TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/16 99/18/0124

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Veröffentlicht am 16.09.2002
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §35 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des H in Wien, geboren 1962, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. März 1999, Zl. SD 35/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 9. März 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 9 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die zutreffenden Sachverhaltsfeststellungen im Bescheid der Erstbehörde (der Bundespolizeidirektion Wien) vom 1. Dezember 1998 zum Inhalt ihres Berufungsbescheides erhoben würden. In ihrem Bescheid hatte die Erstbehörde u.a. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1990 mit dem erforderlichen Sichtvermerk nach Österreich eingereist sei und in weiterer Folge Sichtvermerke bis zum 26. Juni 1993 erteilt erhalten habe. Auch seien ihm Aufenthaltsbewilligungen von der Magistratsabteilung 62 (Magistrat der Stadt Wien) erteilt worden, wovon die letzte bis zum 31. Oktober 1995 gültig gewesen sei. Über den dritten Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung (der Aufenthaltsbewilligung) sei mit Bescheid vom 15. Jänner 1997 negativ entschieden worden. Er habe am 30. März 1995 die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin B. geschlossen. Auf Grund dieser Eheschließung sei ihm ein Befreiungsschein ausgestellt worden und habe er freien Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Seine österreichische Ehegattin sei am 23. September 1996 bei der Magistratsabteilung 62 niederschriftlich vernommen worden, und es habe ermittelt werden können, dass die Ehe gegen Bezahlung von S 40.000,-- geschlossen worden sei. Des Weiteren sei ersichtlich, dass nie beabsichtigt gewesen sei, eine eheliche Lebensgemeinschaft einzugehen. Es habe zwar eine gemeinsame polizeiliche Meldung gegeben, aber nie ein gemeinsamer Wohnsitz bestanden und sei die Ehe nie vollzogen worden. Eine aufrechte Ehegemeinschaft habe somit nie bestanden und sei auch nicht beabsichtigt gewesen. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Hernals sei die Ehe am 13. Mai 1998 rechtskräftig für nichtig erklärt worden. Der Beschwerdeführer sei aufrecht bei der Firma Mc Donald's beschäftigt und habe in Österreich keine Angehörigen.

Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels bzw. eines Befreiungsscheines (im Antrag vom 27. September 1995) auf die Ehe berufen habe, aber mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und überdies für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet habe, der in § 36 Abs. 2 Z 9 FrG normierte Tatbestand verwirklicht sei. Diese solcherart bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung sei von einem solchen Gewicht, dass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. - auch im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. als gerechtfertigt erweise. Die Ansicht des Beschwerdeführers, dass das Eingehen einer Scheinehe auf Grund des mittlerweile verstrichenen Zeitraumes nicht mehr pönalisiert wäre, sei nicht zielführend. Zum einen stelle die gegenständliche Maßnahme keine Bestrafung dar und zum anderen sei ein Zeitraum von etwa 3 1/2 Jahren keinesfalls ausreichend, um von einem Wegfall der Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung - selbst bei völligem Wohlverhalten - zum gegenwärtigen Zeitpunkt auszugehen. Auch sei - entgegen dem Vorbringen - nicht die Aufnahme einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit Grundlage des Aufenthaltsverbotes, sondern die Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer am 27. September 1995 für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Scheinehe berufen habe.

Der Beschwerdeführer sei ledig und für niemanden sorgepflichtig. Familiäre Beziehungen zum Bundesgebiet bestünden nicht. Auf Grund des bereits mehrjährigen Inlandaufenthaltes sei zwar von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen gewesen, dieser Eingriff sei jedoch zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, somit zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, dringend geboten. Wer nämlich, wie der Beschwerdeführer, grob missbräuchlich nur zu dem Zweck vorgehe, sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig erscheinen ließen.

Bei der gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen. Gleichzeitig sei jedoch zu berücksichtigen gewesen, dass ein beträchtlicher Teil dieses Aufenthaltes nur durch das beschriebene rechtsmissbräuchliche Verhalten ermöglicht worden sei. Diesen insgesamt sohin keineswegs besonders ausgeprägten privaten Interessen des Beschwerdeführers sei das hoch zu veranschlagende maßgebliche öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenübergestanden. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als das in seinem Fehlverhalten begründete öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet. Das Aufenthaltsverbot erweise sich daher auch im Sinn des § 37 Abs. 2 leg. cit. als zulässig.

Ein Sachverhalt gemäß § 38 leg. cit. sei nicht gegeben gewesen.

Da sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, habe die belangte Behörde angesichts des zu Grunde liegenden Sachverhaltes von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine die vorgenommene Befristung gerechtfertigt. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 und 2 umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist.

Nach § 36 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet hat.

2.1. Die Beschwerde bringt im Rahmen ihrer Sachverhaltsdarstellung - ohne weitere Konkretisierung - zwar vor, das Verfahren habe sich auf die "vermeintliche" Scheinehe des Beschwerdeführers gestützt, sie bestreitet jedoch nicht die - zum Teil unter Verweisung auf den erstinstanzlichen Bescheid - getroffenen Feststellungen der belangten Behörde, dass die Ehe des Beschwerdeführers mit der österreichischen Staatsbürgerin B. am 30. März 1995 gegen Bezahlung von S 40.000,-- geschlossen wurde, nie beabsichtigt war, eine eheliche Lebensgemeinschaft einzugehen, diese ebenso wie ein gemeinsamer Wohnsitz nie bestand und die Ehe auch nicht vollzogen wurde. Ferner lässt die Beschwerde auch nicht erkennen, inwieweit die weiteren Feststellungen der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 27. September 1995 auf die mit B. geschlossene Ehe berufen, mit seiner Ehegattin jedoch nie ein gemeinsames Familienleben geführt habe, unrichtig seien.

Auf dem Boden dieses von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes begegnet deren - unbekämpfte - Auffassung, dass der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG verwirklicht habe, keinem Einwand.

2.2. Angesichts des hohen Stellenwertes, der der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zukommt (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 24. Mai 2002, Zl. 2002/18/0076, mwN), kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde die Annahme gemäß § 36 Abs. 1 FrG für gerechtfertigt erachtet hat.

3.1. Weiters bringt die Beschwerde vor, dass sich der Beschwerdeführer, der die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin am 30. März 1995 geschlossen habe, seit Juli 1990 ununterbrochen im Bundesgebiet aufhalte und der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Sachverhalt erst nach mehr als acht Jahren Aufenthalt eingetreten sei. Er habe im Bundesgebiet ein Viertel seines Lebens verbracht und seinen wirtschaftlichen Lebensmittelpunkt und seine "stärkste Bindung" in Österreich.

3.2. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

3.2.1. Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 oder 2 FrG wegen des maßgeblichen Sachverhaltes unzulässig wäre. Nach § 35 Abs. 2 FrG dürfen Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, nur mehr ausgewiesen (bzw. mit einem Aufenthaltsverbot belegt) werden, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde.

Der in dieser Gesetzesbestimmung angeführte Zeitpunkt "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" ist ab dem tatsächlichen Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände, sohin im vorliegenden Fall dem Eingehen der Ehe am 30. März 1995, zu berechnen (vgl. nochmals das vorzitierte Erkenntnis Zl. 2002/18/0076, mwN). Zu diesem Zeitpunkt war der unbestritten erst seit dem Jahr 1990 in Österreich aufhältige Beschwerdeführer noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen, weshalb § 35 Abs. 2 FrG dem vorliegenden Aufenthaltsverbot nicht entgegensteht.

3.2.2. Im Übrigen bestreitet die Beschwerde nicht die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen, dass der Beschwerdeführer ledig und für niemanden sorgepflichtig sei und in Österreich keine Angehörigen habe. Die belangte Behörde hat im Rahmen ihrer Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG dem Beschwerdeführer die Dauer seines inländischen Aufenthaltes zugute gehalten und deswegen einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben angenommen. Die daraus ableitbaren privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet werden - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - in ihrem Gewicht jedoch dadurch gemindert, dass ein beträchtlicher Teil dieser Aufenthaltsdauer nur durch sein rechtsmissbräuchliches Verhalten ermöglicht wurde.

Diesen privaten Interessen steht gegenüber, dass der Beschwerdeführer durch die missbräuchliche Eingehung der Ehe das maßgebliche öffentliche Interesse an der Wahrung der Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK erheblich beeinträchtigt hat. Von daher kann die Ansicht der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Ferner kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertreten hat, dass in Anbetracht des aufgezeigten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Ablauf von fünf Jahren erwartet werden könne.

5. Schließlich kann - entgegen der Beschwerdemeinung - auch keine Rede davon sein, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid in Bezug auf die Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG und die Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes nicht ausreichend begründet habe.

6. Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 17. September 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999180124.X00

Im RIS seit

20.01.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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