TE Vwgh Erkenntnis 2002/3/13 2001/12/0039

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Veröffentlicht am 13.03.2002
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Index

L24006 Gemeindebedienstete Steiermark;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;
68/01 Behinderteneinstellung;

Norm

ASVG §203 Abs1;
BEinstG;
BKUVG §101 Abs1;
BKUVG §101;
DGO Graz 1957 §37a Abs3;
DGO Graz 1957 §37a Abs6;
UFV Graz 1967 §31;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde der F in S, vertreten durch Dr. Bernhard Grillitsch, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Schiffgasse 6/1, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 30. November 2000, Zl. Präs. K - 124/2000-3, betreffend Versehrtenrente nach Dienstunfall (§ 37a DO-Graz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am 12. November 1949 geborene Beschwerdeführerin steht als Beamtin in handwerklicher Verwendung in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Graz. Sie war im städtischen Kindergarten in G als Kindergartenhelferin beschäftigt. Am 20. April 1998 erlitt die Beschwerdeführerin auf dem Weg zum Dienst einen Fahrradunfall.

Mit Bescheid des Unfallfürsorgeausschusses der Landeshauptstadt Graz vom 22. Oktober 1999 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 37a der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. Nr. 30 (im Folgenden: DO-Graz) "in der geltenden Fassung", und den §§ 101 Abs. 1, 102, 103 und 107 des Beamten-, Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 200/1967 (im Folgenden: B-KUVG) "in der geltenden Fassung", eine vorläufige Versehrtenrente ab 21. Juli 1998 in Höhe von 25 von Hundert der Vollrente und ab 22. Dezember 1998 bis 17. Jänner 2000 in Höhe von 20 von Hundert der Vollrente gewährt.

Grundlage für die Zuerkennung dieser vorläufigen Rente bildete ein fachärztliches orthopädisches Gutachten vom 18. Jänner 1999 des Dr. P.

Dieser gelangte zur Diagnose:

"Subkapitaler Oberarmbruch rechts mit Abbruch des großen Rollhöckers, Prellung und Hautabschürfung linker Handrücken."

Auf Grund einer Untersuchung des Schultergürtels und der oberen Extremitäten am 18. Jänner 1999 gelangte Dr. P zu folgendem Befund:

"Schultergürtel und obere Extremität bds.: Es besteht eine geringe Atrophie der Schultermuskulatur im ventralen Anteil, es findet sich ferner an der Vorderseite des rechten Schultergelenks bis zum proximal Oberarm reichende, 20cm-lange, reizlose OP-Narbe, die Beweglichkeit des rechten Schultergelenks deutlich eingeschränkt, die übrigen Gelenke der oberen Extremität bds. frei beweglich, die Hohlhandbeschwielung seitengleich, die grobe Kraft vorhanden, der Faustschluss und das Fingerspreizen durchführbar, Speichenpulse tastbar, an der Außenseite des linken Ellenbogengelenks reizlose OP-Narbe.

Umfangmaße:

Oberarm

rechts

28,5 cm

links

28,5 cm

Unterarm

rechts

25,5 cm

links

25 cm

Handgelenk

rechts

16,5 cm

links

16,5 cm

Mittelhand

rechts

20,5 cm

links

20 cm

Beweglichkeit beider Schultergelenke:

rechts S 40/0/55, F 70/0/0, R 0/25/55, links S 45/0/140, F

120/0/0, R 45/0/45."

Der Sachverständige gelangte zu folgender zusammenfassenden Beurteilung:

"Frau F erlitt bei einem Verkehrsunfall am 20.4.1998 einen subkapitalen Oberarmbruch rechts mit Abbruch des großen Rollhöckers sowie eine Prellung und Exkoriation im Bereich des linken Handrückens, eine Versorgung erfolgte im UKH Graz (stationär 20.4. - 2.6.1998), operative Korrektur am 23.4.1998 und Revision am 4.5.1998. Nachfolgend erfolgte eine physikalische Behandlung im Theresienhof/Frohnleiten vom 20.6. - 10.7.1998, danach eine ambulante physikalische Therapie im elektrophysikalischen Ambulatorium der GKK vom 14.7. - 21.12.1998.

Bei der am 18.1.1999 durchgeführten Untersuchung konnte folgender Befund festgestellt werden.

Die OP-Narbe an der Vorderseite des rechten Schultergelenks reizlos, es besteht eine geringgradige Atrophie der Schultermuskulatur rechts, die Beweglichkeit des rechten Schultergelenks deutlich eingeschränkt, die Außenrotation aufgehoben, keine Muskelatrophie, die übrigen Gelenke der oberen Extremität bds. frei.

Das Röntgenbild des rechten Schultergelenks vom 20.10.1998 zeigt einen Zustand nach subkapitaler Humerusfraktur rechts mit Teilresektion des großen Rollhöckers, die Metalle liegen reizlos, es besteht eine ausgeprägte Knochendystrophie, im Bereich der Armmuskulatur rechts keine Muskelatrophie, es besteht keine Kraftverminderung, Sensibilitätsstörungen werden nicht angegeben.

Eine Unfallkausalität ist gegeben. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist für den stationären Aufenthalt vom 20.4. - 2.6.1998 mit 100 %, vom 3.6.1998 bis 19.6.1998 mit 30 %, für den Aufenthalt im Theresienhof/Frohnleiten vom 20.6. bis 10.7.1998 mit 100 %, für den Zeitraum vom 11.7.1998 - 21.12.1998 mit 25 % einzustufen, ab 22.12.1998 bis auf Dauer mit 20 % einzustufen. Eine Nachuntersuchung wird in einem Jahr empfohlen."

Am 10. Jänner 2000 erfolgte die Nachuntersuchung der Beschwerdeführerin durch Dr. P, um die Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit ab 18. Jänner 2000 festzustellen und damit die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Versehrtenrente als Dauerrente zu überprüfen.

Auf Grund dieser Befundung der Beschwerdeführerin erstattete Dr. P am gleichen Tag ein fachärztliches Gutachten. Darin wird erwähnt, dass die Beschwerdeführerin noch über Schmerzen im rechten Schultergelenk klage. Weiters wird die Vorlage eines Röntgenbildes des rechten Schultergelenks vom 7. September 1999 erwähnt, welches einen exakten Sitz der Oberarmkopfprothese wiedergebe, ohne Lockerungszeichen erkennen zu lassen.

Der Untersuchungsbefund vom 10. Jänner 2000 samt der zusammenfassenden Beurteilung durch den Sachverständigen lautet wie folgt:

"Untersuchungsbefund vom 10.1.2000: An der Vorderseite des rechten Schultergelenks bis an die Innenseite des rechten Oberarms reichende, reizlose, 21cm-lange OP-Narbe, die Beweglichkeit des rechten Schultergelenks eingeschränkt, die übrigen Gelenke der oberen Extremität bds. frei beweglich, die Hohlhandbeschwielung seitengleich, die grobe Kraft vorhanden, der Faustschluss und das Fingerspreizen durchführbar, Speichenpulse tastbar.

Umfangmaße:

Oberarm

rechts

28,5 cm

links

28,5 cm

Unterarm

rechts

25 cm

links

24,5 cm

Handgelenk

rechts

16,5 cm

links

16,5 cm

Mittelhand

rechts

21 cm

links

21 cm

Beweglichkeit beider Schultergelenke:

rechts S 50/0/40, F 60/0/0, R 20/0/60

links S 60/0/115, F 110/0/0, R 30/0/60

Kopf, Hals, Rumpf und untere Extremität gegenüber Vorbefund

unverändert.

Zusammenfassung u. Beurteilung: Frau F erlitt b. einem Verkehrsunfall am 20.4.1998 einen subkapitalen Oberarmbruch rechts mit Abbruch des großen Rollhöckers sowie eine Prellung und Hautabschürfung im Bereich des linken Handrückens. Eine Osteosynthese des Oberarmbruchs wurde am 23.4.1998 durchgeführt, eine Revision am 4.5.1998. (Stationär 20.4. - 2.6.1998). Nachfolgend stationäre physikalische Behandlung im Theresienhof/Frohnleiten vom 20.6. - 10.7.1998 sowie eine ambulante physikalische Therapie in der GKK vom 14.7. - 21.12.1998. Wegen anhaltender Beschwerden wird eine ambulante Kontrolluntersuchung am 4.5.1999 im UKH durchgeführt und dabei eine Oberarmkopfnekrose rechts festgestellt. Deshalb wird auch am 27.5.1999 eine Oberarmkopfprothese implantiert (stationär 26.5. - 7.6.1999). Anschließend erfolgte eine ambulante physikalische Behandlung vom 8.6. - 31.8.1999 sowie eine stationäre physikalische Behandlung im Theresienhof/Frohnleiten vom 7.9. - 27.9.1999.

Bei ambulanter Kontrolluntersuchung am 7.11.1999 wurde eine weitere physikalische Behandlung sowie Schmerztherapie empfohlen.

Gegenüber dem Vergleichsbefund vom 18.1.1999 ist die Streckung und Beugung weitgehend unverändert geblieben, ebenso das Abheben des Armes, eine deutliche Besserung konnte jedoch im Bereich der Rotation erzielt werden. Die OP-Narbe ist reizlos, es besteht keine Muskelatrophie.

Eine Unfallkausalität ist gegeben, die Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 18.1.2000 ist mit 15 % einzustufen.

Bezüglich des Fragenkatalogs kann festgehalten werden:

     1.        Implantation einer Oberarmkopfprothese rechtes

Schultergelenk mit Bewegungseinschränkung des Gelenks.

     2.        Der Patientin sind noch leichte Arbeiten mit beiden

Händen sowie mittelschwere Arbeiten mit der linken Hand zumutbar,

Arbeiten über der Horizontalen mit dem rechten Arm scheiden aus.

     3.        Die Arbeiten können im Gehen, Stehen und Sitzen

durchgeführt werden, vermehrte Ruhepausen sind nicht erforderlich.

     4.        Arbeiten in gebückter Körperhaltung sind zumutbar.

     5.        Wie lange der festgestellte Leidenszustand noch

andauert, ist derzeit nicht vorauszusehen.

     6.        Mit einer Besserung des bestehenden Leidens ist

noch zu rechnen."

Mit Note vom 20. Jänner 2000 gewährte die erstinstanzliche Behörde der Beschwerdeführerin zum Gutachten Dris. P vom 10. Jänner 2000 Parteiengehör.

Daraufhin legte die Beschwerdeführerin ein Privatgutachten des Dr. Pa vom 12. April 2000 vor.

In diesem Gutachten wird erwähnt, dass die Beschwerdeführerin am 7. Februar 2000 wegen Zunahme ihrer Beschwerden neuerlich im Unfallkrankenhaus erschienen ist und der Schulterambulanz vorgestellt worden sei; nach Röntgen und Sonografie der rechten Schulter seien ihr mehrere Infiltrationen mit Volon A 40 und Carbostesin subacromial verabreicht worden. Seitens des untersuchenden Arztes der Schulterambulanz sei ihr bis 12. April 2000 "Arbeitsunfähigkeit" bestätigt worden. Am Tag der Untersuchung durch Dr. Pa, dem 28. März 2000, habe die Beschwerdeführerin über anhaltende Schmerzen in der rechten Schulter, vor allem bei Belastung, Bewegung, aber auch in Ruhe, geklagt. Nur nach Behandlung in der Schulterambulanz mit Spritzen habe die Beschwerdeführerin angegeben, einige Tage schmerzfrei zu sein.

In Ansehung der rechten Schulter nahm Dr. Pa folgenden Befund auf:

"Rechte Schulter: Über 20 cm lange, etwas eingezogene, noch rötlich verfärbte OP-Narbe ventral an der Schulter bis zum Oberarm reichend. Die Beweglichkeit der Schulter ist stärker eingeschränkt, die aktive Abduktion erfolgt bis 50 Grad, passiv ist diese bis 80 Grad durchführbar, die Patientin gibt hier jedoch Schmerzen an.

Der Nackengriff ist nicht auszuführen, der Kreuzgriff mit dem rechten Arm erschwert. Das linke Schultergelenk ist frei beweglich.

Ellbogen beidseits frei, am rechten Vorderarm in den 3. bis 5. Finger einstrahlend, werden Parestäsien angegeben. Der Faustschluss ist seitengleich gut; die Pulse tastbar.

Rumpf und untere Extremitäten unauffällig.

OP-Narbe rechtes Knie parapatellar medial, sonst gute Bemuskelung, die Gelenke alle frei beweglich."

Er gelangte zu folgender zusammenfassenden Beurteilung sowie

Einschätzung des Zustandes der Beschwerdeführerin:

"ZUSAMMENFASSUNG UND BEURTEILUNG:

Beim Unfall am 20.4.1998 erlitt Frau F einen Bruch des Oberarmes im oberen Anteil mit Abbruch des großen Rollhöckers, sowie eine Prellung und Hautabschürfung im Bereich des linken Handrückens.

Die Patientin wurde erstversorgt im Unfallkrankenhaus Graz, nach diagnostischer Abklärung wurde eine Osteosynthese des Oberarmes am 23.4.98 durchgeführt. Es kam postoperativ zu einer Infektion, weitere Revisionsoperation war am 4.5.98 notwendig.

Es folgten laufend stationäre und ambulante physikalische Behandlungen, sowie ein dreiwöchiger Aufenthalt im Rehab-Zentrum Theresienhof Frohnleiten. Auch in der Gebietskrankenkasse wurden ambulante physikalische Therapien durchgeführt, es kam jedoch zu zunehmenden Beschwerden, am 4.5.99 wurde nach einer Untersuchung im Unfallkrankenhaus eine Nekrose (Absterben des Oberarmkopfes) rechts diagnostiziert und es wurde am 27.5.99 eine Gelenkersatzoperation durchgeführt, wobei eine Prothese des Oberarmkopfes implantiert wurde.

Es folgte wieder ambulante physikalische Behandlung nach Abheilung der Wunden, ein neuerlicher Aufenthalt im Theresienhof von 7.9. bis 27.9.1999 erfolgte.

Wegen Zunahme der Beschwerden wird die Patientin am 7.2.2000 im Unfallkrankenhaus Graz wieder ambulant untersucht und in der Schulterambulanz vorgestellt.

Hier werden bis 22.3.2000 laufend Infiltrationen des Subacromialraumes mit entzündungshemmenden Mitteln durchgeführt.

Am 28.3.2000 fand sich eine erhebliche funktionelle Einschränkung der rechten Schulter, im Vordergrund stehen hier die doch glaubhaft vermittelten mittelstarken und starken Schmerzen, welche bei Bewegung und in Ruhe sich in letzter Zeit eher verstärkt haben.

Dies ist auch aus den Befunden des Unfallkrankenhauses Graz

vom 2.7. bis 30.3. ersichtlich.

EINSCHÄTZUNG:

Eine Arbeitsfähigkeit scheint mir im derzeitigen Zustand der Patientin nicht gegeben. Im Vordergrund stehen starke Schmerzen, welche in Ruhe und bei Belastung auftreten und mit starkem Schmerzmittel gelindert werden können.

Je nach Schmerzintensität ist dadurch auch die Funktion des rechten Schultergelenkes zusätzlich eingeschränkt.

Es ist auch keine wesentliche Besserung der Funktion und der Schmerzen im rechten Schultergelenk auf Grund meiner unfallchirurgischen Erfahrungen mit Schulterprothesen zu erwarten."

Mit Bescheid des Unfallfürsorgeausschusses der Landeshauptstadt Graz vom 15. Mai 2000 wies dieser den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung der Versehrtenrente im Ausmaß von 20 % der Vollrente ab 18. Jänner 2000 "gemäß § 37a der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. Nr. 30/1957 idgF:, iVm. § 31 der Unfallfürsorgesatzung 1967 (UFS 1967), idgF., und § 101 Abs. 1 des Beamten-, Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes (B-KUVG), BGBl. Nr. 200 vom 31.5.1967, idgF.", ab.

In der Begründung dieses Bescheides stützte sich die erstinstanzliche Behörde auf das als schlüssig erachtete Sachverständigengutachten Dris. P vom 10. Jänner 2000, wonach die Streckung und Beugung im Vergleich zum Befund vom 18. Jänner 1999 weitgehend unverändert geblieben sei, ebenso das Abheben des Armes. Eine deutliche Besserung sei jedoch im Bereich der Rotation erzielt worden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei daher mit 15 % auf Dauer einzustufen. Mit einer weiteren Besserung des Zustandes sei zu rechnen.

Dieser Einschätzung durch den Sachverständigen Dr. P stehe das Gutachten des Sachverständigen Dr. Pa nicht entgegen. Diesem Gutachten sei lediglich eine Stellungnahme zur Frage der Arbeitsfähigkeit zu entnehmen. Der im Bereich des Krankenversicherungsrechtes verwendete Begriff der "Arbeitsunfähigkeit" sei jedoch nicht mit jenem der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Unfallversicherungsrechtes gleichzusetzen. Die hier wesentliche Frage einer Minderung der Erwerbsfähigkeit sei von Dr. Pa nicht behandelt worden. Unter dem Begriff der Erwerbsfähigkeit sei die Fähigkeit zu verstehen, sich unter Ausnutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich nach den jeweiligen Kenntnissen und Fähigkeiten im gesamten Bereich des Wirtschaftslebens böten, einen Erwerb zu verschaffen. Bezugspunkt sei dabei nicht die konkret ausgeübte Tätigkeit, sondern der allgemeine Arbeitsmarkt.

Nicht sei zu prüfen gewesen, ob eine wesentliche Änderung des Zustandes der Beschwerdeführerin im Sinne des § 94 Abs. 1 B-KUVG eingetreten sei, weil ihr zunächst lediglich eine vorläufige Rente zuerkannt worden sei. Ein Anspruch auf Versehrtenrente gemäß § 101 Abs. 1 B-KUVG bestehe aber nur im Falle einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 %. Da Letztere im Fall der Beschwerdeführerin lediglich 15 % betrage, sei ihr Antrag abzuweisen gewesen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Sie rügte insbesondere, dass es die erstinstanzliche Behörde unterlassen habe, nähere Feststellungen hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes sowie darüber zu treffen, welche Tätigkeiten von ihr im Rahmen ihres Dienstverhältnisses tatsächlich zu erbringen seien bzw. welche Chancen bestünden, die Beschwerdeführerin im Rahmen eines anderen Betätigungsfeldes beim Magistrat Graz oder am allgemeinen Arbeitsmarkt zu beschäftigen. Ausdrücklich werde die Einstufung der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit lediglich 15 % bekämpft. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf das von ihr eingeholte Privatgutachten und den darin festgestellten gesundheitlichen Zustand. Die erstinstanzliche Behörde kritisiere zwar, dass Dr. Pa die Frage der Minderung der Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin nicht begutachtet habe, treffe jedoch selbst diesbezüglich keine wesentlichen Feststellungen. Eine wesentliche Besserung ihres Zustandes gegenüber dem Zeitpunkt vom 18. Jänner 1999 sei nicht eingetreten.

Im Zuge des Berufungsverfahrens wurde eine Stellungnahme des Sachverständigen Dr. P zum Privatgutachten des Sachverständigen Dr. Pa eingeholt. Dieses Ergänzungsgutachten erstattete Dr. P am 25. September 2000. In diesem Gutachten heißt es wie folgt:

"Diagnose: Subkapitaler Oberarmbruch rechts mit

Abbruch des großen Rollhöckers, Prellung und Hautabschürfung linker Handrücken.

Wie in meinem Gutachten vom 18.1.1999 ausgeführt, war die Beweglichkeit des rechten Schultergelenks deutlich eingeschränkt, die Außenrotation aufgehoben, es bestand eine geringe Atrophie der Schultermuskulatur rechts. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit wurde mit 20 % eingestuft.

Das Gutachten vom 10.1.2000 beschreibt jedoch bereits eine deutliche Besserung im Bereich der Rotation des Schultergelenks, die übrigen Bewegungsqualitäten weitgehend unverändert, die Muskelatrophie aufgehoben, die Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 18.1.2000 wurde mit 15 % eingestuft.

Das Privatgutachten von Hrn. Dr. Pa vom 12.4.2000 beschreibt eine reizlose OP-Narbe, eine Einschränkung der Beweglichkeit des Schultergelenks, wobei der Nackengriff nicht durchführbar ist, der Kreuzgriff jedoch erschwert möglich. Beschrieben wird auch, dass im März 2000 offenbar stärkere Beschwerden im rechten Schultergelenk aufgetreten sind, weshalb entsprechende Kontrolluntersuchungen im UKH Graz durchgeführt wurden.

Im Wesentlichen beschreibt Herr Dr. Pa die gleiche Symptomatik, wie sie bei mir im Gutachten vom 10.1.2000 festgelegt wurde, ein Widerspruch zwischen diesen beiden Gutachten ergibt sich nicht.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 18.1.2000 ist weiterhin mit 15 % auf Dauer einzustufen."

Zu diesem Ergänzungsgutachten gewährte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin neuerlich Parteiengehör. Darin brachte die Beschwerdeführerin vor, aus dem in Rede stehenden Ergänzungsgutachten gehe nichts Sachdienliches hervor. Die auch im Ergänzungsgutachten aufrecht erhaltene Annahme, die Erwerbsminderung der Beschwerdeführerin betrage 15 %, werde ausdrücklich bekämpft. Die Beschwerdeführerin verwies auf das von ihr vorgelegte Gutachten Dris. Pa, sowie darauf, dass Dr. P keinen Widerspruch zu den Befundungen Dris. Pa sehe. Sie führte weiters aus, sie leide nach wie vor an starken Schmerzen im rechten Schultergelenk und nehme diesbezügliche Therapien in Anspruch. Schließlich kritisierte sie, dass Dr. P auch schon im erstinstanzlichen Verfahren als Sachverständiger eingeschritten sei. Das in Rede stehende Ergänzungsgutachten sei ohne neuerliche Untersuchung der Beschwerdeführerin abgegeben worden und entspreche nicht dem Stand der Wissenschaft und Forschung.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. November 2000 wies diese die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 15. Mai 2000 gemäß § 37a DO-Graz in Verbindung mit § 31 der Unfallfürsorgesatzung der Landeshauptstadt Graz und § 101 Abs. 1 B-KUVG als unbegründet ab. In der Begründung des angefochtenen Bescheides gibt die belangte Behörde neben den angewendeten Gesetzesbestimmungen auch ausführlich den Gang des Verwaltungsverfahrens wieder. In diesem Zusammenhang wird insbesondere hervorgehoben, dass das Gutachten Dris. P vom 10. Jänner 2000 zum Ergebnis gelangt sei, dass Streckung und Beugung sowie Abheben des Armes gegenüber dem Vergleichsbefund vom 18. Jänner 1999 unverändert geblieben sei, jedoch im Bereich der Rotation eine deutliche Besserung habe erzielt werden können. Die OP-Narbe sei reizlos, es bestehe keine Muskelatrophie. Das Gutachten sei zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 18. Jänner 2000 mit 15 % gelangt. Die Beschwerdeführerin sei demnach in der Lage, noch leichte Arbeiten mit beiden Händen sowie mittelschwere Arbeiten mit der linken Hand durchzuführen. Arbeiten über der Horizontale mit dem rechten Arm schieden jedoch aus. Die Arbeiten könnten im Gehen, Stehen und Sitzen durchgeführt werden, vermehrte Ruhepausen seien nicht erforderlich. Arbeiten in gebückter Körperhaltung seien zumutbar. Wie lange der festgestellte Leidenszustand noch andauere, sei derzeit nicht vorauszusehen.

Die belangte Behörde gab in der Folge auch den wesentlichen Inhalt des Privatgutachtens Dris. Pa vom 28. März 2000 und die dazu eingeholte Äußerung Dris. P vom 25. September 2000 wieder.

Sodann führte die belangte Behörde aus, strittig sei, ob die unfallkausale Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 18. Jänner 2000 mindestens 20 v.H. betragen habe. Dies sei nach dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten Dris. P, welches zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 15 v.H. gelangt sei, jedoch nicht der Fall. Die belangte Behörde teile die Auffassung der erstinstanzlichen Behörde, wonach Dr. Pa die Frage der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht begutachtet habe. Aus seinen Ausführungen zur "Arbeitsfähigkeit" der Beschwerdeführerin sei keine Schlussfolgerung auf ihre Erwerbsfähigkeit zu ziehen. Entgegen der in der Berufung vertretenen Auffassung der Beschwerdeführerin sei die erstinstanzliche Behörde auch nicht gehalten gewesen, auf die Chancen der Beschwerdeführerin am allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung ihrer körperlichen Beeinträchtigungen Bezug zu nehmen. Auch Feststellungen, inwieweit die Beschwerdeführerin im Rahmen eines anderen Betätigungsfeldes beim Magistrat Graz beschäftigt werden könne, seien nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Der Beschwerdeführerin wäre es offen gestanden, im Verfahren weitere Privatgutachten vorzulegen. Eine Verpflichtung zur Beiziehung eines anderen Sachverständigen durch die Behörde von Amts wegen bestehe jedoch nicht. In Ansehung des befundeten Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin bestünden, wie Dr. P am 25. September 2000 ausgeführt habe, zwischen den Gutachten vom 10. Jänner 2000 und vom 12. April 2000 keine Divergenzen. Es sei daher der Begutachtung Dris. P folgend von einer Minderung der Erwerbstätigkeit mit 15 % auszugehen. Damit lägen die Voraussetzungen des § 101 Abs. 1 B-KUVG für die Zuerkennung einer Dauerrente nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Zuerkennung einer Versehrtenrente im Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 37a Abs. 1, 2, 3 und 6 DO-Graz, die Abs. 1, 2 und 6 in der Fassung LGBl. Nr. 49/1969, der dritte Absatz in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 37/1989, lauten:

"§ 37a

Unfallfürsorge

(1) Die Stadt hat für die Unfallfürsorge ihrer Beamten Sorge zu tragen.

(2) Die Mittel zur Bestreitung der Unfallfürsorge sind durch Beiträge der Stadt aufzubringen.

(3) Hinsichtlich der Leistungen der Unfallfürsorge gelten die Bestimmungen des Zweiten Teiles Abschnitt I und III sowie des Dritten Teiles Abschnitt II und die Übergangsbestimmungen zum Zweiten Teil des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 200/1967, in der Fassung BGBl. Nr. 115/1986 sinngemäß.

...

(6) Die für die Verwaltung erforderlichen Satzungen sind nach den in Abs. 4 bis 5 festgelegten Grundsätzen vom Gemeinderat zu erlassen."

Durch die am 13. Oktober 2000 ausgegebene Novelle LGBl. Nr. 65/2000 entfiel in § 37a Abs. 3 DO-Graz die Wortfolge "i.d.F. BGBl. Nr. 115/1986.". Gemäß § 144a DO-Graz in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 65/2000 gelten Verweise in diesem Gesetz auf Bundesgesetze - soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist - als Verweise auf jene Fassungen, die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Landtages in Kraft standen.

§ 94 Abs. 1 erster Satz, § 101 und § 107 Abs. 1 B-KUVG in der Stammfassung dieser Bestimmungen nach dem BGBl. Nr. 200/1967, welche zum Abschnitt III des 2. Teiles dieses Gesetzes gehören, lauten:

"§ 94. (1) Bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, die für die Feststellung einer Rente maßgebend waren, hat die Versicherungsanstalt auf Antrag oder von Amts wegen die Rente neu festzustellen.

...

§ 101. Anspruch auf Versehrtenrente besteht, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch die Folgen eines Dienstunfalles oder einer Berufskrankheit über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalles hinaus um mindestens 20 v.H. vermindert ist; die Versehrtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v.H.

...

§ 107. (1) Kann die Versehrtenrente während der ersten zwei Jahre nach dem Eintritt des Versicherungsfalles wegen der noch nicht absehbaren Entwicklung der Folgen des Dienstunfalles oder der Berufskrankheit ihrer Höhe nach noch nicht als Dauerrente festgestellt werden, so hat die Versicherungsanstalt die Versehrtenrente als vorläufige Rente zu gewähren. Spätestens mit Ablauf des zweijährigen Zeitraumes ist die Versehrtenrente als Dauerrente festzustellen; diese Feststellung setzt eine Änderung der Verhältnisse (§ 94 Abs. 1) nicht voraus und ist an die Grundlagen für die Berechnung der vorläufigen Rente nicht gebunden."

In der Folge trat lediglich in Ansehung des § 101 durch die Novelle BGBl. Nr. 707/1976 insoweit eine Änderung ein, als ihm ein zweiter Absatz hinzugefügt wurde und der bisherige Wortlaut der Bestimmung die Absatzbezeichnung 1 erhielt.

Eine dem § 101 Abs. 1 B-KUVG entsprechende Regelung enthält auch § 31 der gemäß § 37a Abs. 6 DO-Graz erlassenen Unfallfürsorgesatzung (im Folgenden: UFS-Graz).

Die oben wiedergegebenen Bestimmungen des B-KUVG waren hier unbeschadet der Änderung der in § 37a Abs. 3 DO-Graz verwiesenen Fassung des erstgenannten Gesetzes durch die Novelle LGBl. Nr. 65/2000 jedenfalls anzuwenden.

Eingangs ist festzuhalten, dass im Hinblick auf § 107 Abs. 1 letzter Halbsatz B-KUVG in Verbindung mit § 37a Abs. 3 DO-Graz vorliegendenfalls für die Zuerkennung einer Versehrtenrente ausschließlich der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit seit 18. Jänner 2000 maßgeblich war. Auf die Frage einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Verständnis des § 94 Abs. 1 B-KUVG brauchte nicht eingegangen werden.

Strittig ist die Frage, ob die belangte Behörde zu Recht von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von nur 15 v.H. ausgegangen ist.

Im Hinblick darauf, dass sowohl § 31 UFS-Graz als auch der sinngemäß anzuwendende § 101 (Abs. 1) B-KUVG dem § 203 Abs. 1 ASVG entspricht, kann vorliegendenfalls auf die reichhaltige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der letztgenannten Bestimmung des ASVG zurückgegriffen werden (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 27. September 1990, Zl. 89/12/0245, betreffend die vergleichbare Norm des § 47 Abs. 1 des Beamten- und Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorgegesetzes, LGBl. für Tirol Nr. 42/1979). Auf die dort erfolgte zusammenfassende Wiedergabe des Urteiles des Obersten Gerichtshofes vom 2. Dezember 1987, Zl. 9 Ob S 23/87, wird verwiesen.

In seinem Urteil vom 10. Juli 2001, Zl. 10 Ob S 120/01, fasste der Oberste Gerichtshof den Stand der zivilrechtlichen Rechtsprechung zur Vorgangsweise bei der Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit wie folgt zusammen:

"Wie der Senat wiederholt ausgeführt hat, ist der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) grundsätzlich abstrakt nach dem Umfang aller verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, also auch selbstständiger Tätigkeiten zu beurteilen und in Beziehung zu allen Erwerbsmöglichkeiten - und nicht nur den tatsächlich genützten - zu setzen. Unter dem Begriff der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 203 ASVG (§ 101 B-KUVG) ist nämlich die Fähigkeit zu verstehen, sich im Erwerbsleben einen regelmäßigen Erwerb durch selbstständige oder unselbstständige Arbeit zu verschaffen (SSV-NF 7/130 mwN). Der Senat hat daran festgehalten, dass Grundlage zur Annahme der MdE regelmäßig ein ärztliches Gutachten über die Unfallsfolgen oder die Folgen der Berufskrankheit und deren Auswirkungen ist. Diese medizinische MdE, die auch auf die Verhältnisse auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Bedacht nimmt, ist im Allgemeinen auch die Grundlage für die rechtliche Einschätzung der MdE (StRsp seit SSV-NF 1/64 = SZ 60/262 = JBl 1988, 259 = DRdA 1989, 128; SSV-NF 7/52; 7/127; 7/130; 9/26; 9/78 uva). Dabei kommt den in Jahrzehnten entwickelten und angewendeten Richtlinien über die Bewertung der MdE bei Unfallverletzten als maßgebliche Grundlage eine große Bedeutung zu. Diese Richtlinien berücksichtigen nicht nur die fortschreitende medizinische Entwicklung, sondern auch die Verhältnisse auf dem Gebiet des allgemeinen Arbeitsmarktes, sodass den veränderten Anforderungen an den arbeitenden Menschen Rechnung getragen wird. Die medizinische Einschätzung, die sich dieser Richtlinien bedient, berücksichtigt auf diese Weise auch die Auswirkung einer Unfallverletzung auf die Einsatzmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die ärztliche Einschätzung, die unter Berücksichtigung dieser Komponenten erfolgt, bildet aber nicht die alleinige Grundlage der gerichtlichen Entscheidung. Dem Gericht bleibt vielmehr auch die Aufgabe, auf Grund des Befundes, der Beurteilung und der Antworten auf die an den medizinischen Sachverständigen gestellten Fragen nach dem Ausmaß der MdE nachzuprüfen, ob diese Schätzung zutreffen kann oder ob dabei wichtige Gesichtspunkte nicht berücksichtigt wurden und ein Abweichen von dieser ärztlichen Schätzung zur Vermeidung unbilliger Härten geboten ist. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt aber in erster Linie auf ärztlichwissenschaftlichem Gebiet. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben zwar keine verbindliche Wirkung, sie sind aber, weil ein enger Zusammenhang zwischen den ärztlich festgestellten Funktionseinbußen und der Einschätzung der MdE besteht, eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Entscheidung, dies vor allem, soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Bei der Beurteilung der MdE sind aber auch die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und -medizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar im Einzelfall ebenfalls nicht bindend sind, aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Parallelverfahren der täglichen Praxis bilden (zuletzt etwa 10 ObS 122/00i).

Bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit und der Ermittlung der MdE kommt es im Hinblick auf die objektiv-abstrakte Betrachtungsweise im Allgemeinen nicht auf das Lebensalter des Versehrten an (SSV-NF 11/124). ..."

In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wird weiters darauf hingewiesen, dass die Ausbildung und der bisherige Beruf des Verletzten (also konkrete Verweisungsmöglichkeiten im Einzelfall) in Abweichung von der zunächst zu Grunde zu legenden medizinischen Einschätzung nur insoweit angemessen zu berücksichtigen sind, als dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist. Weil die Unfallversicherung keine Berufsversicherung darstellt, kann die Unmöglichkeit, den bisherigen Beruf weiterhin ausüben zu können, für sich allein noch keinen Härtefall darstellen. Nur wenn die besonderen Umstände des Einzelfalles, etwa eine spezialisierte Berufsausbildung, die eine anderweitige Verwendung, bezogen auf das gesamte Erwerbsleben praktisch nicht zulässt oder in weit größerem Umfang einschränkt als in durchschnittlichen Fällen mit vergleichbaren Unfallfolgen, könnte von einem besonders zu berücksichtigenden Härtefall gesprochen werden (vgl. das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 6. Juni 1989, Zl. 10 Ob S 164/89). Gegen das Vorliegen eines solchen Härtefalls spricht nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes insbesondere die weitere Ausübung des bisherigen (erlernten) Berufes (vgl. das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 2. Dezember 1987, Zl. 9 Ob S 23/87).

Diese Rechtssätze sind sinngemäß auch für die Frage der Ermittlung der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 37a Abs. 3 DO-Graz in Verbindung mit § 101 (Abs. 1) B-KUVG anzuwenden.

Ausgehend von diesen Erwägungen ist dem Beschwerdevorbringen im Einzelnen wie folgt zu entgegnen:

Die Beschwerdeführerin rügt es zunächst als Feststellungsmangel, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, ausreichende Sachverhaltsfeststellungen hinsichtlich des konkreten Gesundheitszustandes bzw. Krankheitsbildes sowie der Beeinträchtigungen vorzunehmen.

Richtig ist, dass derartige Feststellungen erforderlich sind, um die vorliegendenfalls von der belangten Behörde vorzunehmende Beurteilung zu ermöglichen, ob die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit durch den medizinischen Sachverständigen zutreffen kann oder ob dabei wichtige Gesichtspunkte nicht berücksichtigt wurden. Die belangte Behörde hat aber entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht bloß pauschal auf die eingeholten Sachverständigengutachten verwiesen, sondern deren Inhalt auch, wenngleich zusammengefasst, wiedergegeben. Insbesondere hat die belangte Behörde die von den Sachverständigen festgestellten funktionellen Einschränkungen der rechten Schulter sowie die dadurch bedingte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin wiedergegeben. Der gerügte Feststellungsmangel liegt daher nicht vor.

Die Beschwerde rügt weiters, die belangte Behörde habe keine Feststellungen über die von der Beschwerdeführerin im Rahmen ihres Dienstverhältnisses als Kindergartenhelferin tatsächlich zu erbringenden Tätigkeiten getroffen, es sei auch ihr Arbeits- bzw. Betätigungsfeld nicht "genau abgesteckt" worden. Es hätte weiters geprüft werden müssen, inwieweit die Beschwerdeführerin im Rahmen eines anderen Betätigungsfeldes beim Magistrat Graz beschäftigt werden könne. Rechtsirrig habe die belangte Behörde überdies die Ansicht vertreten, auf die Chancen am allgemeinen Arbeitsmarkt im Hinblick auf die körperlichen Beeinträchtigungen der Beschwerdeführerin hätte nicht Bezug genommen werden müssen, um eine Minderung der Erwerbsfähigkeit feststellen zu können.

Das letztgenannte Begründungselement ist jedoch - wie sich im Zusammenhalt mit der gesamten Begründung des angefochtenen Bescheides und dem dort wiedergegebenen Gang des Verwaltungsverfahrens ergibt - nicht dahingehend zu verstehen, dass die belangte Behörde die Auffassung vertreten hätte, die Minderung der Erwerbschancen am allgemeinen Arbeitsmarkt im Hinblick auf die körperliche Beeinträchtigung sei schlechthin unbedeutend. Gerade die Frage des Grades dieser Beeinträchtigung war ja Gegenstand der auch dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten Beurteilung des Sachverständigen Dr. P. Vor diesem Hintergrund kann das in Rede stehende Begründungselement im angefochtenen Bescheid nur so gedeutet werden, dass die belangte Behörde damit zum Ausdruck bringen wollte, die Minderung der Erwerbschancen des verunfallten Beamten am Arbeitsmarkt sei abstrakt, also losgelöst von individuellen Umständen, wie etwa dem Lebensalter des Versehrten (vgl. hiezu das bereits zitierte Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 10. Juli 2001), und ohne Berücksichtigung konkreter Verweisungsmöglichkeiten im Einzelfall, die etwa aus der Ausbildung und dem bisherigen Beruf des Verletzten resultieren (vgl. hiezu das gleichfalls bereits zitierte Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 6. Juni 1989), zu prüfen. Auf den Einzelfall bezogener Feststellungen über konkrete Chancen der Beschwerdeführerin auf dem Arbeitsmarkt durch die erstinstanzliche Behörde hat es nicht bedurft.

In diesem Verständnis erweist sich die Aussage der belangten Behörde aber als zutreffend, weil eine konkrete, einzelfallbezogene Einschätzung nur dann geboten gewesen wäre, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich gewesen wäre. Für das Vorliegen eines Härtefalles bestehen jedoch bei der Beschwerdeführerin, die ihren Beruf weiterhin ausübt (vgl. hiezu das bereits zitierte Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes vom 2. Dezember 1987), keine Anhaltspunkte.

Wenn die Beschwerdeführerin in der Folge auf das Gutachten Dris. Pa vom 12. April 2000 rekurriert und meint, die belangte Behörde habe sich mit diesem Gutachten nicht ausreichend auseinander gesetzt, so ist ihr Folgendes zu entgegnen:

Schon die erstinstanzliche Behörde ist in ihrem Bescheid von der Annahme ausgegangen, Dr. Pa habe zwar eine Befundung der Beschwerdeführerin vorgenommen, jedoch das Ausmaß der Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit nicht begutachtet. Die in seinem Gutachten enthaltene Aussage, die Beschwerdeführerin sei am 28. März 2000 nicht "arbeitsfähig" gewesen, wertete die erstinstanzliche Behörde als (derzeitige) Unfähigkeit zur Verrichtung der konkreten Arbeit am Arbeitsplatz der Beschwerdeführerin. Diesem Verständnis, welches sich auch auf die Darlegung im Gutachten Dris. Pa stützen kann, wonach der Beschwerdeführerin seitens des Arztes der Schulterambulanz bis 12. April 2000 die "Arbeitsunfähigkeit" bestätigt und sie danach wiederbestellt worden sei, trat die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren nicht entgegen. Sie hat insbesondere nicht dargelegt, dass sich Dr. Pa bei der Verwendung des Begriffes Arbeitsunfähigkeit lediglich in der Wortwahl vergriffen und in Wahrheit der Beschwerdeführerin eine gänzliche Erwerbsunfähigkeit attestiert hätte.

Wie der Sachverständige Dr. P aber in seinem ergänzenden Gutachten ausführte, deckte sich der Befund Dris. Pa vom 18. März 2000 im Wesentlichen mit jenem, den er selbst am 10. Jänner 2000 erhoben hatte. Der im Befund Dris. Pa dargestellte Zustand der Beschwerdeführerin ist demnach bei der Begutachtung der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 15 % durch Dr. P berücksichtigt worden.

Es kann daher der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie in Ansehung der Frage des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht von einem Widerspruch zwischen diesen beiden Gutachten ausging.

Insoweit die Beschwerdeführerin einen solchen Widerspruch in Ansehung der Besserungschancen ihres Leidens erblickt, ist ihr zu entgegnen, dass es darauf aus rechtlicher Sicht nicht ankommt. Ob die für die Zuerkennung einer Versehrtenrente als zu gering erachtete Minderung der Erwerbsfähigkeit in der Folge auf Grund einer Besserung des bestehenden Leidens noch weiter abnimmt oder aber gleich bleibt, ist für die Frage, ob eine Rente gemäß § 31 UFS-Graz, bzw. gemäß § 101 Abs. 1 B-KUVG in Verbindung mit § 37a Abs. 3 DO-Graz zuzuerkennen ist oder nicht, bedeutungslos.

Unzutreffend ist auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde wäre gehalten gewesen, entweder Dr. Pa zur Begutachtung des Grades der Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit aufzufordern, oder aber einen dritten Sachverständigen beizuziehen. Die belangte Behörde konnte sich auf das in Ansehung der Frage der Minderung der Erwerbsfähigkeit allein vorliegende Gutachten Dris. P stützen. Der Beschwerdeführerin wäre es freigestanden, von sich aus ein Privatgutachten zur Frage der Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit vorzulegen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1995, Zl. 94/12/0030).

Wenn die Beschwerdeführerin weiters meint, eine wesentliche Verbesserung ihrer Leiden und ihres Gesundheitszustandes sei seit der Erstuntersuchung nicht eingetreten, so verkennt sie das von ihr nicht konkret bestrittene Ergebnis ihrer Befundung am 10. Jänner 2000, wonach im Bereich der Rotation des rechten Armes eine wesentliche Verbesserung erzielt werden konnte. Auf die darüber hinaus ins Treffen geführten, von Dr. Pa aufgezeigten Schmerzen hat auch Dr. P bei der Bemessung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit Bedacht genommen.

Wenn die Beschwerdeführerin schließlich vorbringt, es sei ihr mit Bescheid des Bundessozialamtes Steiermark vom 9. Februar 2000 ein Grad der Behinderung von 60 % zuerkannt worden, was die belangte Behörde hätte beachten müssen, so ist ihr zu entgegnen, dass es sich bei diesem Vorbringen um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung handelt. Im Übrigen war die belangte Behörde an die diesbezügliche Einschätzung des Bundessozialamtes nicht gebunden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. November 2001, Zl. 96/12/0217).

Schließlich rügt die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, die belangte Behörde hätte auf Grund ihres von den Sachverständigen befundeten Gesundheitszustandes von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 % auszugehen gehabt. Dem ist entgegen zu halten, dass die belangte Behörde nach der zitierten Judikatur des Obersten Gerichtshofes nur dann gehalten gewesen wäre, die diesbezügliche Einschätzung des Sachverständigen zu korrigieren, wenn sie in einem auffallenden Widerspruch zur Rechtsprechung der Zivilgerichte oder zu den vom versicherungsrechtlichen und -medizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätzen gestanden wäre. Dass dies der Fall gewesen wäre, wird von der Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht dargelegt und ist dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht erkennbar.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem § 3 Abs. 2 anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 13. März 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001120039.X00

Im RIS seit

03.06.2002

Zuletzt aktualisiert am

15.07.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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