TE Vwgh Erkenntnis 2002/7/9 2000/01/0331

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Veröffentlicht am 09.07.2002
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §67a Abs1 Z2 idF 1998/I/158;
AVG §67c Abs2;
AVG §67c Abs3 idF 1995/471;
B-VG Art129a Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde der AW KEG in F, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 30. Juni 2000, Zl. VwSen-420285/2/Gf/Km, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Landesgericht Ried im Innkreis ordnete mit Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl vom 9. Mai 2000 in der "Strafsache gegen Franz A. unter anderem wegen des Vergehens nach § 7 KrMG ... gemäß §§ 139 ff StPO" die Durchsuchung des Firmensitzes der Beschwerdeführerin, "Verantwortliche: Franz A. und dessen Mutter Rosa A.", samt allen dazugehörigen Räumlichkeiten und eines näher bezeichneten Personenkraftwagens sowie aller weiteren nicht zum Verkehr zugelassenen Fahrzeuge und die Beschlagnahme aufzufindenden Kriegsmaterials aller Art, aufzufindender illegaler Waffen aller Art samt Munition sowie aufzufindender anderer Sachen oder Schriftstücke, die auf strafbare Handlungen des Verdächtigen nach dem Kriegsmaterialgesetz oder Waffengesetz hindeuteten, durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich an.

Laut dem Bericht der genannten Sicherheitsdirektion vom 11. Mai 2000 habe sie am Vortag den "HD-Befehl" des Landesgerichtes Ried im Innkreis vollzogen und die Liegenschaft der Beschwerdeführerin durchsucht. Diesem Bericht war ein 294 Positionen an Waffen, Munition, schriftlichen Unterlagen und anderen Gegenständen umfassendes Verzeichnis der auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin und in Privaträumen des Franz A. in Verwahrung genommenen Beweisgegenstände (Standblatt) angeschlossen.

In ihrer am 21. Juni zur Post gegebenen, an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (die belangte Behörde) gerichteten Beschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG in Verbindung mit § 67a Abs. 1 Z 2 AVG brachte die Beschwerdeführerin nach Wiedergabe des Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehles des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 9. Mai 2000 sowie des Berichtes der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vor, Vollzugsakte, die in einem gerichtlichen Auftrag keine Deckung fänden, seien der handelnden Verwaltungsbehörde zuzurechnen. Bei dieser Amtshandlung seien Gegenstände beschlagnahmt worden, die im Beschlagnahmebefehl des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 9. Mai 2000 keine Deckung fänden, weswegen diese Maßnahme in diesem Umfang rechtswidrig sei. Sie verletze die Beschwerdeführerin im einfachgesetzlich gewährleisteten Recht, dass die "in der Beilage angeführten Gegenstände" nicht beschlagnahmt würden, sowie in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nach Art. 5 StGG und auf Freiheit der Erwerbstätigkeit nach Art. 6 StGG. Die belangte Behörde möge der Beschwerde Folge geben und - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - feststellen, dass die Beschlagnahme jener Gegenstände im Sinne des beiliegenden Verzeichnisses der belangten Behörde, die im Beschlagnahmebefehl des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 9. Mai 2000 keine Deckung finde, rechtswidrig sei und dass die Beschwerdeführerin durch diesen Umfang der Beschlagnahme in ihren genannten Rechten verletzt werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde im Grunde des § 67c Abs. 3 AVG zurück. Nach Darstellung des Verfahrensganges führte sie begründend aus, der angefochtene Verwaltungsakt sei am 10. Mai 2000 gesetzt worden; die am letzten Tag der Sechswochen-Frist (nach § 67c Abs. 1 AVG) zur Post gegebene Beschwerde erweise sich daher als rechtzeitig. Sie enthalte jedoch keine eindeutige Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Sinn des § 67c Abs. 2 Z 1 AVG, weil der Schriftsatz zwar als Beilage ein 16-seitiges Verzeichnis der in Verwahrung genommenen Beweisgegenstände (Standblatt) enthalte, in dem in 294 Positionen (teils mit Unterpositionen) aufgelistet werde, welche Gegenstände bei der Hausdurchsuchung in Beschlag genommen worden seien. Eine auch nur ansatzweise Deklaration, welche dieser Gegenstände tatsächlich im Beschlagnahmebefehl des Landesgerichtes Ried im Innkreis keinesfalls Deckung finden sollten, habe die Beschwerdeführerin von vornherein unterlassen.

Das Rechtsmittel der Maßnahmenbeschwerde sei bloß als ein subsidiärer Rechtsbehelf anzusehen, um eine Zweigleisigkeit des Rechtsschutzsystems zu vermeiden. Eine Beschwerde gegen eine gerichtlich angeordnete Hausdurchsuchung und Beschlagnahme sei also nur insoweit zulässig, als der richterliche Befehl in deren Zuge offenkundig überschritten werde. Davon ausgehend wäre es daher der Beschwerdeführerin selbst oblegen, fristgerecht jene Gegenstände, die ihrer Ansicht nach keinesfalls in der richterlichen Anordnung Deckung fänden, zu bezeichnen (noch dazu, wenn der richterliche Befehl so weit reiche) und damit im Sinn des Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG den vor dem unabhängigen Verwaltungssenat beschwerdefähigen von dem nicht beschwerdefähigen Teilbereich der Beschlagnahmeanordnung zu scheiden.

Insoweit habe der Beschwerdeführerin aber auch kein Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG erteilt werden können, weil es sich bei der Nichteinhaltung des § 67c Abs. 2 Z 1 AVG um einen nicht verbesserungsfähigen inhaltlichen Mangel handle, was schon daraus hervorgehe, dass es ein Beschwerdeführer andernfalls gleichsam selbst in der Hand hätte, sich durch eine vorerst undifferenzierte Eingabe die von Gesetzes wegen ohnehin schon großzügig bemessene Rechtsmittelfrist des § 67c Abs. 1 AVG im Sinne einer "Rechtsmittelanmeldung" selbst zu verlängern. Die gegenständliche Beschwerde sei gemäß § 67c Abs. 3 AVG wegen Nichterfüllung der Prozessvoraussetzungen als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde erwogen:

Die Beschwerdeführerin sieht eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, dass ihr vorgeworfen werde, den vor der belangten Behörde angefochtenen Verwaltungsakt nicht ausreichend bezeichnet zu haben. Selbst wenn man die Rechtsansicht vertrete, dass die Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu ungenau erfolgt wäre, teile sie nicht die Rechtsansicht der belangten Behörde, es hätte kein Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG erteilt werden können, weil es sich um einen nicht verbesserungsfähigen inhaltlichen Mangel handelte. Auf Grund der Aufhebung des § 67c Abs. 3 AVG (alte Fassung) durch die Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 sei die durch diese Novelle neu geschaffene Bestimmung des § 13 Abs. 3 AVG auch auf Maßnahmenbeschwerden anzuwenden.

Damit zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Gemäß § 13 Abs. 3 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig erhoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Die ErläutRV 1167 BlgNR 20. GP 26 führen zur Neufassung des § 13 Abs. 3 AVG aus:

"Nach der geltenden Fassung des § 13 Abs. 3 AVG ist ein Mängelbehebungsauftrag nur im Fall eines Formgebrechens zulässig. Diese Beschränkung hat zur Folge, dass die Behörde Anträge, die an inhaltlichen Mängeln (Fehlen eines Antrages oder einer Begründung, Fehlen der Bezeichnung des bekämpften Bescheides u.dgl.) leiden, zurückzuweisen hat, was die von der Partei begehrte Sachentscheidung entweder verzögert oder ihr auf Dauer entgegensteht. ...

Vor diesem Hintergrund soll die Differenzierung zwischen formellen und materiellen Mängeln aufgegeben werden und jeder prinzipiell verbesserungsfähige Mangel eines Anbringens einer Verbesserung zugänglich sein. Dadurch soll insbesondere für die nicht durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertretenen rechtsunkundigen Parteien der Zugang zum Recht verbessert werden. In diesem Zusammenhang erscheint bemerkenswert, dass eine entsprechende Erweiterung der Verbesserungsmöglichkeiten im Zivilprozess bereits im Jahr 1983 durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 vorgenommen worden ist; dies obwohl der Zivilprozess im Gegensatz zum Verwaltungsverfahren vom Dispositionsgrundsatz beherrscht ist und obwohl darin in der Regel Anwaltspflicht besteht.

'Mängel', die das Anbringen nicht unzulässig machen, sondern nur seine Erfolgsaussichten beeinträchtigen, werden durch die Neuformulierung des Abs. 3 nicht erfasst. Die Behörde trifft daher auch keine Verpflichtung, die Partei anzuleiten, ihren Antrag so zu formulieren, dass ihm allenfalls stattgegeben werden kann. Ob eine bestimmte 'Mangelhaftigkeit' eines Anbringens dessen Zurückweisung oder Abweisung zur Folge hat (mit anderen Worten: ob ein bestimmter 'Mangel' einem Mängelbehebungsverfahren zugänglich ist oder nicht), ergibt sich nicht aus Abs. 3, sondern aus jenen Rechtsvorschriften, die an das Vorliegen dieses Mangels bestimmte Rechtsfolgen knüpfen.

..."

Gemäß § 67c Abs. 2 Z 1 AVG hat die Beschwerde (u.a.) die Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu enthalten. Nach § 67c Abs. 3 AVG in der Fassung BGBl. Nr. 471/1995 waren Beschwerden, die nicht den Anforderungen des Abs. 2 entsprachen, zur Behebung der Mängel unter Anberaumung einer kurzen Frist zurückzustellen; die Versäumung dieser Frist galt als Zurückziehung (vgl. zu dieser Bestimmung etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Juni 1998, Zl. 96/01/1258).

Durch Art. 1 Z 30 der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 entfiel (u.a.) der zitierte § 67c Abs. 3 und trat an seine Stelle der bisherige § 67c Abs. 4 AVG. Hiezu führen die ErläutRV, aaO, 37 aus:

"Der geltende § 67c Abs. 3 AVG folgt § 34 Abs. 2 VwGG. Da über die Frage, ob der Antragsteller einem Mängelbehebungsauftrag vollständig entsprochen hat, Meinungsverschiedenheiten entstehen können, über die letztlich die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zu entscheiden haben, erscheint es jedoch zweckmäßiger, an Stelle der Zurückziehungsfiktion, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ihren guten Sinn macht, eine förmliche Zurückweisung nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. § 13 Abs. 3) vorzusehen. § 67c Abs. 3 AVG soll daher entfallen."

Daraus folgt, dass der unabhängige Verwaltungssenat durch den Entfall des § 67c Abs. 3 AVG in der Fassung BGBl. Nr. 471/1995 (wegen des Entfalles einer besonderen Bestimmung für das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten) nicht von seiner Verpflichtung entbunden werden sollte, auf die Behebung eines Mangels der Beschwerde nach § 67c Abs. 2 AVG hinzuwirken, vielmehr sollte - wie den zitierten ErläutRV zu entnehmen ist - für das weiterhin vorgesehene Verbesserungsverfahren ausschließlich § 13 Abs. 3 AVG gelten.

Im vorliegenden Fall ist der belangten Behörde zwar einzuräumen, dass das Vorbringen der an sie gerichteten Beschwerde keiner Beurteilung zugänglich war, ob die Hausdurchsuchung und Beschlagnahme durch die Sicherheitsbehörde in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Befehl erfolgten oder (teilweise oder zur Gänze) in offenkundiger Überschreitung des gerichtlichen Befehls durchgeführt wurden, in welchem Fall sie ein der Verwaltung zuzurechnendes Organhandeln darstellen würden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2000, Zl. 99/01/0174, m.w.N.).

Die nach Ansicht der belangten Behörde mangelhafte Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes nach § 67c Abs. 2 Z 1 AVG berechtigte die belangte Behörde jedoch noch nicht zur Zurückweisung der an sie gerichteten Beschwerde, sondern konnte nur nach § 13 Abs. 3 AVG Anlass geben, der Beschwerdeführerin vorerst die Behebung dieses Mangels binnen Frist aufzutragen.

Da die belangte Behörde - ohne einen solchen Auftrag - die Beschwerde als unzulässig zurückwies, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001; die im Betrag von S 2.500,-- entrichtete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen. Wien, am 9. Juli 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000010331.X00

Im RIS seit

20.09.2002

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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