TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/27 2001/05/0944

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Veröffentlicht am 27.02.2002
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch  als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Mai 2000, Zl. 600.513/6-II/13/00, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Gemeinde Stoob, 2. Petra Wohlmuth in 7344 Stoob, Kirchengasse 14), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuspruch von Kosten wird abgewiesen.

Begründung

Die am 3. Mai 1967 in Oberpullendorf geborene ledige Zweitmitbeteiligte ist seit 22. Dezember 1998 mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters (Stoob) und in Wien seit diesem Zeitpunkt mit einem weiteren aktuellen Wohnsitz gemeldet. Vorher war Wien für die Zweitmitbeteiligte seit 1988 Hauptwohnsitz, Stoob hingegen ein weiterer Wohnsitz.

Im Zuge des über Antrag des Beschwerdeführers eingeleiteten Ermittlungsverfahrens gab die Zweitmitbeteiligte die Erklärung ab, in Wien berufstätig zu sein, jedoch überwiegend von Stoob aus den Weg zur Arbeitsstätte in den 18. Wiener Gemeindebezirk anzutreten. In der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters (Stoob) halte sie sich den kleineren Teil des Jahres, in Wien hingegen den größeren Teil des Jahres auf. In Wien besitze sie eine Eigentumswohnung. Weder in Wien noch in Stoob gäbe es Familienmitglieder als Mitbewohner. Die gesellschaftlichen Beziehungen zu Wien bezeichnete sie mit "weniger intensiv", in Stoob bestünde "keine gesellschaftliche Betätigung".

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes der Zweitmitbeteiligten an der gemeldeten Adresse in Stoob ab. Die Zweitmitbeteiligte habe in ihrer Stellungnahme eindeutig ihr "überwiegendes Naheverhältnis" zu dem Wohnsitz in Stoob dargelegt, das Vorhandensein des Arbeitsplatzes in Wien reiche allein nicht aus, um den Hauptwohnsitz in Stoob aufzuheben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung der Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen; die mitbeteiligten Parteien erstatteten ebenfalls Gegenschriften mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935 klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind. Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben.

Im hg. Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0930, auf welches zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass durch die mit der Anschaffung einer Eigentumswohnung am Ort der Berufsausübung erfolgte Kapitalbindung jedenfalls eine massive wirtschaftliche Beziehung dorthin geschaffen wird. Die erforderliche Gesamtbetrachtung verleiht in einem solchen Fall der beruflichen und der wirtschaftlichen Lebensbeziehung ein deutliches Übergewicht. Demgegenüber tritt bei der im Reklamationsverfahren gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise die familiäre Bindung einer ledigen Person umso mehr in den Hintergrund, je mehr sich ihr Alter vom Erreichen der Volljährigkeit entfernt hat und je länger sie am Ort der Berufsausübung Aufenthalt genommen hat.

Die Zweitmitbeteiligte hat somit auch im vorliegenden Fall ohne Rechtsgrundlage eine Wahl nach § 1 Abs. 7 letzter Satz MeldeG getroffen, sodass die Reklamation durch den Beschwerdeführer zu Recht erfolgte. Da dies die belangte Behörde verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - aufzuheben.

Das Kostenersatzbegehren des Beschwerdeführers (angesprochen wurde ein Schriftsatzaufwand) war abzuweisen, weil er nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (§ 49 Abs. 1 VwGG idF der Novelle BGBl I Nr. 88/1997).

Wien, am 27. Februar 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001050944.X00

Im RIS seit

21.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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