TE Vwgh Erkenntnis 2002/2/28 2000/09/0127

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Veröffentlicht am 28.02.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
VStG §51e;
VStG §51i;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des St in K, vertreten durch Dr. Helmut Paul, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Obere Landstraße 14, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 23. Mai 2000, Zl. Senat-KR-98-046, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 VStG ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich (belangte Behörde) vom 23. Mai 2000, mit welchem der Beschwerdeführer gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) wegen Übertretung des § 3 Abs. 1 dieses Gesetzes für schuldig erkannt wurde, am 15. Juli 1997 fünf namentlich genannte slowakische Staatsangehörigen auf einer näher bezeichneten Baustelle mit Bauhilfsarbeiten beschäftigt zu haben, obwohl ihm für die Beschäftigung der Ausländer keine Beschäftigungsbewilligung oder Anzeigebestätigung erteilt und diesen Ausländern selbst auch keine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt worden seien. Über den Beschwerdeführer wurden unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes gemäß § 20 VStG fünf Geldstrafen in der Höhe von jeweils S 10.000,-- samt Kostenersatz verhängt.

Dieser Bescheid wurde nach Darlegung des Verfahrensganges und der darin gewonnenen Ermittlungsergebnisse im Wesentlichen damit begründet, dass das lediglich die Entgeltlichkeit der ansonsten unbestrittenen Arbeitsleistungen der Ausländer in Abrede stellende Vorbringen in der Berufung nur eine reine Rechtsfrage darstelle, die ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung im Sinne der verwaltungsgerichtlichen Judikatur aber in dem Sinne habe gelöst werden müssen, dass Entgeltlichkeit immer schon dann zu bejahen sei, wenn für die Tätigkeit von Ausländern so genannter Naturallohn in Form von Kost und Quartier geleistet würde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird.

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde seiner Verantwortung, es habe sich lediglich um Freundschaftsdienste der Ausländer ihm gegenüber gehandelt, es habe daher weder eine Arbeitspflicht noch eine Entgeltvereinbarung gegeben, nicht gefolgt sei. Die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung sei unschlüssig, weil sie sich mit seiner Verantwortung nicht ausreichend auseinander gesetzt habe.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 51e VStG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 158/1998, lautet:

"(1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn

1. der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;

2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn

1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder

2.

sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder

3.

im angefochtenen Bescheid eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder

              4.              sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.

(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

(6) Die Parteien sind so rechtzeitig zur Verhandlung zu laden, dass ihnen von der Zustellung der Ladung an mindestens zwei Wochen zur Vorbereitung zur Verfügung stehen.

(7) ...."

Gemäß § 51i VStG ist bei der Fällung des Erkenntnisses dann, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung infolge des Verzichts auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 51e Abs. 5 entfallen ist.

Die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung enthält - entgegen der Annahme der belangten Behörde - keine ausdrückliche Beschränkung auf die Beurteilung der Rechtsfrage. Vielmehr wird mit ihr auch die von der Behörde erster Rechtsstufe vorgenommene Beweiswürdigung und damit der der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegte Sachverhalt als unvollständig bekämpft. Ob die Verantwortung des Beschwerdeführers glaubwürdig ist oder nicht, ob der Darstellung des Sachverhaltes nach seinen Angaben höhere Wahrscheinlichkeit zuzubilligen ist oder nicht, hätte die belangte Behörde daher auf Grund eigener Erwägungen zu entscheiden gehabt; die Beweiswürdigung der Strafbehörde erster Instanz als glaubwürdig zu beurteilen, ohne selbst Beweise aufgenommen zu haben, ist als eine unzulässige antizipative Beweiswürdigung zu werten und reicht angesichts des in § 51i VStG normierten Unmittelbarkeitsgrundsatzes nicht aus.

Die belangte Behörde hätte daher im Rahmen einer mündlichen Berufungsverhandlung selbst zu prüfen gehabt, ob bzw. inwieweit den Angaben des Beschwerdeführers in Rücksicht auf die - erst allenfalls zu ergänzenden - Gesamtumstände Glaubwürdigkeit zukam. Sie hat ihrem Bescheid aber lediglich die Angaben in der Anzeige des Arbeitsinspektorates zu Grunde gelegt. Eine persönliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde wäre jedoch umso dringender geboten gewesen, als sie ja seine Verantwortung als unglaubwürdig erachtete. Die belangte Behörde hätte aber nur im Falle des in einer mündlichen Berufungsverhandlung gewonnen persönlichen Eindrucks darüber befinden dürfen, ob sie seinen Angaben sie Glauben schenkt oder nicht. Insbesondere durfte sie sich nicht darauf beschränken, eine vor der Erstbehörde abgelegte Aussage als umfassend anzusehen und rechtlich zu beurteilen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 6. März 1997, Zl. 95/09/0207, und vom 18. Juni 1996, Zl. 95/04/0193). Im Fall gesetzmäßigen Vorgehens hätte die belangte Behörde gemäß § 51i VStG (Unmittelbarkeit des Verfahrens) bei ihrer Entscheidung nur auf das Rücksicht nehmen dürfen, was in der Verhandlung vorgekommen ist. Daher ist der von der belangten Behörde ihrer Entscheidung ausschließlich aufgrund der Ermittlungen der Erstbehörde zugrunde gelegte Sachverhalt nicht in einem gesetzmäßigen (mängelfreien) Verfahren zustande gekommen.

Dieser Mangel ist aber auch wesentlich:

Der im § 45 AVG aufgestellte (im Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 24 VStG anzuwendende) Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet lediglich, dass die Behörde bei ihrer Beweiswürdigung nicht an Beweisregeln gebunden ist. Alle Beweismittel sind grundsätzlich gleichwertig und haben die gleiche abstrakte Beweiskraft. Dafür, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht, hat allein der "innere Wahrheitsgehalt" der Ergebnisse des Beweisverfahrens ausschlaggebend zu sein.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1998, Zl. 98/09/0290, und vom 3. Juli 2000, Zl. 99/09/0037) dargelegt hat, fallen Gefälligkeitsdienste nicht unter die bewilligungspflichtige Beschäftigung des AuslBG. Als Gefälligkeitsdienste können kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anerkannt werden, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten erbracht werden. Der Übergang zwischen Gefälligkeitsdienst und kurzfristiger Beschäftigung im Sinne des AuslBG ist fließend. Es ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen, um das Vorliegen eines Gefälligkeitsdienstes annehmen zu können. Wesentlich ist in einem solchen Fall die Freiwilligkeit der Leistung.

Da somit nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und Einvernahme der Zeugen und des Beschwerdeführers unter Stellung von Fragen an sie auch durch diesen selbst (§ 51g Abs. 2 VStG), zu einem anderen, für ihn günstigeren Ergebnis gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war auf EUR 181,68 umzurechnen. Das die Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, da Mehrwertsteuer in dem für Schriftsatzaufwand zuerkannten Pauschalbetrag bereits einhalten ist.

Wien, am 28. Februar 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000090127.X00

Im RIS seit

23.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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