TE Vwgh Erkenntnis 2002/3/19 2001/05/1196

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Veröffentlicht am 19.03.2002
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §1 Abs7;
MeldeG 1991 §17 Abs1;
MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Oktober 2001, Zl. 605.441/6- II/13/01, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Marktgemeinde Waizenkirchen, 2.  Christian Kaiserseder in 1090 Wien, Sechsschimmelgasse 25/8, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 8. April 1966 in Grieskirchen geborene ledige Zweitmitbeteiligte ist seit 1973 in der Marktgemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters (4730 Waizenkirchen) mit Hauptwohnsitz (siehe § 23 Abs. 1 des im Beschwerdefall anzuwendenden Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992, in der Fassung des Hauptwohnsitzgesetzes BGBl. Nr. 505/1994; in der Folge kurz:

MeldeG) gemeldet. Seit März 1997 ist er mit einem weiteren Wohnsitz in Wien gemeldet.

Im Zuge des über Antrag des Beschwerdeführers eingeleiteten Ermittlungsverfahrens gab der Zweitmitbeteiligte in seiner Wohnsitzerklärung vom 8. Mai 2001 und den ergänzenden Stellungnahmen an, rd. 200 Tage im Jahr in Wien und 165 Tage in Waizenkirchen zu verbringen. Er sei dabei, sein Studium, das er in Linz begonnen habe, in Wien abzuschließen. Nebenbei sei er auch berufstätig. Den Weg zur Arbeits- und Ausbildungsstätte trete er von seiner Wiener Mietwohnung aus an. (In der Gegenschrift zur Beschwerde ergänzte der Zweitmitbeteiligte, als freiberuflicher EDV-Systemadministrator auch in der Bezirkshauptstadt seiner Heimatgemeinde berufliche Tätigkeiten zu entfalten.) In Waizenkirchen wohne er gemeinsam mit seiner Mutter und Großmutter. Seine Lebensgefährtin habe ihren Hauptwohnsitz im benachbarten Grieskirchen. Der überwiegende Teil seiner Verwandten sowie seines Freundes- und Bekanntenkreises lebe in seiner Heimatgemeinde; dort befinde sich der Mittelpunkt seines sozialen und gesellschaftlichen Lebens. Er sei stellvertretender Kommandant der Pflichtbereichsfeuerwehr. (Mitglied der dortigen Freiwilligen Feuerwehr sei er seit 1978; seit 1983 bekleide er diverse Führungsfunktionen in dieser Organisation.). Die Wochenenden verbringe er in seiner Heimatgemeinde, in Wien bestünden keine gesellschaftlichen und kulturellen Aktivitäten. Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen sei Waizenkirchen; er sei ein "typischer Wochenpendler".

Der erstmitbeteiligte Bürgermeister gab eine inhaltlich gleiche Stellungnahme ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes des Zweitmitbeteiligten an der gemeldeten Adresse in Waizenkirchen ab. Nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren habe der Zweitmitbeteiligte zwei Wohnsitze mit Mittelpunktqualität. Im Sinne des § 1 Abs. 7 letzter Satz MeldeG habe der Zweitmitbeteiligte den Wohnsitz in Waizenkirchen als Hauptwohnsitz bezeichnet, weshalb das subjektive Kriterium des "überwiegenden Naheverhältnisses" den Ausschlag gegeben habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung der Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte den Zuspruch des Vorlageaufwandes. Die mitbeteiligen Parteien erstatteten Gegenschriften mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935 klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind. Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben.

Im Beschwerdefall steht fest, dass der Zweitmitbeteiligte neben seinem Studium auch berufstätig ist. Seine berufliche Tätigkeit ist jedoch nicht auf Wien beschränkt, vielmehr ist er teilweise auch in der Nähe seiner Heimatgemeinde beruflich (als Selbständiger) tätig. Seine familiären und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen sind ausschließlich auf die Heimatgemeinde und die nähere Umgebung konzentriert. Im Beschwerdefall ist daher unter besonderer Berücksichtigung der letztgenannten Kriterien davon auszugehen, dass jedenfalls (auch) in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters ein Mittelpunkt der Lebensbeziehungen des Zweitmitbeteiligten besteht, weshalb in der Annahme der belangten Behörde, im Beschwerdefall sei das subjektive Kriterium des "überwiegenden Naheverhältnisses" ausschlaggebend, keine Rechtswidrigkeit zu erblicken ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 19. März 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001051196.X00

Im RIS seit

13.06.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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