TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/3 2001/09/0021

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Veröffentlicht am 03.09.2002
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Index

L24003 Gemeindebedienstete Niederösterreich;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §118 impl;
GdBDO NÖ 1976 §140;
GdBDO NÖ 1976 §147 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des Prim. Dr. X in Y, vertreten durch Dr. Wolfgang Graziani-Weiss, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Kroatengasse 7, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Gemeindebeamte beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 24. Januar 2001, Zl. IVW3-ALLG-4000201/001-00, betreffend Einstellung eines Disziplinarverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Y.

Mit Schreiben des Bürgermeisters der Stadt Y vom 16. April 1998 an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission beim Magistrat der Stadt Y wurde ein Antrag an den Gemeinderat auf Abberufung des Beschwerdeführers in seiner Funktion als Leiter des Institutes für Labordiagnostik am Allgemeinen öffentlichen Krankenhaus Y unter Anschluss einer Ablichtung eines Aktenkonvolutes der kaufmännischen Direktion dieses Krankenhauses vom 3. April 1998 "zur disziplinarrechtlichen Beurteilung" übermittelt. Nach Durchführung von Erhebungen wurde von der Disziplinarkommission am 15. Oktober 1998 der Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss gefasst, in welchem dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt wurde:

1. Umgehung des Dienstweges im Zuge einer Anzeigeerstattung an die Staatsanwaltschaft Y zum Nachteil der leitenden MTA-M.R. wegen Urkundenfälschung, wobei sich nach Erhebung des Sachverhaltes ergeben habe, dass die Vorwürfe unzutreffend gewesen seien und das gerichtliche Verfahren eingestellt werden müssen;

2. schikanöses Verhalten als Vorgesetzter gegenüber namentlich genannten Laborbediensteten;

3. unerlaubtes "Mobbing" gegenüber den im Labor tätigen medizinisch-technischen Fachkräften und

4. wiederholte Abwesenheit vom Arbeitsplatz während der Dienstzeit.

a)

widerrechtliche Aneignung von Aktenteilen, und

b)

Benützung des anstaltseigenen Kopiergerätes ohne dafür das vorgesehene Entgelt entrichtet zu haben,

ausgedehnt wurde.

Von den übrigen Anschuldigungen (laut Einleitungsbeschluss vom 15. Oktober 1998) wurde der Beschwerdeführer infolge bereits eingetretener Verjährung frei gesprochen.

Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob lediglich der Beschwerdeführer Berufung (sodass der erfolgte Freispruch in Rechtskraft erwuchs). Mangels fristgerechter Entscheidung durch die belangte Behörde wandte er sich mit der zur hg. Zl. 2000/09/0129 protokollierten Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers Folge gegeben, wobei der Spruch des angefochtenen Bescheides wie folgt lautet:

"Der Berufung wird Folge gegeben, das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Magistrat der Stadt ... vom 25. November 1999 wird aufgehoben und das Disziplinarverfahren eingestellt."

Im Hinblick auf die Erlassung des angefochtenen Bescheides wurde das Säumnisbeschwerdeverfahren mit hg. Beschluss vom 21. Februar 2001 eingestellt.

Nach Darlegung der Rechtslage führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, den vorgelegten Aktenunterlagen sei zu entnehmen, dass die Disziplinarkommission den Verhandlungsbeschluss um weitere zwei Punkte ausgedehnt habe und gegen den Beschwerdeführer auf Grund eines dieser Punkte eine Disziplinarstrafe verhängt habe, obwohl diesem Ausdehnungsbeschluss eine Disziplinaranzeige des Bürgermeisters im Sinn des § 132 Abs. 1 GBDO nicht zugrunde gelegen sei. Nach dieser Bestimmung habe der Bürgermeister auf Grund der Disziplinaranzeige oder des Berichtes des leitenden Gemeindebediensteten über den Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung entweder eine Disziplinarverfügung zu erlassen oder die Disziplinaranzeige an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission und an den Disziplinaranwalt weiterzuleiten. Der Bürgermeister könne aber auch von der Disziplinaranzeige absehen, wenn nach Ansicht des leitenden Gemeindebediensteten eine Belehrung ausreiche. Die Entscheidung, ob auf Grund des Vorliegens neuer Umstände eine Belehrung oder Ermahnung ausreiche, eine Disziplinarverfügung zu erlassen sei, oder die Disziplinaranzeige an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission weiter geleitet werde, liege jedenfalls beim Bürgermeister. Die Disziplinarbehörde könne nur auf Grund einer Disziplinaranzeige tätig werden und nicht von Amts wegen. Dem Bürgermeister sei durch die Vorgangsweise der Disziplinarkommission das Entscheidungsrecht genommen worden, allenfalls eine Disziplinarverfügung zu erlassen oder wenn überhaupt, von einer Disziplinarstrafe abzusehen. Dem Vorsitzenden der Disziplinarkommission komme diese Kompetenz jedenfalls nicht zu. Richtigerweise hätte der Vorsitzende bei Auftauchen eines entsprechenden Verdachtes den Bürgermeister über nachträglich bekannt gewordene Pflichtverletzungen informieren müssen und nicht vorzeitig die Disziplinarkommission mit einer Ausdehnung ohne Vorliegen eines Disziplinaranzeige befassen dürfen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer begründet zunächst die Behauptung der Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde damit, dass die belangte Behörde nach Ablauf der nach Einbringung einer Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof von diesem gesetzten Frist zur Nachholung des versäumten Bescheides (Fristende: 14. Dezember 2000) zur Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 24. Jänner 2001 sachlich nicht mehr zuständig gewesen sei.

Zwar zieht die bloße Einbringung einer Säumnisbeschwerde nach Art. 132 B-VG noch nicht den Übergang der Zuständigkeit der säumigen Verwaltungsbehörde an den Verwaltungsgerichtshof nach sich, doch tritt dieser mit ungenütztem Ablauf der Frist zur Nachholung des versäumten Bescheides nach § 36 Abs. 2 VwGG ein. Das bedeutet, dass die belangte Behörde am 25. Jänner 2001 nach Einbringung der Säumnisbeschwerde und Verstreichen der ihr vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten dreimonatigen Frist zur Nachholung des versäumten Bescheides zu dessen Erlassung (mit erfolgter Zustellung am 25. Januar 2002) nicht mehr zuständig gewesen ist (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 1985, Zl. 85/02/0032, und vom 3. Oktober 1991, Zl. 88/07/0035). Bereits aus diesem Grunde war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Der angefochtene Bescheid leidet aber - wie die Beschwerde zutreffend geltend macht - noch an weiteren inhaltlichen Rechtswidrigkeiten:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf nämlich die Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 140 der Niederösterreichischen Gemeindebeamtendienstordnung 1976 - NÖGbO nach der Erlassung eines Verhandlungsbeschlusses im Sinne des § 147 Abs. 2 leg. cit. nicht mehr erfolgen (vgl. etwa die zur vergleichbaren Bestimmung des § 118 BDG ergangenen hg. Erkenntnisse vom 18. Oktober 1989, Zl. 89/09/0023, und vom 18. Februar 1993, Zl. 92/09/0285, und vom 18. Februar 1998, Zl. 95/09/0112).

Es trifft ferner zu, dass durch den oben wiedergegebenen Wortlaut des Spruches des angefochtenen Bescheides in die bereits eingetretene Teilrechtskraft hinsichtlich jener Vorwürfe gegen den Beschwerdeführer eingegriffen wurde, die durch Freispruch im erstinstanzlichen Verfahren endeten und unbekämpft blieben.

Bei der gegebene Sach- und Rechtslage muss auf die in der Beschwerde des Weiteren angesprochene Problematik, inwieweit eine Ausdehnung des Verfahrensgegenstandes ohne förmliche Anzeigeerstattung durch den Bürgermeister und gesonderten Einleitungsbeschluss zulässig gewesen sei, nicht mehr eingegangen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 3. September 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001090021.X00

Im RIS seit

22.10.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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