TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/25 2002/05/0472

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.04.2002
beobachten
merken

Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Marktgemeinde Matrei in Osttirol, vertreten durch Dr. Gernot Gasser, Rechtsanwalt in Lienz, Beda Weber-Gasse 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. März 2002, Zl. 639031/5-III/16/02-rae, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Partei: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg in Salzburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde, des vorgelegten, angefochtenen Bescheides und der weiters vorgelegten Beilagen (Schriftverkehr im Verwaltungsverfahren samt Wohnsitzerklärung) geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Der 1968 geborene, ledige Betroffene, M.M., ist mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde des beschwerdeführenden Bürgermeisters, Matrei in Osttirol (kurz: M), gemeldet, mit weiterem Wohnsitz hingegen in der Stadt Salzburg.

In seiner Wohnsitzerklärung vom 11. Mai 2001 gab der Betroffene an, er halte sich in M rund 80 Tage im Jahr auf, wo er bei seinen Eltern wohne (die dort beide mit Hauptwohnsitz gemeldet seien), in Salzburg hingegen rund 285 Tage im Jahr (Mitbewohner sind an diesem Wohnsitz nicht angegeben). Die Frage nach Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften wird für beide Wohnsitze verneint. Der Weg zum Arbeitsplatz in Salzburg wird überwiegend von Salzburg aus angetreten.

Der Beschwerdeführer äußerte sich im Verwaltungsverfahren in einer Eingabe vom 13. November 2001 dahin, der Betroffene sei zwar in Salzburg berufstätig, verbringe jedoch seine Freizeit und insbesondere die Wochenenden in seiner Heimatgemeinde bei seiner Familie. Es handle sich somit um den klassischen Fall eines Wochenpendlers, von denen es gerade im Bereich M sehr viele gebe. Jedenfalls habe der Betroffene M als Hauptwohnsitz bezeichnet, was trotz der geringen Aufenthaltsdauer, die in der Wohnsitzerklärung angegeben worden sei, durchaus nachvollziehbar sei, weil die Beziehung zur Familie, die Freizeitaktivitäten am Wochenende sowie die Integrierung in der örtlichen Gemeinschaft seinen Lebensmittelpunkt darstellten.

Der Betroffene Brachte in einer Eingabe vom 28. November 2001 vor, er habe nach wie vor seinen Hauptwohnsitz in M. Richtig sei, dass er während der Woche in Salzburg lebe, wo er gemeinsam mit einem Partner ein Planungs- und Architekturbüro führe. Da seine Arbeitstätigkeit vor allem das Planen und Entwerfen sei, sei er nicht an einen Ort gebunden, sondern es sei ihm auch möglich, von M aus zu arbeiten. Die Wochenenden und Feiertage und verbringe er an seinem Hauptwohnsitz, wo auch seine Eltern und Geschwister lebten und sich auch sein Freundeskreis befinde. Er sei in M auf der Suche nach einem Baugrund, wo er ein Büro errichten wolle. Somit werde er in weiterer Folge den Großteil seiner Arbeit von seinem Hauptwohnsitz in M aus erledigen. Er habe zweifellos einen Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen, nämlich den beruflichen, zur Zeit in Salzburg, seine familiären und gesellschaftlichen habe er jedoch in M.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Hauptwohnsitz des Betroffenen in M aufgehoben, dem Betroffenen aufgetragen, innerhalb eines Monats die erforderliche Ummeldung vorzunehmen, und hat weiters ausgesprochen, dass der beschwerdeführende Bürgermeister sein Melderegister zu berichtigen habe. Auf Grundlage der Angaben des Betroffenen gelangte die belangte Behörde zusammengefasst zum Ergebnis, dass der berufliche und wirtschaftliche Lebensmittelpunkt und damit auch der gesellschaftliche Schwerpunkt in Salzburg als derart überwiegend anzusehen sei, dass dem Wohnsitz in M keine Mittelpunktqualität mehr zukomme.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind (also wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen solche Mittelpunkte darstellen, wobei die vom Betroffenen vorgenommene Bezeichnung eines Hauptwohnsitzes allein nicht jedenfalls maßgeblich ist). Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargelegt, dass eine "absolute Sicherheit" über die Lebenssituation des Meldepflichtigen für die Evaluierung des zu beurteilenden Sachverhaltes nicht notwendig ist; der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 17 Abs. 3 MeldeG bewusst die in Rede stehenden Unschärfen aus rechtspolitischen Gründen in Kauf genommen (siehe dazu näher das genannte Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, oder auch das weitere Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2001/05/0930).

Der Betroffene kann nicht als "Wochenpendler" in dem Sinn angesehen werden, dass er einen "Mittelpunkt seiner Lebensinteressen" auch in M hätte. Schon aus den von ihm selbst jeweils angegebenen Aufenthaltsdauern ergibt sich nämlich, dass auch ein Teil der Freizeit in Salzburg verbracht wird (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2002, Zl. 2001/05/1077). Da das Reklamationsverfahren gegenwartsbezogen ist, kommt es hier auf die mögliche Absicht, ein Haus in M zu errichten, nicht an, wie auch darauf hinzuweisen ist, dass die Heimatverbundenheit eines Menschen in den im § 1 Abs. 8 MeldeG genannten Kriterien nicht enthalten ist (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Feber 2002, Zl. 2001/05/1163). Auf das (erstmals) in der Beschwerde erstattete Vorbringen, der Betroffene lebe in M mit seiner Lebensgefährtin, kann im Hinblick auf das aus § 41 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot nicht Bedacht genommen werden, weil der Betroffene im Verwaltungsverfahren kein solches Vorbringen erstattet hatte; überdies könnte nur auf unstrittige Lebensgemeinschaften Bedacht genommen werden, weil die beschränkte Beweisaufnahme im Reklamationsverfahren die Feststellung einer Lebensgemeinschaft gegen den Willen der Betroffenen keinesfalls erlaubt (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0941). Bei dem im Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde schon im 34. Lebensjahr stehenden Betroffenen kann eine derartige familiäre Bindung an das Elternhaus nicht mehr angenommen werden, dass dieser gesellschaftlichen Lebensbeziehung noch entscheidendes Gewicht zuzumessen wäre, worauf die belangte Behörde zutreffend verwiesen hat.

Zusammenfassend kann daher der Beurteilung der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, dass der Betroffene in M keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen hat und somit ohne Rechtsgrundlage eine Wahl nach § 1 Abs. 7 letzter Satz MeldeG getroffen hat, sodass die Reklamation zu Recht erfolgte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. April 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002050472.X00

Im RIS seit

01.07.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten