TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/27 2001/05/0943

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Veröffentlicht am 27.02.2002
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §1 Abs6;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
MeldeG 1991 §1 Abs8 idF 2001/I/028;
MeldeG 1991 §17 Abs1;
MeldeG 1991 §17 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch  als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Mai 2000, Zl. 600.487/7-II/13/00, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Gemeinde Gaal, 2. Heinz Gödel in 8731 Gaal, Ingerring II/74), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 6. September 1943 in Wien geborene verheiratete Zweitmitbeteiligte hatte von Oktober 1973 bis 17. April 1999 seinen Hauptwohnsitz in Wien. Mit Kaufvertrag vom 9. Dezember 1998 haben der Zweitmitbeteiligte und seine 1954 geborene Ehegattin um S 1,000.000.- ein Wohnhaus in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters (Gaal) erworben. Schon vor mehr als einem Jahrzehnt hatte der Zweitmitbeteiligte in dieser Gemeinde eine Mühle gepachtet und ab diesem Zeitpunkt den Großteil seiner Freizeit dort verbracht. Seit 17. April 1999 ist der Zweitmitbeteiligte mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters gemeldet; sein bisheriger Hauptwohnsitz in Wien ist nunmehr sein weiterer aktueller Wohnsitz; seine Ehegattin hat dort weiterhin ihren Hauptwohnsitz.

Im Zuge des über Antrag des Beschwerdeführers eingeleiteten Ermittlungsverfahrens gab der Zweitmitbeteiligte die Erklärung ab, in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters (Gaal) den größeren Teil des Jahres im gekauften Wohnhaus, das nunmehr auch renoviert werde, gemeinsam mit seiner Ehegattin zu verbringen. In der Wohnung in Wien befinde er sich nur fallweise. Seine Arbeitsstätte befinde sich in Wien, er sei jedoch im Aussendienst tätig und betreue häufig Kunden in der Oststeiermark. Er trete daher den Weg zu den Kunden überwiegend von seinem Haus in Gaal an. Seine gesellschaftlichen Betätigungen in Wien seien kaum vorhanden, in Gaal "weniger intensiv".

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes des Zweitmitbeteiligten an der gemeldeten Adresse in Gaal ab. Nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren habe der Zweitmitbeteiligte in Wien berufliche und familiäre, in Gaal familiäre, gesellschaftliche und berufliche Anknüpfungspunkte; in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters halte er sich überwiegend auf. Im Sinne des § 1 Abs. 7 letzter Satz MeldeG habe der Zweitmitbeteiligte den Wohnsitz in Gaal als Hauptwohnsitz bezeichnet, weshalb das subjektive Kriterium des "überwiegenden Naheverhältnisses" den Ausschlag gegeben habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen; die mitbeteiligen Parteien erstatteten ebenfalls Gegenschriften mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935 klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind. Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben.

Im Beschwerdefall steht fest, dass der Zweitmitbeteiligte zwar in Wien berufstätig ist und dort mit seiner Ehegattin wohnt, sodass die Mittelpunktqualität von Wien außer Zweifel ist. Seine berufliche Tätigkeit ist jedoch nicht auf Wien konzentriert, vielmehr betreut er Kunden in der Oststeiermark, die er von seinem Wohnhaus in Gaal aus aufsucht. Er macht besondere wirtschaftliche Beziehungen zu Gaal geltend, die in Wien nicht bestünden. Er hält sich - gemeinsam mit seiner Ehegattin - überwiegend in Gaal auf (insoweit unterscheidet sich der Beschwerdefall wesentlich von dem im hg. Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0932, beurteilten Sachverhalt). Das massive wirtschaftliche Engagement in Gaal, verbunden mit einer Aufenthaltsdauer, die eine Qualifikation als Freizeitwohnsitz nicht mehr zulässt, führt dazu, dass jedenfalls (auch) in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters ein Mittelpunkt der Lebensbeziehungen des Zweitmitbeteiligten besteht, weshalb in der Annahme der belangten Behörde, im Beschwerdefall sei das subjektive Kriterium des "überwiegenden Naheverhältnisses" ausschlaggebend, keine Rechtswidrigkeit zu erblicken ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Ein Anwendungsfall des § 47 Abs. 4 VwGG liegt nicht vor (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 9. Oktober 2001, Zl. 2001/05/0255).

Wien, am 27. Februar 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001050943.X00

Im RIS seit

21.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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