TE Vwgh Erkenntnis 2002/5/17 98/02/0035

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Veröffentlicht am 17.05.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

ArbIG 1993 §24 Abs1 Z1 litd;
ArbIG 1993 §8 Abs1;
ArbIG 1993 §8 Abs3;
VStG §22 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll sowie Senatspräsident Dr. Kremla und Hofrat Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales (nunmehr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 17. November 1997, Zl. VwSen-280368/21/GU/Km, betreffend Übertretung des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 (mitbeteiligte Partei: OP in H, vertreten durch Dr. Anton Moser, Rechtsanwalt in Traun, Johann-Roithner-Straße 9), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 21. April 1997 wurde der Mitbeteiligte für schuldig erkannt, er habe "es als gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung des Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetzes betreffend die im Unternehmen beschäftigten Kraftfahrer des zur Vertretung nach außen berufenen handelsrechtlichen Geschäftsführers F. S. und somit Verantwortlichen gemäß § 9 Abs. 1 VStG der Arbeitgeberin R. und S. Transport-GesmbH mit dem (handelsrechtlichen) Sitz in T., P-str. 91, von Ihrem Büro im Betrieb in H., P-str. 4, aus zumindest bis 15. 4. 1995 unterlassen, dafür zu sorgen, dass dem Arbeitssinspektorat Linz trotz dessen schriftlicher Aufforderung (gemäß § 8 Abs. 3 ArbIG) vom 29. 3. 1995 die angeforderten Arbeitsaufzeichnungen (Diagrammblätter der mechanischen Kontrollgeräte aller im Betrieb beschäftigten Lenker und Beifahrer für den Zeitraum Oktober, November und Dezember 1994 und Jänner 1995) zur Einsichtnahme übermittelt wurden, obwohl gemäß § 8 Abs. 1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 Arbeitgeber/innen und die gemäß § 4 Abs. 5 und 7 beauftragten Personen verpflichtet sind, den Arbeitsinspektionsorganen auf Verlangen alle Unterlagen zur Einsicht vorzulegen, die mit dem Arbeitnehmerschutz im Zusammenhang stehen bzw. obwohl gemäß § 8 Abs. 3 erster Satz ArbIG Arbeitgeber/innen dem Arbeitsinspektorat auf Verlangen die in Abs. 1 genannten Unterlagen oder Ablichtungen, Abschriften sowie Auszüge dieser Unterlagen zu übermitteln haben."

Der Mitbeteiligte habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 24 Abs. 1 Z 1 lit. d in Verbindung mit § 8 Abs. 1 und 3 Arbeitsinspektionsgesetz 1993, BGBl. Nr. 27/1993 (ArbIG) begangen. Gemäß § 24 Abs. 1 ArbIG wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt.

Aus Anlass der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Berufung hob die belangte Behörde mit Bescheid vom 17. November 1997 das angeführte Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1, 2. Sachverhalt, VStG ein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 13 ArbIG gestützte Beschwerde der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde ging nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 28. Oktober 1997 davon aus, dass das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk am 29. März 1995 die R. und S. Transport-GesmbH mit Sitz in T. aufgefordert habe, bis spätestens 15. April 1995 sämtliche Arbeitszeitaufzeichnungen (Diagrammblätter) aller im Betrieb beschäftigten Lenker und Beifahrer für den angeführten Zeitraum im Original oder in Kopie zu übermitteln. Ein für das Arbeitsinspektorat "nicht befriedigendes" Antwortschreiben des aufgeforderten Unternehmens vom 13. April 1995 habe zur Anzeigeerstattung an die Behörde erster Instanz geführt. Die in der daraufhin ergangenen Aufforderung zur Rechtfertigung und im erstinstanzlichen Bescheid gleichlautend enthaltene Tatbeschreibung sei missglückt, weil darin der für das Tatbild essentielle Bestandteil, nämlich die in der Aufforderung des Arbeitsinspektorates bestimmte Leistungsfrist, nicht wiedergegeben werde.

Der Spruch des Straferkenntnisses bringe nicht zum Ausdruck, dass die Leistungsfrist bis zum 15. April 1995 noch offen gestanden und bis dahin kein vorwerfbares strafbares Verhalten vorgelegen sei, und beschreibe nicht den Beginn der Tatzeit. Die Vorwerfbarkeit der Tat sei erst am 16. April 1995 eingetreten. Es fehle an einem Vorwurf eines bestimmten strafbaren Verhaltens, wobei die Unterlassung bis einschließlich 15. April 1995 nicht sanktionsbewehrt gewesen sei. Auch seien bei der Beschreibung des Tatvorwurfs zwei verschiedene Delikte nämlich jenes gemäß § 8 Abs. 1 und gleichzeitig auch jenes gemäß § 8 Abs. 3 ArbIG vorgeworfen worden. Aufgrund der im Berufungsverfahren vorliegenden Sache im Sinne § 66 Abs. 4 AVG sei die belangte Behörde nicht berechtigt gewesen, eine Auswechslung der Tat vorzunehmen oder essentielle Ergänzungen einzufügen.

§ 8 ArbIG samt Überschrift lautet:

"Unterlagen

§ 8. (1) Arbeitgeber/innen und die gemäß § 4 Abs. 5 und 7 beauftragten Personen sind verpflichtet, den Arbeitsinspektionsorganen auf Verlangen alle Unterlagen zur Einsicht vorzulegen, die mit dem Arbeitnehmerschutz im Zusammenhang stehen. Dies gilt insbesondere für Unterlagen über die Betriebsräumlichkeiten, Betriebseinrichtungen, sonstigen mechanischen Einrichtungen, Betriebsmittel, Arbeitsvorgänge, Arbeitsverfahren und Arbeitsstoffe samt den dazugehörigen Plänen, Zeichnungen, Beschreibungen und Betriebsvorschriften. Dies gilt auch für Kollektivverträge, Betriebsvereinbarungen, Arbeitsverträge, Lehrverträge, Lohn-, Gehalts- und Urlaubslisten sowie insbesondere auch für alle Verzeichnisse, Vormerke oder Aufstellungen, die auf Grund von Arbeitnehmerschutzvorschriften oder von Regelungen für die Heimarbeit zu führen sind.

.......

(3) Arbeitgeber/innen haben dem Arbeitsinspektorat auf Verlangen die in Abs. 1 genannten Unterlagen oder Ablichtungen, Abschriften sowie Auszüge dieser Unterlagen zu übermitteln. Für die Ablichtung und Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen."

§ 24 ArbIG samt Überschrift lautet:

     "Strafbestimmungen

     § 24. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die

Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der

Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 500 S bis

50 000 S, im Wiederholungsfall von 1 000 S bis 50 000 S zu bestrafen,

     1. wer als Arbeitgeber/in

     .......

     d) entgegen § 8 Abs. 3 Unterlagen, Ablichtungen, Abschriften

oder Auszüge nicht übermittelt;

     ........

     2. wer als Arbeitgeber/in oder als nach § 4 Abs. 5 oder 7

beauftragte Person

     ........

     c) entgegen § 8 Abs. 1 keine Einsicht in Unterlagen gewährt;

     ........."

Die im Spruch des Straferkenntnis aufzunehmende Umschreibung der Tat entspricht dann den in § 44a Z 1 VStG angeführten Kriterien, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass die Identität der Tat insbesondere nach Ort und Zeit unverwechselbar feststeht und dass der Beschuldigte in der Lage ist, auf den konkreten Tatvorwurf bezogen Beweise anzubieten, um diesen zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, S 755f zitierte Judikatur).

Aus dem im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides angeführten Schreiben des Arbeitsinspektorates Linz vom 29. März 1995 ergibt sich, dass damit das Unternehmen, dessen verantwortlicher Beauftragter der Mitbeteiligte unbestritten ist, aufgefordert worden war, die näher umschriebenen Arbeitsaufzeichnungen "bis spätestens 15. April 1995" vorzulegen. Den Umstand, dass die mitbeteiligte Partei dieser Aufforderung innerhalb der eingeräumten Frist nicht nachkam und dass somit die Strafbarkeit des der mitbeteiligten Partei vorgeworfenen Verhaltens mit Ablauf des 15. April 1995 begann, hat die Behörde erster Instanz im Spruch ihres Straferkenntnisses durch die Wendung "zumindest bis zum 15. April 1995 unterlassen" mit gerade noch hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht. Somit ist im Beschwerdefall der Beginn des vom Straferkenntnis umfassten Zeitraumes im Sinne des § 44a Z. 1 VStG hinreichend konkretisiert. Im Straferkenntnis ist allerdings das Tatzeitende nicht durch Angabe eines Datums bestimmt. Da nach der hg. Rechtsprechung davon auszugehen ist, dass mangels einer kalendermäßigen Anführung des Tatzeitendes die Tatzeit mit der Schöpfung des Straferkenntnisses endete (vgl. die bei Walter-Thienel, aaO, S 815ff zitierte Judikatur), liegt auch insoweit eine ausreichende Konkretisierung der Tatzeit vor.

Soweit im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertreten wurde, die Behörde erster Instanz habe bei der Beschreibung des Tatvorwurfes in Wahrheit zwei verschiedene Delikte, nämlich jenes gemäß § 8 Abs. 3 ArbIG und gleichzeitig auch jenes gemäß Abs. 1 dieses Paragrafen vorgeworfen, ist festzuhalten, dass die Bestrafung des Mitbeteiligten im erstinstanzlichen Straferkenntnis auf "§ 24 Abs. 1 Z 1 lit. d in Verb. mit § 8 Abs. 1 und 3" ArbIG gestützt wurde. Da § 24 Abs. 1 Z 1 lit. d leg. cit. ausschließlich die Unterlassung des in § 8 Abs. 3 leg. cit. angeordneten Verhaltens mit Strafe bedroht, kann der Anführung auch von § 8 Abs. 1 leg. cit. im Spruch des Straferkenntnisses - auch im Hinblick darauf, dass in § 8 Abs. 3 leg. cit. selbst auf Abs. 1 dieses Paragraphen Bezug genommen wird - nicht die Bedeutung beigemessen werden, dass dem Mitbeteiligten auch eine Unterlassung des in dieser Bestimmung normierten - und in § 24 Abs. 1 Z 2 lit. c leg. cit. pönalisierten - Verhaltens vorgeworfen werden sollte.

Ausgehend von diesem Verständnis bestand entgegen der Auffassung der belangten Behörde auch keine Notwendigkeit für eine so weitreichende Korrektur des Tatvorwurfes, die als Auswechslung der Tat hätte angesehen werden können.

Da die belangte Behörde somit in Verkennung der Rechtslage das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt hat, musste der angefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Wien, am 17. Mai 2002

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Dauerdelikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1998020035.X00

Im RIS seit

18.09.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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