TE Vwgh Erkenntnis 2002/7/24 2000/18/0088

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Veröffentlicht am 24.07.2002
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
StGB §202 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des A, (geb. 1. Jänner 1982), vertreten durch Dr. Franz Pegger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 24, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 22. Juli 1999, Zl. III 115/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 22. Juli 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und §§ 37, 38 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei vom Landesgericht Innsbruck mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil vom 24. Februar 1997 des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen worden.

Gemäß § 13 Abs. 1 JGG sei der Ausspruch der Strafe für die Probezeit von drei Jahren vorbehalten worden. Dem Urteil liege folgender Schuldspruch zu Grunde:

"Der Angeklagte Ahmet Dogan ist schuldig, er hat am 19.08.1996 am Radweg zwischen Schwaz und Jenbach nachstehende Personen mit Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben zur Vornahme oder Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, nämlich

1.) B. mit Gewalt gegen ihre Person, indem er sie unter den Achseln packte und gegen einen am Weg befindlichen Maschendrahtzaun warf, sich in weiterer Folge von hinten auf sie stürzte und versuchte, ihr die Hose herunterzuziehen;

2.) R. mit Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, indem er sie vom Rad riß, gegen den dort befindlichen Maschendrahtzaun warf und sie bedrohte, dass er sie umbringe, wenn sie weiter um Hilfe schreien würde, und in weiterer Folge ihre Brüste betastete und ihr mit erheblicher Gewalt in den Genitalbereich griff."

Weiters sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht Innsbruck mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil vom 25. März 1999 des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z. 2 StGB schuldig gesprochen worden. Er sei unter gleichzeitigem nachträglichen Strafausspruch im vorgenannten Strafverfahren des Landesgerichtes Innsbruck mit einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen belegt worden, davon 100 Tagessätze bedingt, Probezeit drei Jahre. Diesem Urteil liege folgender Schuldspruch zu Grunde:

"Der Beschuldigte Ahmet Dogan ist schuldig, er hat am 11.11.1998 in Schwaz

1.

einem Verfügungsberechtigten der Firma K. und

2.

dem P.

fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in der Höhe von S 13.700,-- durch Aufbrechen von Behältnissen (Automaten und Schubladen) mit dem Vorsatz, sich oder Dritte durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen."

Das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers gemäß den rechtskräftigen Verurteilungen aus 1997 und 1999 zeige deutlich seine negative Einstellung zur Rechtsordnung auf, wodurch der Eindruck entstehe, dass er nicht gewillt sei, Rechtsvorschriften in erforderlicher Weise zu achten und sein Verhalten den Gesetzen anzupassen, woraus sich die berechtigte Folgerung ergebe, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG).

Ein relevanter Eingriff in das Privat- oder Familienleben gemäß § 37 Abs. 1 liege vor. Dieser Eingriff mache das Aufenthaltsverbot im Grund des § 37 Abs. 1 FrG aber nicht unzulässig. Die sich im Gesamtfehlverhalten manifestierende Neigung des Beschwerdeführers, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache die Erlassung eines Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen; "Schutz der Rechte anderer - auf sexuelle Selbstbestimmung; auf Vermögen") dringend geboten, weshalb auch vom Ermessen des § 36 Abs. 1 FrG zum Nachteil des Beschwerdeführers Gebrauch gemacht werde. Hiezu sei auch auf die nachweisliche Androhung fremdenpolizeilicher Maßnahmen gegen den Beschwerdeführer durch die Bezirkshauptmannschaft Schwaz mit Schreiben vom 3. April 1997 und die dennoch erfolgte schwere Straftat des Beschwerdeführers im Jahr 1999 hinzuweisen.

Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen schwer. Diesbezüglich sei auf den erlaubten Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 1992 und seine "dementsprechende Integration" zu verweisen, am Arbeitsmarkt habe er jedoch bis dato nicht Fuß zu fassen vermocht; die Familie des Beschwerdeführers (Eltern, Bruder) sei im Bundesgebiet gut integriert, der Großteil seiner Verwandtschaft (Großeltern, Onkel, Tanten) lebe in Tirol. Der Beschwerdeführer sei jedoch seiner Verwandtschaft, in concreto seinen Eltern "völlig entglitten", er wohne nicht mehr bei seinen Eltern oder sonstigen Verwandten und sein Vater wolle, dass der Beschwerdeführer in die Türkei zurückkehre, wie er am 21. Juni 1999 anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei der Bezirkshauptmannschaft Schwaz gesagt habe. Das Gewicht der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers werde ferner durch den Umstand verringert, dass er ledig sei und keine Sorgepflichten habe, sowie auch durch die Beeinträchtigung der sozialen Komponente seiner Integration durch seine schweren Straftaten. Die persönlichen Interessen an seinem weiteren Aufenthalt wögen - im Hinblick auf seine Neigung zu schweren Straftaten - höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch im Grunde des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei. Die sexuelle Selbstbestimmung und der Schutz des Eigentums von Menschen hätten einen großen öffentlichen Stellenwert, großes öffentliches Gewicht. Ein Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund gemäß §§ 38, 35 FrG komme im Fall des Beschwerdeführers nicht zum Tragen. Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche § 31 Abs. 1 FrG und den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen. Die belangte Behörde sei der Auffassung, dass bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nämlich der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, das Verstreichen von fünf Jahren von Nöten sei. Zum Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers werde zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen. Allfällige erstinstanzliche Verfahrensmängel seien durch die Berufungsmöglichkeit, von der der Beschwerdeführer Gebrauch gemacht habe, und den Berufungsbescheid saniert.

Dass die Straftaten, derentwegen der Beschwerdeführer rechtskräftig gerichtlich verurteilt worden sei, "nicht einschlägig" seien, sei ebenso irrelevant wie der Umstand, dass seine Strafe nicht "das im Fremdenrecht - § 36 Abs. 2 - genannte tolerierbare Höchstmaß übersteigt". Ein Aufenthaltsverbot könne rechtens ausschließlich auf § 36 Abs. 1 FrG gestützt werden, wenn triftige Gründe vorlägen, die zwar nicht die Voraussetzungen der in § 36 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufwiesen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigten. Die im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. relevante Rechtsfigur des Gesamt(fehl)verhaltens sei mit dem (Verwaltungs-)Strafrecht nicht derart verknüpft, dass sie lediglich im Fall der Bestrafung oder zumindest der Strafbarkeit des Fehlverhaltens zum Tragen komme. Entscheidend für die Zulässigkeit des Abstellens auf das Gesamt(fehl)verhalten des § 36 Abs. 1 FrG (ohne "Dazwischentreten" eines der Tatbestände des § 36 Abs. 2 leg. cit) sei vielmehr, ob die jeweils ins Auge gefassten Verhaltensweisen des Fremden von der Rechtsordnung in solcher Weise verpönt seien, dass sie zusammengefasst betrachtet die in § 36 Abs. 1 FrG näher umschriebene Annahme rechtfertigten. Dies treffe auf die Verhaltensweisen des Beschwerdeführers gemäß seinen genannten rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen zu. Dass der Beschwerdeführer in der Türkei "mehr oder weniger allein dastehen würde", sei irrelevant angesichts des Umstandes, dass für die Interessenabwägung ausschließlich das in Österreich geführte Privat- und Familienleben maßgebend sei und angesichts des Umstandes, dass ein Aufenthaltsverbot nicht anordne, wohin der Fremde auszureisen habe, allenfalls abgeschoben werde. Zu dem für den Beschwerdeführer negativen Ergebnis der Interessenabwägung gemäß § 37 FrG sei die belangte Behörde trotz seiner Minderjährigkeit gelangt. Von dem Fall, der dem Verwaltungsgerichtshoferkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 94/18/0791, zu Grunde gelegen habe, unterscheide sich der Fall des Beschwerdeführers dadurch, dass das Aufenthaltsverbot nicht "nur" wegen sogenannter Schwarzarbeit erlassen werde, sondern wegen schwerer Straftaten des Beschwerdeführers (gegen die sexuelle Selbstbestimmung und gegen das Vermögen anderer). Dazu komme, dass sich der Beschwerdeführer dem Einfluss seiner Eltern völlig entziehe, bzw. die Eltern seiner Entwicklung "hilflos" gegenüberstehen würden. "Vgl. die Vorsprache des Vaters bei der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 21.06.1999". Unter diesen Umständen könne den Eltern des Beschwerdeführers zugemutet werden, zu entscheiden, ob und wer von der Familie des Beschwerdeführers diesen in die Türkei begleite bzw. seine Erziehung in der Türkei (z.B. in einem Heim) zu veranlassen habe.

              2.              Gegen diesen Bescheid richtete der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese - nach Ablehnung ihrer Behandlung - an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 28. Februar 2000, B 1401/99). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren machte der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

              3.              Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde, verzichtete aber auf die Erstattung einer Gegenschrift.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass er zwar unbestritten zwei gerichtlich strafbare Handlungen begangen habe, derentwegen er auch verurteilt worden sei, diese Verurteilungen aber nicht als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 Z. 2 FrG einzustufen seien. Im genannten Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 24. Februar 1997 sei gemäß § 13 Abs. 1 JGG der Ausspruch der Strafe für eine Probezeit von drei Jahren vorbehalten worden, im Urteil dieses Gerichts vom 25. März 1999 wegen §§ 127, 129 Z. 2 StGB sei der Beschwerdeführer unter nachträglichem Strafausspruch zum erstgenannten Urteil für beide Delikte nur zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen verurteilt worden, wobei 100 Tagessätze für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden seien. Teilbedingte Geldstrafen würden aber nicht als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG gelten und seien vom Gesetzgeber daher "bewusst ausgeklammert" worden. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer in beiden gerichtlichen Verfahren geständig gewesen und habe teilweise Schadensgutmachung betrieben, was von der belangten Behörde insbesondere bei der Gewichtung der fälschlicherweise herangezogenen teilbedingten Geldstrafe als bestimmte Tatsache im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG unberücksichtigt geblieben sei.

1.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Nach der hg. Rechtsprechung setzt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht zwingend voraus, dass eine in § 36 Abs. 2 FrG näher genannte bestimmte Tatsache gegeben ist; vielmehr kann ein Aufenthaltsverbot gemäß § 36 Abs. 1 FrG auch dann erlassen werden, wenn triftige Gründe - ohne die Voraussetzungen der in § 36 Abs. 2 angeführten Fälle aufzuweisen -, die in ihrer Gesamtheit die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigen, vorliegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2001, Zl. 99/18/0027). Wenn die belangte Behörde vorliegend diese Annahme für gerechtfertigt erachtet hat, so kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden. Dem Beschwerdeführer liegt unbestritten das durch die rechtskräftige Verurteilung vom 24. Februar 1997 geahndete Fehlverhalten der geschlechtlichen Nötigung - somit eine strafbare Handlung gegen die Sittlichkeit - zur Last, an deren Hintanhaltung ein großes öffentliches Interesse besteht. Der Beschwerdeführer hat sich aber weder durch die wegen dieses Fehlverhaltens im Jahr 1996 erfolgte Verurteilung im Jahr 1997 noch durch die nach den unbestrittenen Feststellungen daraufhin von der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vorgenommene Androhung fremdenpolizeilicher Maßnahmen (bei einem weiteren Fehlverhalten) von seinem weiteren, seiner Verurteilung vom 25. März 1999 zu Grunde liegenden, Fehlverhalten im Jahr 1998 abhalten lassen, mit dem er das Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch verwirklicht und damit das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. April 2002, Zl. 2002/18/0072, mwH) gravierend beeinträchtigt hat. Vor diesem Hintergrund erscheint im Beschwerdefall die Annahme gemäß § 36 Abs. 1 FrG (wie im bekämpften Bescheid ausgeführt) im Licht der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG), aber auch zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, somit zur Erreichung anderer im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter öffentlicher Interessen (§ 36 Abs. 1 Z. 2 FrG), gerechtfertigt.

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid auch in Ansehung des § 37 FrG. Der Beschwerdeführer sei seit 1992 im Bundesgebiet aufhältig und dementsprechend integriert. Er habe im Bundesgebiet bereits gearbeitet, von Seiten der Bezirkshauptmannschaft Schwaz jeweils die erforderlichen Aufenthaltstitel erhalten, er verfüge bzw. habe über eine Aufenthaltsbewilligung mit unbefristeter Gültigkeit zum Zweck der Familiengemeinschaft mit Fremden verfügt, er sei überdies in Österreich in aufrechter Familiengemeinschaft mit seinen Eltern, seinem Bruder und dem Großteil der übrigen nahen Angehörigen. Im Hinblick darauf, dass die Verurteilungen des Beschwerdeführers nicht als bestimmte Tatsache im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG einzustufen seien, hätte die belangte Behörde diese beiden Verurteilungen bei ihrer Güterabwägung nach dem FrG nicht bzw. nicht in dem von ihr festgestellten Ausmaß heranziehen dürfen, weshalb sich ihre Beurteilung, dass diese privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers höchstens gleich schwer wögen wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, als unrichtig erweise. Die belangte Behörde übersehe auch, dass das Landesgericht Innsbruck bei der Verurteilung am 25. März 1999 "von § 37 StGB ausgegangen" sei. Voraussetzung für die Heranziehung dieser Bestimmung sei aber, dass es nicht der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe bedürfe, um den Täter von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Das Landesgericht Innsbruck sei demnach zur Auffassung gelangt, dass insbesondere spezialpräventive Gründe der Verhängung lediglich einer Geldstrafe nicht entgegenstünden und aus der Sicht des Strafgerichts daher die beiden Verurteilungen nicht so schwer wiegen würden, wie dies die belangte Behörde nunmehr annehme. Die belangte Behörde habe auch die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers bei ihrer Beurteilung der Schwere des Eingriffs in sein Privat- und Familienleben - anders als das Strafgericht, das seine Minderjährigkeit sehr wohl in die Strafbemessung miteinbezogen habe - nicht berücksichtigt. Gegen die Verhängung des Aufenthaltsverbotes sprächen aber massivste persönliche Gründe des Beschwerdeführers, die im Wesentlichen auf seine Minderjährigkeit zurückzuführen seien. Der angefochtene Bescheid würde bedeuten, dass der Beschwerdeführer sein bisheriges Leben in Österreich, welches infolge seiner Minderjährigkeit durch seine Familie geprägt werde bzw. worden sei, aufgeben müsste und damit seine "erziehungs- und obhutsberechtigten Eltern" verlieren würde. Dieser Umstand wiege umso schwerer, als sich der Beschwerdeführer auf Grund seiner Minderjährigkeit noch in einer Lebensphase befinde, in der die Erziehung durch die leiblichen Eltern unerlässlich erscheine.

2.2. Die belangte Behörde hat angesichts der Dauer des Aufenthaltes und seiner im angefochtenen Bescheid festgestellten persönlichen Interessen zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Sie hat aber - unter Bedachtnahme darauf - entgegen der Beschwerde ebenso zutreffend die Auffassung vertreten, dass die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme dringend geboten sei, hat doch der Beschwerdeführer durch sein gravierendes Fehlverhalten die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, der Verhinderung von (weiteren) strafbaren Handlungen durch den Beschwerdeführer und dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer erheblich beeinträchtigt. Unter Zugrundelegung des dargestellten öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Wenngleich die für seinen Verbleib in Österreich sprechenden persönlichen Interessen durchaus beachtlich sind, kommt ihnen doch kein größeres Gewicht zu als dem durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers nachhaltig beeinträchtigen Allgemeininteresse. Die aus seinem mehrjährigen berechtigten Aufenthalt ableitbare Integration des Beschwerdeführers ist in ihrem Gewicht dadurch gemindert, dass die für sie maßgebliche soziale Komponente durch das ihm zur Last liegende Fehlverhalten maßgeblich beeinträchtigt wurde. Den Hinweisen des Beschwerdeführers auf die Erwägungen des Gerichts bei der Festsetzung der gerichtlichen Strafe ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde ihre Beurteilung nach § 37 FrG eigenständig aus dem Blickwinkel dieses Bundesgesetzes - unabhängig von der strafgerichtlichen Rechtsverfolgung und somit von den gerichtlichen Erwägungen betreffend die Strafbemessung und die bedingte Nachsicht der Strafe - vorzunehmen hatte (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zlen. 99/18/0015, 0033); dies gilt auch für den Vorbehalt des Strafausspruches im Sinn des § 13 JGG bei der genannten gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers im Jahr 1997. Das Gewicht der (entgegen der Beschwerde von der belangten Behörde berücksichtigten) Minderjährigkeit des am 1. Jänner 1982 geborenen Beschwerdeführers und seiner in der Beschwerde daraus abgeleiteten Erziehungsbedürftigkeit zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides wird maßgeblich dadurch relativiert, dass er damals bereits etwa siebzehneinhalb Jahre alt war. Im Übrigen muss er im Lichte des besagten großen Allgemeininteresses an der Erlassung der vorliegenden fremdenpolizeilichen Maßnahme (selbst dann, wenn er nach dem Beschwerdevorbringen seit August 1999 wieder mit seinen Eltern in einem gemeinsamen Haushalt leben sollte) in Kauf nehmen, nicht auch im Ausland durch seine leiblichen Eltern oder einen Elternteil erzogen zu werden. Schließlich ergeben sich auch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid im Zusammenhalt mit den Verwaltungsakten Anhaltspunkte dafür, dass für eine Betreuung und Erziehung des Beschwerdeführers nicht auch im Ausland (z.B. in einem Internat) gesorgt werden könnte.

3. Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

5. Damit erübrigt sich ein Ausspruch über den Antrag der belangten Behörde, der Beschwerde die mit hg. Beschluss vom 18. Mai 2000 zuerkannte aufschiebende Wirkung abzuerkennen.

Wien, am 24. Juli 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000180088.X00

Im RIS seit

07.11.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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