TE Vfgh Beschluss 1999/6/24 G130/98

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Veröffentlicht am 24.06.1999
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
GewO 1994 §77 Abs5, Abs7, Abs8

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der GewO 1994 betreffend Einkaufszentren mangels unmittelbaren Eingriffs in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die antragstellende Gesellschaft begehrt unter Berufung auf Art140 B-VG (richtiggestellt durch Stellungnahme vom 18. Jänner 1999) wie nachstehend dargelegt:

"Der Verfassungsgerichtshof wolle

1. §77 Abs5 Z1 Gewerbeordnung 1994 idF BGBl. I 63/1997 wegen Verletzung des durch Art118 Abs3 Z9 B-VG verbrieften Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und wegen Verletzung des Gleichheitssatzes,

und/oder

2. die in §77 Abs5 Z2 leg. cit. enthaltene Wortfolge 'sowie keine negativen Beschäftigungseffekte im Sinne des Abs7' und §77 Abs7

in eventu

die in §77 Abs5 Z2 leg. cit. enthaltene Wortfolge 'im Sinne des Abs7' und §77 Abs7 leg. cit.

wegen Verletzung der bundesverfassungsgesetzlichen Kompetenzverteilung, des Bestimmtheitsgebotes des Art18 Abs1 B-VG sowie des Grundrechts der Freiheit der Erwerbsbetätigung (Art6 StGG) und des aus dem Gleichheitssatz erfließenden Sachlichkeitsgebots (Art7 B-VG)

und/oder

3. §77 Abs8 leg. cit.

wegen Verletzung des Bestimmtheitsgebotes des Art18 Abs1 B-VG sowie des aus dem Gleichheitssatz erfließenden Sachlichkeitsgebots (Art7 B-VG)

als verfassungswidrig aufheben und den Bund zum Kostenersatz verpflichten".

2. Mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 6. August 1997 wurde der F.O.C. Factory Outlet Center Errichtungs- und Betriebsges.m.b.H. gemäß §14d Abs3 Bgld. Raumplanungsgesetz die Bewilligung zur Errichtung eines Einkaufszentrums auf den Grundstücken Nr. 2385/21, 2385/22, 2385/32 und 2385/38, KG Parndorf, erteilt. Nach Einholung der Betriebsanlagengenehmigungen - erteilt durch die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See mit den Bescheiden vom 19. September 1996 und 20. Mai 1997 - wurde dieses Factory Outlet Center errichtet und nahm noch im Sommer 1998 seinen Betrieb auf.

Vom Betriebsanlagenkonsens miterfaßt ist ein nordwestlich des beschriebenen Einkaufszentrums auf Grundparzelle 2385/15, KG Parndorf, zu liegen kommendes, im Eigentum der antragstellenden Gesellschaft befindliches, L-förmiges Gebäude, worin die zweite Stufe des Factory Outlet Centers realisiert werden soll.

Zwischen diesen Gebäuden befindet sich die Parzelle 2385/36, KG Parndorf, auf welchem die Eigentümerin, die Fashion Factory Modeverkaufsges.m.b.H, einen Textilfachmarkt betreibt. Auch für diesen Fachmarkt besteht eine Bewilligung gemäß §14d Bgld. Raumplanungsgesetz.

Die antragstellende Gesellschaft hat nunmehr die Absicht, das Einkaufszentrum Factory Outlet Center um das sogenannte "L-Gebäude" unter Einschluß der Betriebsanlage der Fashion Factory zu erweitern. Mit Vereinbarung vom 16. Dezember 1997 hat die antragstellende Gesellschaft 99 % der Geschäftsanteile an der Fashion Factory Modeverkaufsges.m.b.H erworben; 1 % der Geschäftsanteile hält die in Luxemburg ansässige Europa Holding der antragstellenden Gesellschaft.

Das gesamte Erweiterungsprojekt soll eine Nettonutzfläche (Verkaufsfläche) von 11.617,47 m2 umfassen. Von der antragstellenden Gesellschaft wird folgendes "Mieter-Mix" erwartet:

   60% = 6.970,48 m2     Textilhandel

   25% = 2.904,36 m2     Schuhe und Leder

    7% =   813,00 m2     Sportartikel

    3% =   348,52 m2     Spielwaren

    3% =   348,52 m2     Uhren, Schmuck

    2% =   232,34 m2     Drogerieartikel

Der gesamte Wirtschaftspark Parndorf befindet sich nach den Angaben der antragstellenden Gesellschaft außerhalb jeglicher Bebauung; die nächste Siedlung sei rund 1 km entfernt. Der Standort liege also in keinem Stadt- oder Ortskerngebiet im Sinn des §77 Abs8 GewO 1994.

II. Die zur Beurteilung des vorliegenden Antrages maßgebenden Bestimmungen lauten folgendermaßen:

§77 Abs5, 7 und 8 Gewerbeordnung 1994 idF BGBl. I Nr. 63/1997:

"(5) Für die Genehmigung von Anlagen für Betriebe des Handels sowie von ausschließlich oder überwiegend für Handelsbetriebe vorgesehenen Gesamtanlagen im Sinne des §356e Abs1 (Einkaufszentren) müssen auch folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

1. der Standort muß für eine derartige Gesamtanlage gewidmet sein;

2. Betriebsanlagen mit einer Gesamtverkaufsfläche von mehr als 800 m2 oder einer Bruttogeschoßfläche von mehr als 1 000 m2 dürfen für einen Standort nur genehmigt werden, wenn das Projekt keine Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen im Einzugsbereich sowie keine negativen Beschäftigungseffekte im Sinne des Abs7 erwarten läßt.

...

(7) Negative Beschäftigungseffekte liegen dann vor, wenn im Einzugsgebiet des Projekts der zu erwartende Zuwachs an Gesamtarbeitsstunden geringer wäre als der zu erwartende Verlust an Gesamtarbeitsstunden in den bestehenden Betrieben.

(8) Die Absätze 5 bis 7 gelten nicht für Projekte in einem Stadt- oder Ortskerngebiet."

Zur Legitimation im Hinblick auf die Stellung des Individualantrages nach Art140 Abs1 B-VG bringt die antragstellende Gesellschaft Nachstehendes vor:

"Gemäß Art140 Abs1 vierter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen (auch) auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Diesbezüglich wird auf die Ausführungen unter I/C (= 3.1.) verwiesen, die auch auf §77 Abs5 Z1, Z2 im Umfang der Bezugnahme auf Beschäftigungseffekte, sowie die Abs7 und 8 GewO zutreffen.

Ergänzend wird zu diesen Bestimmungen folgendes ausgeführt:

§77 Abs5 Z1 betrifft die Antragstellerin, da diese eine Gesamtanlage iSd §356e Abs1 verfolgt. Der Rechtseingriff nach dieser Bestimmung ist eindeutig bestimmt.

Der in Abs7 angesprochene 'Gesamtarbeitsstundensaldo' ist ebenfalls eindeutig bestimmt: Es ist evident, daß die Arbeitsplatztangente eines Fachmarktes bzw eines Einkaufszentrums immer geringer ist als jene bestehender Einzelhandelsbetriebe unterhalb der Schwellenwerte des §77 Abs5 Z2. Dies läuft auf ein Verbot derartiger Handelsbetriebe hinaus. In diesem Zusammenhang legen wir ein raumordnungsfachliches Gutachten (./11), welches im Zusammenhang mit einem anderen Projekt erstellt wurde, auszugsweise vor, aus dem sich ergibt, daß großflächige Handelsbetriebe immer und ausnahmslos mehr Arbeitsplätze ersetzen, als sie schaffen. Zwar mag das Ausmaß dieser Entwicklung erst im Ermittlungsverfahren geklärt werden, die grundlegende Tatsache eines negativen Gesamtarbeitsstundensaldos ist immer gegeben.

Gegen Abs7 bestehen, wie nachfolgend ausgeführt wird, auch vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgebotes des Art18 Abs1 B-VG verfassungsrechtliche Bedenken. Würde man jedoch die Bestimmtheit des Abs7 - entgegen dem hier vertretenen Begriffsverständnis - verneinen, so würde dies bedeuten, daß in bezug auf das Bestimmtheitsgebot bedenkliche Gesetzesbestimmungen niemals im Wege eines Individualantrags an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden könnten.

Der Gesetzgeber, dessen Anliegen die Zurückdrängung bzw Verhinderung peripherer Großhandelsbetriebe war, hat 7 des §77 GewO so eng gefaßt, daß dieser allein bereits Projektabweisungen klar 'trägt'.

Auch §77 Abs8 stellt in diesem Verständnis eine hinreichend bestimmte Norm dar, auch wenn gegen diese verfassungsrechtliche Bedenken nach dem Bestimmtheitsgrundsatz bestehen. Der Rechtseingriff und die Aktualität desselben in bezug auf die Antragstellerin ergibt sich daraus, daß das verfolgte Projekt auch bei extensiver Auslegung des Abs8 von diesem nicht erfaßt wird und aufgrund der konkreten Fassung dieses Ausnahmetatbestandes das Projekt voll von den für Fachmärkten und Einkaufszentren geltenden neuen betriebsanlagenrechtlichen Bestimmungen erfaßt ist.

§77 Abs5 Z1, Z2, soweit darin auf Beschäftigungseffekte Bezug genommen wird, Abs7 und Abs8 stellen somit einen eindeutig bestimmten, aktuellen Eingriff in das Eigentumsrecht der Antragstellerin sowie in ihre Rechte auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und auf Errichtung einer Betriebsanlage dar, wobei ein zumutbarer Umweg zur Abwehr dieses Eingriffs nicht zur Verfügung steht. Die Antragstellerin vermeint daher, zur Antragstellung in bezug auf diese Bestimmungen auch ohne Durchlaufen eines Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens legitimiert zu sein."

3. Die Bundesregierung nahm mit Schreiben vom 10. November 1998 von einer Äußerung Abstand.

4. In ihrer Replik vom 18. Jänner 1999 gab die antragstellende Gesellschaft unter anderem bekannt, daß eine Verschmelzung zwischen der Fashion Factory Modeverkaufsges.m.b.H und der antragstellenden Gesellschaft stattfand; des weiteren geht sie nochmals auf das Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen hinsichtlich des Individualantrags gemäß Art140 B-VG - wie nachstehend ausgeführt - ein:

"1. 1. Zur Bestimmtheit des Rechtseingriffs

Die Bundesregierung führt (im Verfahren G129/98) gegen die Zulässigkeit des Individualantrags, mit dem die Antragstellerin §77 Abs5 Z1 und Abs5 Z2, soweit sich diese Bestimmung auf Beschäftigungseffekte bezieht, Abs7 und Abs8 Gewerbeordnung 1994 in der Fassung BGBl I 63/1997 (bloße Paragraphenangaben beziehen sich in der Folge stets auf diese) bekämpft, ins Treffen, daß die Interessen der Antragstellerin erst durch den eine Genehmigung verweigernden Bescheid aktuell beeinträchtigt würden. Die Prämisse, daß die angefochtenen Bestimmungen die Errichtung von Einkaufszentren schlechthin unmöglich machen, sei unrichtig.

Durch die von der Bundesregierung vertretene Ansicht wird das Kriterium der Bestimmtheit des Eingriffs weit überzogen. Im vorliegenden Fall bekämpft die Antragstellerin einen gesetzlichen Eingriff in ihre Rechtsposition als Grundeigentümerin. Solche Eingriffe sind in den verschiedensten Ausprägungen und Intensitäten denkbar und auch in der österreichischen Rechtsordnung vorgesehen. Sie reichen von verhältnismäßig geringfügigen Nutzungsbeschränkungen bis zum äußersten Fall der Enteignung.

Es können also verhältnismäßig schwache Eingriffe eindeutig determiniert sein (zB Legalservituten, die keiner Konkretisierung durch einen behördlichen Akt bedürfen), es können andererseits extreme Eingriffe verhältnismäßig unbestimmt sein (zB eine gesetzliche Grundlage für Enteignungen, die der Behörde die Abwägung zahlreicher Interessen aufträgt).

Die Eingriffsintensität hat jedoch keinen Bezug zur Frage der Bestimmtheit des Eingriffs.

In diesem Zusammenhang darf auf die Judikatur zur Zulässigkeit von Individualanträgen auf Aufhebung von Flächenwidmungsplänen (unter anderem auf die Erkenntnisse VfSlg 9260/1981, 9361/1982 und 10453/1985) verwiesen werden.

Mit der Festlegung einer bestimmten Widmungs- und Nutzungsart im Flächenwidmungsplan ist grundsätzlich kein absolutes Bauverbot verbunden. Anhand der Raumordnungsgesetze und Bauordnungen der Länder ließe sich zu jeder denkbaren Flächenwidmung einerseits eine Reihe von Projekten aufzählen, die jedenfalls unzulässig sind, andererseits auch eine Anzahl jedenfalls zulässiger Projekte; jeweils wird es auch verschiedenste denkbare Vorhaben geben, die in einem Bewilligungsverfahren näher geprüft werden müssen. Die Tatsache daß bestimmte, keineswegs aber alle Projekte durch eine Festlegung des Flächenwidmungsplans rechtlich unmöglich werden, reicht nach der Judikatur des VfGH als Rechtfertigung für einen Individualantrag des Grundeigentümers aus.

Somit schließt eine bestimmte Widmung die Bebaubarkeit niemals gänzlich aus (dies gilt selbst für eine Grünlandwidmung. Folgte man der Bundesregierung, so wäre in jedem einzelnen Fall erst ein Baubewilligungsverfahren abzuführen, um festzustellen, ob ein Widerspruch zur Widmung vorliegt, dh Art und Umfang des Rechtseingriffes wären erst dann geklärt.

Aus der - offenkundigen - Unmöglichkeit, einzelne Kategorien von Bauvorhaben zu realisieren, folgert der VfGH jedoch bereits die Bestimmtheit des Eingriffs.

Nichts anderes bewirken aber die angefochtenen Bestimmungen der GewO 1994. Sie bilden ein Regelungssystem, das die Errichtung und den Betrieb bestimmter (großflächiger) Handelsbetriebe bzw. Einkaufszentren außerhalb von Stadt- und Ortskerngebieten verhindert. Denn Projekte bestimmter Größenordnung sind aufgrund des bloßen Abstellens auf einen 'Gesamtarbeitsstundensaldo' nicht realisierbar, sofern sie außerhalb eines Stadt- oder Ortskerngebietes verwirklicht werden sollen. Dieser Saldo ist, wie im Antrag dargestellt, vorhersehbar negativ, wenn es sich um Betriebsanlagen iSd §77 Abs5 handelt.

1.2. Zur Aktualität des Rechtseingriffs

Das unter 1.1 wiedergegebenen Argument der Bundesregierung, daß erst ein die Genehmigung verweigernder Bescheid die Interessen der Antragstellerin beeinträchtige, richtet sich gleichermaßen auch gegen die Aktualität des Eingriffs in (bisher) rechtlich geschützte Interessen der Antragstellerin.

Es ist aber unter diesem Aspekt aus denselben Gründen unzutreffend:

Durch das Kriterium der Aktualität werden Rechtspersonen von der Anfechtung ausgeschlossen, für die die angefochtene Norm in weiterer Zukunft, quasi irgendwann einmal (vielleicht aber auch niemals) von Relevanz sein wird). Daß das Wirksamwerden des Eingriffs für den Betroffenen noch bestimmte behördliche Akte voraussetzt, ist aber dann nicht von Bedeutung, wenn sich diese als gleichsam unabwendbare Konsequenz aus dem Gesetz bzw aus der Verordnung ergeben. Auch hier ist auf das Beispiel der Flächenwidmungspläne zu verweisen. Durch diese Verordnungen wird den betroffenen Grundeigentümern keine Verpflichtung zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen auferlegt, die Verpflichtung zur Unterlassung bestimmter Bauführungen ergibt sich vielmehr erst daraus, daß für diese keine Baubewilligungen erwirkt werden können.

Die geforderte Aktualität ist aber bezüglich der angefochtenen Gesetzesbestimmungen gegeben, weil aus der Sicht des betroffenen Grundeigentümers bestimmte Handelsbetriebe vorhersehbar nicht genehmigt werden können.

Dem vorliegenden Fall vergleichbar erscheint VfSlg 11868/1988, mit dem der VfGH den zweiten Satz des §2 Abs1 Tiroler Schischulgesetz idF Tiroler LGBl 21/1986, als verfassungswidrig aufgehoben hat. Mit dieser Bestimmung hatte der Landesgesetzgeber dem Unterweisen (im Schifahren) das Führen oder Begleiten von Personen beim Schilaufen auf Schipisten, Schirouten oder Loipen gleichgestellt. Der Verfassungsgerichtshof fand jedoch keine sachliche Rechtfertigung, die Bewilligung einer selbständigen erwerbsmäßigen Betätigung als 'Skiguide' (Betreuung der Gäste bei der Ausübung des Wintersports) an dieselben strengen Voraussetzungen zu knüpfen, die für die Führung einer Schischule gefordert werden.

Die Antragsteller hatten bis zum Inkrafttreten der angefochtenen Bestimmung entweder die Tätigkeit als Skiguide tatsächlich erwerbsmäßig ausgeübt oder sie hatten solches nachgewiesenermaßen vor. Der Verfassungsgerichtshof bejahte die Aktualität des Rechtseingriffs unter Hinweis darauf, daß für die Antragsteller die weitere (künftige) Zulässigkeit der Berufsausübung mit dem Inkrafttreten der angefochtenen Bestimmung in Frage gestellt sei.

Darauf, ob es für die Antragsteller gänzlich unmöglich wäre, eine behördliche Bewilligung für die Ausübung dieser Tätigkeit zu erlangen - was wohl entscheidend wäre, wenn man der Ansicht der Bundesregierung folgte -, hat der VfGH hier nicht abgestellt. Dies wäre insbesondere nur dann der Fall, wenn den Antragstellern die persönlichen Voraussetzungen für die Führung einer Schischule unzweifelhaft fehlen sollten, was aber der VfGH gar nicht geprüft hat.

1.3 Zur Umwegszumutbarkeit

Es ist einzuräumen, daß eine Individualanfechtung von gesetzlichen Bestimmungen, die Voraussetzungen für die Erteilung einer behördlichen Genehmigung vorsehen, auf den ersten Blick mit dem Kriterium der Umwegszumutbarkeit konfligieren. Freilich ist auch hier entscheidend, ob der Behörde überhaupt eine Ermittlungsaufgabe verbleibt oder ob der Verfahrensausgang vorhersehbar negativ ist. Diesfalls ist wiederum auf die Judikatur zur Anfechtung von Flächenwidmungsplänen zu verweisen, wonach der Umweg über ein (Bau-)Bewilligungsverfahren nicht zumutbar ist. Die Beischaffung kostspieliger Beilagen, nur um die behauptete Rechtswidrigkeit eines Flächenwidmungsplanes geltend machen zu können, sei eben nicht zumutbar.

Wenn einziger Zweck eines Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens, das vorhersehbar an den 'Gesamtarbeitsstunden' scheitern muß, die Herantragung der Normbedenken an den VfGH sein muß (kann), so ist ein solcher Umweg nicht zumutbar.

Die von der Bundesregierung in diesem Zusammenhang vorgetragenen Judikaturzitate stellen sich wie folgt dar:

-

Der Beschluß VfSlg 14031/1995 hatte Anträge auf Aufhebung des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1993 und des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994 zur Grundlage. Die Antragsteller bekämpften die Genehmigungspflicht von Rechtserwerben an Grundstücken nach den §§9 ff TGVG 1993 sowie die Genehmigungspflicht der Verwendung von Wohnsitzen als Freizeitwohnsitze nach §15 Abs3 TROG 1994. Der VfGH räumte den Antragstellern ein, daß diese Bestimmungen zwar in ihre Rechtssphäre eingreifen, doch würden ihre Interessen erst durch den die Genehmigung verweigernden Bescheid aktuell beeinträchtigt.

Entscheidend ist aber, daß die §§9 ff TGVG keine Bestimmung über notwendige Antragsbeilagen enthalten, §15 Abs5 TROG sieht als Formerfordernisse für das Ansuchen nach §15 Abs3 leg cit lediglich vor, daß dieses schriftlich zu stellen ist, der Antrag den betreffenden Wohnsitz zu bezeichnen und die zur Beurteilung des Vorliegens der Bewilligungsvoraussetzungen erforderlichen Angaben sowie die zum Nachweis der Richtigkeit dieser Angaben oder zu deren Glaubhaftmachung erforderlichen Unterlagen zu enthalten hat. Da sich die Bewilligungsvoraussetzungen im wesentlichen auf in der persönlichen Sphäre des Betroffenen liegende Umstände beziehen, wird es sich bei diesen Antragsbeilagen in aller Regel um Dokumente handeln, die bereits in seinem Besitz sind. Der Aufwand ist also sehr begrenzt.

-

Auch der Beschluß VfSlg 14716/1996 bezog sich auf Individualanträge auf (teilweise) Aufhebung der §§15 ff TROG 1994.

-

Die Erkenntnisse VfSlg 13034/1992 und 13425/1993 hatten Individualanträge auf Aufhebung der §§1, 4, 33 und 34 des Forstgesetzes 1975 bzw ausschließlich des §33 leg cit zum Gegenstand. Die Anträge waren im wesentlichen gegen die in §33 Abs1 Forstgesetz normierte 'allgemeine Öffnung' des Waldes gerichtet. Der VfGH hielt entgegen, daß die Behörde aufgrund eines Bewilligungsantrages nach §§34 Abs4 und 35 Abs1 litb Forstgesetz oder aufgrund eines Überprüfungsantrages (§35 Abs1 lita und Abs4 Forstgesetz) darüber zu befinden habe, ob und in welcher Weise die grundsätzlich normierte Duldungsverpflichtung den Waldeigentümer im konkreten Fall betreffe. Unter Hinweis auf diese Bestimmungen verneinte der VfGH das Vorliegen eines unmittelbar durch das Gesetz erfolgenden Eingriffs in die Rechtssphäre der Antragsteller.

Im Hinblick auf die Umwegszumutbarkeit (auf die der VfGH hier nicht ausdrücklich eingegangen ist) ist auf den Wortlaut von §34 Abs4 Forstgesetz hinzuweisen:

'Beabsichtigt der Waldeigentümer eine befristete Sperre von Waldflächen, deren Dauer vier Monate übersteigt oder eine dauernde Sperre von Waldflächen, deren Ausmaß 5 ha übersteigt, so hat er hiefür bei der Behörde eine Bewilligung zu beantragen. In diesem Antrag, dem eine Lageskizze anzuschließen ist, sind die Grundstücksnummer, der Sperrgrund und die beabsichtigte Dauer der Sperre und gegebenenfalls die Größe der zu sperrenden Waldfläche anzugeben. Dem Antrag ist stattzugeben, wenn dies zur Erreichung des Zweckes der Sperre unumgänglich ist.'

Es hat hier somit der Betroffene die Möglichkeit, eine behördliche Entscheidung in einem Verfahren zu erwirken, in dem er lediglich eine Lageskizze vorlegen muß.

Es zeigt sich somit, daß sich der VfGH in den von der Bundesregierung in ihrer Äußerung herangezogenen Fällen auf Bewilligungsverfahren bezogen hat, in denen - anders als im baubehördlichen Verfahren - keine kostspieligen Antragsbeilagen erforderlich sind.

Die umfangreiche Aufzählung zwingend vorgeschriebener Antragsbeilagen in §353 zeigt, daß das gewerbebehördliche Verfahren nicht nur dem baubehördlichen vergleichbar ist, sondern in der Regel deutlich aufwendigere Antragsbeilagen erfordert. Das Durchlaufen eines Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens mit dem alleinigen Zweck der Befassung des VfGH mit inzidenter vorzubringenden Normbedenken ist also nicht zumutbar."

III. Der Verfassungsgerichtshof

hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß die antragstellende Gesellschaft behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für die antragstellende Gesellschaft tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft nachteilig eingreift und diese - im Falle der Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen der antragstellenden Gesellschaft nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn der antragstellenden Gesellschaft kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 11726/1988, 13765/1994, 13944/1994).

2. §77 Abs5 Z1 GewO 1994 formuliert als Voraussetzung für die Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung eines Einkaufszentrums, daß der in Aussicht genommene Standort für eine derartige Gesamtanlage als solcher gewidmet sein muß. Daß im gegenständlichen Verfahren diese Bestimmung unter keinen Umständen nachteilig in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft einzugreifen vermag, erweist sich aus dem Umstand, daß der beabsichtigte Standort im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Gemeinde Parndorf als "Bauland - Industriegebiet" bzw. "Bauland - Betriebsgebiet" ausgewiesen ist und - darauf basierend - bereits die raumordnungsrechtliche Genehmigung betreffend die Grundstücke Nr. 2385/21, 2385/22, 2385/32, 2385/36 und 2385/38, KG Parndorf, durch die Burgenländische Landesregierung mit den Bescheiden vom 6. August 1997 und 27. November 1997 erteilt wurde.

Ebensowenig greifen die in §77 Abs5 Z2 leg. cit. enthaltene Wortfolge "sowie keine negativen Beschäftigungseffekte im Sinne des Abs7" und die Bestimmung des §77 Abs7 leg. cit. in die rechtlich geschützte Interessenssphäre der antragstellenden Gesellschaft unmittelbar ein. Ob §77 Abs5 Z2 zweiter Fall iVm. Abs7 GewO 1994 der Realisierung eines bereits detailliert geplanten Einkaufszentrums infolge negativer Beschäftigungseffekte entgegensteht, ergibt sich nicht bereits unmittelbar aus dem Gesetz, sondern allenfalls erst auf Grund des Ergebnisses eines im gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren durchgeführten Ermittlungsverfahrens. Erst nach Ermittlung konkreter Daten im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren kann nämlich beurteilt werden, ob der im Einzugsbereich eines Einkaufszentrums zu erwartende Zuwachs an Gesamtarbeitsstunden geringer wäre als der zu erwartende Verlust an Gesamtarbeitsstunden in den bereits bestehenden Betrieben. Da sich der - behauptete - Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft durch die in §77 Abs5 Z2 zweiter Fall und Abs7 GewO 1994 enthaltenen Bestimmungen nach Art und Umfang somit nicht als eindeutig bestimmt darstellt, fehlt der antragstellenden Gesellschaft die in Art140 Abs1 B-VG umschriebene Antragslegitimation.

Schließlich vermochte die antragstellende Gesellschaft auch nicht darzutun, daß §77 Abs8 GewO 1994 unmittelbar in ihre Rechte einzugreifen geeignet ist. Vermag schon der gesetzliche Grundtatbestand über die Voraussetzungen zur Erteilung der gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung für Einkaufszentren einen solchen Eingriff nicht zu bewirken - was oben näher ausgeführt ist - so kann umsoweniger eine Regelung, gemäß der der Grundtatbestand nicht anzuwenden ist, in die Rechte der antragstellenden Gesellschaft eingreifen. Es fehlt somit auch im Falle des §77 Abs8 GewO 1994 die Prozeßvoraussetzung der unmittelbaren rechtlichen Betroffenheit.

3. Der Antrag war daher mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorausgegangene mündliche Verhandlung zurückzuweisen.

4. Über den Antrag auf Aufhebung der Einkaufszentren - Verordnung, BGBl. II Nr. 69/1998, wird gesondert entschieden werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Gewerberecht, Betriebsanlage, Einkaufszentren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:G130.1998

Dokumentnummer

JFT_10009376_98G00130_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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