TE Vwgh Erkenntnis 2002/3/19 97/14/0004

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Veröffentlicht am 19.03.2002
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §119 Abs1;
BAO §183 Abs4;
BAO §184 Abs1;
BAO §232;
BAO §4 Abs1;
BAO §93 Abs3 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und den Senatspräsidenten Dr. Karger sowie die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde der M U in L, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 22. November 1996, 713/3-10/Fs-1996, betreffend Sicherstellungsauftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine tschechische Staatsbürgerin mit je einem Wohnsitz in Tschechien und Österreich, erklärte aus der von ihr in Österreich betriebenen Partnervermittlung in den Jahren 1991 bis 1993 Umsätze von rund 26.000 S, 62.000 S und 2.000 S sowie Verluste von rund 77.000 S, 363.000 S und 391.000 S.

Anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung für die Jahre 1991 bis 1993 sowie einer Umsatzsteuernachschau für den Zeitraum Jänner 1994 bis April 1995 stellte der Prüfer fest, die Beschwerdeführerin vermittle in Österreich nicht nur Partner, sondern auch Aupairmädchen, Haushaltshilfen sowie Altenpflegerinnen, wobei sie sowohl in Tschechien als auch in Österreich eine Betriebsstätte unterhalte. Hingegen behaupte die Beschwerdeführerin, sie vermittle in der österreichischen Betriebsstätte nur Partner, nicht jedoch Aupairmädchen, Haushaltshilfen sowie Altenpflegerinnen; vielmehr würden in der österreichischen Betriebsstätte lediglich Vorbereitungen für die tschechische Betriebsstätte getroffen, weswegen Österreich aus der Vermittlung von Aupairmädchen, Haushaltshilfen sowie Altenpflegerinnen kein Besteuerungsrecht zustehe. Im Zug einer Hausdurchsuchung in der österreichischen Betriebsstätte seien jedoch - so der Prüfer - Einrichtungsgegenstände sowie Unterlagen in den Büroräumen vorgefunden worden, die für die Vermittlung von Aupairmädchen, Haushaltshilfen sowie Altenpflegerinnen in Österreich sprächen. Die aus den Unterlagen bekannt gewordenen Kunden der Beschwerdeführerin seien daraufhin befragt worden, wobei sie durchwegs angegeben hätten, dass sämtliche Vermittlungsgespräche, die Vertragsunterzeichnung sowie die Vertragsabwicklung in der österreichischen Betriebsstätte erfolgt seien, obwohl in den Verträgen als Ort der Vertragsunterzeichnung die tschechische Betriebsstätte angeführt worden sei. Weiters seien von der Beschwerdeführerin zahlreiche Annoncen in österreichischen Zeitungen geschaltet worden, in denen sie für die Vermittlung von Partnern, Aupairmädchen, Haushaltshilfen sowie Altenpflegerinnen geworben habe, wobei als Kontaktadresse die österreichische Betriebsstätte angegeben worden sei. Auf Grund der Angaben der befragten Kunden, denen in den Streitjahren von der Beschwerdeführerin Partner, Aupairmädchen, Haushaltshilfen oder Altenpflegerinnen vermittelt worden seien, sowie den bei der Hausdurchsuchung vorgefundenen Unterlagen schätzte der Prüfer die insgesamt entstandene Abgabenschuld mit rund 343.000 S.

Hinsichtlich des im Anschluss an diese Prüfung durchgeführten Verfahrens wird auf das hg Erkenntnis vom heutigen Tag, 98/14/0026, verwiesen.

Da die Beschwerdeführerin aus der von ihr betriebenen Vermittlungen von Aupairmädchen, Haushaltshilfen sowie Altenpflegerinnen in Österreich nichts erklärt hatte, ordnete das Finanzamt am 22. Juli 1996 gemäß § 232 BAO die Sicherstellung in ihr bewegliches und unbewegliches Vermögen zur Sicherung der entstandenen, jährlich aufgegliederten Abgabenschuld von rund 343.000 S an. Zur Begründung führte das Finanzamt unter Hinweis auf die Feststellungen des Prüfers im Wesentlichen aus, da die Beschwerdeführerin in Tschechien sowohl einen Wohnsitz habe als auch ein Betriebsstätte unterhalte, bestehe wegen der Gefahr der Absetzung ins Ausland eine Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabenschuld. Überdies verhalte sich die Beschwerdeführerin völlig uneinsichtig und sei nicht gewillt, ihren abgabenrechtlichen Pflichten nachzukommen. Die Einbringung der Abgabenschuld könne daher nur bei raschem Zugriff gesichert werden.

In der Berufung wandte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ein, weder sei der Tatbestand, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpften, verwirklicht, noch die Einbringung der behaupteten Abgabenschuld gefährdet bzw wesentlich erschwert. Die vom Finanzamt behauptete Abgabenschuld beruhe auf einer noch nicht rechtswirksam gewordenen Schätzung. Bei einer Schätzung entstehe die Abgabenschuld frühestens mit Zustellung des jeweiligen Schätzungsbescheides. Sie schulde daher keine Abgaben, die einen Sicherstellungsauftrag rechtfertigten. Das Finanzamt habe es auch unterlassen, die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der behaupteten Abgabenschuld entsprechend zu begründen. Sie wohne gemeinsam mit ihrem Ehemann, einem österreichischen Staatsbürger, und ihrer Tochter in Österreich, wo sie auch eine Betriebsstätte unterhalte. Allein der Umstand, dass sie auch in Tschechien einen Wohnsitz habe und eine Betriebsstätte unterhalte, bewirke noch keine Gefahr der Absetzung ins Ausland. Der Vorwurf, es bestehe die Gefahr der Absetzung ins Ausland, sei daher absurd. Es stehe weiters jedem Abgabepflichtigen offen, eine umstrittene Sach- und Rechtslage einer oberbehördlichen bzw höchstgerichtlichen Überprüfung zuzuführen, weswegen der Vorwurf, sie sei völlig uneinsichtig, ins Leere gehe. Überdies sei eine allfällige Uneinsichtigkeit kein Tatbestandsmerkmal des § 232 BAO.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab, wobei sie nach Wiedergabe der Bestimmungen des § 232  BAO und der hiezu ergangenen hg Rechtsprechung zunächst ausführte, der Tatbestand, an den Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpften, sei von der Beschwerdeführerin bereits verwirklicht worden. Nicht die Aufdeckung eines abgabenrechtlichen Sachverhalts sei entscheidend, sondern das Entstehen der Abgabenschuld iSd § 4 Abs 2 lit a und b BAO und § 19 UStG. Die Abgabenschuld betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1991 bis 1993, Gewerbesteuer für das Jahr 1993 sowie Umsatzsteuer für den Zeitraum Jänner 1994 bis April 1995 sei bereits lange vor Erlassung des Sicherstellungsauftrages im Jahr 1996 entstanden. Da die Beschwerdeführerin trotz gegenteiliger Zeugenaussagen und vorgefundener Unterlagen die Vermittlung von Aupairmädchen, Haushaltshilfen sowie Altenpflegerinnen in Österreich bestritten habe, habe das Finanzamt zu Recht eine Schätzung vorgenommen. Wer zur Schätzung Anlass gebe und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirke, müsse die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen. § 232 BAO stelle lediglich auf die Verwirklichung des steuerrechtlich relevanten Tatbestandes ab. Schon bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststehe, könne ein Sicherstellungsauftrag erlassen werden. Hiebei sei es irrelevant, ob die Abgabenschuld im Schätzungsweg ermittelt werde. Den Ausführungen der Beschwerdeführerin, es bestehe keine Gefahr der Absetzung ins Ausland, sei entgegenzuhalten, diesbezüglich reiche der objektive Tatbestand. Eine von der Beschwerdeführerin selbst gesetzte Gefährdungshandlung sei nicht notwendig. Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin in Tschechien einen Wohnsitz habe und eine Betriebsstätte unterhalte, rechtfertige die Ansicht, es bestehe die Gefahr der Absetzung ins Ausland. Die Beschwerdeführerin verfüge in Österreich auch über kein verwertbares Vermögen, vor allem über keinen Grundbesitz. Aus dem Gesamtbild der Verhältnisse müsse geschlossen werden, nur bei raschem Zugriff könne die Einbringung der Abgabenschuld gesichert werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setzt zunächst die Verwirklichung jenes Tatbestandes voraus, an den die Abgabepflicht geknüpft ist. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes muss im Hinblick auf die auch für Sicherstellungsaufträge geltende Begründungspflicht iSd § 93 Abs 3 lit a BAO in der Begründung des Sicherstellungsauftrages bzw in der diesen bestätigenden Berufungsentscheidung dargetan werden. Die Begründung muss in diesem Zusammenhang jedenfalls erkennen lassen, welcher konkrete Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde und welche Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung dafür maßgebend waren.

Der angefochtene Bescheid genügt diesen Anforderungen. Ein Sicherstellungsauftrag ist kein abschließender Sachbescheid iSd § 183 Abs 4 BAO, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende Sofortmaßnahme, die dazu dient, selbst vor Feststellung der exakten Höhe der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabenschuld gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, dass diese nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann, sondern es genügt, dass die Abgabenschuld dem Grund nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Tatbestandes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung bzw wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind (vgl das hg Erkenntnis vom 30. Oktober 2001, 96/14/0170, mwA).

Der belangten Behörde lagen auf Grund der Ergebnisse der abgabenbehördlichen Prüfung gewichtige Anhaltspunkte für die Entstehung der Abgabenschuld vor. Da die Beschwerdeführerin trotz gegenteiliger Zeugenaussagen und vorgefundener Unterlagen die Vermittlung von Aupairmädchen, Haushaltshilfen sowie Altenpflegerinnen in Österreich bestritten hat, wurde zu Recht eine Schätzung vorgenommen. Wie die belangte Behörde iSd hg Rechtsprechung ausgeführt hat, muss derjenige, der zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen. § 232 BAO stellt lediglich auf die Verwirklichung des steuerrechtlich relevanten Tatbestandes ab. Schon bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach exakt feststeht, kann ein Sicherstellungsauftrag erlassen werden. Hiebei ist es irrelevant, ob die voraussichtliche Abgabenschuld im Schätzungsweg ermittelt wird. Bei der gegebenen Sachlage kann der belangten Behörde daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Sicherstellung als gerechtfertigt angesehen hat.

Eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung einer Abgabenschuld liegt schon dann vor, wenn aus der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen und den besonderen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden kann, dass nur bei raschem Zugriff die Einbringung der Abgabenschuld voraussichtlich gesichert erscheint. Der Annahme der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung einer Abgabenschuld müssen entsprechende Tatsachenfeststellungen zu Grunde liegen. Vom Abgabenschuldner selbst gesetzte Gefährdungshandlungen sind hingegen nicht erforderlich (vgl nochmals das hg Erkenntnis vom 30. Oktober 2001, 96/14/0170, mwA).

Die belangte Behörde ist daher nicht rechtswidrig vorgegangen, wenn sie aus dem Gesamtbild der Verhältnisse in Anbetracht der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin auch in Tschechien einen Wohnsitz hat und eine Betriebsstätte unterhält, kein verwertbares inländisches Vermögen besitzt und ein krasses Missverhältnis zwischen der voraussichtlichen Abgabenschuld von rund 343.000 S und der von ihr erklärten Umsätze und Einkünfte besteht, die Gefahr der Absetzung ins Ausland angenommen, somit die Einbringlichkeit der Abgabenschuld als gefährdet bzw wesentlich erschwert angesehen hat.

Mit den nicht konkretisierten Ausführungen, der angefochtene Bescheid sei nicht ausreichend begründet, sie sei nicht gehört worden, es hätten weitere Beweise aufgenommen und Sachverhaltsklärungen herbeigeführt werden müssen, zeigt die Beschwerdeführerin keine Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr 501/2001.

Wien, am 19. März 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1997140004.X00

Im RIS seit

22.07.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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