TE Vfgh Erkenntnis 1999/3/11 V92/98

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Veröffentlicht am 11.03.1999
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art18 Abs2
KurzparkzonenV des Magistrats der Stadt Krems vom 06.06.77
StVO 1960 §94f Abs1 litb Z2

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer Kurzparkzonenverordnung in Krems wegen Verletzung des Anhörungsrechts jener Berufsgruppen mit Berufssitz oder Arbeitsstätte innerhalb der Kurzparkzone

Spruch

Die Verordnung des Magistrates der Stadt Krems an der Donau vom 6. Juni 1977, Z M.A. I/4 VKI-B-29/1977 Hö, mit der ein

"zeitlich beschränktes Parkverbot (Kurzparkzone) in Krems, Ringstraße vor dem Haus Nr. 12 (Bank für Arbeit und Wirtschaft) entlang des Radweges in der Zeit vom Montag bis Freitag, 07 Uhr bis 17 Uhr (Werktag) und Samstag von 07 Uhr bis 12 Uhr (Werkt.)"

angeordnet wurde, war gesetzwidrig.

Die Niederösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Magistrat der Stadt Krems an der Donau erließ am 6. Juni 1977 unter Berufung auf die §§94b litb, 43 Abs1 litb Z1 und 55 Abs1 und 6 StVO 1960 iVm. der Bodenmarkierungsverordnung BGBl. Nr. 226/1963 folgende Verordnung:

"Zeitlich beschränktes Parkverbot (Kurzparkzone) in Krems, Ringstraße vor dem Haus Nr. 12 (Bank für Arbeit und Wirtschaft) entlang des Radweges in der Zeit vom Montag bis Freitag, 07 Uhr bis 17 Uhr (Werktag) und Samstag von 07 Uhr bis 12 Uhr (Werkt.)."

Diese Verordnung wurde am 6. Juni 1977 in Kraft gesetzt.

2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 7. Oktober 1996 befand der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich den Beteiligten, einen Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in Krems, gemäß §2 Abs1 Z1 und §3 Abs2 Kurzparkzonenüberwachungsverordnung schuldig, daß er sein Kraftfahrzeug am 5. März 1994 in der gebührenfreien Kurzparkzone abgestellt hatte, ohne dafür gesorgt zu haben, daß es für die Dauer des Abstellens mit einer richtig eingestellten Parkscheibe gekennzeichnet war.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B3394/96 protokollierte Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher der Beteiligte als Beschwerdeführer die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm geltend macht. Die angewendete Verordnung sei ohne Wahrung der gemäß §94f Abs1 litb Z2 StVO 1960 zwingend vorgeschriebenen Anhörungsrechte der gesetzlichen Interessenvertretungen jener Berufsgruppen, deren Interessen durch die Errichtung einer Kurzparkzone berührt würden, erlassen worden. Durch die Errichtung der gegenständlichen Kurzparkzone seien nicht nur die spezifischen Interessen der "Mitglieder der Rechtsanwaltskammer, sondern auch jene der Mitglieder anderer gesetzlicher beruflicher Interessenvertretungen (Wirtschafts-, Arbeiter- und Landwirtschaftskammer)" betroffen.

3. Der Verfassungsgerichtshof teilte die Bedenken des Beteiligten ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Magistrates der Stadt Krems vom 6. Juni 1977 und leitete gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen das gegenständliche Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung ein, mit der ein "zeitlich beschränktes Parkverbot (Kurzparkzone) in Krems, Ringstraße vor dem Haus Nr. 12 (Bank für Arbeit und Wirtschaft) entlang des Radweges in der Zeit vom Montag bis Freitag, 07 Uhr bis 17 Uhr (Werktag) und Samstag von 07 Uhr bis 12 Uhr (Werkt.)" angeordnet wurde.

4. Der Magistrat der Stadt Krems an der Donau teilte in seiner Äußerung vom 4. November 1998 mit, daß den bezughabenden Verordnungsakten nur ein unvollständiges Verfahren zu entnehmen sei. Es könne heute nicht mehr festgestellt werden, ob die Unterlagen über das Anhörungsverfahren verloren gegangen seien oder ob dem Auftrag im Sinne des §94f Abs1 StVO 1960 nicht nachgekommen worden sei. Die mit dieser Angelegenheit befaßten Personen seien nämlich bereits aus dem aktiven Dienst ausgeschieden bzw. verstorben. Der Magistrat der Stadt Krems sei jedoch inzwischen seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Anhörung von gesetzlichen Interessenvertretungen nachgekommen und habe die gegenständliche Kurzparkzone neu verordnet.

Gemeinsam mit dieser Äußerung wurde dem Verfassungsgerichtshof die Verordnung des Magistrates der Stadt Krems an der Donau vom 6. Dezember 1996, ZI/4-82/1996, übermittelt, mit der "eine Kurzparkzone, mit Parkdauer 90 Minuten, in Krems, Ringstraße 12 (gesamte Länge des Gebäudes), in der Zeit von Montag bis Freitag (werktags) von 07.00 Uhr bis 17.00 Uhr" verordnet wurde.

Die Kundmachung dieser Verordnung gemäß §44 StVO 1960 erfolgte durch die Anbringung der Verkehrszeichen gemäß §52 lita Z13d und e StVO 1960 sowie der Zusatztafel "werktags Montag bis Freitag von 07.00 Uhr - 17.00 Uhr, Parkdauer 90 Minuten" bereits im Zuge der Erstverordnung.

5. Die Niederösterreichische Landesregierung sah von einer Äußerung ab.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist zulässig. Die in Prüfung stehende Verordnung bildet eine der Rechtsgrundlagen des angefochtenen - keinem weiteren Rechtszug unterliegenden - Berufungsbescheides; sie ist demnach auch bei Fällung des Erkenntnisses über die vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG anzuwenden und somit in dieser Beschwerdesache präjudiziell im Sinne des Art139 Abs1 Satz 1

B-VG.

2. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes sind begründet.

§94f Abs1 litb Z2 StVO 1960 schreibt zwingend vor, daß die Gemeinde (§94d StVO 1960) vor Erlassung einer straßenpolizeilichen Verordnung - außer bei Gefahr im Verzuge - dann, wenn die Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe berührt werden, die gesetzliche Interessenvertretung dieser Berufsgruppe anzuhören hat. Wird diese Anhörungspflicht verletzt, haftet der Verordnung ein formaler Mangel an. Sie ist - wegen Verstoßes gegen §94f Abs1 litb Z2 StVO 1960 - gesetzwidrig (vgl. VfSlg. 5784/1968, 8686/1977, 9818/1983, 11920/1988, 13783/1994, 14053/1995, 14439/1996, ua.).

Dies trifft hier wegen der verabsäumten Anhörung jedweder, in ihren Interessen betroffener, gesetzlicher Interessenvertretung zu.

Bereits in VfSlg. 5784/1968 hat der Verfassungsgerichtshof angenommen, daß "das Interesse einer Berufsgruppe ... jedenfalls dann berührt (wird), wenn durch eine Verkehrsbeschränkung die Ausübung des betreffenden Gewerbes erschwert oder gar unterbunden wird".

Nach der bisher unwidersprochen gebliebenen Behauptung des Beschwerdeführers befinden sich im Bereich der Ringstraße zahlreiche Geschäfte, Versicherungs- und Bankgesellschaften sowie der Sitz eines Notars und die Kanzlei eines Rechtsanwaltes. Es ist daher anzunehmen, daß zumindest die Angehörigen jener Berufsgruppen, die innerhalb der Kurzparkzone eine Arbeitsstätte oder ihren Berufssitz haben, von der gegenständlichen Kurzparkzonenverordnung im Sinne einer Erschwerung der Berufsausübung "berührt" wurden.

Unter diesen Umständen - Gefahr im Verzuge wurde nicht geltend gemacht und lag, wie der Akteninhalt zeigt, auch tatsächlich nicht vor - ergibt sich, daß die Verordnung nicht gesetzmäßig zustandekam. Da sie infolge der vom Magistrat der Stadt Krems an der Donau am 6. Dezember 1996 erlassenen Verordnung derzeit nicht mehr in Kraft steht, hatte der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs4 B-VG lediglich auszusprechen, daß diese Norm gesetzwidrig war.

3. Die Verpflichtung der Niederösterreichischen Landesregierung zur Kundmachung dieses Ausspruches erfließt aus Art139 Abs5 B-VG.

4. Dieses Erkenntnis wurde gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefällt.

Schlagworte

Verordnungserlassung, Straßenpolizei, Kurzparkzone

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:V92.1998

Dokumentnummer

JFT_10009689_98V00092_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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