TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/26 2001/12/0076

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Veröffentlicht am 26.06.2002
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
20/02 Familienrecht;
65/01 Allgemeines Pensionsrecht;

Norm

B-VG Art140;
B-VG Art7 Abs1;
EheG §55 Abs1;
EheG §55 Abs2;
EheG §61 Abs3;
EheG §69 Abs2;
PG 1965 §19 Abs4 idF 1996/375;
PG 1965 §19 Abs4a idF 1994/016;
PG 1965 §19 Abs5 idF 1995/043;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. Adolf Kriegler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 16. Februar 2001, Zl. 15 1323/12-II/15/00, betreffend Versorgungsbezug nach § 19 des Pensionsgesetzes 1965, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine frühere Ehegattin nach dem am 15. Dezember 1999 verstorbenen Hofrat Dr. F, der in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stand.

Mit einem am 30. Dezember 1999 beim Bundespensionsamt eingelangten Antrag ersuchte die Beschwerdeführerin um Anweisung des Versorgungsbezuges nach § 19 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340 (PG 1965). Auf Grund dieses Antrages wurde mit Bescheid des Bundespensionsamtes vom 17. November 2000 festgestellt, dass der Beschwerdeführerin vom 1. Jänner 2000 an ein Versorgungsgenuss in der Höhe von brutto S 29.396,10 gebühre. Weiters wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin eine Nebengebührenzulage zum Versorgungsgenuss in der Höhe von monatlich brutto S 8.897,70 gebühre.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, insoweit ihr nicht ein Witwenversorgungsgenuss von 60 % des Ruhegenusses des Verstorbenen in der Höhe von insgesamt S 35.590,70 gewährt worden sei. Sie wies darauf hin, dass ihre mit ihrem Ehegatten am 2. Dezember 1950 geschlossene Ehe mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 26. März 1987 (mit Rechtskraft vom Juni 1987) gemäß § 55 des Ehegesetzes (EheG) geschieden worden sei und das Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs. 3 EheG enthalte. Nach den Erläuternden Bemerkungen zum Eherechtsänderungsgesetz 1978 sollte dann, wenn das Urteil einen solchen Verschuldensausspruch enthalte, die gegen ihren Willen geschiedene Ehegattin einen vollen Pensionsanspruch erhalten. Dieser Witwenversorgungsgenuss würde im konkreten Fall 60 % des Ruhegenusses des Verstorbenen betragen. Im angefochtenen Bescheid heiße es nunmehr, dass eine weitere frühere Ehegattin nach dem Verstorbenen Anspruch auf einen Versorgungsgenuss habe. Es fehle aber jedenfalls jedwede Begründung, weshalb auch eine "weitere frühere Ehegattin" Anspruch haben sollte. Es sei nicht einmal der Name dieser früheren Ehegattin genannt, es seien im Gegensatz zu ihren Anspruchsgrundlagen keine wie immer gearteten Feststellungen getroffen worden, weshalb diese frühere Ehegattin einen Anspruch haben sollte. Es heiße lediglich, dass die frühere Ehefrau Anspruch auf S 7.500,-- habe. Dieser Bescheid sei daher rechtsirrig. Da die Ehe der Beschwerdeführerin gemäß § 55 EheG in Verbindung mit § 61 Abs. 3 EheG geschieden worden sei und einen Verschuldensausspruch hinsichtlich des Alleinverschuldens des Verstorbenen enthalte, habe sie Anspruch auf vollen Witwenversorgungsgenuss. Es bleibe kein Platz mehr, auch einer zweiten Ehefrau einen Witwenversorgungsgenuss zu gewähren, ganz abgesehen davon, dass im angefochtenen Bescheid eine Begründung dafür fehle, weshalb "diese Frau" ebenfalls Ansprüche stellen könne.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16. Februar 2001 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der Bestimmungen des § 19 PG 1965 stellte die belangte Behörde fest, die am 2. Dezember 1950 mit dem am 15. Dezember 1999 Verstorbenen geschlossene Ehe der Beschwerdeführerin sei mit dem am 5. Juni 1987 rechtskräftig gewordenen Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 26. März 1987 gemäß § 55 EheG geschieden worden. Dieses Urteil enthalte den Ausspruch nach § 61 Abs. 3 EheG, wonach das Verschulden an der Ehezerrüttung den verstorbenen Beamten getroffen habe. Auf Grund des vor dem Bezirksgericht Floridsdorf geschlossenen Vergleiches vom 8. Juli 1985 habe die Beschwerdeführerin gegen den Verstorbenen an dessen Todestag Anspruch auf Unterhalt. Darüber hinaus habe die am 9. Juni 1930 geborene Beschwerdeführerin im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteils (5. Juni 1987) das 40. Lebensjahr vollendet gehabt. Es lägen damit die Voraussetzungen des § 19 Abs. 4a erster Satz PG 1965 vor, unter denen nach § 19 Abs. 1 leg. cit. der Versorgungsbezug im Ausmaß der Witwenversorgung gebühre.

Nach § 15a PG 1965 ergebe sich das Ausmaß des Witwenversorgungsgenusses aus einem Hundertsatz des Ruhegenusses, der dem Beamten gebührt habe. Zur Ermittlung des Hundersatzes sei die Berechnungsgrundlage des überlebenden Ehegatten durch die Berechnungsgrundlage des verstorbenen Beamten zu teilen. Diese Zahl sei mit dem Faktor 24 zu vervielfachen und das Ergebnis auf drei Dezimalstellen zu runden. Der Hundersatz ergebe sich aus der Verminderung der Zahl 76 um diese Zahl; er betrage jedoch mindestens 40 und höchstens 60. Nach den Angaben der Beschwerdeführerin sei sie bis zum Tod ihres Ehegatten niemals in der österreichischen gesetzlichen Pensionsversicherung versichert gewesen und habe auch außerhalb dieser keine Anwartschaft und keinen Anspruch auf Pensionsversorgung gemäß § 15 Abs. 2 PG 1965 erworben. Ihre Berechnungsgrundlage sei daher 0. Es ergebe sich somit ein Hundersatz von 60 % (Höchstausmaß).

Der Ruhegenuss, auf den der verstorbene Beamte im Zeitpunkt seines Todes Anspruch gehabt habe, habe S 49.317,80 betragen. 60 % dieses Ruhegenusses, das seien S 35.590,70, betrage der Witwenversorgungsgenuss. In diesem Ausmaß gebühre der Beschwerdeführerin der Versorgungsgenuss nach § 19 Abs. 1 und § 19 Abs. 4a erster Satz PG 1965. Die Nebengebührenzulage, auf die der verstorbene Beamte zum selben Zeitpunkt Anspruch gehabt habe, betrage S 14.829,40. 60 % davon betrage S 8.897,70, das sei das Ausmaß der Nebengebührenzulage zum Witwenversorgungsgenuss; im selben Ausmaß gebühre der Beschwerdeführerin auch die Nebengebührenzulage zum Versorgungsgenuss.

Neben der Beschwerdeführerin habe der Verstorbene auch noch eine weitere frühere Ehefrau hinterlassen, mit der er vom 18. Juli 1987 bis 19. Februar 1998 verheiratet gewesen sei. Diese habe nach der Bestimmung des § 19 Abs. 1 PG 1965 ebenfalls einen Anspruch auf Versorgungsgenuss, der nach § 19 Abs. 4 Z. 1 PG 1965 auf Grund eines vor dem Bezirksgericht Favoriten am 19. Februar 1998 geschlossenen Vergleiches, der im Zeitpunkt des Todes des Beamten noch gegolten habe, S 7.500,-- betrage.

Das PG 1965 kenne keine Vorschrift, nach der der Anspruch auf Versorgungsgenuss einer früheren Ehefrau eines verstorbenen Beamten, selbst wenn diese einen Anspruch auf Versorgungsgenuss im Ausmaß des Witwenversorgungsgenusses hätte, den Anspruch einer weiteren früheren Ehefrau ausschlösse. Vielmehr bestimme § 19 Abs. 5 PG 1965, dass die Versorgungsgenüsse mehrerer früheren Ehefrauen zusammen 60 % des Ruhegenusses, auf den der verstorbene Beamte Anspruch gehabt habe, nicht übersteigen dürfe und diese gegebenenfalls im gleichen Ausmaß zu kürzen seien. Dies gelte mangels einer anderen gesetzlichen Bestimmung auch dann, wenn eine der früheren Ehefrauen Anspruch auf Versorgungsgenuss im Ausmaß des Witwenversorgungsgenusses habe.

Nach § 19 Abs. 5 leg. cit. dürften also die Versorgungsgenüsse der Beschwerdeführerin und der weiteren früheren Ehegattin 60 % des Ruhegenusses von S 59.317,80, auf die der Verstorbene Anspruch gehabt habe, das seien S 35.590,70, nicht übersteigen. Da die Summe beider Versorgungsgenüsse S 43.090,70 (S 35.590,70 und S 7.500,--) betrage und somit 60 % des Ruhegenusses des Verstorbenen übersteige, seien diese nach der eindeutigen Vorschrift des § 19 Abs. 5 zweiter Satz PG 1965 im gleichen Verhältnis zu kürzen gewesen. Der der Beschwerdeführerin gemäß § 19 Abs. 1 und Abs. 4a PG 1965 gebührende Versorgungsgenuss von S 35.590,70 betrage 82,5948 %, der der weiteren früheren Ehefrau gebührende Versorgungsgenuss von S 7.500,-- betrage 17,4051 % der Summe der Versorgungsgenüsse (S 43.090,70). Es gebühre der Beschwerdeführerin daher - wie das Bundespensionsamt im angefochtenen Bescheid zu Recht festgestellt habe - ein gekürzter Versorgungsgenuss von 82,5948 % von S 35.590,70, das seien S 29.396,10.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Zuerkennung des Versorgungsgenusses in voller Höhe verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des § 19 PG 1965 (Abs. 1 in der Fassung BGBl. Nr. 426/1985, Abs. 1a und Abs. 4a in der Fassung BGBl. Nr. 16/1994, Abs. 4 in der Fassung BGBl. Nr. 375/1996 sowie Abs. 5 in der Fassung BGBl. Nr. 43/1995), wie sie im Zeitraum vom 1. Jänner 2000 und der Bescheiderlassung in Kraft standen, lauten:

"§ 19. (1) Die Bestimmungen über den Versorgungsanspruch des überlebenden Ehegatten und über das Ausmaß der Versorgung des überlebenden Ehegatten - ausgenommen die Bestimmungen der §§ 21 Abs. 3 bis 6 und 24 - gelten, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, sinngemäß für den früheren Ehegatten des verstorbenen Beamten, wenn dieser zur Zeit seines Todes auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung für den Lebensunterhalt seines früheren Ehegatten aufzukommen oder dazu beizutragen hatte.

(1a) Abs. 1 ist auch dann anzuwenden, wenn die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert und der verstorbene Beamte auf Grund einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung seinem früheren Ehegatten

1. zumindest für die Dauer des letzten Jahres vor seinem Tod oder,

2. falls der Tod des Beamten früher als vor Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft der Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung der Ehe eingetreten ist, durchgehend vom Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft bis zu seinem Tod

nachweislich regelmäßig Unterhaltszahlungen geleistet hat.

...

(4) Der Versorgungsbezug - ausgenommen die Ergänzungszulage - darf

1. die Unterhaltsleistung, auf die der frühere Ehegatte im Fall des Abs. 1 gegen den verstorbenen Beamten an dessen Sterbetag Anspruch gehabt hat, oder

2. die durchschnittlichen monatlichen Unterhaltszahlungen, die der verstorbene Beamte im Fall des Abs. 1a regelmäßig längstens in den letzten drei Jahren vor seinem Tod geleistet hat,

nicht übersteigen.

(4a) Abs. 4 gilt jedoch nicht, wenn

1. das auf Scheidung lautende Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs. 3 des Ehegesetzes, deutsches RGBl. 1938 I S 807, enthält,

2.

die Ehe mindestens 15 Jahre gedauert und

3.

der frühere Ehegatte im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles das 40. Lebensjahr vollendet hat. Diese Voraussetzung entfällt, wenn

              a)              der frühere Ehegatte seit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles erwerbsunfähig ist oder

              b)              aus der geschiedenen Ehe ein Kind hervor gegangen oder durch diese Ehe ein Kind legitimiert worden ist oder die Ehegatten gemeinsam ein Wahlkind angenommen haben und das Kind am Sterbetag des Beamten dem Haushalt des früheren Ehegatten angehört und Anspruch auf Waisenversorgungsgenuss hat; das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit entfällt bei nachgeborenen Kindern.

(5) Versorgungsgenüsse mehrerer früherer Ehegatten dürfen zusammen 60 % des Ruhegenusses, auf den der verstorbene Beamte Anspruch gehabt hätte, nicht übersteigen. Die Versorgungsgenüsse sind gegebenenfalls im gleichen Verhältnis zu kürzen."

Die Beschwerdeführerin stützt ihre Beschwerde maßgeblich darauf, dass sie nach § 19 Abs. 4a PG 1965, unabhängig von der tatsächlichen Höhe des an sie von ihrem geschiedenen Ehegatten bezahlten Unterhaltes, einen Anspruch auf vollen Versorgungsgenuss habe. Diese Regelung sei Bestandteil des Eherechtsänderungsgesetzes 1978 gewesen, mit dem normiert worden sei, dass ein Ehegatte nach mehr als sechsjähriger Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft der Scheidung der Ehe nicht mehr wirksam entgegen treten könne. In einem solchen Fall sollte der Ehegatte aber einen vollen Unterhaltsanspruch wie in aufrechter Ehe und einen vollen Pensionsanspruch bzw. Versorgungsanspruch wie ein nicht geschiedener Ehegatte haben. Dies sei Voraussetzung dafür gewesen, dass diese neue Bestimmung im Ehegesetz normiert worden sei. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ein absolut schuldloser Eheteil eine Scheidung und damit den Erwerb von Versorgungsansprüchen einer weiteren Ehefrau verhindern können. Allenfalls stünden die Bestimmungen des § 19 Abs. 4a PG 1965 und 19 Abs. 5 PG 1965 in diametralem unlösbaren Widerspruch. Wenn einerseits normiert werde, dass der Beschwerdeführerin ein voller Versorgungsgenussanspruch zustehe, andererseits im nächsten Absatz eine Kürzung dieses Anspruches vorgesehen werde, sei das Gesetz verfassungswidrig, da sie in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf Gleichbehandlung verletzt werde; nämlich deswegen, weil sie in dem Falle, in dem sie nicht geschieden worden wäre, einen Anspruch auf vollen Versorgungsgenuss hätte. Sie rege daher ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich des § 19 Abs. 5 PG 1965 beim Verfassungsgerichtshof an.

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin, deren Ehe gemäß § 55 EheG in Verbindung mit § 61 Abs. 1 EheG geschieden wurde, die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 4a PG 1965 erfüllt.

Das Hauptargument der Beschwerdeführerin hinsichtlich der von ihr angenommenen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt nun darin, dass der ihr danach zustehende Versorgungsbezug (in der Höhe von 60 % des Ruhegenusses des Verstorbenen, dem Höchstmaß) nicht nach Abs. 5 des § 19 PG 1965 hätte gekürzt werden dürfen.

Dem ist Folgendes zu erwidern:

Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, wenn sie ausführt, dass die Berücksichtigung des Verschuldensausspruches nach § 61 Abs. 3 des EheG in der Regelung des § 19 PG 1965 vor dem Hintergrund normativen Charakter erhielt, dass nach dem Eherechtsänderungsgesetz 1978 - im Unterschied zur Rechtslage zuvor - der an der Zerrüttung schuldlose Ehegatte eine Scheidung nicht mehr grundsätzlich verhindern und sich auf diese Weise den Unterhaltsanspruch wie bei aufrechter Ehe sichern konnte. Nach § 55 Abs. 1 und 2 EheG in der ab 1. Juli 1978 geltenden neuen Fassung wurde die Widerspruchsmöglichkeit des schuldlosen Ehegatten stark eingeschränkt und die Scheidung erleichtert; als Ausgleich dafür wurden die unterhaltsrechtlichen Maßnahmen nach § 61 Abs. 3 in Verbindung mit § 69 Abs. 2 EheG (in der neuen Fassung) getroffen. Der Versorgungsbezug einer unschuldig geschiedenen Ehegattin sollte grundsätzlich dem einer Witwe gleichgestellt werden (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/12/0198).

Diese Gleichstellung fand im Gesetz insofern Niederschlag, als nach § 19 Abs. 4a PG 1965 - bei entsprechender Ehedauer bzw. entsprechendem Lebensalter des früheren Ehegatten im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung - die Kürzungsregelung des § 19 Abs. 4 PG 1965 auf unschuldig geschiedene frühere Ehegatten keine Anwendung zu finden hatte. Darin liegt die pensionsrechtliche Besserstellung schuldlos geschiedener Ehegatten gegenüber denjenigen, die entweder nicht schuldlos geschieden wurden oder die - vor dem 1. Juli 1978 - die Scheidung der Ehe nicht verhindert hatten; damit wird hinsichtlich der Berechnung des Versorgungsbezuges die Gleichstellung des unschuldig geschiedenen früheren Ehegatten mit einem überlebenden Ehegatten (der Witwe oder dem Witwer) erreicht.

Allerdings fällt auch der unschuldig geschiedene frühere Ehegatte in den Anwendungsbereich des § 19 Abs. 5 PG 1965, der sich auf alle früheren Ehegatten des verstorbenen Beamten bezieht und eine anteilige Kürzung der diesen zustehenden öffentlichrechtlichen Versorgungsgenüsse (bereits in der Stammfassung des Pensionsgesetzes - vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1982, VwSlg. 10.640/A) vorsieht, wenn die Summe der Versorgungsgenüsse die dort festgesetzte Höchstgrenze überschreiten würde. War der Versorgungsanspruch der Beschwerdeführerin aber - nach § 19 Abs. 4a PG 1965 - bereits ein höherer als er im Falle der Unterbleibens eines Ausspruches nach § 61 Abs. 3 EheG gewesen wäre, so bleibt diese Besserstellung (gegenüber der zweiten früheren Ehegattin, die nicht in den Anwendungsbereich des § 19 Abs. 4a PG 1965 fiel) auch nach der Anwendung der Kürzungsregelung nach § 19 Abs. 5 zweiter Satz PG 1965 weiterhin bestehen. Die letztgenannte Bestimmung vernichtet daher - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - im Verhältnis zur zweiten früheren Ehegattin nicht ihre Besserstellung als unschuldig geschiedene Ehegattin.

Aus Anlass des Beschwerdefalles sind beim Verwaltungsgerichtshof auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 19 Abs. 5 PG 1965 aus den von der Beschwerdeführerin aufgezeigten Gründen entstanden. In der im § 19 Abs. 5 PG 1965 getroffenen Begrenzung der Verpflichtung des Bundes, die öffentlich-rechtlichen Ansprüche früherer Ehegatten verstorbener Beamter auf Versorgung zu befriedigen - derartige Kürzungsregeln fanden sich bereits in der Stammfassung dieser Norm -, liegt keine unsachliche oder den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Regelung des Pensionsrechtes überschreitende Bestimmung (vgl. in diesem Zusammenhang die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1986, VfSlg. 11.193, und vom 28. September 1989, VfSlg. 12.154).

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich somit aus Anlass des Beschwerdefalles auch nicht zu dem von der Beschwerdeführerin angeregten Antrag zur Prüfung dieser Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof veranlasst.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 26. Juni 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001120076.X00

Im RIS seit

19.09.2002

Zuletzt aktualisiert am

02.09.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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