TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/25 2001/05/1194

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Veröffentlicht am 25.04.2002
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. November 2001, Zl. 603.345/6-II/13/01, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Marktgemeinde Vorau in 8250 Vorau, 2. Edith Haider in 1150 Wien, Flachgasse 49/13), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die am 31. August 1965 geborene, ledige Erstmitbeteiligte hat seit 1999 einen weiteren Wohnsitz in Wien, Vorau hat sie als Hauptwohnsitz bezeichnet. In einer Stellungnahme gegenüber der belangten Behörde verwies die Zweitmitbeteiligte auf den elterlichen Betrieb, der sich in Vorau befinde. Nach den Angaben in ihrer Wohnsitzerklärung befindet sie sich derzeit in Karenz, die Aufenthaltsdauer gab sie für beide Wohnsitze mit "halb-halb" an. Mitbewohner an der Adresse in Voraus seien ihre Eltern, ihr Bruder und ihr Neffe, an der Adresse in Wien ihr 1966 geborener Lebenspartner und ihr 1999 geborener Sohn, die beide in Wien mit Hauptwohnsitz gemeldet seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes der Zweitmitbeteiligten in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor; die Zweitmitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem er seiner Erwerbstätigkeit nachgeht, ausgebildet wird oder die Schule oder den Kindergarten besucht, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935 klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind. Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0932, unter Bedachtnahme auf Art. 8 MRK (Achtung des Familienlebens) dem gemeinsamen Wohnsitz mit dem Ehegatten bzw. Lebensgefährten und minderjährigen Kindern eine derart gewichtige Stellung eingeräumt, dass ein Mittelpunkt der Lebensbeziehungen an einem anderen Ort auszuschließen ist.

In der Gegenschrift hebt die Zweitmitbeteiligte besonders hervor, dass sie in Vorau geboren sei, was für sie ein besonderes Identifikationsmerkmal darstelle; diesbezüglich ist sie auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 2002 zu verweisen, wonach die Heimatverbundenheit des Betroffenen kein im § 1 Abs. 8 MeldeG genanntes Kriterium darstellt. Gerade auf diese subjektiven Elemente kommt es eben erst in zweiter Ebene - wenn also objektiv zwei Mittelpunkte feststehen - an.

Ausgehend davon hat im vorliegenden Fall der Zweitmitbeteiligte ohne Rechtsgrundlage eine Wahl nach § 1 Abs. 7 letzter Satz MeldeG getroffen, sodass die Reklamation durch den Beschwerdeführer zu Recht erfolgte. Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 25. April 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001051194.X00

Im RIS seit

11.07.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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