TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/24 2000/16/0114

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Veröffentlicht am 24.09.2002
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
35/02 Zollgesetz;

Norm

BAO §289 Abs2;
ZollRDG 1994 §85b Abs3;
ZollRDG 1994 §85c Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat II der Region Innsbruck bei der Finanzlandesdirektion für Salzburg) vom 17. Jänner 2000, GZ ZRV 89/1-I2/98, betreffend Eingangsabgaben (mitbeteiligte Partei: H), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

Am 26. Mai 1998 verbrachte die Mitbeteiligte aus der Tschechischen Republik kommend das in Österreich zum Verkehr zugelassene Kraftfahrzeug der Marke VW Golf mit dem Kennzeichen MD- 60NX beim Zollamt Drasenhofen in das Zollgebiet der Gemeinschaft. Nach der von einem Organ dieses Zollamtes aufgenommenen "Tatbeschreibung" gab die Mitbeteiligte bei einer entsprechenden Befragung an, keine Waren, die zollpflichtig seien oder die verzollt werden müssten, mit sich zu führen. Bei einer genaueren Kontrolle sei in der Handtasche der Mitbeteiligten eine Rechnung über das Lackieren des Autos in Höhe von 4958 tschechische Kronen vorgefunden worden. Die Mitbeteiligte habe angegeben, dass die hintere rechte Türe und die rechte Türschwelle in Tschechien lackiert worden seien.

Mit Bescheid des Hauptzollamtes Wien vom 26. Juni 1998 wurde festgestellt, dass für die Mitbeteiligte die Einfuhrzollschuld im Ausmaß von S 13.799,-- (Zoll S 11.187,-- und Einfuhrumsatzsteuer S 2.612,--) gemäß Artikel 202 Abs 1 Buchstabe a und Abs 3 erster Anstrich ZK iVm Artikel 234 Abs 2 ZK-DVO und § 2 Abs 1 ZollR-DG entstanden sei.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde insbesondere vorgebracht, der Lackschaden sei in Tschechien entstanden. Durch die Lackierung sei keine Veredelung erfolgt; es sei nur der durch die Beschädigung eingetretene Wertverlust im nötigsten Ausmaß ausgeglichen worden.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 21. September 1998 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, die Verkehrstauglichkeit des Fahrzeuges sei auch ohne die in Tschechien vorgenommene Reparatur gewährleistet gewesen. Es wäre daher bei der Wiedereinreise das im Zollausland ausgebesserte Fahrzeug anzumelden gewesen. Da dies verabsäumt worden sei, sei das Fahrzeug vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden.

In der Beschwerde gegen die Berufungsvorentscheidung gab die Mitbeteiligte unter anderem an, sie sei an der Grenze vom Zollbeamten gefragt worden, ob sie irgendwelche Waren, Alkohol oder Zigaretten, einführe. Sie habe geantwortet, sie habe nur Lebensmittel eingekauft. Der Beamte habe den Einkauf kontrollieren wollen und sie habe das Fahrzeug zur Seite abstellen müssen. Bei Überprüfung der Rechnungen in ihrer Handtasche sei die Reparaturrechnung gefunden worden. Da der Schaden in Tschechien passiert sei, habe die Mitbeteiligte vermutet, zu keinen Abgaben verpflichtet zu sein.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerde "stattgegeben" und "der angefochtene Bescheid aufgehoben." In der Begründung dieser Entscheidung wurde unter anderem ausgeführt, die Mitbeteiligte habe es bei der Wiedereinfuhr des Fahrzeuges verabsäumt, zu erklären, dass das Fahrzeug im Drittland von einem unvorhersehbaren Ereignis betroffen und einer Behandlung (Lackierung) unterzogen worden sei. Das Fahrzeug habe sich im Hinblick auf die Behandlung bei der Wiedereinfuhr nicht mehr im gleichen Zustand wie bei der Ausfuhr befunden und sei daher auch nicht mehr als Rückware abgabenfrei gewesen. Eine als Zollanmeldung geltende Willensäußerung sei für das Fahrzeug nicht abgegeben worden. Für das Fahrzeug sei zwar die Zollschuld entstanden, nicht jedoch gemäß Artikel 202 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 3 erster Anstrich ZK iVm Artikel 234 Absatz 2 ZK-DVO und § 2 Absatz 1 ZollR-DG.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte

die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Artikel 202 Absatz 1 Buchstabe a ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird. Gemäß Absatz 3 erster Gedankenstrich ist Zollschuldner die Person, welche die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht hat.

Gemäß Artikel 230 Buchstabe c ZK-DVO können Zollanmeldungen zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr für Beförderungsmittel, die als Rückwaren abgabenfrei sind, durch eine Willensäußerung iSd Artikel 233 ZK-DVO abgegeben werden, sofern sie nicht ausdrücklich angemeldet werden.

Gemäß Artikel 233 Abs 1 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich ZK-DVO kann bei Befördern der Waren zu einer Zollstelle oder einem anderen nach Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe a ZK bezeichneten oder zugelassenen Ort die als Zollanmeldung geltende Willensäußerung durch Passieren einer Zollstelle ohne getrennte Kontrollausgänge, ohne spontan eine Zollanmeldung abzugeben, abgegeben werden.

Ergibt sich gemäß Artikel 234 Absatz 2 ZK-DVO bei einer Kontrolle, dass die Willensäußerung iSd Artikel 233 erfolgt ist, ohne dass die verbrachten Waren die Voraussetzungen des Artikel 230 erfüllen, so gelten diese Waren als vorschriftswidrig verbracht.

Nach § 85c Abs 3 ZollR-DG in der auf den Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I Nr. 61/2001 iVm § 85b Abs 3 ZollR-DG hat der Berufungssenat in der Sache selbst zu entscheiden. Er hat sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung den Fall nach eigener Anschauung zu beurteilen und kann eine angefochtene Entscheidung nach jeder Richtung abändern oder aufheben oder die Berufung als unbegründet abweisen.

Sache ist dabei die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der Behörde erster Instanz gebildet hat. Sache ist damit die Erfassung eines bestimmten Abgabenschuldverhältnisses mit seinen wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung (vgl Ritz, BAO2, 682). Die Rechtsmittelbehörde hat (auch) im Verfahren nach dem ZollR-DG eine Aufhebung als Sachentscheidung nur dann vorzunehmen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt (vgl Ritz, aaO, 683 und die dort wiedergegebene hg Rechtsprechung zur Rechtslage nach der Bundesabgabenordnung).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass die Einfuhrzollschuld entstanden ist, ohne näher darzustellen, welcher der im Zollkodex angeführten Entstehungstatbestände nun erfüllt wurde. Sie war lediglich der Meinung, dass der von der Behörde erster Instanz bezeichnete Entstehungstatbestand "keinesfalls" erfüllt worden sei. Eine solcherart - nicht leicht nachvollziehbare - andere Qualifizierung des von der Behörde festgestellten Sachverhalts rechtfertigt aber nicht, eine Entscheidung in der Sache zu verweigern. Eine andere rechtliche Beurteilung des Sachverhalts kann nicht zu einer Aufhebung des bei der Rechtsmittelbehörde angefochtenen Bescheides führen. Der beim Verwaltungsgerichtshof angefochtene Aufhebungsbescheid erweist sich somit schon deshalb als rechtswidrig.

Im Übrigen wird aus verfahrensökonomischen Gründen darauf hingewiesen, dass die Mitbeteiligte nach ihrem eigenen Vorbringen in der (Administrativ-)Beschwerde - und somit entgegen der Darstellung des Sachverhalts in der Beschwerdeschrift - eine Anmeldung abgegeben hat, deren Inhalt sich aber auf eingeführte Lebensmittel beschränkte. Bei der nachfolgenden Kontrolle wurde sodann festgestellt, dass der Personenkraftwagen nicht die Voraussetzungen für Beförderungsmittel als abgabenfreie Rückwaren iSd Artikel 230 Buchstabe c ZK-DVO erfüllte. Daraus folgt, dass das Fahrzeug gemäß Artikel 234 Absatz 2 ZK-DVO als vorschriftswidrig verbracht gilt. Damit ist die Einfuhrzollschuld nach Artikel 202 Absatz 1 Buchstabe a ZK entstanden.

Aus den oben angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Wien, am 24. September 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000160114.X00

Im RIS seit

09.01.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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