TE Vfgh Erkenntnis 1999/10/2 V26/99, V34/99, V38/99, V39/99

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Veröffentlicht am 02.10.1999
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art18 Abs2
RAO §37
RL-BA 1993 §9a
RAO §21a

Leitsatz

Aufhebung einer Bestimmung der Richtlinie über die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter betreffend die Verpflichtung zum Abschluss einer Krankenversicherung mangels gesetzlicher Grundlage

Spruch

I. §9a der Richtlinie für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter, kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 24. Oktober 1993, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Der Bundesminister für Justiz ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. §4 Abs4 Z1 EStG 1988, in der Fassung des ArtI Z3a des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. 818, (im Folgenden als "SteuerreformG" bezeichnet), lautet wie folgt:

"Betriebsausgaben sind die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Betriebsausgaben sind jedenfalls:

1. a) Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sowie

b) Pflichtbeiträge zu Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen, soweit diese Einrichtungen der Kranken-, Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung dienen, weiters Beiträge zu einer inländischen gesetzlichen Krankenversicherung. Beiträge zu Einrichtungen, die der Krankenversorgung dienen, sowie Beiträge zu inländischen gesetzlichen Krankenversicherungen sind nur insoweit abzugsfähig, als sie der Höhe nach insgesamt Pflichtbeiträgen in der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen."

Gemäß ArtI Z65 SteuerreformG ist diese Bestimmung erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1994 anzuwenden.

2.1. In der bis zum Inkrafttreten des ArtI Z3a des SteuerreformG geltenden Stammfassung lautete §4 Abs4 Z1 EStG 1988 wie folgt:

"Betriebsausgaben sind die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Betriebsausgaben sind jedenfalls:

1. a) Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sowie

b) Pflichtbeiträge zu Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der

selbständig Erwerbstätigen, soweit diese Einrichtungen der Kranken-, Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung dienen."

2.2.1. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des SteuerreformG, 1237 BlgNR 18. GP, 52, (derzufolge eine Ergänzung des §4 Abs4 Z1 EStG 1988, id. Stammfassung, bloß in dem Sinne vorgesehen war, dass

"Beiträge zu Einrichtungen, die der Krankenversorgung dienen, ... nur insoweit abzugsfähig (sind), als sie der Höhe nach den Pflichtbeiträgen der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen")

wird in diesem Zusammenhang Folgendes ausgeführt:

"Pflichtbeiträge zu Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen für Krankenversicherung und Krankenvorsorge sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als sie der Höhe und dem Leistungsanspruch nach Pflichtversicherungsbeiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Höhere Beiträge, die zur Abdeckung höherer Leistungen (zB Kosten für Klassegebühren) anfallen, sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Die Abdeckung dieser Leistungen fällt nicht in den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern in den Bereich einer privaten Krankenzusatzversicherung. Die entsprechenden Beiträge sind daher gemäß §18 Abs1 Z2 als Sonderausgabe zu berücksichtigen. Damit erfolgt eine Gleichstellung zum Werbungskostenabzug gemäß §16 Abs1 Z4 lita."

2.2.2. Im Bericht des Finanzausschusses zu dieser Regierungsvorlage, 1301 BlgNR 18. GP, 3, (der - über die Regierungsvorlage hinaus - die Ergänzung des §4 Abs4 Z1 litb EStG 1988 iS der oben unter Pkt. 1. wiedergegebenen Fassung vorsieht) ist dazu Folgendes festgehalten:

"Die vorgenommene Ergänzung bewirkt, daß Steuerpflichtige, die keiner gesetzlichen Pflichtversicherung in der Krankenversicherung unterliegen, freiwillige Beiträge zu einer gesetzlichen Krankenversicherung bis zur vergleichbaren Höhe einer Pflichtversicherung als Betriebsausgaben (Werbungskosten) absetzen können. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, daß dieser Personenkreis zwar keinem rechtlichen, wohl aber einem wirtschaftlichen Zwang zu derartigen Beitragsleistungen unterliegt."

2.3. §18 EStG 1988, lautet - auszugsweise - wie folgt:

"Sonderausgaben

§18. (1) Folgende Ausgaben sind bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind:

...

2. Beiträge und Versicherungsprämien zu einer

- freiwilligen Kranken-, Unfall- oder Pensionsversicherung

..."

Der Abzug dieser Sonderausgaben ist nach den näheren Bestimmungen des §18 begrenzt.

2.4. §16 Abs1 ASVG lautet:

"Selbstversicherung in der Krankenversicherung

§16. (1) Personen, die nicht in einer gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, können sich, solange ihr Wohnsitz im Inland gelegen ist, in der Krankenversicherung selbst versichern.

..."

3. Die Vertreterversammlung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages hat bei ihrer Tagung am 8. und 9. Oktober 1993 ua. die folgende Ergänzung der - als Verordnung zu qualifizierenden (vgl. VfSlg. 9470/1982; s. auch VfSlg. 12752/1991) - Richtlinie für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter (im Folgenden als "Richtlinie für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes" bezeichnet) beschlossen:

"§9a

Der Rechtsanwalt hat für eine angemessene Krankenversicherung Sorge zu tragen, die zumindest dem Leistungsumfang einer gesetzlichen Krankenversicherung entspricht."

II. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B2615/97, B831/98, B849/98 und B991/98 auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerden gegen Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland anhängig. Mit diesen Bescheiden wurde die von den Beschwerdeführern - im Hinblick auf die durch §9a der Richtlinie für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes normierte Verpflichtung zum Abschluss einer Krankenversicherung - begehrte Anerkennung von an private Krankenversicherungsunternehmen geleisteten Beiträgen als Betriebsausgaben versagt. Dies iW mit folgender Begründung: Unter §4 Abs4 Z1 litb EStG fielen ausschließlich Beiträge an die dort genannten Einrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen bzw. an eine inländische gesetzliche Krankenversicherung. An eine private Krankenversicherung geleisteten Beiträgen mangle es dagegen an den gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung als Betriebsausgaben; sie seien daher nur als Sonderausgaben iSd §18 Abs1 Z2 EStG im Rahmen des einheitlichen Höchstbetrages gemäß §18 Abs3 Z2 leg. cit. zu berücksichtigen.

2. In den gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wird die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der bekämpften Bescheide beantragt.

3. Aus Anlass dieser Beschwerden hat der Verfassungsgerichtshof am 1. bzw. 11. März 1999 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des §9a der Richtlinie für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes einzuleiten.

4. In diesen Verfahren hat der Österreichische Rechtsanwaltskammertag als belangte Behörde unter Aktenvorlage gleichlautende Äußerungen erstattet. Der gleichfalls befasste Bundesminister für Justiz hat auf diese Äußerungen verwiesen.

III. Der Verfassungsgerichtshof

hat die Verordnungsprüfungsverfahren in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VerfGG zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden.

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. In den Verfahren ist weder vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen, dass die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes über die Zulässigkeit der Beschwerden und über die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen unzutreffend wären.

Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, sind die Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat in den Beschlüssen über die Einleitung der Verordnungsprüfungsverfahren seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung im Wesentlichen wie folgt begründet:

"Der Verfassungsgerichtshof vermag vorläufig nicht zu erkennen, in welcher Vorschrift die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung ihre im Hinblick auf Art18 Abs2 B-VG verfassungsgesetzlich erforderliche gesetzliche Grundlage finden kann. Auch §37 Z1 der Rechtsanwaltsordnung, wonach der Österreichische Rechtsanwaltskammertag Richtlinien 'zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs' erlassen kann, dürfte dafür nicht in Betracht kommen. Der Verfassungsgerichtshof geht dabei vorläufig davon aus, dass der Begriff der 'Ausübung des Rechtsanwaltsberufs' im vorliegenden normativen Zusammenhang einen Inhalt hat, der aus den allgemeinen gesellschaftlichen Anschauungen und den gefestigten Gewohnheiten des Rechtsanwaltsstandes festgestellt werden kann (s. dazu die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu §9 der Rechtsanwaltsordnung bzw. §2 des Disziplinarstatutes für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, RGBl. 40/1872 - VfSlg. 7494/1975, S. 103, ua.). Ausgehend davon dürfte sich die Schaffung einer (standesrechtlichen) Verpflichtung, 'für eine angemessene Krankenversicherung Sorge zu tragen, die zumindest dem Leistungsumfang einer gesetzlichen Krankenversicherung entspricht', nicht einer gesetzlichen Vorschrift subsumieren lassen, die den österreichischen Rechtsanwaltskammertag ermächtigt, 'Richtlinien ... für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes' zu erlassen."

3. Die verordnungserlassende Behörde, der Österreichische Rechtsanwaltskammertag, führt in ihren in den Verordnungsprüfungserfahren erstatteten Äußerungen im Wesentlichen Folgendes aus:

"Eine inhaltliche Grundlage für die Erlassung dieser Richtlinie kann ausgehend vom Text des §37 RAO lediglich in den Bestimmungen der Ziffer 1 oder/und der Ziffer 2 enthalten sein. Dabei ist vor allem die Bedeutung der Worte 'zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes' zu beleuchten. Wenn man das auch vom Gerichtshof in zahlreichen Entscheidungen als verfassungskonform bestätigte Regelwerk der RL-BA ansieht, so wird ersichtlich, daß in den RL-BA nicht nur die unmittelbare Ausübung des Berufes (eigentliche berufliche Tätigkeit), sondern darüber hinaus auch das für die Ausübung des Berufes erforderliche Umfeld geregelt wird. Dabei wird sowohl das persönliche Verhalten des Rechtsanwaltes, aber auch seine Kanzleigestaltung und zum Teil auch seine Beziehungen zu dritten Personen, soweit sie auf die Berufungsausübung oder auf die Standesehre Bezug haben, geregelt. So betreffen etwa die §§4 (Eingehen einer Verbindlichkeit oder Haftungsübernahme), 5, 24 ff, 42, 44 sowie 45 ff ua. Angelegenheiten, die nicht direkt die Berufsausübung betreffen, sondern das im Zusammenhang mit der Berufungsausübung stehende Umfeld. In einem Teil dieser beispielsweise zitierten Bestimmungen, wie etwa in den §§27 und 44 RL-BA sind auch Regelungen über die Einkommensverwendung (Beteiligung am Gewinn aus der Ausübung der Rechtsanwaltschaft) enthalten. Diese Bestimmungen haben ebenso wie etwa die §§4 und 42 RL-BA geordnete und sichere wirtschaftliche Verhältnisse des Rechtsanwaltes zum Ziel. Derartige sichere wirtschaftliche Verhältnisse sind aber auch wesentliche Voraussetzungen für eine pflichtgemäße Berufsausübung und die Gewähr des Klienten, daß er nur mit derart 'abgesicherten' Rechtsanwälten in Kontakt kommt. Eine gleichartige Schutzbestimmung für den Klienten ist etwa auch die in der RAO selbst vorgesehen Haftpflichtversicherung als Berufsvoraussetzung gemäß §21a RAO.

Nach heutigem, vor allem österreichischen, Allgemeinverständnis (siehe Pflichtversicherung in den Sozialversicherungsgesetzen), gehört aber auch eine Pflichtkrankenversicherung zu den notwendigen Voraussetzungen bzw. Begleitumständen einer jeden Berufsausübung. Diese ist wohl nicht nur sozialpolitisch, sondern auch volkswirtschaftlich zu sehen, da dadurch eine ordnungsgemäße ärztliche Heilbehandlung für alle pflichtversicherten Berufsausübenden unabhängig von ihrer momentanen finanziellen Lage gewährleistet ist (insbesondere auch in den öffentlichen Krankenanstalten). Es ist daher aus Gleichheitsgründen darauf zu achten gewesen, daß auch Rechtsanwälte, für die es bisher keine gesetzliche Krankenpflichtversicherung gab, soweit sie dies nicht ohnedies freiwillig taten, entweder zur Selbst- oder Weiterversicherung in einer gesetzlichen Krankenversicherung oder in einer privaten Krankenversicherung verhalten werden. Diese Verpflichtung wurde den Rechtsanwälten durch die vom Gerichtshof in Prüfung gezogene Richtlinie 9a auferlegt und ist aus denselben Gesichtspunkten, wie die vorher erwähnten Bestimmungen der RL-BA, als Absicherung des für die Berufsausübung des Rechtsanwaltes erforderlichen Umfeldes zu sehen.

Die Richtigkeit dieser Ansicht wurde inzwischen vom Österreichischen Bundesgesetzgeber bestätigt, der im Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997 die bisher nicht erfaßten freien Berufe in die gesetzliche Pflichtversicherung einbezogen hat (§5 GSSG) soferne nicht die entsprechenden Berufsorganisationen unter Berufung auf eine gleichwertige standeseigene Krankenpflichtversicherung aus dieser herausoptieren. Dafür hat der Bundesgesetzgeber in der letzten RAO-Novelle, BGBl-Nr. 71/I vom 7.5.1999 den Rechtsanwaltskammern die rechtliche Möglichkeit der Schaffung einer eigenen Krankenversicherung eröffnet.

Daher vertritt der Österreichische Rechtsanwaltskammertag die Ansicht, daß die Erlassung des §9a RL-BA durch §37 Zif 1 RAO gedeckt war und ist, da eine Krankenversicherung, ebenso wie eine Haftpflichtversicherung für eine ordnungsgemäße Ausübung des Rechtsanwaltsberufes erforderlich ist. Damit erfaßt aber in diesem weiteren Sinn die Bezeichnung 'Richtlinie zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes' auch die Verpflichtung des Anwaltes zum Abschluß bzw. Eindeckung einer entsprechenden Krankenversicherung.

Nicht verhehlt wird auch, daß der Österreichische Rechtsanwaltskammertag bei Erlassung dieser Richtlinie im Sinne des Gleichheitssatzes auch auf die damals geänderte Bestimmung des §4 Abs4 Zif 1 EStG 1988 (in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1993) Bedacht genommen hat und in Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben (§35 Abs3 RAO) zur Wahrung der Rechte der österreichischen Rechtsanwaltschaft darauf Bedacht nehmen mußte. Es erschien und erscheint dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag im Sinne des Art7 B-VG nicht einsichtig, wenn (fast) nur bei Rechtsanwälten, soweit sie nicht Krankenversicherungsbeiträge in eine gesetzliche Krankenversicherung einzahlen, Ausgaben für die erforderliche und für die Berufsausübung notwendige Krankenversicherung nicht als Betriebsausgaben, sondern nur (in den Folgejahren immer weiter eingeschränkt) im Rahmen der Sonderausgaben zu berücksichtigen wären."

4. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zu zerstreuen, dass es der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung an der im Hinblick auf Art18 Abs2 B-VG verfassungsgesetzlich erforderlichen gesetzlichen Grundlage fehle.

Der Hinweis der verordnungserlassenden Behörde, dass auch in anderen Bestimmungen der Richtlinie "nicht nur die unmittelbare Ausübung des Berufes (eigentliche berufliche Tätigkeit), sondern darüber hinaus auch das für die Ausübung des Berufes erforderliche Umfeld" geregelt werde, wozu die Behörde "das persönliche Verhalten des Rechtsanwaltes, aber auch seine Kanzleigestaltung und zum Teil auch seine Beziehungen zu dritten Personen, soweit sie auf die Berufsausübung oder auf die Standesehre Bezug haben," zählt, ist für die Frage, ob die in Prüfung gezogenen Regelungen durch §37 Z1 RAO gedeckt ist, ohne Bedeutung. Auch aus dem Argument, dass §21a RAO - also die gesetzliche Verpflichtung zum Nachweis und zur Aufrechterhaltung einer Haftpflichtversicherung, die anders als die Krankenversicherung sogar in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der "Ausübung des Rechtsanwaltsberufes steht" - eine dem §9a der Richtlinie "gleichartige Schutzbestimmung für den Klienten" treffe, ist für den Standpunkt der verordnungserlassenden Behörde nichts zu gewinnen. Im Übrigen ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass sich eine (standesrechtliche) Verpflichtung, "für eine angemessene Krankenversicherung Sorge zu tragen, die zumindest dem Leistungsumfang einer gesetzlichen Krankenversicherung entspricht", - auch wenn man diese Begriffe in einem weiteren Sinn versteht - weder unter den Tatbestand "der Ausübung des Rechtsanwaltsberufes" iS des §37 Z1 RAO noch - was die verordnungserlassende Behörde ohne nähere Begründung zur Erwägung stellt - unter jenen der "Überwachung der Pflichten des Rechtsanwalts" iS des §37 Z2 RAO subsumieren lässt.

5. §9a der Richtlinie für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes war daher als gesetzwidrig aufzuheben.

6. Der Ausspruch über die Kundmachung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

Dieser Beschluss wurde in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefasst.

Schlagworte

Rechtsanwälte, Berufsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:V26.1999

Dokumentnummer

JFT_10008998_99V00026_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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