TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/27 2000/09/0053

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.06.2002
beobachten
merken

Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
DO Wr 1994 §94 Abs1;
DO Wr 1994 §94 Abs2;
VwGG §42 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des Mag. P in W, vertreten durch Dr. Karl Grigkar und Mag. Klemens Mayer, Rechtsanwälte in 1190 Wien, Sickenberggasse 10, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission der Bundeshauptstadt Wien vom 31. Jänner 2000, Zl. MA 2/532/99, betreffend Suspendierung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Disziplinaroberkommission der Bundeshauptstadt Wien (der belangten Behörde) vom 19. Februar 2001 wurde der Beschwerdeführer, der vormals als Beamter der Bundeshauptstadt Wien in der Funktion eines Verwaltungsdirektors einer Anstalt tätig war, gemäß § 94 Abs. 1 und 2 der Dienstordnung 1994 - DO 1994 vom Dienst suspendiert. Der Beschwerdeführer stehe im Verdacht, folgende Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben:

"Herr Mag. P hat als Mitglied der Kollegialen Führung (Verwaltungsdirektor) der Anstalt X in W,

1. somit als Mitglied der Kollegialen Führung und Vertreter der Dienstgeberin im Sinne des § 2 Abs. 1 des Wiener Gleichbehandlungsgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 18/1996, in der Anstalt X die ihm unterstellte Mitarbeiterin Frau S am Nachmittag des 29. Oktober 1999 sexuell belästigt, indem er sie in seinem Büro, neben ihr auf der Couch sitzend, trotz ihrer Gegenwehr an sich zog, mit der Hand am Nacken packte, auf der Couch umwarf, sich auf sie legte, sagte, dass er mit ihr einen 'Probelauf' machen wolle und dies auf dem Besprechungstisch sehr gut gehe, sie aufforderte, ihre Strumpfhose und die Unterhose auszuziehen, auf Grund der Weigerung seiner Mitarbeiterin, dies zu tun, selbst versuchte, ihr diese Kleidungsstücke auszuziehen und zu ihr sagte:

'Lass mich wenigstens schauen.'

2. gegenüber seiner Mitarbeiterin, Frau S, am Nachmittag des 29. Oktober 1999 kein höfliches und hilfsbereites Verhalten an den Tag gelegt, da er sie in seinem Büro mit der Hand am Nacken packte und so fest zudrückte, dass sie vor Schmerzen aufschrie und trotz der Schmerzensschreie der Mitarbeiterin erst später losließ, sagte: 'Wehleidig is' a' und ihr erklärte, dass dies ein Massagegriff sei und wenn es wehtäte, wäre sie verspannt."

Der angefochtene Bescheid wurde nach Wiedergabe der anzuwendenden Rechtsvorschriften damit begründet, dass auf Grund der Aussage der betroffenen Zeugin und zwei weiterer Zeuginnen, denen sie sich nach dem Vorfall anvertraut habe, der Verdacht bestehe, dass der Beschwerdeführer die angeführten Dienstpflichtverletzungen begangen habe. Die vom Beschwerdeführer in der Berufung behaupteten Ungereimtheiten der Zeugenaussagen sowie die von diesem aufgeworfene Frage, inwieweit Frau S den Berufungswerber weggestoßen habe, erschienen nicht so gravierend, dass von einer Denkunmöglichkeit des vorgeworfenen Verhaltens auszugehen wäre. Gleiches gelte für das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass ein derartiger Vorfall doch Spuren habe hinterlassen müssen, und dessen Aussage, eine Annäherung in der damaligen Situation sei unlogisch. Auch vermöchten die Argumente des Beschwerdeführers, ein Zuwarten der Zeuginnen mit ihrer Aussage wäre völlig lebensfremd und die Wahrnehmung eines Besprechungstermines durch die Hauptbelastungszeugin widerspreche jeder Lebenserfahrung, den Verdacht nicht auszuräumen. Ein derartiges Verhalten sei aus unterschiedlichsten Gründen als durchaus plausibel anzusehen. Die getroffenen Zeugenaussagen ließen vielmehr die Annahme, dass der Beschwerdeführer die angelasteten Dienstpflichtverletzungen begangen habe, auf Grund ihres im Wesentlichen übereinstimmenden Charakters als durchaus wahrscheinlich erscheinen. Die Voraussetzungen zur Sicherung des allgemeinen Wohles vor Nachteilen und Gefahren, insbesondere die Sicherung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes ließen den Ausspruch einer Suspendierung sohin als notwendig erscheinen. Nur bei Nichtvorliegen dieser Sicherungserfordernisse, etwa durch Verwendung des Beschwerdeführers in anderer Funktion, in der derartige Nachteile und Gefahren nicht zu besorgen seien, wäre die Notwendigkeit einer Suspendierung nicht gegeben. Eine derartige Verwendungsmöglichkeit in anderer Funktion liege im gegenständlichen Fall derzeit jedoch nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften unter Auferlegung des Kostenersatzes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen der Wiener Dienstordnung 1994 (DO 1994), LGBl. Nr. 56, in der im Beschwerdefall anzuwendenden

Fassung lauten:

"Allgemeine Dienstpflichten:

§ 18. (1) Der Beamte hat die ihm übertragenen Geschäfte unter Beachtung der bestehenden Rechtsvorschriften mit Sorgfalt, Fleiß und Unparteilichkeit zu besorgen. Er hat sich hiebei von den Grundsätzen größtmöglicher Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.

(2) Der Beamte hat gegenüber den Vorgesetzten, den Mitarbeitern, den Parteien und Kunden ein höfliches und hilfsbereites Verhalten an den Tag zu legen. Er hat im Dienst und außer Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte.

...

Suspendierung:

§ 94. (1) Würden durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung(en) das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet, so hat der Magistrat die vorläufige Suspendierung zu verfügen. Gegen die vorläufige Suspendierung ist kein Rechtsmittel zulässig.

(2) Jede vorläufige Suspendierung ist unverzüglich der Disziplinarkommission und dem Disziplinaranwalt mitzuteilen. Bis zur Entscheidung der Disziplinarkommission kann der Magistrat die vorläufige Suspendierung wegen Wegfalls der Umstände, durch die sie veranlasst worden ist, aufheben. Gegen diese Aufhebung ist kein Rechtsmittel zulässig. Wurde die vorläufige Suspendierung nicht bereits vom Magistrat aufgehoben, hat die Disziplinarkommission zu entscheiden, ob sie aufzuheben oder ob die Suspendierung zu verfügen ist. Mit der Suspendierung endet die vorläufige Suspendierung.

...

(4) Während der Dauer einer Suspendierung verkürzt sich der Monatsbezug des Beamten - unter Ausschluss der Kinderzulage - auf die Hälfte. Der Magistrat kann auf Antrag des Beamten die Kürzung vermindern oder aufheben, wenn und soweit dies zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des Beamten und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist, oder zur Vermeidung eines nicht wiedergutzumachenden Schadens erforderlich ist. Die Verfügung der Verminderung (Aufhebung) der Bezugskürzung wird mit dem ersten Tag der Suspendierung wirksam, wenn der Antrag binnen zwei Wochen ab Erlassung des Suspendierungsbescheides gestellt wird, sonst mit dem Tag der Antragstellung. Gegen die Entscheidung des Magistrats ist kein Rechtsmittel zulässig.

...

     (8) Ist der Beamte suspendiert und wurde sein Monatsbezug aus

diesem Anlass gekürzt, so wird die Kürzung endgültig, wenn

     1.        der Beamte strafgerichtlich verurteilt wird,

     2.        über ihn im Disziplinarverfahren eine Geldstrafe,

die Strafe der Versetzung in den Ruhestand, der Versetzung in den

Ruhestand mit geminderten Ruhebezügen oder der Entlassung verhängt

wird oder

     3.        er während des strafgerichtlichen Verfahrens oder

des Disziplinarverfahrens austritt.

Trifft keine dieser Voraussetzungen zu, so sind dem Beamten die infolge der Kürzung einbehaltenen Beträge einschließlich der gesetzlichen Verzugszinsen nachzuzahlen."

Ungeachtet des Umstandes, dass die belangte Behörde mit Bescheid vom 19. Februar 2001 die Entlassung des Beschwerdeführers aussprach, sowie der Bestimmung des § 94 Abs. 8 DO 1994 ist im vorliegenden Fall ein rechtliches Interesse des Beschwerdeführers an einer meritorischen Erledigung seiner Beschwerde weiterhin gegeben, weil die Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 3 VwGG jedenfalls zur Folge hätte, dass die besoldungsrechtlichen Wirkungen des angefochtenen Bescheides rückgängig gemacht würden. (Vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 97/09/0275.)

Die belangte Behörde hat zutreffend dargelegt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 18. März 1998, Zl. 96/09/0006, und die darin angegebene Rechtsprechung) die Suspendierung ihrem Wesen nach eine sichernde Maßnahme ist, die bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich zwingend zu treffen ist und "keine endgültige Lösung" (der Frage, ob eine Dienstpflichtverletzung vorliegt oder nicht) darstellt. Es braucht daher nicht nachgewiesen zu werden, dass der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Diese Aufgabe kommt vielmehr erst den Disziplinarbehörden im Disziplinarverfahren zu. Gegen den Beschuldigten besteht ein Verdacht in diesem Sinne dann, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der abschließenden Entscheidung über die angemessene Disziplinarstrafe des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen. Die Suspendierung eines Beamten gehört demnach in die Reihe jener vorläufigen Maßnahmen, die in zahlreichen Verfahrensgesetzen vorgesehen sind, um einen Zustand vorübergehend zu ordnen, der endgültig erst auf Grund des im Allgemeinen einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, um dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für das allgemeine Wohl - abzuwehren oder zu verhindern. Kommt nach der Lage des Einzelfalles die Möglichkeit der Verfügung einer Suspendierung in Betracht, gebieten die Rechtsgüter, zu deren Sicherung die Suspendierung vorgesehen ist, eine rasche Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen für ihre Verhängung gegeben sind oder nicht. Im Hinblick auf diese Funktion der Suspendierung können an die in der Begründung eines die Suspendierung verfügenden Bescheides darzulegenden Tatsachen, die den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung begründen, keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Ähnlich wie beim Einleitungsbeschluss (an den ebenfalls Rechtsfolgen geknüpft sind) muss das dem Beamten im Suspendierungsbescheid zur Last gelegte Verhalten, das als Dienstpflichtverletzung erachtet wurde, nur in groben Umrissen beschrieben werden. Die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, d.h. in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten beschrieben werden. In der Begründung des Suspendierungsbescheides ist darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer die Suspendierung rechtfertigenden Dienstpflichtverletzung ergibt.

Diesen Anforderungen wird der die Suspendierung aussprechende angefochtene Bescheid hinreichend gerecht, ergeben sich doch aus den von der belangten Behörde angesprochenen Zeugenaussagen genügend Anhaltspunkte für die Annahme der Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer die angeführten Dienstpflichtverletzungen tatsächlich begangen hat.

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen deswegen für rechtswidrig, weil die Aussagen der drei Zeuginnen widersprüchlich seien, denn sie stellten drei verschiedene Versionen der Tat dar.

Damit zeigt er jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil nach den Zeugenaussagen nur eine der drei Zeuginnen (nämlich die Betroffene) den angelasteten Vorfall aus unmittelbarer Wahrnehmung schilderte; die Aussagen der anderen beiden Zeuginnen dienen insofern nur der Bestärkung der Glaubwürdigkeit der im Verdachtsbereich angelasteten Dienstpflichtverletzungen.

Wenn der Beschwerdeführer meint, die Darstellung der Zeugin (sie habe den Beschwerdeführer weggestoßen) führe wegen des bestehenden Gewichtsunterschiedes zwischen ihm und der Zeugin zur Denkunmöglichkeit ihrer Angaben, so ist dies nicht nachvollziehbar, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch eine leichtere Person eine schwerere Person wegstößt.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde schließlich vorwirft, sie hätte vor Erlassung des angefochtenen Bescheides weitere Ermittlungen vornehmen und weitere Zeugen einvernehmen müssen, hat er es unterlassen - im Hinblick auf die von ihm gewünschte Feststellung der Verneinung des festgestellten Verdachtes - die Relevanz der behaupteten Verfahrensfehler darzulegen.

Dass bei einem Belassen des Beschwerdeführers im Dienst (während des laufenden Disziplinarverfahrens) angesichts der wider ihn erhobenen Vorwürfe, die darin gipfeln, er habe unter Ausnutzung seiner Autoritätsstellung auf gravierende Weise höchstpersönliche Rechte einer Mitarbeiterin verletzt, das Ansehen des Amtes und wesentliche Interessen des Dienstes wegen der Art dieser zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen gefährdet würden, ist offenkundig.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 27. Juni 2002

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000090053.X00

Im RIS seit

18.09.2002

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten