TE Vwgh Beschluss 2002/4/25 2002/15/0026

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Veröffentlicht am 25.04.2002
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10;
AVG §13 Abs3;
VwGG §24 Abs2;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §62;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2002/15/0027

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. H. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Anträge der Ö GmbH in V, vertreten durch Dr. Robert Fuchs, Rechtsanwalt in 4300 St. Valentin, Hauptplatz 1, 1. auf Wiederaufnahme des mit Beschluss vom 18. Dezember 2001, 2001/15/0198, eingestellten Verfahrens sowie 2. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur gehörigen Verbesserung der unter 2001/15/0198 protokollierten Beschwerde, den Beschluss

Spruch

gefasst:

Den Anträgen wird nicht stattgegeben.

Begründung

Im Rubrum der gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. September 2001, RV/321-06/2001 und RV/503-06/2001, erhobenen, in dreifacher Ausfertigung eingebrachten Beschwerde (im Folgenden: Beschwerde), die mit einer unleserlichen Unterschrift des einschreitenden Rechtsanwaltes versehen war, wurde u. a. ausgeführt: "Vollmacht beiliegend". Entgegen dieser Anmerkung war der Beschwerde weder eine Urkunde über die Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes beigeschlossen, noch hat sich der Rechtsanwalt auf die erteilte Vollmacht ausdrücklich berufen.

Mit Verfügung vom 10. November 2001 richtete der Verwaltungsgerichtshof an die Antragstellerin unter Zurückstellung der Beschwerde iSd § 34 Abs 2 VwGG die Aufforderung, die Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes nachzuweisen oder die Beschwerde eigenhändig zu unterfertigen. Darüber hinaus wurde die Antragstellerin darauf aufmerksam gemacht, die dem Rechtsanwalt erteilte Vollmacht könne durch die ausdrückliche Berufung auf die erteilte Vollmacht ersetzt werden.

Innerhalb offener Frist brachte der genannte Rechtsanwalt ein Schreiben ein, in dem ausgeführt wird, "mit diesem Schreiben stelle ich Ihnen die Beschwerde, von mir eigenhändig unterfertigt, samt Beilage retour." Auf der wieder vorgelegten Beschwerde befand sich nunmehr neben der unleserlichen eine leserliche Unterschrift des Rechtsanwaltes. Es wurde jedoch weder die Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes nachgewiesen, noch war die Beschwerde von der Antragstellerin eigenhändig unterfertigt. Der Rechtsanwalt hat sich auch nicht ausdrücklich auf die erteilte Vollmacht berufen.

Da die Antragstellerin den Mängelbehebungsauftrag damit nicht erfüllt hatte, wurde mit Beschluss vom 18. Dezember 2001 (zugestellt am 11. Februar 2002) festgestellt, dass die Beschwerde gemäß § 34 Abs 2 VwGG als zurückgezogen gilt und das Verfahren wurde eingestellt.

In dem am 26. Februar 2002 eingebrachten Schriftsatz berief sich der Rechtsanwalt erstmals ausdrücklich auf die ihm erteilte Bevollmächtigung und brachte namens seiner Mandantin einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens sowie hilfsweise auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein.

1. Die Antragstellerin stützt ihren Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens auf § 45 Abs 1 Z 2 VwGG. Nach dieser Gesetzesstelle ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluss abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn das Erkenntnis oder der Beschluss auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumung einer in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Frist beruht.

Die Antragstellerin führte dazu aus, dass gerichtliche Aufträge immer wörtlich zu verstehen seien. Hätte der Verwaltungsgerichtshof die Unterfertigung durch die Antragstellerin selbst (oder durch deren Geschäftsführer in vertretungsbefugter Anzahl) gewünscht, so hätte er dies deutlich zum Ausdruck bringen müssen. Es liege ein Tatsachenirrtum des Verwaltungsgerichtshofes darüber vor, dass mit Verfügung vom 10. November 2001 in Wahrheit die eigenhändige Unterfertigung des Rechtsanwaltes beauftragt wurde und nicht die der Antragstellerin (oder derer Geschäftsführer in vertretungsbefugter Anzahl).

In diesem Zusammenhang wird die Antragstellerin auf § 13 Abs 3 AVG und § 10 AVG iVm § 62 VwGG hingewiesen. Gemäß diesen Bestimmungen müssen Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof - wie jeder Schriftsatz - grundsätzlich mit der Unterschrift des Beschwerdeführers oder eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes versehen sein. Die in § 24 Abs 2 VwGG vorgesehene Unterschrift eines (nicht bevollmächtigten) Rechtsanwaltes ist lediglich als zusätzliches Erfordernis zur Unterschrift des Beschwerdeführers anzusehen.

§ 13 Abs 3 AVG sieht vor, dass das Fehlen einer Unterschrift die Behörde noch nicht zur Zurückweisung einer schriftlichen Eingabe berechtigt, sondern dass dieser Mangel behoben werden kann. Diese Möglichkeit steht allerdings, wie der weitere Wortlaut des § 13 AVG ersehen lässt, nur dem Einschreiter offen. Darunter kann jedoch nur jene Person verstanden werden, die gegenüber der Behörde durch das Einbringen der schriftlichen Eingabe tätig wurde. Überträgt man diese Regelung im Hinblick auf § 62 VwGG auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren, so bedeutet dies, dass demjenigen, der beim Verwaltungsgerichtshof eine (vom ihm zu unterfertigende) Beschwerde eingebracht, aber nicht unterschrieben hat, die Behebung dieses Mangel aufgetragen werden kann (vgl. hierzu das hg. Erkenntnis vom 15. September 1975, 730/75).

Dementsprechend wurde der Mängelbehebungsauftrag, entweder die Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes nachzuweisen bzw. die ausdrückliche Berufung auf die erteilte Vollmacht nachzutragen oder die Beschwerde eigenhändig zu unterfertigen, an die in der Beschwerde als Beschwerdeführerin bezeichnete Person gerichtet. Diese scheint namentlich als Adressatin der Verfügung vom 10. November 2001 auf, lediglich die Zustellung erfolgte zu Handen des genannten Rechtsanwalts. Ein Tatsachenirrtum des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne des § 45 Abs 1 Z 2 VwGG liegt demnach nicht vor.

2. In ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bringt die Antragstellerin vor, dass ein Irrtum des Rechtsvertreters über den Inhalt des Mängelbehebungsauftrages vorgelegen wäre und dass dabei dem Rechtsanwalt bzw. der Beschwerdeführerin nur höchstens ein minderer Grad des Versehens angelastet werden könne, "den ja der Verwaltungsgerichtshof selbst veranlasst hat".

Gemäß § 46 Abs 1 VwGG ist einer Partei unter den dort beschriebenen Voraussetzungen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, wobei ein Verschulden der Partei die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht hindert, sofern es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Das Verhalten des Vertreters ist dem Vertretenen, somit der Beschwerdeführerin, zuzurechnen. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgehend von der Deutung des Begriffes "Ereignis" im Beschluss eines verstärkten Senats vom 25. März 1976, Slg 9024A, wiederholt die Auffassung vertreten, auch ein Rechtsirrtum könne als Wiedereinsetzungsgrund in Betracht kommen und es sei, wenn ein solcher Irrtum als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht werde, im Einzelfall die Verschuldensfrage zu prüfen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 26. April 2001, 2001/16/0229). In Fällen wie dem vorliegenden ist zu beurteilen, ob das Verhalten des Vertreters lediglich einen minderen Grad des Versehens darstellt.

Ein solcher "minderer Grad des Versehens" (§ 1332 ABGB) liegt dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei an rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige Personen (siehe Fasching, Zivilprozessrecht2, Rz 580, sowie das hg. Erkenntnis vom 3. September 2001, 2001/10/0111, mwN).

Einem Parteienvertreter muss hinsichtlich der Erfüllung von Verbesserungsaufträgen im Hinblick auf die damit verbundene verfahrensrechtliche Bedeutung die Beachtung einer besonderen Sorgfalt zugemutet werden. Der Umstand, dass bei der Einbringung der Beschwerde bereits ein Versehen (der Beischluss der Vollmacht wurde behauptet, aber nicht vorgenommen) unterlaufen ist, muss dazu führen, dass bei der Erfüllung des Verbesserungsauftrages besonderes Augenmerk auf jenen Verfahrensschritt gelegt wird, dessen Mängelbehebung beauftragt wurde (vgl. hierzu das hg. Erkenntnis vom 3. September 2001, 2001/10/0111).

Wenn der Parteienvertreter den ausdrücklichen Inhalt des Verbesserungsauftrages nicht beachtet hat, so kann darin ein minderer Grad des Versehens nicht erblickt werden (vgl. den hg. Beschluss vom 26. April 2001, 2001/16/0229). Zu dem Vorbringen, dass der Irrtum vom Verwaltungsgerichtshof selbst herbeigeführt worden sei, wird auf die eindeutige Textierung des Verbesserungsauftrages verwiesen. Überdies hätte er auch aus den zurückgestellten Ausfertigungen der Beschwerde samt der Beischlüssen ersehen können, dass das Beiliegen der Vollmacht lediglich behauptet wurde.

Da somit auch die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fehlen, war dem vorliegenden Antrag insgesamt nicht Folge zu geben.

Wien, am 25. April 2002

Schlagworte

Mängelbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002150026.X00

Im RIS seit

22.08.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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