TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/11 2000/01/0355

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Veröffentlicht am 11.06.2002
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

StbG 1985 §10 Abs1 idF 1994/505;
StbG 1985 §10 Abs3 idF 1994/505;
StbG 1985 §10 Abs4 idF 1994/505;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde der Dr. S K S in T, vertreten durch Dr. Franz Podovsovnik, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Habsburgergasse 6-8, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 10. September 1998, Zl. MA 61/IV-K 608/97 F, betreffend Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine iranische Staatsangehörige, ersuchte am 2. Juli 1990 um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Laut einer in den vorgelegten Verwaltungsakten einliegenden Auskunft des Zentralmeldeamtes der Bundespolizeidirektion Wien vom 11. Juli 1990 habe die Beschwerdeführerin seit August 1983 einen "Wohnort" in Österreich. Die Erlassung eines von der Wiener Landesregierung (der belangten Behörde) konzipierten Bescheides über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach § 10 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) unterblieb, weil die Beschwerdeführerin zum vorgesehenen Termin für die Ablegung des Gelöbnisses und die Aushändigung des Bescheides im Ausland war.

Mit Schriftsatz vom 16. April 1997 beantragte die - nunmehr rechtsfreundlich vertretene - Beschwerdeführerin die Fortsetzung des Einbürgerungsverfahrens und die Erteilung der österreichischen Staatsbürgerschaft "gemäß § 10/1/4 Staatsbürgerschaftsgesetz". Sie weise darauf hin, dass sie während ihrer Ausbildung niemals ihren Wohnsitz im Inland aufgegeben habe. Ihre gesamte Familie bestehend aus vier Personen halte sich in Österreich auf.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde das Ansuchen der Beschwerdeführerin um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "gemäß § 10 Abs. 4" des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, am 22. April 1997 sei bei ihr ein durch den bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin eingebrachter Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft eingelangt. Die Beschwerdeführerin habe bereits am 2. Juli 1990 einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gestellt. Damals habe ein kontinuierlicher Hauptwohnsitz im Inland seit 1983 vorgelegen. Im weiteren sei bekannt geworden, dass sie ihren Hauptwohnsitz in die USA verlegt habe, weshalb eine positive Erledigung des Antrages nicht mehr möglich gewesen sei. Der am 22. April 1997 eingebrachte Antrag stütze sich auf die bereits erbrachten oder noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen der Beschwerdeführerin auf dem Gebiet der Wissenschaft im Sinn des § 10 Abs. 4 StbG. In der Zwischenzeit habe sie ihren Hauptwohnsitz nach Teheran/Iran verlegt. Gemäß § 10 Abs. 4 StbG sei die Verleihung der Staatsbürgerschaft nur dann möglich, wenn die Bundesregierung bestätige, dass wegen der vom Fremden bereits erbrachten oder von ihm noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen, insbesondere auf wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, künstlerischen oder sportlichen Gebieten, die Verleihung der Staatsbürgerschaft im Interesse der Republik liege. Mit der im Verfassungsrang stehenden Bestimmung des § 10 Abs. 4 StbG werde das Mitwirkungsrecht des Bundes damit begründet, dass die Beurteilung der den Gesamtstaat berührenden Frage, ob die Verleihung im Interesse der Republik liege, der Bundesregierung vorbehalten bleiben solle. Die Erteilung oder Versagung einer Bestätigung nach § 10 Abs. 4 StbG falle allein in deren Zuständigkeit. Diese habe mit Ministerratsbeschluss vom 20. Jänner 1998 die Erteilung der Staatsinteressensbestätigung nach § 10 Abs. 4 StbG für die Beschwerdeführerin abgelehnt. Somit fehle eine wesentliche Verleihungsvoraussetzung.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete, vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 23. August 2000, B 2136/98 abgetretene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde hat das Ansuchen um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft im Grund des § 10 Abs. 4 StbG (idF vor der Staatsbürgerschaftsnovelle 1998) abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides unter anderem darin, ihr sei die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zugesichert worden. Die Zusicherung sei nach wie vor aufrecht und wirksam. Weiters bringt sie vor, sie habe alle Verleihungserfordernisse, vor allem die nach § 10 Abs. 1 Z 1 StbG, erfüllt. Dadurch, dass sie sich bloß zu Ausbildungszwecken in die Vereinigen Staaten begeben habe, sei die Tatsache eines durch mehr als zehn Jahre ununterbrochenen Wohnsitzes in Österreich nicht aus der Welt geschafft worden. Auf Grund des Antrages vom 16. April 1997 auf Fortsetzung des Einbürgerungsverfahrens sei es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, die Beschwerdeführerin neuerlich zur Ablegung des Gelöbnisses und zur Entgegennahme des Bescheides über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu laden. Es habe auch keiner Einschaltung der österreichischen Bundesregierung bedurft. Eine Rechtswidrigkeit liege auch darin, dass die belangte Behörde das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes im Sinn des § 10 Abs. 4 Z 1, Abs. 5 StbG unberücksichtigt gelassen habe.

§ 5 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetze 1985, BGBl. Nr. 311, lautete:

"(1) Der ordentliche Wohnsitz einer Person ist an dem Ort begründet, an dem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, ihn bis auf weiteres zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu wählen. Hiebei ist es unerheblich, ob die Absicht darauf gerichtet war, für immer an diesem Ort zu bleiben."

Art. VII des Hauptwohnsitzgesetzes, BGBl. Nr. 505/1994, lautet auszugsweise:

"Das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 521/1993, wird wie folgt geändert:

1. Im § 5 entfällt Abs. 1 und im bisherigen Abs. 2 die Absatzbezeichnung.

2. Der Begriff 'ordentlicher Wohnsitz' wird, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, durch den Begriff 'Hauptwohnsitz' in der jeweils grammatikalisch richtigen Form ersetzt.

3. Für Zeiten vor Inkrafttreten des Hauptwohnsitzgesetzes gilt als Hauptwohnsitz der ordentliche Wohnsitz.

..."

Die Bestimmung des § 10 StbG lautet - in der hier anzuwendenden Fassung durch das Hauptwohnsitzgesetz, BGBl. Nr. 505/1994 und somit vor der Staatsbürgerschaftsnovelle 1998 - auszugsweise:

"Verleihung

§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn

1. er seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat;

...

(3) Von der Voraussetzung des Abs. 1 Z. 1 kann abgesehen werden, wenn es sich um einen Minderjährigen handelt oder wenn der Fremde seit mindestens vier Jahren ununterbrochenen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat und ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliegt.

(4) (Verfassungsbestimmung) Die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 7 sowie des Abs. 2 entfallen, wenn die Bundesregierung bestätigt, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft wegen der vom Fremden bereits erbrachten oder von ihm noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen, insbesondere auf wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, künstlerischen oder sportlichen Gebieten, im Interesse der Republik liegt."

Vorweg ist festzuhalten, dass die von der belangten Behörde im Jahr 1991 in Aussicht genommene Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach § 10 StbG für das weitere Verfahren keine Wirkung zu entfalten vermag, weil die belangte Behörde hierüber keinen Bescheid erließ. Allfällige behördeninterne Vorgänge sind rechtlich unerheblich, solange sie nicht nach außen in Erscheinung getreten sind (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze Band I2, unter E 113 und E 117 zu § 56 AVG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Dies nimmt der Beschwerde allerdings nicht den Erfolg.

Die Beschwerdeführerin verweist zutreffend darauf, dass ihr Ansuchen um Verleihung der Staatsbürgerschaft insbesondere auch unter Beachtung ihrer als "Antrag auf Fortsetzung des Einbürgerungsverfahrens" bezeichneten Eingabe vom 16. April 1997 nicht als ein auf Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 4 StbG eingeschränktes Begehren gedeutet werden durfte. Mag auch die Formulierung ihres Rechtsfreundes, die Einbürgerung "gemäß § 10/1/4 Staatsbürgerschaftsgesetz" zu begehren, mehrdeutig und daher aufklärungsbedürftig gewesen sein, so musste das Vorbringen im Antrag vom 16. April 1997, wonach sie sich zu universitären Ausbildungen in den Vereinigten Staaten von Amerika aufgehalten habe, während ihrer Ausbildung ihren Wohnsitz im Inland aber nie aufgegeben habe und sich ihre gesamte Familie bestehend aus vier Personen in Österreich aufhalte, als Untermauerung ihres Antrages auf Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 1 StbG gesehen werden.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde konnte das Ansuchen um Fortsetzung des Verleihungsverfahrens daher nicht nur als auf Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 4 StbG gerichtet gesehen werden. Beim Verleihungstatbestand nach § 10 Abs. 4 StbG handelt es sich nur um eine von mehreren Möglichkeiten zur Erlangung ein und derselben Staatsbürgerschaft. Das österreichische Recht kennt nur eine "einheitliche Staatsbürgerschaft" (vgl. den hg. Beschluss vom 3. Mai 2000, Zl. 98/01/0136, mwN). Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin bis zum Jahre 1991 ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich hatte. Insbesondere auch im Hinblick auf das Vorbringen im Antrag vom 16. April 1997 hätte sich die belangte Behörde nicht darauf beschränken dürfen, die nach § 10 Abs. 4 StbG vorgesehene Bestätigung der Bundesregierung einzuholen und nach deren Versagung den Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft abzuweisen, sondern auch das Vorliegen der Verleihungsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 1 und 3 StbG einer Prüfung zu unterziehen gehabt, worauf gerade das wiedergegebene Vorbringen der Beschwerdeführerin abzielte. Die stattdessen im angefochtenen Bescheid in der spruchmäßigen Beschränkung des Prüfungsmaßstabens auf § 10 Abs. 4 StbG und im Fehlen jedweder Begründung für die Annahme ausländischer Hauptwohnsitze zum Ausdruck kommende und von der belangten Behörde auch noch in der Gegenschrift vertretenen Auffassung, die Frage des weiterhin behaupteten Inlandswohnsitzes sei "nicht mehr zu prüfen" gewesen, steht nicht im Einklang mit der Rechtslage. Der Rechtsirrtum der belangten Behörde ist auch nicht folgenlos geblieben. Er hat die belangte Behöre davon abgehalten, sich mit der Behauptung des weiterhin aufrechten Inlandswohnsitzes in sachverhältnismäßiger Hinsicht näher auseinander zu setzen und ihre Entscheidung in diesem Punkt nachvollziehbar zu begründen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001; die im Betrag von S 2.500,-- entrichtete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 11. Juni 2002

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000010355.X00

Im RIS seit

18.09.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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