linz, als Schlafstelle benütze, begründe zwar auch einen Mittelpunkt einer Lebensbeziehung, womit aber im Beschwerdefall das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", welches nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck komme, den Ausschlag gebe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die nunmehr ausdrücklich in § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001) genannten Kriterien maßgeblich sind:

Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind (also wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen solche Mittelpunkte darstellen, wobei die vom Betroffenen vorgenommene Bezeichnung eines Hauptwohnsitzes allein nicht jedenfalls maßgeblich ist). Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargelegt, dass eine "absolute Sicherheit" über die Lebenssituation des Meldepflichtigen für die Evaluierung des zu beurteilenden Sachverhaltes nicht notwendig ist; der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 17 Abs. 3 MeldeG bewusst die in Rede stehenden Unschärfen aus rechtspolitischen Gründen in Kauf genommen (siehe dazu näher das genannte Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, oder auch das weitere Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2001/05/0930).

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde, dass der Zweitmitbeteiligte, der mit einer in Linz wohnhaften Frau verheiratet ist und dort mit ihr wohnt, in Linz einen "Mittelpunkt der Lebensbeziehungen" hat. Er arbeitet in Wels und verbringt seine Freizeit zumeist mit seiner Frau in S, aber auch auf der Baustelle des in Aussicht genommenen neuen Heimes in Pregarten. Er macht zu S vor allem gesellschaftliche Beziehungen geltend, die in Linz nicht bestünden. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes treten aber die im Wesentlichen gesellschaftlichen Beziehungen des Zweitmitbeteiligten zu seinem Heimatort (der von ihm ins Treffen geführten Bankverbindung ist melderechtlich keine entscheidende Bedeutung zuzumessen) derart in den Hintergrund, dass der Mittelpunktcharakter des Heimatortes nicht mehr bejaht werden kann.

Ausgehend davon hat im Beschwerdefall der Zweitmitbeteiligte ohne Rechtsgrundlage eine Wahl nach § 1 Abs. 7 letzter Satz MeldeG getroffen, weshalb die Reklamation durch den Beschwerdeführer zu Recht erfolgte. Da die belangte Behörde diese Rechtslage verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Das Kostenersatzbegehren des Beschwerdeführers war abzuweisen, weil er nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (§ 49 Abs. 1 VwGG idF der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997).

Wien, am 27. Februar 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001051038.X00

Im RIS seit

08.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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