TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/27 99/07/0092

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Veröffentlicht am 27.06.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AVG §45 Abs2;
AWG 1990 §29;
WRG 1959 §12 Abs1;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §38 Abs1;
WRG 1959 §38 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde 1. des JS, 2. des KS und 3. der ES, alle in S, alle vertreten durch Neumayer & Walter, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien III, Baumannstraße 9/11, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 14. April 1999, Zl. WA1-39.419/1-99, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei:

Marktgemeinde A, vertreten durch Dr. Ernst Gramm, Rechtsanwalt in Neulengbach, Am Kirchenplatz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei beantragte mit Schriftsatz vom 21. April 1998 die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für die Errichtung einer Fußgängerbrücke über die Große T im Bereich der KG S. Die Brücke werde eine Spannweite von ca. 15 m und eine Durchflusshöhe von ca. 4,30 m aufweisen und als Stahlbetonkonstruktion ausgeführt. Diese Brücke, welche im Bereich der Parzellen Nr. 77 und 297, beide KG S., errichtet werden solle, diene zur besseren Einbindung der Fußgänger und Radfahrer des Ortes S. in das Radwegenetz "Große T".

Im Zuge einer von der Bezirkshauptmannschaft S am 16. Juli 1998 durchgeführten mündlichen Verhandlung gaben die beschwerdeführenden Parteien als Eigentümer der Parzelle Nr. 77, KG. S., u.a. die Erklärung ab, dass gegen die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung bei plan- und projektsgemäßer Ausführung dann kein Einwand bestehe, wenn hundertjährliche Hochwässer gefahrlos abgeleitet würden.

Der von der Wasserrechtsbehörde erster Instanz beigezogene wasserbautechnische Amtssachverständige stellte in seinem Gutachten fest, dass die Große T im Umfeld des neuen Steges weithin reguliert sei. Am Pegel S. - dieser liege etwas flussab an der Landesstraßenbrücke der L.  über die Große T - seien während des Hochwassers 1997 ca. 165 m3/sec. abgeflossen. Es handle sich dabei laut Auskunft des hydrologischen Landesdienstes (Abt. WA 5) etwa um ein 50-jährliches Hochwasserereignis und dies entspreche ungefähr der bordvollen Abflusskapazität des Regelprofils. Exakt habe während des Hochwassers 1997 ein Pegelstand von 532 cm geherrscht. Der Konstruktionsunterkante (kurz: KUK) der Brücke sei laut Profildarstellung des hydrologischen Landesdienstes ein Pegelwert von 520 cm zugeordnet - d.h., die KUK des Tragwerkes tauche bereits 12 cm in die Hochwasserwelle ein. Trotzdem seien Probleme mit der Treibholzabfuhr nicht bekannt. Zudem habe beim Lokalaugenschein am Tag der mündlichen Verhandlung festgestellt werden können, dass die Tragwerksunterkante augenscheinlich noch etwas die beidseitigen Uferkronen überragen würde. Unter weiterer Berücksichtigung der Anhebung der KUK des Stegtragewerkes um 20 cm gegenüber den beiderseitigen Uferrändern könnten durch das Vorhaben weder öffentliche Interessen noch Interessen von Anrainern nachteilig berührt werden, selbst unter Berücksichtigung von Triftgut. Brückenöffnungen derartiger Lichtweiten von 15 m würden nicht zu Verklausungen neigen. Verklausungsgefahr werde bei engen Lichtweiten sowie bei Brückenjochen gefördert; dies fehle jedoch beim gegenständlichen Radsteg. Hochwässer über 50- jährlicher Auftretenswahrscheinlichkeit würden schon weit oberhalb ausufern. Der Steg könne selbstredend 100-jährliche Hochwässer mit seiner Durchflussöffnung niemals abführen. Andererseits erhöhe aber sein Bestand nach allen Erfahrungen nicht die Gefährdung umliegender Objekte.

Mit Bescheid vom 19. Oktober 1998 erteilte die Bezirkshauptmannschaft S der mitbeteiligten Partei gemäß § 38 WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung einer Radfahr- und Fußgängerbrücke über die Große T im Bereich der Grundstücke Nr. 77 und 197, beide KG S., bei Fluss-km 15,950, unter näher genannten Auflagen und Bedingungen. Ferner wurden die Einwendungen der beschwerdeführenden Parteien als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die beschwerdeführenden Parteien Berufung, wobei sie sich vor allem gegen die Abweisung ihrer Einwendungen wandten. Ihr Wohnhaus befinde sich ca. 5 m von der geplanten Fußgängerbrücke entfernt. Bei Hochwasser würden "mitreißende" Sträucher und Baumstämme im Brückenbereich zu einem Aufspiegeln und zu einer weiteren Hochwassergefahr für Leib und Leben und Grundbesitz führen. Im Befund sei der Amtssachverständige auf diese Problematik nicht eingegangen und es habe auch die antragstellende Gemeinde (= mitbeteiligte Partei) keine hydrologischen Daten.

Aufgrund der Berufung der beschwerdeführenden Parteien holte die belangte Behörde eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme eines anderen wasserbautechnischen Amtssachverständigen ein. Darin wird insbesondere unter Bezugnahme auf das bereits in erster Instanz eingeholte wasserbautechnische Gutachten ausgeführt, dass die Große T im Umfeld des neuen Steges weithin reguliert sei. Die Abflusskapazität des Regelprofils entspreche ungefähr einem 50- jährlichen Hochwasserereignis. Das bedeute, dass Hochwasserereignisse mit einer weniger häufigen Wiederkehrwahrscheinlichkeit die Dämme bereits weit oberhalb des Steges überfluten würden. Der Wasserspiegel werde bei einem 100- jährlichen Ereignis praktisch nicht höher sein als bei einem 50- jährlichen Ereignis. In diesem Sinn stelle sich auch nicht die Frage, ob sich durch eine Projektänderung, welche auch ein 100- jährliches Hochwasser berücksichtige, Beeinträchtigungen fremder Rechte vermeiden ließen.

Die Verklausungsgefahr - so der Amtssachverständige weiter - werde daher gegenüber dem 50-jährlichen Ereignis nicht ansteigen. Denkbar wäre allenfalls, dass im Oberlauf aufgrund der verstärkten Überflutungsvorgänge Sträucher und sonstiges Treibgut mitgerissen würden, das dann in großer Zahl unter dem neuen Steg hindurchströme. Wie aber schon im Gutachten des von der Behörde erster Instanz beigezogenen Amtssachverständigen festgehalten worden sei, würden Brückenöffnungen derartiger Lichtweiten (rund 15 m) nicht zu Verklausungen neigen, ausserdem seien Probleme mit der Treibholzabfuhr nicht bekannt. Bei der örtlichen Besichtigung habe festgestellt werden können, dass die Uferkronen im Bereich der bestehenden Widerlager höhergezogen seien und somit der Freibord zusätzlich zu der geplanten Anhebung der Konstruktionsunterkante von 20 cm vergrößert werde. Die Gefahr einer Verklausung und einer dadurch hervorgerufenen Überschwemmung im Bereich des Grundstücks Nr. 77 erscheine damit unwahrscheinlich.

Diese Überlegungen sollten - so der wasserbautechnische Amtssachverständige weiter - nicht zu der falschen Schlussfolgerung führen, dass für das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien die Gefahr einer Überschwemmung gänzlich ausgeschlossen werden könne. Vielmehr sei gerade bei über 50-jährlichen Hochwasserereignissen die Wahrscheinlichkeit einer Überschwemmung gegeben, weil das über die Ufer tretende Wasser außerhalb der Uferdämme entlang der Geländefalllinie, die im Wesentlichen der Fließrichtung der Großen T entspreche, weiterfließe und somit Grundstücke, die sich in der Nähe dieser Abflussbereiche befänden, überfluten werde. Aus technischer Sicht könne daher dem Gutachten des von der Behörde erster Instanz beigezogenen Amtssachverständigen vollinhaltlich beigepflichtet werden.

Im Zuge des zu dieser ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme gewährten Parteiengehörs brachten die beschwerdeführenden Parteien u. a. vor, es seien "inzwischen" Maßnahmen ergriffen worden, um die Wassermassen in den Flussbereich zu bekommen. Wenn sich im Zuge dieser Maßnahmen aber das Wasser im Bachbett befinde und keine Möglichkeit habe, auszubrechen, so werde der Pegel wieder steigen und im Endeffekt im Bereich des Steges ausufern, weil dieser so große Massen nicht fassen könne. Zum Problem der Treibholzabfuhr werde auf das Hochwasser (ca. 1992) im Bereich L, I, (L-Bach - Große T) verwiesen, bei dem große Holzmassen in die Große T gespült worden seien. Auch im Bereich der beschwerdeführenden Parteien sei binnen weniger Minuten der Fluss fast voll gewesen. Außerdem seien bei den beschwerdeführenden Parteien im Bereich der Wehr die Holzstämme "ziemlich hoch herausgeschleudert" worden, sodass sich die beschwerdeführenden Parteien nicht vorstellen könnten, dass ein Steg kein Problem sei. Die Durchflussöffnung der Brücke L. betrage ca. 72 m2, während die Fassungsmenge des geplanten Steges nur ca. 63 m2 betrage; auch auf diese Tatsache sei der "damalige ASV" nicht eingegangen. Das Wohnobjekt der beschwerdeführenden Parteien befinde sich ca. 5 Meter von der gegenständlichen Brücke entfernt. "Mitreisende" Sträucher und Bäume würden im Brückenbereich zu einem Aufspiegeln und zur weiteren Hochwassergefahr führen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14. April 1999 wurde der Berufung der beschwerdeführenden Parteien keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, aus dem Gutachten des Amtssachverständigen ergebe sich, dass im Umfeld des neuen Steges über die Große T die Abflusskapazität des Regelprofils ungefähr einem 50-jährlichen Hochwasserereignis entspreche. Das bedeute, dass Hochwasserereignisse mit einer weniger häufigen Wiederkehrwahrscheinlichkeit die Dämme bereits weit oberhalb des Steges überfluten würden. Der Wasserspiegel werde sich demnach nicht - wie in den Einwendungen der beschwerdeführenden Parteien angegeben - bei einem 100-jährlichen Ereignis höher aufspiegeln, sondern praktisch nicht höher sein als bei einem 50-jährlichen Ereignis, weil die Dämme bereits weit oberhalb des Steges überflutet würden. In diesem Sinne stelle sich daher nicht die Frage, ob sich durch eine Projektsänderung - wie von den beschwerdeführenden Parteien gefordert - unter Berücksichtigung eines 100-jährlichen Hochwassers eine Beeinträchtigung fremder Rechte vermeiden ließe. Aufgrund der weit oberhalb des Steges stattfindenden Überflutungen und Ausuferungen werde der Wasserspiegel bei einem 100-jährlichen Ereignis praktisch nicht höher sein als bei einem 50-jährlichen Ereignis. Auch die Verklausungsgefahr werde gegenüber einem 50-jährlichen Ereignis nicht ansteigen, weil Brückenöffnungen derartiger Lichtweiten (rund 15 m) nicht zu Verklausungen neigen würden. Weiters seien die Uferkronen im Bereich der bestehenden Widerlager höher gezogen, sodass der Freibord noch zusätzlich zu der geplanten Anhebung der Konstruktionsunterkante um 20 cm vergrößert werde.

Die nicht auf fachkundiger Grundlage beruhende Behauptung der beschwerdeführenden Parteien durch das Vorhaben würde bei Hochwässern über 50-jährlicher Auftrittswahrscheinlichkeit die Gefahr einer Überschwemmung ihres Grundeigentums gesteigert, sei nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des erstinstanzlichen Bescheides aufzuzeigen, weil die Wasserrechtsbehörde erster Instanz auf der Grundlage des Gutachtens des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik und der vorgeschriebenen Auflagen den Eintritt eines solchen Nachteils ausgeschlossen habe und weil eine Verletzung bestehender Rechte nur unter der Voraussetzung angenommen werden könne, dass der exakte Nachweis einer solchen Beeinträchtigung erbracht werden könne. Die beschwerdeführenden Parteien seien den fachkundigen Ausführungen des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik nur mit eigenen Behauptungen entgegengetreten und hätten damit das von der Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegte Gutachten weder entkräften noch aufzeigen können, dass dieses unschlüssig sei. Es fehle daher an einer Verletzung von bestehenden Rechten im Sinne des § 12 Abs. 1 und 2 WRG 1959.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem subjektiven Recht auf Versagung der Bewilligung von Wasserbauten und "Wasserbenutzungen" verletzt, wenn diese in bestehende Rechte, im Beschwerdefall in das Grundeigentum und das Recht auf unbeeinträchtigte Nutzung desselben i.S. des § 12 Abs. 2 WRG 1959 eingreifen würden. Die Bewilligung von Wasserbauten (im Beschwerdefall einer Fußgängerbrücke) sei nur dann zulässig, wenn die Ausführung nach dem Stand der Technik i.S. des § 12a WRG 1959 unter entsprechenden Auflagen bewilligt werde, die eine Gefährdung des Grundeigentums, insbesondere durch Überschwemmung nicht befürchten lasse. Ferner werde das Recht auf Versagung einer Bewilligung von Wasserbauten und Anlagen verletzt, wenn dabei eine Gefährdung oder Überschwemmung des Grundstücks der beschwerdeführenden Parteien herbeigeführt werde. Der angefochtene Bescheid verletze auch das Recht auf Durchführung eines mängelfreien Verfahrens im Sinne des AVG und der §§ 111 ff WRG 1959 unter Erhebung aller maßgeblichen Umstände, insbesondere der Durchführung aller Erhebungen und Feststellung, inwieweit durch das bewilligte Vorhaben die subjektiven Interessen der beschwerdeführenden Parteien beeinträchtigt würden, insbesondere das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien durch die Errichtung einer bewilligten Brücke überschwemmt werden könne oder eine entsprechend konkrete Gefahrenerhöhung eintrete. Die beschwerdeführenden Parteien machen ferner die Verletzung ihres subjektiven Rechtes geltend, nur nach Durchführung eines mängelfreien Verfahrens mit entsprechender Begründung und Darlegung und nach Erhebung des Sachverhalts von amtswegen einen Bescheid unter Abspruch über die subjektiven Rechte und die Beeinträchtigung der Rechte der beschwerdeführenden Parteien zu erhalten. Schließlich machen die Beschwerdeführer eine Verletzung des subjektiven Rechtes geltend, dass entgegen ihren Anträgen, Einwendungen und Interessen eine wasserrechtliche Anlage (Fußgängerbrücke) nur nach Einhaltung der Verfahrenvorschriften des WRG 1959 und des AVG bewilligt werde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die beschwerdeführenden Parteien replizierten auf die erstatteten Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 38 Abs. 1 WRG 1959 ist zur Errichtung und Abänderung von Brücken, Stegen und von Bauten an Ufern, dann von anderen Anlagen innerhalb des Hochwasserabflusses fließender Gewässer sowie von Unterführungen unter Wasserläufen, schließlich von Einbauten in stehende Gewässer, die nicht unter die Bestimmungen des § 127 fallen, nebst der sonst etwa erforderlichen Genehmigung auch die wasserrechtliche Bewilligung einzuholen, wenn eine solche nicht schon nach den Bestimmungen des § 9 oder § 41 dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Die Bewilligung kann auch zeitlich befristet erteilt werden.

Gemäß § 38 Abs. 3 erster Satz WRG 1959 gilt als Hochwasserabflussgebiet das bei 30jährlichen Hochwässern überflutete Gebiet.

Nach § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 sind Parteien in einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren diejenigen, die zu einer Leistung, Duldung oder Unterlassung verpflichtet werden sollen oder deren Rechte (§ 12 Abs. 2) sonst berührt werden.

Bei den im § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 erwähnten Rechten im Sinne des § 12 Abs. 2 leg. cit. handelt es sich um rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauchs (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum.

Unbestritten ist, dass die beschwerdeführenden Parteien eine Beeinträchtigung ihres Grundeigentums geltend machten, weil ihrer Ansicht nach die geplante Brücke so (niedrig) konzipiert sei, dass im Falle eines entsprechenden Hochwassers mit einer Verklausung im Bereich des Steges durch Treibholz und damit auch mit einer Aufspiegelung des Wassers und in weiterer Folge mit einer Überflutung ihres Grundstücks zu rechnen sei.

Nach dem unter VwSlg. Nr. 7821/A - unter Bezugnahme auf ein hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1979 - wiedergegebenen Rechtssatz kann eine Verletzung bestehender Rechte (§ 12 WRG 1959) nur unter der Voraussetzung angenommen werden, dass im Ermittlungsverfahren eine zu erwartende Beeinträchtigung solcher Rechte, hervorgerufen durch das zur Bewilligung stehende Vorhaben, einwandfrei hervorgekommen ist, während die bloße Wahrscheinlichkeit oder Möglichkeit einer Beeinträchtigung für den Nachweis einer Verletzung von Rechten nicht ausreichen kann.

In dem auch von den beschwerdeführenden Parteien zitierten hg. Erkenntnis vom 8. April 1997, Zl. 95/07/0174, wird unter Verweis auf Vorjudikatur ausgeführt, dass dann, wenn sich die behauptete Verletzung fremder Rechte zu einem hohen Kalkül der Eintrittswahrscheinlichkeit einer tatsächlich zu gewärtigenden Rechtsverletzung verdichtet, dies die Abweisung einer beantragten wasserrechtlichen Bewilligung rechtfertigt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 38 WRG 1959 käme eine Verletzung des Grundeigentums dann in Betracht, wenn eine Liegenschaft durch die Auswirkungen einer durch das Projekt bedingten Änderung der Hochwassergefahr größere Nachteile im Hochwasserfall als zuvor erfahren würde, wobei als Beurteilungsmaßstab ein 30-jährliches Hochwasser heranzuziehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2002, Zl. 2001/07/0159).

Ob eine solche Beeinträchtigung fremder Rechte zu erwarten ist, ist Gegenstand des von der Behörde durchzuführenden Ermittlungsverfahrens.

Die beschwerdeführenden Parteien rügen u.a., die belangte Behörde habe in keiner Weise Feststellungen darüber getroffen, ob sich durch die zwischenzeitige Flussregulierung des Flussbettes nicht eine entsprechende Veränderung ergeben habe, die das Wasser in das Flussbett zwinge und einen Austritt in anderen Bereichen flussoberhalb verhindere und sich daher eine andere Betrachtungsweise der Häufigkeit der Ereignisse im Bereich des Hochwassers ergebe. Die belangte Behörde habe entsprechende hydrologische Daten ebenso wenig erhoben wie die Querschnittsprofile des Flussbettes und die Frage, ob es sich durch entsprechende Veränderungen im Rahmen der Flussregulierung und durch die Tatsache, dass die beschwerdeführenden Parteien zwei tatsächliche Hochwasserereignisse im letzten Jahrzehnt nachgewiesen hätten, um Ereignisse handle, die sicher eintreten würden und hinsichtlich derer es nur eine Frage des Zusammentreffens von Niederschlägen und Schneeschmelze sei, ob derartige Hochwässer wiederum auftreten würden oder nicht.

Mit diesen Einwendungen beziehen sich die beschwerdeführenden Parteien erkennbar auf die von ihnen mit Schriftsatz vom 26. März 1999 abgegebene Äußerung zur ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme des von der belangten Behörde beigezogenen Amtssachverständigen. Der von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige stützte sich seinerseits im Wesentlichen auf die Ermittlungsergebnisse des Verfahrens erster Instanz und zwar insbesondere auf die Ausführungen des im erstinstanzlichen Verfahren beigezogenen wasserbautechnischen Amtssachverständigen. Auf allfällige von den beschwerdeführenden Parteien behauptete nachträglich (nach der mündlichen Verhandlung vor der Behörde erster Instanz) durchgeführte Änderungen der Abflussverhältnisse im Hochwasserfall durch (von den beschwerdeführenden Parteien erwähnte) ergänzende Regulierungsmaßnahmen flussaufwärts der geplanten Brücke ist dieses Gutachten erkennbar nicht eingegangen. Ferner fehlen Ausführungen und Erhebungen, inwieweit auch bei einem 30-jährlichen Hochwasser für das Grundeigentum der Beschwerdeführer größere Nachteile im Hochwasserfall gegeben wären.

Es wurden auch von der belangten Behörde - soweit aus den vorgelegten Verwaltungsakten und der Begründung des angefochtenen Bescheides zu ersehen ist - keine weiteren Ermittlungen betreffend die behaupteten Änderungen der Abflussverhältnisse und deren allfällige Auswirkungen auf das bewilligte Projekt unter Berücksichtigung der unter diesen geänderten Verhältnissen ausgehenden Nachteile im Falle eines 30-jährlichen Hochwassers durchgeführt. Da sich die Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen auf die Ausführungen des von der belangten Behörde beigezogenen wasserbautechnischen Amtssachverständigen bezieht, diese Ausführungen jedoch nicht auf die von den beschwerdeführenden Parteien behaupteten Änderungen der Abflussverhältnisse des Gewässers eingehen, erweist sich der von der belangten Behörde ermittelte Sachverhalt in Bezug auf die von der Behörde zu beurteilende Beeinträchtigung fremder Rechte (des Grundeigentums der beschwerdeführenden Parteien) durch das wasserrechtlich bewilligte Projekt als unvollständig.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 27. Juni 2002

Schlagworte

Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999070092.X00

Im RIS seit

18.09.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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