TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/26 2000/06/0159

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Veröffentlicht am 26.04.2002
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Index

L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13;
AVG §39 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §82 Abs7 idF 1998/I/158;
BauO Tir 1998 §20 Abs1;
BauO Tir 1998 §24 Abs1;
BauO Tir 1998 §26;
BauO Tir 1998 §37 Abs4;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des M in I, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Südtirolerplatz 8/IV, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 15. Dezember 1999, Zl. I-9343/1999, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: T in I), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Innsbruck hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 28. Jänner 1999 suchte die Mitbeteiligte beim Stadtmagistrat Innsbruck um die Bewilligung für die Errichtung eines "Anbaus zu Gartenhaus" im Ausmaß von 56 m2 auf der in ihrem Eigentum stehenden Grundparzelle Nr. 1953/4 der KG A, an. Nach dem vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck am 16. Juli 1997 beschlossnen, rechtskräftigen Flächenwidmungsplan AL-F22 liegt dieses Grundstück in einem als "Wohngebiet" im Sinne des § 38 Abs. 1 TROG gewidmeten Gebiet.

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke Grundparzellen Nr. 1951, 2038 und 2040.

Mit Bescheid dos Stadtmagistrats Innsbruck vom 9. November 1999 wurde der Mitbeteiligten - ohne Durchführung einer Bauverhandlung - die Baubewilligung für die Errichtung eines Anbaus an den bereits bewilligten Geräteschuppen auf der Grundparzelle 1953/4 KG A nach Maßgabe der einen Bestandteil des Bescheides bildenden Pläne und Projektsunterlagen unter Erteilung von Auflagen erteilt. Dabei ging die Baubehörde erster Instanz davon aus, es sei beabsichtigt, auf der bezeichneten Grundparzelle den an den bereits bewilligten Geräteschuppen konsenslos errichteten Anbau nachträglich zu bewilligen. Dieser östliche Anbau habe eine Länge von 4,30 m im Süden und 6,64 m im Norden, eine maximale Breite von 6,00 m im Osten bzw. 2,00 m im Westen, eine Wandhöhe von 2,30 m und eine Firsthöhe von 3,20 m. An der östlichen Außenwand des Anbaus sei ein zweizügiger Rauchfang mit einer Gesamthöhe von 3,80 m errichtet worden. Der bewilligte Teil sowie der Anbau seien mit einer Satteldachkonstruktion überdacht. Das in Holzbauweise errichtete Objekt sei mit Blech eingedeckt. Sowohl der als Geräteschuppen bewilligte Teil als auch der Anbau würden als Wochenendhaus zu Wohnzwecken genutzt, Nachbarrechte im Sinne des § 25 Abs. 2 TBO würden durch das Bauvorhaben nicht berührt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im Wesentlichen geltend machte, eine nachträgliche Bewilligung des Schwarzbaus widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz, es lägen bereits rechtskräftige Abbruchbescheide vor, eine "Zungenwidmung", wie sie der geltende Flächenwidmungsplan jetzt vorsehe, sei unzulässig, eine ordnungsgemäße Abwässerbeseitigung sei nicht gewährleistet, die gesetzlichen Mindestabstände zu seiner Liegenschaft seien nicht eingehalten worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde diese Berufung gegen den Bescheid vom 9. November 1999 als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass nach den Aktenunterlagen beabsichtigt sei, für das auf der bezeichneten Grundparzelle bestehende Objekt eine nachträgliche Baubewilligung zu erwirken und gleichzeitig am bestehenden Objekt einen (östlichen) Anbau mit einer Länge von 4,30 m bzw. 6,64 m, einer Breite von 6,00 m und einer Höhe von 3,20 m zu errichten, wobei die Bestandsbaumasse 29 m3 und die Neubaumasse 56 m3 betragen solle. Der Beschwerdeführer grenze mit den in seinem Eigentum stehenden Liegenschaften im Osten bzw. Norden an den Bauplatz an. Nach der Plandarstellung weise das Wohnhaus samt Zubau einen ostseitigen Grenzabstand von 11,00 m und einen nordseitigen von 4,20 m zu den Grundgrenzen auf. Der höchste Punkt des umzugestaltenden Gebäudes, gemessen vom bestehenden Gelände bis zum Dachfirst, betrage im Schnitt 3,20 m, so dass bei Einhaltung eines Grenzabstandes von 4,20 m auf jeden Fall jene Abstände eingehalten würden, die sowohl nach § 6 Abs. 1 lit. b TBO als auch nach den Festlegungen des Bebauungsplanes AL-B25 vorgeschrieben seien. Der Einwand der Abstandsverletzung treffe daher nicht zu. In Hinblick auf § 25 Abs. 2 TBO seien die weiteren Einwendungen des Beschwerdeführers als unzulässig zurückzuweisen gewesen, weil sie keine subjektiv öffentlich-rechtlichen Ansprüche beträfen. Durch die erfolgte Änderung der Flächenwidmung seien allerdings bisher als Schwarzbauten zu qualifizierende Objekte nachträglich bewilligungsfähig geworden; durch die erteilte Bewilligung seien die Abbruchsbescheide nicht mehr vollstreckbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshofgerichtete, von diesem nach Ablehnung ihrer Behandlung aber gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG mit Beschluss vom 13. Juni 2000, B 2080/99-11, an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Einhaltung der Abstandsvorschriften sowie in seinem Recht auf Abweisung des Bauansuchens wegen Nichterfüllung der an einen Bauplatz gestellten gesetzlichen Anforderungen, sowie in seinen Parteirechten dadurch verletzt, dass die Behörde ohne entsprechenden Antrag auch den bestehenden "Geräteschuppen" nachträglich bewilligt habe.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligte Partei hat sich am verwaltungsgerichtlichen

Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht zunächst in Ausführung seiner Beschwerde geltend, die Änderung des Verwendungszweckes "Geräteschuppen" in "Wochenendhaus" hätte einer Bewilligung nach § 20 Abs. 1 lit. c TBO bedurft. Weiters sei aus den Plänen ersichtlich, dass der nördlich an das "WC" angrenzende "Abstellraum" sich innerhalb des gesetzlichen Mindestabstandes befinde, abgesehen davon, dass fraglich erscheine, ob es sich bei den "Abstellräumen" wirklich um solche handle. Auch rügt der Beschwerdeführer die Unterlassung der Durchführung einer Bauverhandlung, in der sich evidente Widersprüche in den Plänen ergeben hätten. Des Weiteren fänden sich keine Feststellungen über die vom Beschwerdeführer in der Berufung relevierte Frage der Abwässerbeseitigung. Auch gehe es nicht an, dass die Bewilligung einen "Anbau zum Gartenhaus" betreffe, das mit diesem Verwendungszweck gar nicht bewilligt worden sei, sondern lediglich als "Geräteschuppen".

Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15, in der Fassung LGBl. Nr. 7/1999, anzuwenden.

Unbestritten ist, dass die verfahrensgegenständliche Gp. 1953/4 KG  A in einem Areal gelegen ist, welches nach dem im Zeitpunkt der Bescheiderlassung anzuwendenden (geänderten) Flächenwidmungsplan mit der Nr. AL-F22 als "Wohngebiet" gewidmet ist.

Das Baubewilligungsverfahren ist grundsätzlich ein Projektgenehmigungsverfahren, das sich nur auf das eingereichte, vom Antrag der Bauwerber umfasste Projekt beziehen kann. Die Befürchtung, dass das Bauvorhaben allenfalls später zu einem anderen, als dem angegebenen Zweck verwendet werde, kann nicht zu einer Versagung der Baubewilligung führen; bei einer Verwendung zu einem anderen als dem bewilligten Verwendungszweck hat die Baubehörde gemäß § 37 Abs. 4 TBO 1998 vorzugehen (vgl. das zur TBO 1989 ergangene hg. Erkenntnis vom 24. April 1997, Zl. 96/06/0275).

In diesem Sinne war - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - immer nur der geplante Anbau Gegenstand des vorliegenden Baubewilligungsverfahrens und damit auch nur dieser Gegenstand der in Rede stehenden Baubewilligung. Wenn der Bestand, an den angebaut werden soll, im Antrag mit einem nicht der erteilten Baubewilligung entsprechenden Verwendungszweck angegeben wird, wird dieser damit nicht Gegenstand des Bewilligungsverfahrens.

Nach dem Inhalt des erstinstanzlichen Bewilligungsbescheides wurde ein "Anbau an den bereits bewilligten Geräteschuppen" auf der Liegenschaft des Bauwerbers bewilligt; obwohl der Antrag auf Erteilung der Baubewilligung für einen "Anbau zum Gartenhaus" lautete. Damit hat die Baubehörde erster Instanz etwas anderes bewilligt als beantragt. Dies kommt einer Bewilligung ohne entsprechenden Antrag gleich, was den Beschwerdeführer in seinen subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzte (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 3. September 1999, Zl. 98/05/0071, und vom 25. April 1995, Zl. 93/04/0105). Es wäre vielmehr Aufgabe der Behörde gewesen, im Hinblick auf die nicht zutreffende Bezeichnung des Bestandes, an den der Anbau erfolgen soll, eine Klärung im Sinne des § 13 AVG herbeizuführen. Keinesfalls aber hätte sie von sich aus dem Antrag des Bauwerbers einen anderen Sinn beilegen dürfen, als sich nach dessen Wortlaut ergibt.

Dadurch, dass die belangte Behörde diesen - wesentlichen - Verfahrensfehler nicht aufgriff, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Klarzustellen ist, dass § 24 Abs. 1 TBO durch § 39 Abs. 2 AVG iVm § 82 Abs. 7 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 198/1998 derogiert wurde.

In Bezug auf die geltend gemachte Abstandsverletzung ist festzuhalten, dass die Auffassung, die als "Abstellräume" bezeichneten Räume, über welche das WC erreichbar ist, entgegen ihrer integrierten Lage innerhalb des Gebäudes "ausschließlich dem Schutz von Sachen dienen", dem Verwaltungsgerichtshof vorerst nicht nachvollziehbar ist und jedenfalls einer Begründung bedarf.

Dadurch, dass die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 26. April 2002

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000060159.X00

Im RIS seit

06.08.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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