TE Vwgh Erkenntnis 2002/8/7 2002/08/0120

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Veröffentlicht am 07.08.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §15 Abs1 Z9;
AlVG 1977;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 20. November 2001, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2001-7040, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Zeitraums vom 28. Februar bis 20. April 2000 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vorgeschichte des Verfahrens ergibt sich aus den hg. Beschwerdeverfahren zu 2000/08/0120 und 2001/08/0029. Auch im nunmehrigen Verfahren gehen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens von folgendem unstrittigen Sachverhalt aus:

Die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, hielt sich seit 1990 im Bundesgebiet auf. Ihr Aufenthalt war zunächst durch Sichtvermerke, später durch Aufenthaltsbewilligungen, zuletzt mit einer Aufenthaltsdauer bis 12. April 1994 zum Zwecke unselbstständiger Erwerbstätigkeit geregelt. Sie lebte in Österreich mit ihrem Ehemann. Auf Grund einer bis 8. September 1997 gültigen Arbeitserlaubnis war sie bei einer Reinigungsfirma beschäftigt.

Am 4. Mai 1994 stellte sie einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz. Dieser Antrag wurde rechtskräftig abgewiesen. Ebenso wurde ein neuerlicher Antrag auf Verlängerung der Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz vom 24. Februar 1995 rechtskräftig abgewiesen. Schließlich stellte die Beschwerdeführerin am 1. August 1995 neuerlich einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Auch dieser Antrag wurde im Instanzenzug abgewiesen. Gegen den hierüber letztinstanzlich ergangenen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Das Verfahren zur Zl. 96/19/0819 endete mit Beschluss vom 21. August 1998. Damit wurde die Beschwerde als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt. In der Begründung hiezu heißt es, die Beschwerde sei am 1. Jänner 1998 anhängig gewesen; gemäß § 113 Abs. 6 und 7 StrG sei der angefochtene Bescheid am 1. Jänner 1998 außer Kraft getreten. Die Beschwerdeführerin wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. Februar 1996 ausgewiesen und musste am 24. Mai 1996 das Bundesgebiet verlassen.

Im November 1999 konnte die Beschwerdeführerin mit einem Reisevisum (§ 6 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997) wiederum in das Bundesgebiet einreisen. Danach wurde ihr zunächst eine Niederlassungsbewilligung vom 20. Dezember 1999 bis 20. Juni 2000 und im Anschluss daran eine solche für jeglichen Aufenthaltszweck für die Dauer vom 26. Juli 2000 bis 26. Juli 2001 erteilt.

Die Beschwerdeführerin stellte am 28. Februar 2000 den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld.

Mit Bescheid vom 7. März 2000 gab die angerufene - zuständige - regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice dem Antrag vom 28. Februar 2000 auf Gewährung von Arbeitslosengeld mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt keine Folge.

Die Beschwerdeführerin erhob die mit 21. März 2000 datierte Berufung. Darin führte sie aus, auf Grund des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. August 1998, 96/19/0819, sei das Verfahren auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung in die erste Instanz "zurückgefallen". Der seinerzeit gestellte Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung sei damit gemäß § 31 Abs. 4 FrG 1997 als solcher auf Ausstellung eines weiteren Aufenthaltstitels zu beurteilen. Durch die in der Folge erteilte Niederlassungsbewilligung werde die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthaltes auch für jene Zeiten, während derer sie sich auf Grund der rechtswidrigen Ausweisung nicht habe in Österreich aufhalten können, bestätigt. Dass sie vorübergehend dem Arbeitsmarkt nicht angehört habe, sei ausschließlich darauf zurückzuführen, dass ihr von den Aufenthaltsbehörden die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung rechtswidrigerweise versagt worden sei. Diese Umstände seien jedoch vom Arbeitsmarktservice nicht zu berücksichtigen (Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1999, B 1045/98).

Die belangte Behörde gab mit Bescheid vom 28. September 2000 der Berufung keine Folge. Sie vertrat im Wesentlichen die Auffassung, zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Arbeitslosengeldes am 28. Februar 2000 sei die Beschwerdeführerin dem Arbeitsmarkt gemäß § 7 Abs. 3 Z. 3 AlVG i.V.m. § 34 Abs. 3 Z. 2 FrG 1997 nicht zur Verfügung gestanden, weil sie sich seit Erteilung der Niederlassungsbewilligung am 12. Dezember 1999 noch nicht ein Jahr im Bundesgebiet aufgehalten habe.

Auf Grund der von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde dieser mit Erkenntnis vom 30. Mai 2001, 2001/08/0029, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat die Auffassung, der im § 7 Abs. 3 Z. 3 AlVG genannte Tatbestand des § 34 Abs. 3 Z. 2 FrG 1997 sei nicht erfüllt.

Mit (Ersatz-)Bescheid vom 27. Juli 2001 sprach die belangte Behörde neuerlich über die Berufung der Beschwerdeführerin vom 21. März 2000 gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste vom 7. März 2000 ab. Sie gab der Berufung Folge und behob den bekämpften Bescheid; im Spruch wurde weiters ausgeführt, das Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste werde den Antrag unter Zugrundlegung von Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt neuerlich in Behandlung zu nehmen haben, bei Zutreffen der sonstigen gesetzlich geforderten Voraussetzungen werde die Nachzahlung der der Beschwerdeführerin gebührenden Leistung bewilligt.

Das Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste gab daraufhin mit Bescheid vom 6. August 2001 dem Antrag auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom 28. Februar 2000 gemäß § 7 Abs. 1 Z. 2 i. V.m. § 14 AlVG mangels Erfüllung der Anwartschaft keine Folge. In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, die Beschwerdeführerin könne "in der gesetzlichen Rahmenfrist keine Tage arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung bzw. anwartschaftsbegründende Zeiten nachweisen".

Die Beschwerdeführerin erhob eine mit 23. August 2001 datierte Berufung. Darin führte sie aus, sie habe noch nie Arbeitslosengeld bezogen. Die Prüfung der Anwartschaft sei daher nach § 14 Abs. 1 AlVG vorzunehmen. Die Beschwerdeführerin sei an der Antragstellung durch die dargestellten "fremdenrechtlichen Mechanismen" gehindert worden. Nach § 15 Abs. 1 Z. 9 AlVG verlängere sich die Rahmenfrist um höchstens drei Jahre um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland auf behördliche Anordnung angehalten worden sei. Diese Regelung nehme auch sie für sich in Anspruch: Wenn schon ein Straftäter, der auf Grund einer vorsätzlich oder fahrlässig begangenen Straftat die Inanspruchnahme vom Arbeitslosengeld verhindere, in den Genuss einer verlängerten Rahmenfrist komme, müsste dies umso mehr für einen auf Grund der dargestellten fremdenrechtlichen Umstände schuldlos an der Antragstellung gehinderten Ausländer gelten. Der auf Grund der fremdenrechtlichen Vorgangsweise aus dem Gesellschaftsleben und der Bewegungsfreiheit in Österreich ausgeschlossene Ausländer, wie die Beschwerdeführerin, sei einer in seiner Bewegungsfreiheit auf Grund der Strafhaft in Österreich behördlich angehaltenen Person hinsichtlich seiner tatsächlichen Situation - der Hinderung der Antragstellung - absolut gleichzuhalten. Die Verhinderung der Antragstellung für Ausländer auf Grund des Fremdenrechtes sei eine ausschließlich gegen Menschen ausländischer Staatsbürgerschaft gerichtete Maßnahme und verwirkliche damit einen Verstoß gegen Art. 14 MRK, weil die Ausländer ihres versicherungsrechtlichen Anspruches, der den Schutz nach dem ersten Zusatzprotokoll zur MRK genieße, beraubt würden. Zur Vermeidung dieser MRK-Widrigkeit sei diese Gesetzesinterpretation zwingend. Auf die in der zitierten Gesetzesstelle angegebene Frist von 3 Jahren könne es auch nicht ankommen, weil dies die gleichen MRK-widrigen Konsequenzen zeitigen würde. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die aufgezeigte Diskriminierung von Ausländern eine Bereicherung der Republik Österreich auf Kosten von Ausländern, die Leistungen an die Arbeitslosenversicherung erbringen, diese aber nicht "herausbekommen können", bedeuten würde.

Eine weitere Rahmenfristerstreckung sehe § 15 Abs. 3 Z. 2 AlVG vor, wenn der Arbeitslose eine der im Abs. 1 angeführten vergleichbaren Leistungen wegen Arbeitslosigkeit oder Kindererziehung bezogen habe, soweit mit dem betreffenden Staat eine zwischenstaatliche Regelung über die Arbeitslosenversicherung getroffen oder dies in internationalen Verträgen festgelegt worden sei. Da mit dem Heimatstaat der Beschwerdeführerin, die jugoslawische Staatsangehörige sei, kein derartiges Übereinkommen bestehe, sei dieser Tatbestand nicht erfüllt. Die jugoslawischen Staatsangehörigen seien damit aber gegenüber anderen Drittstaatsangehörigen diskriminiert.

Hätte die Beschwerdeführerin auch nur einen Tag Arbeitslosengeld bezogen, wäre die Regelung des § 19 Abs. 1 AlVG zum Tragen gekommen. In unsachlicher Weise und aus nicht nachvollziehbaren Gründen würden Menschen, die nie Arbeitslosengeld bezogen haben, gegenüber solchen, die auch nur einen Tag Arbeitslosengeld bezogen haben, diskriminiert.

Wenn die Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, werde sie naturgemäß auch des Anspruches auf Notstandshilfe beraubt.

Die Beschwerdeführerin habe eine Einstellungszusage des früheren Arbeitgebers, welcher auch um eine Beschäftigungsbewilligung angesucht habe. Dieser Antrag sei daran gescheitert, dass die Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe. Hätte sie einen Anspruch, hätte der Dienstgeber sofort eine Beschäftigungsbewilligung erhalten. Die Beschwerdeführerin benötige daher den Anspruch auf Arbeitslosengeld lediglich für einen einzigen Tag, damit zu ihren Gunsten eine Beschäftigungsbewilligung erteilt werden könne.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Begründung zitierte die belangte Behörde zunächst die anzuwendenden Gesetzesstellen und stellte den Verfahrensgang dar. Sodann verwies sie zu dem Berufungsvorbringen, die Beschwerdeführerin sei durch ein rechtswidriges Verhalten der Aufenthaltsbehörden an der Antragstellung auf Gewährung von Arbeitslosengeld gehindert gewesen, auf das die Beschwerdeführerin betreffende hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2000, 2000/08/0120, wonach in diesem Falle ein rechtswidriges Verhalten der Aufenthaltsbehörden nicht vorliege. Die Beschwerdeführerin habe bisher noch nie Arbeitslosengeld bezogen. Sie habe ihren Anspruch darauf am 28. Februar 2000 geltend gemacht. In der gesetzlichen Rahmenfrist vom 28. Februar 1998 bis 28. Februar 2000 liege kein Tag arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung vor, noch andere Zeiten, die gemäß § 14 Abs. 4 AlVG auf die Anwartschaft anzurechnen wären.

Nach dem beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger gespeicherten Daten habe das letzte Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin in Österreich am 30. September 1996 geendet. Seit diesem Zeitpunkt lägen keine Versicherungszeiten in Österreich vor. Über Beschäftigungen im Ausland habe die Beschwerdeführerin keine Angaben gemacht.

Der Beobachtungszeitraum, in dem die Anwartschaft erfüllt werden müsse, könne bei Vorliegen bestimmter, im Gesetz taxativ aufgezählter Tatbestände um maximal drei Jahre, das wäre im Beschwerdefall bis maximal 28. Februar 1995, erstreckt werden. Solche Gründe lägen aber nicht vor. Die Bezugnahme der Beschwerdeführerin auf den Rahmenfristerstreckungsgrund gemäß § 15 Abs. 1 Z. 9 AlVG gehe insofern fehl, weil diese Bestimmung ausdrücklich von einer behördlichen Anhaltung des Arbeitslosen im Inland als Voraussetzung für das Vorliegen eines Rahmenfristerstreckungsgrundes spreche.

Da die Beschwerdeführerin innerhalb der Rahmenfrist keine auf die Anwartschaft anrechenbare arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung nachweisen könne und auch keine Tatbestände vorliegen, die eine Rahmenfristerstreckung bewirken, sei der Antrag abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Gewährung von Arbeitslosengeld verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes wiederholt sie im Wesentlichen ihr Berufungsvorbringen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit die Beschwerdeführerin die Regelungen über den Fortbezug des Arbeitslosengeldes gemäß § 19 AlVG und einen allfälligen Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 33 AlVG anspricht, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin noch nie Arbeitslosengeld bezogen hat. Ist aber davon auszugehen, kommt bereits begrifflich ein Fortbezug des Arbeitslosengeldes bzw. die im § 33 AlVG geforderte Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld nicht in Frage.

Aber auch die Berufung der Beschwerdeführerin auf den Rahmenfristerstreckungsgrund des § 15 Abs. 1 Z. 9 AlVG (Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland auf behördliche Anordnung angehalten worden ist) ist, wie bereits die belangte Behörde dargestellt hat, verfehlt. Diese Regelung normiert eindeutig, dass sich die Rahmenfristen um Zeiträume einer Anhaltung im Inland verlängern. Dies lässt keine Auslegung dahingehend zu, dass der Gesetzgeber bei dieser Bestimmung auch einen Aufenthalt außerhalb des Bundesgebietes im Auge gehabt hätte (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 26. September 1989, 88/08/0163, betreffend eines Aufenthaltes außerhalb des Bundesgebietes auf Grund eines Aufenthaltsverbotes und vom 16. September 1997, 94/08/0140, betreffend eine Strafhaft im Ausland).

Die belangte Behörde hat aber Folgendes übersehen:

Die Beschwerdeführerin stellte bereits am 21. Jänner 2000 den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 7. Februar 2000 gab die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice diesem Antrag mangels Erfüllung der Anwartschaft keine Folge. In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, die Beschwerdeführerin könne in der gesetzlichen Rahmenfrist keinen einzigen Tag arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung bzw. anwartschaftsbegründender Zeiten nachweisen.

In der Berufung vom 17. Februar 2000 führte die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf den dargestellten unstrittigen Sachverhalt aus, dass sie vorübergehend dem Arbeitsmarkt nicht angehört habe, sei ausschließlich darauf zurückzuführen, dass ihr von den Aufenthaltsbehörden die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung rechtswidrigerweise versagt worden sei. Diese Umstände seien jedoch vom Arbeitsmarktservice nicht zu berücksichtigen. Das Arbeitsmarktservice dürfe daher das Fehlen einer Beschäftigung für den Zeitraum der rechtswidrigen Versagung einer Aufenthaltsbewilligung bis zur möglichen Rückkehr nicht zum Anlass für eine Verneinung des Anspruches auf Arbeitslosengeld heranziehen.

Mit Bescheid vom 18. April 2000 gab die belangte Behörde dieser Berufung keine Folge. In der Begründung führte die belangte Behörde damals aus, laut Versicherungsdatei des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger habe das letzte Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin in Österreich vom 30. September 1996 geendet. Seit diesem Zeitpunkt lägen keine Versicherungszeiten in Österreich vor. Die Beschwerdeführerin sei ihren Angaben zufolge auch im Ausland keiner Beschäftigung nachgegangen. Die Anwartschaft für den Anspruch auf Arbeitslosengeld werde dann erfüllt, wenn die Beschwerdeführerin innerhalb von 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches 52 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung nachgegangen wäre. In diesem Zeitraum vom 21. Jänner 1998 bis 21. Jänner 2000 lägen jedoch keine auf die Anwartschaft anrechenbaren arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungen vor. Gründe, die zu einer Erstreckung dieser Rahmenfrist führen könnten, seien von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht worden und auch nicht auf Grund der Aktenlage zu ersehen.

Der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab 21. Jänner 2000 wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. April 2000 rechtskräftig verneint. Bei der Zuerkennung von Arbeitslosengeld handelt es sich um einen zeitraumbezogenen Abspruch. Legt die Behörde in einem solchen Fall den Endpunkt des Zeitraumes, über welchen sie abspricht, in ihrem Bescheid nicht fest, so ist von dem Bescheid im Allgemeinen jedenfalls der gesamte Zeitraum bis zur Erlassung des Bescheides (gemäß § 66 Abs. 4 AVG bis zur Erlassung des Berufungsbescheides) umfasst (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 2000, 99/03/0085, 0087).

Es ist daher zu prüfen, ob der Abspruch über den Zeitraum vom 28. Februar bis 20. April 2000 mit Bescheid vom 20. November 2001 insoweit gegen § 68 Abs. 1 AVG verstoßen hat, als damit über den Zeitraum vom 28. Februar bis 20. April 2000 neuerlich entschieden worden ist.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG ist ein Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 (die hier nicht vorliegen) die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet (was hier ebenfalls nicht der Fall ist). Ansuchen, die offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, sind auch dann, wenn das Begehren nicht ausdrücklich dahin lautet, wegen "res judicata" zurückzuweisen. Die Rechtskraft eines Bescheides erfasst jedoch nicht einen Sachverhalt, der sich nach Erlassung des Bescheides geändert hat, es sei denn, dass sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid abgewiesenen Begehren nur dadurch unterscheidet, dass es in für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unwesentlichen Nebenumständen modifiziert worden ist. Die Wesentlichkeit einer Sachverhaltsänderung ist dabei nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen rechtskräftigen Entscheidung erfahren hat. Die für die Beachtung der Rechtskraft im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG maßgebende Identität der Sache liegt auch dann vor, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid bereits abgewiesenen nur dadurch unterscheidet, dass eine bisher von der Partei nicht ins Treffen geführte Rechtsfrage aufgegriffen wird oder die Behörde in dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1994, 92/06/0270, m.w.N.).

Bereits im Bescheid der belangten Behörde vom 18. April 2000 wurde festgehalten, dass die Beschwerdeführerin die Anwartschaft nicht erfüllt und Gründe, die zu einer Erstreckung der Rahmenfrist führen könnten, von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht worden seien und solche auch nicht auf Grund der Aktenlage gegeben seien. In dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wird wiederum die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 AlVG und das Vorliegen von Rahmenfristerstreckungsgründen ausgehend vom identen Sachverhalt einer rechtlichen Beurteilung unterzogen. Eine Änderung der dem Bescheid vom 18. April 2000 zu Grunde liegenden Sach- und Rechtslage wird nicht behauptet und liegt nicht vor. In Anbetracht der entschiedenen Sache war die belangte Behörde nicht berechtigt, neuerlich meritorisch zu entscheiden. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie insoweit ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er diesbezüglich gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben war; im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 7. August 2002

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltMaßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der RechtskraftZurückweisung wegen entschiedener SacheRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002080120.X00

Im RIS seit

29.11.2002

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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