TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/25 2002/05/0096

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Veröffentlicht am 25.04.2002
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Dezember 2001, Zl. 606.949/5- II/13/01, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Gemeinde Eberndorf in 9141 Eberndorf, 2.  Mag. Ivonne Simic in 1020 Wien, Praterstraße 47/3/14), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die am 3. Juli 1975 geborene Zweitmitbeteiligte ist seit ihrer Geburt in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters (Eberndorf) mit Hauptwohnsitz gemeldet. Seit 1995 ist sie mit einem weiteren Wohnsitz in Wien gemeldet. Sie studierte in Wien und ist dort nunmehr berufstätig. Sie tritt ihren Weg zum Arbeitsplatz von der Wiener Unterkunft, wo sie alleine wohnt, aus an. In Wien hält sie sich 255 Tage im Jahr auf, am Hauptwohnsitz verbringt sie 110 Tage im Jahr, dort leben ihre Eltern und ein Großelternpaar. Zum Hauptwohnsitz bestehen keine weiteren Lebensbeziehungen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes an der gemeldeten Adresse in Eberndorf ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Der erstmitbeteiligte Bürgermeister erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind. Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben.

Im Beschwerdefall steht fest, dass die nunmehr 27-jährige Zweitmitbeteiligte schon seit 7 Jahren den überwiegenden Teil des Jahres in Wien wohnt und dort nach Abschluss ihres Studiums nunmehr berufstätig ist. Sie führte in ihrer Wohnsitzerklärung nur familiäre Beziehungen zu ihren Eltern und Großeltern am Hauptwohnsitz an, sonstige gesellschaftliche Beziehung bestehen zu Eberndorf nicht.

Wohl hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2000/05/0945, ausgeführt, dass sog. "Wochenpendler", die eine Unterkunft (Wohnung) am Ort oder in der näheren Umgebung des Arbeitsplatzes als weiteren Wohnsitz nehmen, damit keinen Hauptwohnsitz begründet haben. Im Hinblick auf die Entfernung zwischen Wien und Eberndorf kann jedoch nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Zweitmitbeteiligte ein typischer "Wochenpendler" ist. Nach den Angaben in der Wohnsitzerklärung ist vielmehr anzunehmen, dass die Zweitmitbeteiligte auch einen Großteil ihrer Freizeit in Wien verbringt. Im hg. Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0930, wurde auch darauf abgestellt, dass bei der im Reklamationsverfahren gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise die familiäre Bindung einer ledigen Person (zum Elternhaus) umso mehr in den Hintergrund tritt, je mehr sich ihr Alter vom Erreichen der Volljährigkeit entfernt hat und je länger sie am Ort der Berufsausübung Aufenthalt genommen hat. Dies ist im Beschwerdefall insbesonders auch deshalb anzunehmen, weil die Zweitmitbeteiligte nach Abschluss ihres Studiums durch die Aufnahme einer Berufstätigkeit und die damit erreichte wirtschaftliche Selbständigkeit ihre Lebensbeziehungen in Wien intensiviert hat.

Ausgehend davon hat im vorliegenden Fall die Zweitmitbeteiligte ohne Rechtsgrundlage eine Wahl nach § 1 Abs. 7 letzter Satz MeldeG getroffen, sodass die Reklamation durch den Beschwerdeführer zu Recht erfolgte. Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 25. April 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002050096.X00

Im RIS seit

13.06.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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