TE Vwgh Erkenntnis 2002/5/14 2000/10/0124

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Veröffentlicht am 14.05.2002
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Index

L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §7;
B-VG Art138 Abs1 litb;
B-VG Art7;
MRK Art6;
MRKZP 01te Art1;
NatSchG Tir 1991 §1;
NatSchG Tir 1991 §27 Abs2;
NatSchG Tir 1991 §27;
NatSchG Tir 1991 §3 Abs7;
NatSchG Tir 1991 §32 Abs1 lita;
NatSchG Tir 1991 §32 Abs1 litb;
NatSchG Tir 1991 §32 Abs1 litc;
NatSchG Tir 1991 §32 Abs1;
NatSchG Tir 1991 §32 Abs6;
NatSchG Tir 1991 §32 Abs7;
NatSchG Tir 1991 §32;
NatSchG Tir 1991 §9;
StGG Art2;
StGG Art5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Josef P in Innsbruck, vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 19. November 1991, Zl. U-12.186/24, betreffend Antrag auf Einlösung eines Grundstückes nach dem Tiroler Naturschutzgesetz 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erwarb im Juni 1990 das im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Z. als Gewerbe- und Industriegebiet (Aufschließungsgebiet) gewidmete Grundstück 459/2 der KG Z. im Ausmaß von 7.049 m2 um den Kaufpreis von S 850,-- pro Quadratmeter, somit insgesamt um einen Betrag von S 5,991.650,--.

Am 10. Oktober 1990 suchte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft I. (BH) unter Vorlage von Projektunterlagen um die Erteilung der naturschutz- und der wasserrechtlichen Bewilligung zur Erschließung dieses Grundstückes durch Errichtung einer Brücke über den G. an.

Mit Bescheid vom 24. Jänner 1991 erteilte die BH dem Beschwerdeführer die naturschutzrechtliche Bewilligung. Nach der Begründung handle es sich bei dem genannten Grundstück zwar um ein Feuchtgebiet gemäß § 6b des Tiroler Naturschutzgesetzes 1975 in der Fassung LGBl. Nr. 52/1990, mit Rücksicht auf die geltend gemachten regionalwirtschaftlichen Interessen an der Erschließung der als Gewerbe- und Industriegebiet gewidmeten Grundfläche sei die BH allerdings der Auffassung, dass langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der beantragten Bewilligung das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Beeinträchtigungen der Natur überstiegen.

Auf Grund einer dagegen vom Landesumweltanwalt erhobenen Berufung änderte die Tiroler Landesregierung diese Entscheidung mit Bescheid vom 18. Juli 1991 dahin ab, dass dem Antragsteller die beantragte naturschutzrechtliche Bewilligung versagt wurde.

Mit Schreiben vom 23. August 1991 stellte der Beschwerdeführer daraufhin bei der Tiroler Landesregierung (belangte Behörde) den Antrag, die Grundparzelle 459/2 der KG Z. in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 32 Abs. 1 und 7 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991, LGBl. Nr. 29/1991 (Tir NatSchG), gegen Zahlung einer angemessenen Entschädigung einzulösen. Begründet wurde dieses Ansuchen im Wesentlichen damit, dass durch die rechtskräftige Versagung der naturschutzrechtlichen Genehmigung für die Erschließung der in Rede stehenden Grundparzelle diese als Gewerbe- und Industriegebiet (Aufschließungsgebiet) gewidmete Liegenschaft für den Beschwerdeführer auf Dauer ihre wirtschaftliche Nutzbarkeit verloren habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. November 1991 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 32 Abs. 1 und 7 Tir NatSchG keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, nach § 32 Abs. 1 Tir NatSchG sei ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung (u. a.) nur dann gegeben, wenn durch eine Verordnung, mit der ein Gebiet zu einem Landschaftsschutzgebiet, zu einem Ruhegebiet, zu einem geschützten Landschaftsteil oder zu einem Naturschutzgebiet erklärt worden sei, ein Grundstück in seiner Ertragskraft oder Bewirtschaftbarkeit erheblich gemindert werde, soweit diese Nachteile nicht durch wirtschaftliche Vorteile ausgeglichen würden, die sich aus der entsprechenden Verordnung ergeben. Im vorliegenden Fall sei die mangelnde Verwendbarkeit des Grundstückes jedoch nicht auf eine solche Verordnung zurückzuführen, sondern auf die Versagung der naturschutzrechtlichen Bewilligung, sodass die Bestimmung des § 32 leg. cit. keine Anwendung finden und somit mangels gesetzlicher Grundlage eine Entschädigung gemäß § 32 Abs. 7 Tir NatSchG nicht zuerkannt werden könne. Der Beschwerdeführer hätte sich über alle Umstände erkundigen müssen, welche einer widmungsgemäßen Verwendung seines Grundstückes allenfalls hätten entgegenstehen können. Trotz Vorliegens einer rechtskräftigen Widmung als Gewerbe- und Industriegebiet (Aufschließungsgebiet) hätte der Beschwerdeführer erkennen müssen, dass er für die widmungsgemäße Nutzung dieses Grundstückes noch weiterer Genehmigungen (naturschutzrechtliche, wasserrechtliche, gewerberechtliche etc.) bedürfe und ein Vorhaben erst dann verwirklicht werden könne, wenn die für die Verwirklichung erforderlichen behördlichen Bewilligungen vorlägen.

Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 22. Juni 1992, B 44/92, die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die auftragsgemäß ergänzte Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 26. September 1994, Zl. 92/10/0423, zurückgewiesen.

Nach der Begründung würden für die "Festsetzung der Entschädigung" nach § 32 Abs. 7 Tir NatSchG die Absätze 5 und 6 sinngemäß gelten. Nach § 32 Abs. 5 Tir NatSchG habe die Landesregierung die Entschädigung mit Bescheid festzusetzen. Der Entschädigungswerber könne gemäß Abs. 6 binnen zwei Monaten nach Zustellung des Bescheides bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel das betroffene Grundstück gelegen sei, die Festsetzung der Entschädigung beantragen. Mit dem Einlangen des Antrages trete der Bescheid der Landesregierung außer Kraft. Nach der nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schließe der Begriff der "Festsetzung der Entschädigung" im Umfang des äußerst möglichen Wortsinnes auch die "Null-Festsetzung", die prozessual in der Abweisung des Entschädigungsbegehrens ihren Ausdruck finde, ein. Damit bestehe auch in einem solchen Fall die sukzessive Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Das habe zur Folge, dass der gesamte Entschädigungsanspruch letztlich von einem Gericht geprüft werde. Der Begriff der "Festsetzung der Entschädigung" in § 32 Abs. 7 Tir NatSchG umfasse auch den Einlösungsanspruch als solchen und nicht nur den Einlösungsbetrag. Es handle es sich dabei um eine einheitliche Angelegenheit, für die letztlich die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte bestehe, wodurch eine unsachliche Differenzierung beim Rechtschutz vermieden werde. Schon die bloße Möglichkeit der Anrufung der ordentlichen Gerichte im Falle der gesetzlich vorgesehenen sukzessiven Zuständigkeit schließe die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes in derselben Angelegenheit aus.

Der Beschwerdeführer stellte daraufhin beim Bezirksgericht T. den Antrag, ihm gemäß § 17 des Außerstreitgesetzes und §§ 146 ff ZPO die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der in § 32 Abs. 6 und 7 Tir NatSchG normierten Frist, die Einlösung des genannten Grundstückes durch das Land Tirol gegen Zahlung einer angemessenen Entschädigung zu beantragen, zu bewilligen. Gleichzeitig holte der Beschwerdeführer die versäumte Prozesshandlung nach und stellte den Antrag, die Einlösung des Grundstückes durch das Land Tirol gemäß und in sinngemäßer Anwendung des § 32 Abs. 1 und 7 Tir NatSchG anzuordnen und die dem Beschwerdeführer vom Land Tirol für das Einlösungsgrundstück zu leistende angemessene Entschädigung mit dem Betrag von S 10,573.500,-- festzusetzen.

Das Bezirksgericht T. gab mit Beschluss vom 9. Jänner 1995 dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt und wies den Antrag auf Anordnung der Einlösung des genannten Grundstückes durch das Land Tirol und Festsetzung der geforderten Entschädigung ab.

Auf Grund des vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Rekurses hob das Landesgericht Innsbruck die Entscheidung des Bezirksgerichtes mit Beschluss vom 24. Februar 1995 als nichtig auf, erklärte das gesamte bisherige Verfahren für nichtig und wies die Anträge des Antragstellers zurück. Nach der Begründung - auf das Wesentliche zusammengefasst - obliege die Entscheidung über den Einlösungsanspruch im Sinne des § 32 Abs. 7 Tir NatSchG den Verwaltungsbehörden; die sukzessive Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte über die Höhe des Entschädigungsanspruches greife erst nach Bejahung des Anspruches dem Grunde nach. Das Begehren des Beschwerdeführers ziele jedoch in erster Linie auf die Einlösung des genannten Grundstückes. Daher seien mangels Zulässigkeit des Rechtsweges sowohl die angefochtene Entscheidung als nichtig aufzuheben als auch das gesamte bisherige Verfahren für nichtig zu erklären. Weiters seien auch die Anträge auf Einlösung des Grundstückes durch das Land Tirol und auf Festsetzung einer angemessenen Entschädigung in Höhe von S 10,573.500-- gemäß §§ 1 und 42 JN zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 29. Jänner 1997 gab der Oberste Gerichtshof dem dagegen erhobenen Rekurs des Beschwerdeführers keine Folge.

Der Beschwerdeführer stellte daraufhin beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Entscheidung eines verneinenden Kompetenzkonfliktes zwischen dem Obersten Gerichtshof (Beschluss vom 29. Jänner 1997, Zl. 3 Ob 526/95) und dem Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 26. September 1994, Zl. 92/10/0423).

Mit Erkenntnis vom 28. Juni 2000, K I-7/97-10, sprach der Verfassungsgerichtshof unter Berufung auf Art. 138 Abs. 1 lit. b B-VG aus, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 19. November 1991, Zl. U-12.186/24, zuständig sei. Der entgegenstehende Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1994, Zl. 92/10/0423, wurde aufgehoben.

Der Verfassungsgerichtshof ging in seiner Begründung im Hinblick auf den Wortlaut des § 32 Abs. 7 Tir NatSchG davon aus, dass zwischen der ausschließlich im ersten Satz dieser Bestimmung geregelten Frage der Einlösung eines Grundstückes, das behauptetermaßen durch eine der im Abs. 1 erwähnten Maßnahmen für den Eigentümer auf Dauer seine wirtschaftliche Nutzbarkeit verloren hat, einerseits und die allein im zweiten und dritten Satz dieser Bestimmung geregelten Festsetzung (der Höhe) der Entschädigung unterschieden werden müsse. Vor diesem Hintergrund könne es aber auch bei der im letzten Satz des Abs. 7 angeordneten sinngemäßen Anwendbarkeit der im Abs. 6 vorgesehenen sukzessiven Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte wiederum nur um die Festsetzung (der Höhe) der Entschädigung gehen und nicht etwa auch um die Frage, ob dem Verlangen des Eigentümers nach Einlösung des in Rede stehenden Grundstückes zu entsprechen sei oder nicht; darüber zu entscheiden falle vielmehr allein in die Zuständigkeit der Landesregierung unter der nachprüfenden Kontrolle der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts. Für die Entscheidung über das Verlangen, ein Grundstück in Anwendung des § 32 Abs. 7 Tir NatSchG einzulösen, erscheine die Möglichkeit der bloß nachprüfenden Kontrolle des verwaltungsbehördlichen Handelns durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts im Hinblick auf Art. 6 EMRK ausreichend.

Nach neuerlicher Vorlage der Verwaltungsakten hat der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 19. November 1991 erwogen:

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 5. Dezember 1997, VfSlg. 15.035, ausgesprochen hat, dass das Tiroler Naturschutzgesetz 1991 - auf dessen § 32 Abs. 1 und 7 sich der angefochtene Bescheid gründet - verfassungswidrig war. Da sich der dem Beschwerdefall zu Grunde liegende Sachverhalt vor der Kundmachung der Feststellung ereignet und keinen Anlassfall gebildet hat und der Verfassungsgerichtshof auch nicht die Nichtanwendbarkeit ausgesprochen hat, war das Tiroler Naturschutzgesetz 1991 im Beschwerdefall weiter anzuwenden (vgl. Art. 140 Abs. 7 B-VG).

Der im Beschwerdefall daher anzuwendende, mit "Entschädigung" überschriebene § 32 Tir NatSchG lautet auszugsweise:

"(1) Hat

a) eine Verordnung, mit der ein Gebiet zu einem Schutzgebiet nach den §§ 10, 11, 13 oder 21 erklärt wurde,

b)

eine Verordnung nach § 25 Abs. 4 oder

c)

ein Bescheid nach § 18 Abs. 5 oder 6 oder nach § 25 Abs. 1 eine erhebliche Ertragsminderung oder eine erhebliche Erschwerung der Bewirtschaftung eines Grundstückes zur Folge, so hat der Eigentümer gegenüber dem Land Anspruch auf eine angemessene Entschädigung (§ 365 ABGB), soweit diese Nachteile nicht durch wirtschaftliche Vorteile ausgeglichen werden, die sich aus der betreffenden Verordnung oder dem betreffenden Bescheid ergeben.

(2) Der Eigentümer eines Grundstückes hat gegenüber dem Land Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für die die Kosten der ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung übersteigenden Kosten, die aus der Erfüllung der im § 25 Abs. 6 und im § 29 Abs. 3 lit. b festgesetzten Verpflichtungen erwachsen, soweit diese Kosten nicht durch wirtschaftliche Vorteile ausgeglichen werden, die sich aus der Erklärung zum Naturdenkmal ergeben.

(3) Der Eigentümer eines Grundstückes, das in ein Schutzgebiet nach den §§ 10, 11, 13 oder 21 oder in ein gemäß § 25 Abs. 4 festgelegtes Gebiet einbezogen wurde, hat, wenn er im Vertrauen auf die nach dem Tiroler Raumordnungsgesetz 1984 und nach der Tiroler Bauordnung zulässige Bebauung dieses Grundstückes bis zu dem im § 28 Abs. 3 (Beginn der Auflegungsfrist) bzw. im § 29 Abs. 3 (Zustellung der Verständigung) bezeichneten Zeitpunkt nachweisbar Kosten für die Baureifmachung seines Grundstückes aufgewendet hat, gegenüber dem Land Anspruch auf eine angemessene Entschädigung, wenn auf Grund einer Verordnung nach den §§ 10, 11, 13, 21 oder 25 Abs. 4 die Bewilligung zur Durchführung einer geplanten Baumaßnahme versagt wird.

......

(7) Verliert ein Grundstück durch eine der im Abs. 1 erwähnten Maßnahme für den Eigentümer auf Dauer seine wirtschaftliche Nutzbarkeit, so ist es auf Verlangen des Eigentümers durch das Land einzulösen. Die Entschädigung ist, soweit eine gütliche Einigung hierüber oder über die Bereitstellung eines Ersatzgrundstückes durch das Land nicht erzielt werden kann, von der Landesregierung mit Bescheid festzusetzen. Für die Festsetzung der Entschädigung gelten die Abs. 5 und 6 sinngemäß."

Der Beschwerdeführer vertritt im Wesentlichen die Auffassung, der Umstand, dass die Feuchtgebietseigenschaft, die nicht erst aufgrund einer entsprechenden Anordnung der Behörde, sondern bei Zutreffen der im § 3 Abs. 7 Tir NatSchG angeführten Bedingungen kraft Gesetzes eintrete, nicht als einlösungsverpflichtende Tatsache in § 32 Abs. 1 leg. cit. angeführt sei, könne nur auf einem Versehen des Gesetzgebers beruhen. Die auf Grund umfassender Bewilligungspflichten für Feuchtgebiete bestehenden Nutzungsbeschränkungen seien zum Teil sogar weit umfassender als dies bei den in § 32 Abs. 1 Tir NatSchG erwähnten Maßnahmen der Fall sei. "§ 32 Abs. 1 TNSchG (sei) daher in einer durch den Wortlaut der Gesetzesbestimmung nicht mehr gedeckten Weise extensiv dahingehend auszulegen, dass die Einlösungs- und Entschädigungsverpflichtung des Landes Tirol auch bei durch den Feuchtgebietscharakter eines Grundstückes bedingten Ertragsminderung oder Bewirtschaftungserschwernis bzw. dauernden Verlust dessen wirtschaftlichen Nutzbarkeit bestehe." Werde eine derart ausdehnende Gesetzesauslegung nicht für zulässig erachtet, so sei die Entschädigungsnorm auch auf die für Feuchtgebiete normierte Nutzungsbeschränkungen verursachte Nachteile des Grundeigentümers "zumindest analog anzuwenden". Offensichtlich habe auch der Verfassungsgerichtshof die vom Beschwerdeführer begehrte extensive Interpretation oder analoge Anwendung auf durch den Feuchtgebietscharakter eines Grundstückes bedingte Ertragsminderungen und Bewirtschaftungserschwernisse für geboten erachtet, da er andernfalls den vom Beschwerdeführer gegen die Verfassungsmäßigkeit der naturschutzgesetzlichen Regelung bzw. gegen deren dem Gleichheitsgebot widersprechenden Anwendung vorgetragenen Bedenken hätte Rechnung tragen müssen. Der Verfassungsgerichtshof habe jedoch die Behandlung einer entsprechenden Beschwerde mit Beschluss vom 22. Juni 1992, B 44/792, abgelehnt.

Nach den oben wiedergegebenen Bestimmungen des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991 ist Voraussetzung für die Einlösung eines Grundstückes, dass sich der im Gesetz genannte Nachteil (dauernder Verlust der wirtschaftlichen Nutzbarkeit) aus dem Inhalt ganz bestimmter behördlicher Akte (Verordnung nach § 32 Abs. 1 lit. a oder b oder Bescheid nach § 32 Abs. 1 lit. c) ergibt. Damit kommt eine Entschädigungsmöglichkeit überall dort nicht in Frage, wo sich Beschränkungen schon (unmittelbar) auf Grund des Gesetzes ergeben (vgl. dazu etwa die Ausführungen bei Liehr/Stöberl, Kommentar zum Niederösterreichischen Naturschutzgesetz (1986), zur vergleichbaren Bestimmung des § 18, S. 170 ff). Dies ist bei dem im Beschwerdefall in Rede stehende Feuchtgebietsschutz der Fall. Dieser hat seine Grundlage in § 3 Abs. 7 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991: Ein Feuchtgebiet ist danach ein vom Wasser geprägter, in sich geschlossener und vom Nachbargebiet abgrenzbarer Lebensraum mit den für diesen charakteristischen Pflanzen- und Tiergemeinschaften. Dazu gehören insbesondere auch Röhrichte und Großseggensümpfe, Quellfluren und Quellsümpfe, Flach- und Zwischenmoore, Hochmoore, Moor- und Bruchwälder. Die Feuchtgebietseigenschaft eines Gebietes hängt somit von der Prägung eines Lebensraumes durch das Wasser mit den für diesen charakteristischen Pflanzen- und Tiergemeinschaften sowie von der Geschlossenheit und Abgrenzbarkeit vom Nachbargebiet ab (vgl. das Erkenntnis vom 9. September 1996, Zl. 94/10/0033). Der Feuchtgebietscharakter eines Grundstückes ergibt sich somit nicht aus einer "Festlegung" der Behörde, sondern aus Gegebenheiten in der Natur, denen der Gesetzgeber einen erhöhten Schutz beimisst. Bei dem insoweit klaren und eindeutigen Wortlaut des § 32 Tir NatSchG kommt die vom Beschwerdeführer gewünschte extensive Auslegung nicht in Frage.

Voraussetzung für die analoge Anwendung verwandter Rechtsvorschriften ist das Bestehen einer echten Rechtslücke; im Zweifel ist eine auftretende Rechtslücke als beabsichtigt anzusehen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 3. November 1978, VwSlg. 9677/A). Wo die gesetzlichen Bestimmungen eindeutig sind, das heißt keine planwidrige Unvollständigkeit erkennen lassen, ist für die Anwendung der Gesetzesanalogie kein Raum (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 19. September 2001, Zl. 2001/16/0346). Daraus ergibt sich aber, dass § 32 Abs. 1 und 7 Tir NatSchG auch eine analoge Anwendung auf den vom Beschwerdeführer genannten Fall nicht zulässt.

Der Beschwerdeführer regt schließlich unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 13282/1992, VfSlg. 14045/1995, und Erkenntnis vom 9. Oktober 2001, G 148/01) sowie des Obersten Gerichtshofes (23. Februar 1999, 1 Ob 321/98g = ecolex 1999, 765 f) an, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag zu stellen, dieser möge die Verfassungswidrigkeit der für die Entscheidung über den vom Beschwerdeführer beim Land Tirol eingebrachten Antrag auf Einlösung des Grundstückes präjudiziellen Bestimmungen des Tiroler Naturschutzgesetzes aussprechen. Der Verfassungsgerichtshof habe nämlich in Abkehr von seiner älteren Judikatur die Auffassung vertreten, dass Eigentumsbeschränkungen, welche materiell einer Enteignung nahe kommen, so etwa die Rückwidmung eines Grundstückes von Bauland in Grünland, unter Bedachtnahme auf die Interessenlage des Grundstückseigentümers von verfassungswegen eine Entschädigungspflicht nach sich ziehen müssten. Auch die mit einer Flächenwidmungsplanänderung verbundene Beeinträchtigung des Grundeigentümers in der Nutzungsmöglichkeit der betroffenen Liegenschaft habe im Rahmen des Gleichheitsgebotes Berücksichtigung zu finden. Im beschwerdegegenständlichen Fall eines in naturschutzrechtlichen Beschränkungen begründeten Eingriffs in das Eigentumsrecht, welcher auf Grund der für Feuchtgebiete normierten Restriktionen sogar noch weit schwerer wiege als eine Rückwidmung von Bauland in (zumindest noch als solches nutzbares) Freiland, würde eine entschädigungslose materielle Enteignung umso mehr dem verfassungsgesetzlich verankerten Gleichheitsgrundsatz widersprechen.

Der oben wiedergegebene § 32 Abs. 7 Tir NatSchG sieht vor, dass ein Grundstück auf Verlangen des Eigentümers durch das Land einzulösen ist, wenn es durch eine der im Abs. 1 erwähnten Maßnahmen für den Eigentümer auf Dauer seine wirtschaftliche Nutzbarkeit verliert. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich darum, dass eine Verordnung ein Gebiet zu einem Landschaftsschutzgebiet (§ 10), zu einem Ruhegebiet (§ 11), zu einem geschützten Landschaftsteil (§ 13) oder zu einem Naturschutzgebiet (§ 21) erklärt (vgl. § 32 Abs. 1 lit. a), durch Verordnung bestimmte Verbote im Zusammenhang mit Naturdenkmälern (§ 25 Abs. 4) festgesetzt (vgl. § 32 Abs. 1 lit. b) oder mit Bescheid bestimmte Verpflichtungen nach § 18 Abs. 5 oder 6 auferlegt werden oder schließlich eine Erklärung zum Naturdenkmal (§ 25 Abs. 1) erfolgt (vgl. § 32 Abs. 1 lit. c). Freilich kann der Verlust der wirtschaftlichen Nutzbarkeit auch dadurch eintreten, dass - wie im Beschwerdefall - eine beantragte naturschutzbehördliche Bewilligung nicht erteilt wird (vgl. dazu das vom Beschwerdeführer zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Oktober 2001, G 148/01). Die in diesem Zusammenhang für bestimmte Vorhaben vorgesehene Bewilligungspflicht (vgl. §§ 9 und 27 Tir NatSchG) ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes als Eigentumsbeschränkung anzusehen (vgl. etwa VfSlg. 11.209/1987; zur Abgrenzung gegenüber der Enteignung siehe etwa VfSlg. 9911/1983).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 9189/1981, 12.227/1989, 12.998/1992) gilt der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz des Art. 5 Staatsgrundgesetz ebenso für Eigentumsbeschränkungen, auf die sich allerdings auch der im zweiten Absatz des Art. 1 des 1.

ZP EMRK ausdrücklich formulierte Gesetzesvorbehalt erstreckt: Der Gesetzgeber kann daher verfassungsrechtlich einwandfrei Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unversehrtheit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (vgl. VfSlg. 9189/1981), soweit die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. VfSlg. 11.402/1987, 12.227/1989) und nicht unverhältnismäßig ist (vgl. VfSlg. 13.964/1994).

Die Eigentumsbeschränkung von Grundstückseigentümern in Form einer Bewilligungspflicht gemäß § 27 Tir NatSchG ist als zur Verwirklichung der in § 1 normierten Ziele des Naturschutzgesetzes als erforderlich anzusehen und damit im öffentlichen Interesse gelegen. Die Bewilligungspflicht ist - im Hinblick auf die Bewilligungskriterien im § 27 Abs. 2 Tir NatSchG - auch nicht als unverhältnismäßig anzusehen.

Allerdings verbietet es der Gleichheitsgrundsatz, für gleichartige Eigentumsbeschränkungen in einem Fall eine Entschädigung vorzusehen und in einem anderen Fall eine solche auszuschließen (vgl. auch dazu das bereits genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Oktober 2001).

Im Beschwerdefall ist daher entscheidend, ob Eigentumsbeschränkungen, die ihre Grundlage in einer der im § 32 Abs. 1 erwähnten Maßnahmen haben, solchen Eigentumsbeschränkungen gleichartig sind, die ihre Grundlage unmittelbar im Gesetz haben. Diese Frage ist nach den obigen Ausführungen jedoch zu verneinen. Im Beschwerdefall ist daher ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht zu erkennen. Gegenteiliges ist auch den vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnissen nicht zu entnehmen, in denen die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen (Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan) in Rede stand (VfSlg. 13.282 und 14.045) bzw. die Entschädigung nach dem NÖ Naturschutzgesetz für dem § 32 Abs. 1 Tir NatSchG vergleichbare Maßnahmen (OGH 23. Februar 1999, 1 Ob 321/98g).

Vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens sieht sich der Verwaltungsgerichtshof daher nicht veranlasst, der Anregung des Beschwerdeführers zu entsprechen.

Aufgrund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 14. Mai 2002

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000100124.X00

Im RIS seit

22.07.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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