TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/25 2002/05/0015

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Veröffentlicht am 25.04.2002
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. November 2001, Zl. 605.651/6-II/13/01, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Stadtgemeinde Zwettl in Zwettl, Gartenstraße 3, 2. Silvia Orasch in Zwettl, Schillerstraße 11), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die am 25. November 1974 geborene, verheiratet Zweitmitbeteiligte ist seit Geburt in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters, Zwettl, mit Hauptwohnsitz gemeldet. Sie ist seit März 2000 mit weiterem Wohnsitz in Wien gemeldet, wo sie studiert.

In einer Stellungnahme an die belangte Behörde vom 26. Feber 2001 brachte der erstmitbeteiligte Bürgermeister vor, die Zweitmitbeteiligte habe ihren Wohnsitz in Wien lediglich aus schulischen Überlegungen begründet, um den Weg zum Studienort antreten zu können. Sie verbringe die Ferien- und Urlaubszeiten sowie die Wochenenden mit ihrem Ehemann bei ihren Eltern in Zwettl.

Die Zweitmitbeteiligte brachte in einer Stellungnahme vom 22. April 2001 vor, die Angaben des erstmitbeteiligten Bürgermeisters träfen zu, dass sie den Wohnsitz in Wien nur aus schulischen Überlegungen begründet habe. Da ihr Studium schon weiter fortgeschritten sei, sei ihre andauernde Anwesenheit in Wien nicht mehr erforderlich. Sie verbringe soviel Zeit wie möglich an ihrem Heimatort bei ihren Eltern. Weiters nutze sie wenige bis gar keine kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Angebote in Wien. Ihr Freundeskreis befinde sich in Zwettl und nicht in Wien. Ihr Ehemann habe nur aus beruflichen Überlegungen seinen Hauptwohnsitz in Wien begründet, weil er einer sehr arbeitsintensiven Tätigkeit nachgehe und dazu wochentags eine Wohnung in Wien benötige. So gesehen habe sie an mehreren Wohnsitzen den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen, das größere Naheverhältnis hingegen zu ihrer Heimatgemeinde.

In ihrer Wohnsitzerklärung vom 23. Mai 2001 gab die Zweitmitbeteiligte an, sie halte sich etwa 259 Tage im Jahr in Zwettl auf, wo sie mit ihren Eltern wohne. Rund 106 Tage wohne sie in Wien, Mitbewohner sei dort ihr Ehemann (der in Wien mit Hauptwohnsitz gemeldet sei). Die Frage nach "Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften" wird für beide Wohnsitze verneint. Die Frage, von welchem Wohnsitz sie überwiegend den Weg zur Studieneinrichtung (in Wien) antrete, wird für beide Wohnsitze bejaht (das heißt, diese Antwort ist widersprüchlich).

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes der Zweitmitbeteiligten an der gemeldeten Adresse in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters ab. Hiezu stellte die belangte Behörde fest, dass der ausbildungsmäßige Mittelpunkt der Lebensbeziehungen auf Grund des Studiums in Wien liege, der "Familienwohnsitz" und somit der gesellschaftliche Schwerpunkt der Lebensbeziehungen der Zweitmitbeteiligten liege hingegen eindeutig in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters. Dort sei auch das soziale Umfeld der Zweitmitbeteiligten konzentriert. Das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", welches nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck komme, gebe daher im Beschwerdefall den Ausschlag.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt; angesprochen wird der Vorlageaufwand. Die erstmitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie betonte, die Auffassung der Zweitmitbeteiligten, ihr Hauptwohnsitz sei Zwettl, sei zutreffend. Die Zweitmitbeteiligte gab bekannt, dass sie aus beruflichen Gründen ihren weiteren Wohnsitz in Wien per 15. Feber 2002 aufgelöst habe; im Übrigen verweise sie auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hatte die Zweitmitbeteiligte bereits das 26. Lebensjahr vollendet, sodass im Sinn des hg. Erkenntnisses vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, auf das gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, davon auszugehen ist, dass die Zweitmitbeteiligte zum Studienort so intensive Lebensbeziehungen geknüpft hat, dass der Mittelpunktcharakter des Studienortes nicht zu leugnen ist, wo hingegen der Mittelpunktcharakter des Heimatortes nicht mehr bejaht werden kann, zumal nicht hervorgekommen ist, dass eine neue familiäre Bindung (Ehe oder Lebensgemeinschaft) am früheren Heimatort besteht; vielmehr lebt die Zweitmitbeteiligte in Wien mit ihrem Ehemann (der im Übrigen in Wien mit Hauptsitz gemeldet ist), womit auch unter diesem Blickwinkel der Mittelpunktcharakter des Heimatortes nicht mehr bejaht werden kann (siehe dazu das hg. Erkenntnis ebenfalls vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0941, zur Frage des Hauptwohnsitzes von Eheleuten).

Da die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der Mittelpunktcharakter des Heimatortes noch bejaht werden könne und der Zweitmitbeteiligten somit ein Wahlrecht nach § 1 Abs. 7 MeldeG zukomme, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Auf den von der Zweitmitbeteiligten vorgetragenen Umstand, dass sie nach Erlassung des angefochtenen Bescheides ihren Wohnsitz in Wien aufgegeben habe, kann im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht Bedacht genommen (§ 41 VwGG). Dies wird aber von der belangten Behörde im fortgesetzten Verwaltungsverfahren zu berücksichtigen sein.

Wien, am 25. April 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002050015.X00

Im RIS seit

11.07.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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