TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/25 2002/05/0186

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Veröffentlicht am 25.04.2002
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §1 Abs6;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
MeldeG 1991 §1 Abs8 idF 2001/I/028;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Gemeinde Lafnitz in 8233 Lafnitz, vertreten durch Dr. Günter Wappel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landskrongasse 8/1a, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Jänner 2002, Zl. 631631/5-II/A/3/02-fih, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Partei: Bürgermeister der Bundeshauptstadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde, dem dieser angeschlossenen Bescheid und den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen aus dem Reklamationsverfahren ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der am 24. Mai 1927 geborene Betroffene ist Pensionist. Nach den Angaben in der Wohnsitzerklärung verbringt er an dem von ihm angegebenen Hauptwohnsitz in Lafnitz 120 Tage des Jahres, am weiteren Wohnsitz in Wien 245 Tage. In der Wohnung in Lafnitz sind sein 1956 geborener Sohn, die 1963 geborene Schwiegertochter und die 1983 geborene Enkelin Mitbewohner, in seiner Wiener Wohnung die 1939 geborene Lebensgefährtin und deren Tochter, wobei die Lebensgefährtin an dieser Adresse mit Hauptwohnsitz gemeldet ist. Im Zuge des Reklamationsverfahrens erklärte der beschwerdeführende Bürgermeister in einer Stellungnahme, dass der Zweitmitbeteiligte in Wien "lediglich" bei seiner Lebensgefährtin lebe und seit 2. September 2001 verheiratet sei; zum überwiegenden Aufenthalt in Wien sei es durch eine Krankheit gekommen und es sei bei der Ausfüllung der Wohnsitzerklärung durch seine Lebensgefährtin auf die Auswirkungen des Hauptwohnsitzes nicht Bedacht genommen worden. Der Zweitmitbeteiligte selbst schloss sich dieser Erklärung an und gab an, dass ein überwiegendes Naheverhältnis zu Lafnitz bestehe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag des mitbeteiligten Bürgermeisters stattgegeben, der Hauptwohnsitz der zweitmitbeteiligten Partei in der Gemeinde des beschwerdeführenden Bürgermeisters aufgehoben und dem Betroffenen aufgetragen, die erforderliche Meldung bei der für seinen nunmehrigen Hauptwohnsitz zuständigen Meldebehörde vorzunehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem er seiner Erwerbstätigkeit nachgeht, ausgebildet wird oder die Schule oder den Kindergarten besucht, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935 klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind. Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben.

Bei einem Pensionisten liegen die Kriterien Arbeitsplatz oder Ausbildungsstätte nicht vor, weshalb der angegebenen Aufenthaltsdauer eine besondere Bedeutung zukommt. Der aktuelle familiäre Bezug in Wien besteht durch die Lebensgemeinschaft, nunmehr Ehe. Dieser Lebensbeziehung ist ein deutliches Übergewicht gegenüber der familiären Beziehung zu erwachsenen Kindern mit eigenen Familien zuzubilligen. Der Wohnsitz in Lafnitz hat damit eine über § 1 Abs. 6 MeldeG hinausgehende Qualität verloren.

Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. April 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002050186.X00

Im RIS seit

04.06.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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