TE Vwgh Beschluss 2002/4/24 2002/12/0036

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Veröffentlicht am 24.04.2002
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992;
FrG 1997;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §36 Abs2;
VwGG §47;
VwGG §55 Abs1 Satz1;
VwGG §55 Abs2;
VwGG §56;
VwGG §58;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2002/12/0037 2002/12/0038

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Besein der Schriftführerin Dr. Julcher, in der Beschwerdesache 1.) der am 1. Jänner 1978 geborenen D A, 2.) des am 5. April 1976 geborenen M A und 3.) der am 7. Dezember 1954 geborenen S A, alle vertreten durch Dr. Gabriel Liedermann, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Gudrunstraße 143, gegen den Bundesminister für Inneres wegen Verletzung der Entscheidungspflicht i.A. Aufenthaltsgesetz, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 929,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Die Beschwerdeführer brachten in ihrer am 29. März 1996 zur Post gegebenen Säumnisbeschwerde vor, sie hätten am 29. November 1994 die Verlängerung ihrer bisherigen Aufenthaltsberechtigungen nach dem Aufenthaltsgesetz beantragt. Diese Anträge seien mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien vom 14. Dezember 1994 abgewiesen worden. Dagegen hätten sie am 14. Dezember 1994 Berufung erhoben. Seit Einbringung dieser Berufung sei die belangte Behörde untätig geblieben. Es werde daher der Antrag gestellt, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden.

Über diese Beschwerde wurde mit Verfügung vom 8. Mai 1996 das Vorverfahren eingeleitet und die belangte Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG aufgefordert, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege, und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Die belangte Behörde ließ die Frist ungenützt verstreichen, ohne den Bescheid nachzuholen.

Mit Note vom 13. Juni 1997 wurden Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, die in weiterer Folge über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes zur Vervollständigung der Aktenvorlage mit Noten vom 26. September 1997, 14. Jänner 1998 und 2. August 1999 ergänzt wurden.

2. Darstellung des Verwaltungsverfahrens:

2.1. Die Drittbeschwerdeführerin ist die Mutter der übrigen Beschwerdeführer. Sie verfügte über Sichtvermerke für folgende Zeiträume: vom 30. Juni bis 30. September 1988, vom 20. Oktober 1988 bis 31. März 1989, vom 18. April bis 30. September 1989, vom 24. November 1989 bis 25. März 1990, vom 30. Juli bis 31. Dezember 1990, vom 28. März 1991 bis 31. Jänner 1992, vom 7. Jänner bis 5. Juni 1992, vom 3. August 1992 bis 31. Jänner 1993 und vom 1. Februar bis 4. Mai 1993. Diese Sichtvermerke erstreckten sich nicht auf die übrigen in ihrem Reisepass eingetragenen Beschwerdeführer. Diese verfügten über keine Sichtvermerke.

2.2. Die Erstbeschwerdeführerin stellte am 12. August 1993 bei der erstinstanzlichen Behörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. November 1994 gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen wurde. Die Erstbeschwerdeführerin erhob dagegen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der den angefochtenen Bescheid mit Erkenntnis vom 25. November 1996, B 2603/94, wegen Verletzung der Erstbeschwerdeführerin in ihrem durch Art. 8 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aufhob.

Im fortgesetzten Verfahren erteilte der Bundesminister für Inneres in Stattgebung der Berufung der Erstbeschwerdeführerin mit Bescheid vom 4. Juli 1997 eine vom 12. August 1993 bis 12. August 1997 gültige Aufenthaltsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Fremden". Dieser Bescheid wurde der Erstbeschwerdeführerin am 6. Juni 1997 zugestellt.

Infolge des am 17. Juli 1997 gestellten Verlängerungsantrages wurde der Erstbeschwerdeführerin eine (weitere) Aufenthaltsbewilligung für den Zeitraum vom 13. August 1997 bis 13. Juli 1998, wiederum mit dem Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Fremden" erteilt. (Mittlerweile wurde der Erstbeschwerdeführerin über weiteren Antrag mit Wirksamkeit vom 13. Juli 1998 eine unbefristete Niederlassungsbewilligung zum Zweck "Familiengemeinschaft - ausgenommen unselbstständiger Erwerb" erteilt.)

Ein von der Erstbeschwerdeführerin am 26. September 1994 gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12./18. Oktober 1994 gemäß § 9 Abs. 3 AufG abgewiesen.

Ein weiterer von der Erstbeschwerdeführerin am 29. November 1994 gestellter Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 14. Dezember 1994, der Erstbeschwerdeführerin zugestellt z.Hd. der Drittbeschwerdeführerin am 21. Dezember 1994, gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen. Die Drittbeschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid auch namens der Erstbeschwerdeführerin am 10. Jänner 1995 (Postaufgabe) Berufung, die mit einer am 10. Mai 1995 zur Post gegebenen Eingabe "ergänzt" wurde.

Die vom nunmehrigen Vertreter der Beschwerdeführer mit 19. Jänner 1995 datierte und am selben Tag zur Post gegebene Berufung, welche sich gleichfalls gegen den Bescheid vom 14. Dezember 1994 richtete, ist Gegenstand der vorliegenden Säumnisbeschwerde.

Eine Entscheidung über diese Berufung ist bis dato ebenso wenig ergangen wie über die am 10. Jänner 1995 erhobene Berufung und deren Ergänzung vom 10. Mai 1995. 2.3. Der Zweitbeschwerdeführer stellte ebenfalls am 12. August 1993 bei der erstinstanzlichen Behörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. November 1994 gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen wurde. Der Zweitbeschwerdeführer erhob dagegen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der den angefochtenen Bescheid vom Erkenntnis vom 25. November 1996, B 2602/94, wegen Verletzung des Zweitbeschwerdeführers in seinem durch Art. 8 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aufhob.

Im fortgesetzten Verfahren wies der Bundesminister für Inneres die Berufung des Zweitbeschwerdeführers neuerlich, diesmal gestützt auf § 5 Abs. 1 AufG, mit Bescheid vom 4. Juni 1997 ab. In Stattgebung der dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verfassungsgerichtshof diesen Bescheid neuerlich wegen Verletzung des Zweitbeschwerdeführers im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens mit Erkenntnis vom 10. Oktober 1997, B 1815/97, auf.

In weiterer Folge erteilte der Bundesminister für Inneres dem Zweitbeschwerdeführer mit Bescheid vom 24. Juli 1998 in Stattgebung seiner Berufung eine Niederlassungsbewilligung bis 30. Juni 1999 mit dem Aufenthaltszweck "jeglicher Aufenthaltszweck". Der Zweitbeschwerdeführer bestätigte am 5. Oktober 1998 die Anbringung der Vignette in seinem Reisepass.

Die Ausführungen unter Punkt 2.2. zu den Anträgen vom 26. September 1994 und 29. November 1994 gelten im Übrigen auch für den Zweitbeschwerdeführer. Eine Entscheidung über die von der Drittbeschwerdeführerin (durch den nunmehrigen Beschwerdevertreter) auch namens des Zweitbeschwerdeführers erhobenen, mit 19. Jänner 1995 datierte Berufung ist bis dato nicht erfolgt.

2.4. Dem Antrag der Drittbeschwerdeführerin vom 12. August 1993 auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz wurde letztlich (nach zweimaliger Aufhebung der die Berufung der Drittbeschwerdeführerin abweisenden Bescheide des Bundesministers für Inneres) durch Erteilung einer Niederlassungsbewilligung bis 11. Jänner 2000 mit dem Aufenthaltszweck "jeglicher Aufenthaltszweck" gemäß § 7 Abs. 3 und § 23 Abs. 1 FrG 1997 stattgegeben (Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Juni 1998). Die Anbringung der Vignette und die Bestätigung der Übernahme durch die Drittbeschwerdeführerin erfolgte am 5. Oktober 1998.

Im Übrigen gelten die Ausführungen unter 2.2. zu den Anträgen vom 26. September 1994 und 29. November 1994, insbesondere zu der bis dato nicht erledigten Berufung vom 19. Jänner 1995, auch für die Drittbeschwerdeführerin.

3. Zur Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde:

Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes teilte die belangte Behörde mit Note vom 9. Dezember 1999 mit, dass die Zahl der Bewilligungen für das Bundesland Wien im Jahre 1994 mit 18. Juli 1994, im Jahre 1995 mit 18. Dezember 1995 und im Jahr 1996 mit 14. Juni 1996 (Quote für Erwerbstätige, Schüler, Pensionisten und privat Aufhältige) bzw. 20. Juni 1996 (Quote für den Familiennachzug) erschöpft waren. Im Hinblick darauf war die belangte Behörde jedenfalls nicht gehindert, über die Berufung der Beschwerdeführer innerhalb der ihr offen stehenden Frist von sechs Monaten zu entscheiden. Es erübrigt sich daher ein weiteres Eingehen darauf, ob und bejahendenfalls welche Anträge der Quotenpflicht unterlagen. Die am 29. März 1996 zur Post gegebene Säumnisbeschwerde ist demnach zulässig.

4. Der Verwaltungsgerichtshof geht im Folgenden davon aus, dass der Erstbeschwerdeführerin eine Aufenthaltsbewilligung vom 12. August 1993 bis 12. August 1997, in weiterer Folge vom 13. August 1997 bis 13. Juli 1998 jeweils für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Fremden" bzw. mittlerweile eine unbefristete Niederlassungsbewilligung zum Zweck der "Familiengemeinschaft - ausgenommen unselbstständiger Erwerb", dem Zweitbeschwerdeführer eine Niederlassungsbewilligung für "jeglichen Aufenthaltszweck", gültig bis zum 30. Juni 1999, und der Drittbeschwerdeführerin eine Niederlassungsbewilligung für "jeglichen Aufenthaltszweck", gültig bis zum 11. Jänner 2000 erteilt worden ist.

Da die Aufenthalts- bzw. Niederlassungsbewilligungen nicht auf Grund der verfahrensgegenständlichen Anträge auf Erteilung von Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt wurden, liegt keine Nachholung der versäumten Bescheide im Sinne des § 36 Abs. 2 VwGG vor.

Durch die Erteilung der angeführten Aufenthaltsbewilligungen bzw. Niederlassungsbewilligungen ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer das, was sie mit ihren seinerzeitigen Anträgen auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung erreichen wollten, nämlich die Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich, durch die Erteilung der Aufenthaltsbewilligungen bzw. Niederlassungsbewilligungen ohnehin erhalten haben. Dies geht im Übrigen auch aus ihren Stellungnahmen vom 5. November 1999 und 17. Jänner 2000, in denen sich die Beschwerdeführer als klaglos gestellt erachten, hervor. Das vorliegende Verfahren war demnach gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

6. § 56 VwGG, nach welcher Bestimmung die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz bei Klaglosstellung des Beschwerdeführers so zu beurteilen ist, als ob der Beschwerdeführer obsiegt hätte, kommt nur bei einer formellen Klaglosstellung zur Anwendung, bei einer Bescheidbeschwerde kann die formelle Klaglosstellung nur durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides, im Säumnisbeschwerdeverfahren nur durch Nachholung des versäumten Bescheides bewirkt werden, wobei für den Fall der Klaglosstellung im Säumnisbeschwerdeverfahren die Frage des Zuspruchs von Aufwandersatz im § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG gesondert geregelt ist (vgl. den hg. Beschluss vom 20. März 2002, Zl. 2002/12/0023).

Da im vorliegenden Fall keine formelle Klaglosstellung durch Nachholung der versäumten Bescheide erfolgt ist, sondern dem Begehren der Beschwerdeführer auf andere Weise im Ergebnis voll entsprochen wurde, ist die Frage des Aufwandersatzes nicht nach § 56 VwGG, sondern nach § 58 VwGG zu beurteilen.

Die belangte Behörde hat unstrittig die versäumten Bescheide nicht fristgerecht erlassen, sie hat auch keinen Grund aufgezeigt, der sie an der rechtzeitigen Bescheiderlassung gehindert hätte (vgl. § 55 Abs. 2 VwGG). Sie war demnach gemäß § 58 Abs. 2 VwGG iVm § 47 VwGG, insbesondere § 55 Abs. 1 erster Satz VwGG, zum Ersatz für Schriftsatzaufwand zu verpflichten. Ersatz für S 300,-- Stempelgebühren war mit EUR 21,80 zuzusprechen.

Wien, am 24. April 2002

Schlagworte

Säumnisbeschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002120036.X00

Im RIS seit

08.07.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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