TE Vwgh Beschluss 2002/4/30 AW 2002/17/0009

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Veröffentlicht am 30.04.2002
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E03201000;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

31999R1258 FinanzierungsV Gemeinsame Agrarpolitik Art8 Abs2;
B-VG Art131 Abs2;
EURallg;
VwGG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Salzburg, der gegen den Bescheid des Berufungssenates V der Region Linz bei der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich mit Sitz in Graz vom 21. Dezember 2001, Zl. ZRV 37/1-L5/99, betreffend Zuerkennung von Ausfuhrerstattungen und Festsetzung von Sanktionsbeträgen, sowie Neufestsetzung von Rückforderungsbeträgen an geleisteter Ausfuhrerstattung und Neufestsetzung von Sanktionsbeträgen (mitbeteiligte Partei: F), erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Dezember 2001 nahm diese, teils im Instanzenzug, teils auf Grund von "Säumnisbeschwerden" in einer Vielzahl von Fällen gegenüber dem Mitbeteiligten Neufestsetzungen von Ausfuhrerstattungsbeträgen (Spruchteil A des angefochtenen Bescheides) sowie Neufestsetzungen von Rückforderungsbeträgen und Sanktionsbeträgen (Spruchteile B und C des angefochtenen Bescheides) vor. In Spruchteil D des angefochtenen Bescheides wurde eine Berufung des Mitbeteiligten abgewiesen.

Gegen die Spruchteile A bis C des angefochtenen Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion Salzburg, welcher die Auffassung vertritt, der Antrag des Mitbeteiligten auf Zuerkennung von Ausfuhrerstattungsbeträgen wäre rechtens abzuweisen, die Rückforderungsbeträge hingegen höher festzusetzen gewesen. Die Beschwerde ist mit dem Antrag verbunden ist, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Zur Begründung dieses Antrages führt die beschwerdeführende Partei aus:

"Die Finanzlandesdirektion beantragt die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und begründet dies mit dem unverhältnismäßigen Nachteil eines sofortigen Vollzuges der angefochtenen Entscheidung. Hierzu wird ausgeführt, dass zwingende öffentliche Interessen nach ho. Ansicht die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verlangen, da die angefochtene Entscheidung nicht nur in mehrfacher Hinsicht massiv mit Rechtswidrigkeit behaftet ist, sondern vor allem die finanziellen Interessen der Gemeinschaft geschützt werden müssen.

Die Erstattungen bei der Ausfuhr nach Drittländern werden vom EAGFL, Abteilung Garantie, finanziert. Ausgaben dürfen nur in Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsvorschriften getätigt werden. Finanzielle Folgen sind u.a. dann vom Mitgliedstaat zu tragen (Gefahr einer so genannten Anlastung), falls infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen abgeflossene Beträge nicht vollständig wiedereingezogen werden und diese Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse den Verwaltungen oder Einrichtungen des betreffenden Mitgliedstaates anzulasten sind (siehe Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1258/1999 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik)."

§ 30 Abs. 1 und 2 VwGG lautet (auszugsweise):

"§ 30. (1) Den Beschwerden kommt eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. ...

(2) Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. ..."

Ungeachtet der offenbar nicht auf Amtsbeschwerden zugeschnittenen Formulierung in § 30 Abs. 2 VwGG, nach der darauf abzustellen ist, ob mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre, wird in der Rechtsprechung die Zulässigkeit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Amtsbeschwerde angenommen (vgl. hiezu etwa die hg. Beschlüsse vom 28. April 1993, Zl. AW 92/10/0271, und vom 18. Juli 1995, Zl. AW 95/10/0007).

In diesem Zusammenhang wird zunächst geprüft, ob zwingende öffentliche Interessen dem Vollzug oder der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten entgegenstehen, verneinendenfalls wird in die in der genannten Gesetzesbestimmung weiters vorgesehene Interessenabwägung eingetreten, wobei als unverhältnismäßiger Nachteil der "für den Beschwerdeführer" (hier : das die Amtsbeschwerde erhebende Organ) mit dem sofortigen Vollzug des Bescheides, also dessen Umsetzung in die Wirklichkeit, verbunden ist, eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung öffentlicher Interessen an der Nichtumsetzung des Bescheides zu verstehen ist. Insoweit treten diese öffentlichen Interessen im Falle einer Amtsbeschwerde bei der vorzunehmenden Interessenabwägung an die Stelle jener Interessenlage, die sonst bei einem "privaten" Beschwerdeführer als Interesse an dem Aufschub des sofortigen Vollzugs des angefochtenen Bescheides in die Abwägung einfließt.

Einem Vollzug im vorgesagten Verständnis ist jedenfalls der dem Mitbeteiligten eine Berechtigung einräumende Spruchteil A des angefochtenen Bescheides zugänglich.

Die beschwerdeführende Partei behauptet zunächst, zwingende öffentliche Interessen würden die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gebieten, zumal der angefochtene Bescheid "in mehrfacher Hinsicht massiv mit Rechtswidrigkeit behaftet" sei und überdies die finanziellen Interessen der Gemeinschaft geschützt werden müssten.

Dem erstgenannten Argument ist entgegenzuhalten, dass Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben haben. Im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hat der Verwaltungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu überprüfen. Selbst die wahrscheinliche Rechtswidrigkeit des Bescheides ist kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (vgl. den hg. Beschluss vom 17. November 2000, Zl. AW 2000/17/0037).

Was die weiters ins Treffen geführten Gründe des Beschwerdeführers, nämlich Schutz der finanziellen Interessen der (gemeint wohl: Europäischen) Gemeinschaft bzw. des Bundes im Falle einer Anlastung betrifft, so gilt Folgendes:

Der Beschwerdeführer und Antragsteller hat nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Parteibeschwerden in seinem Antrag zu konkretisieren, worin für ihn der unverhältnismäßige Nachteil gelegen wäre. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Konkretisierungspflicht des Antragstellers sind streng (vgl. hiezu etwa den Beschluss eines verstärkten Senates vom 25. Februar 1981, Slg. Nr. 10.381 A).

Für den Spruchteil A ist festzuhalten, dass das Interesse der Europäischen Gemeinschaft an der Nichtauszahlung von Ausfuhrerstattungen jenem des Mitbeteiligten an deren Auszahlung mangels anderer Anhaltspunkte zunächst gleichrangig gegenübersteht.

Wohl trifft es zu, dass zwingende oder überwiegende öffentliche Interessen des Bundes dann bestehen könnten, wenn infolge einer allfälligen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu Unrecht an den Mitbeteiligten abgeflossene Beträge in der Folge nicht zur Gänze wieder eingezogen werden könnten. Im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung genügt aber der bloße Hinweis der beschwerdeführenden Partei auf die abstrakte Möglichkeit einer solchen Konstellation nicht. Auch der Amtsbeschwerdeführer hat die von ihm geltend gemachten öffentlichen Interessen entsprechend zu präzisieren. Die diesbezügliche Konkretisierungsverpflichtung der amtsbeschwerdeführenden Partei mag nicht so weit gehen wie jene einer Partei, die zur Geltendmachung ihrer überwiegenden privaten Interessen ihre Vermögenslage weitgehend offen zu legen hat; dennoch ist der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, dass in Ermangelung jedweden Vorbringens zur konkreten Vermögenssituation des Mitbeteiligten eine Gefahr der späteren Uneinbringlichkeit der ihm auf Grund des angefochtenen Bescheides zu leistenden Zahlungen nicht hinreichend konkretisiert ist.

Für die in den Spruchteilen B und C verfügten Neufestsetzungen von Rückforderungsbeträgen an Ausfuhrerstattung gilt, dass eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung den öffentlichen Interessen nur dann zum Durchbruch verhelfen könnte, wenn die im angefochtenen Bescheid aufgegangenen unterinstanzlichen Bescheide durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wieder aufleben würden. Dies ist jedoch nicht der Fall (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 27. Mai 1983, Zl. 83/17/0037). Im Übrigen stehen aber der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde auch gegen die Spruchteile B und C des angefochtenen Bescheides die Erwägungen zu Spruchteil A entgegen.

Aus diesen Erwägungen war der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG abzuweisen.

Wien, am 30. April 2002

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete FinanzrechtInteressenabwägungDarlegung der Gründe für die Gewährung der aufschiebenden Wirkung BegründungspflichtZwingende öffentliche InteressenBegriff der aufschiebenden WirkungGemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:AW2002170009.A00

Im RIS seit

01.08.2002

Zuletzt aktualisiert am

07.09.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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