TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/25 98/13/0052

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Veröffentlicht am 25.09.2002
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §292;
EStG 1988 §4 Abs1;
EStG 1988 §4 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Heinzl, Dr. Fuchs und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat V) vom 2. Jänner 1998, Zl. 16-96/3257/07, betreffend Feststellung der Einkünfte 1992 und 1993 sowie Gewerbesteuer 1992 und 1993 (mitbeteiligte Partei: T in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Im Anschluss an eine bei der mitbeteiligten Partei, die einen Handel mit Maschinen und Werkzeugen betreibt, über die Jahre 1991 bis 1993 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung erließ das Finanzamt u.a. Bescheide über die Feststellung von Einkünften sowie die Gewerbesteuer für die Jahre 1992 und 1993. In diesen Bescheiden wurden u.a. - den Feststellungen des Prüfers folgend - die auf dem Konto "Schadensfälle" verbuchten Zahlungen von S 120.000,-- (1992) und S 110.000,-- (1993) nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Im Prüfungsbericht wurde diesbezüglich u. a. festgehalten, dass als Ursache für die Zahlungen ein im Jahr 1987 ausgestellter Blankowechsel anzusehen sei, der zur Sicherstellung und allfälligen Abdeckung von zustehenden Forderungen einer Bank gegen die J GmbH dienen sollte. Eine betriebliche Notwendigkeit sei jedoch nicht gegeben, da persönliche und nicht wie vom Abgabepflichtigen (dem nunmehrigen Mitbeteiligten) erklärt, wirtschaftliche Motive ausschlaggebend gewesen seien. Geschäftsführer der J GmbH sei der Vater des Abgabepflichtigen gewesen. Um die Sanierung "der Firma seines Vaters" zu ermöglichen, habe der Abgabepflichtige im Jahr 1987 die gesamten Lagervorräte "übernommen", wobei jedoch die "Rechnungen" (der J GmbH an den Abgabepflichtigen) an die Bank zediert worden seien. Zusätzlich habe die Bank eine Haftung für die Schulden der J GmbH verlangt. Ende 1987 sei es zum Konkurs der J GmbH gekommen. Zahlungen auf Grund dieser Bürgschaftsverpflichtung seien vom Abgabepflichtigen (der Saldo des Lieferantenkontos J GmbH sei mit 20. August 1990 bereits auf Null gewesen) in der Folge als Aufwand verbucht worden. Auf Grund der genauen Kenntnis der Sachlage als "Geschäftspartner und Sohn" habe der Abgabepflichtige über die finanziellen Schwierigkeiten der J GmbH Bescheid gewusst und sei auf Grund des im krassen Missverhältnis zu den Vorteilen ("drei Jahre zinsensloser Kredit der Bank anlässlich der Warenlagerübernahme") stehenden Risikos, aus der Haftungsübernahme in Anspruch genommen zu werden, die "Betriebsdienlichkeit" mit Rücksicht auf die Verkehrsauffassung zu verneinen gewesen.

In einer gegen die Bescheide erhobenen Berufung trat der Mitbeteiligte der Behauptung, der Kauf des Warenlagers sei aus "persönlichen, altruistischen Motiven kindlicher Dankbarkeit erfolgt", entgegen. Diese Behauptung entbehre jeder Grundlage. Der Mitbeteiligte habe das Geschäft nur aus Eigennutz abgeschlossen. Leider habe er zum damaligen Zeitpunkt als Jungunternehmer die komplizierten Haftungsvorschriften in einem Insolvenzverfahren weder wissen noch vorhersehen können. Die geltend gemachten Zahlungen unter dem Titel "Schadensfälle" seien daher als Betriebsaufwand zu berücksichtigen.

In einer Stellungnahme des Prüfers zur Berufung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass vom Abgabepflichtigen die Lagervorräte an Werkzeugen und Maschinen der konkursgefährdeten J GmbH zum Bilanzwert in Höhe von rund 1,5 Mio S angekauft worden seien. Die Faktura bzw. die daraus resultierende Forderung der J GmbH an den Abgabepflichtigen sei an eine Bank abgetreten worden. Die J GmbH "des Vaters" des Abgabepflichtigen habe bei der Bank einen offenen Zessionskredit gehabt, wobei die Kaufsumme der von der GmbH erworbenen Wirtschaftsgüter laut Auskunft des Abgabepflichtigen etwa der offenen Verbindlichkeit gegenüber der Bank entsprochen habe. Wäre die offene Rechnung vom Abgabepflichtigen bezahlt worden, wäre auch der Zessionskredit der GmbH getilgt gewesen. Eine zwingende wirtschaftliche Notwendigkeit, für den Zessionskredit "nochmals zu bürgen", sei nicht erkennbar. Trotzdem sei vom Abgabepflichtigen eine unbeschränkte Bürgschaft - nicht nur für bestehende, sondern auch für künftige Schulden - übernommen worden. Er sei somit ein Risiko eingegangen, für Schulden, die im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme nicht einmal bekannt gewesen seien, zahlungspflichtig zu werden.

In einer Beantwortung dieser Stellungnahme führte der Mitbeteiligte u.a. aus, zutreffend habe der Prüfer ausgeführt, falls die offene Rechnung über rund 1,5 Mio S bezahlt worden wäre, wäre auch der Zessionskredit getilgt gewesen. Leider habe der Mitbeteiligte aus finanziellen Gründen den Betrag von 1,5 Mio S nicht aufbringen können. Er habe sich daher mit der Bank arrangieren müssen. Durch die Übernahme einer Bürgschaft für die Schulden der GmbH habe ihm die Bank die Möglichkeit einer langfristigen Abstattung der 1,5 Mio S zugesichert. Aus wirtschaftlicher Notwendigkeit habe der Mitbeteiligte einen Blankowechsel unterfertigt (wie übrigens auch jeder "Häuselbauer", der von einer Bank ein Darlehen benötige).

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung stattgegeben. Begründend führte die belangte Behörde aus, durch die Übernahme der Bürgschaft für die Schulden der J GmbH sei dem Mitbeteiligten die Möglichkeit eröffnet worden, den Betrag von 1,5 Mio S langfristig abzustatten. Da es dem Mitbeteiligten aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich gewesen sei, diesen Betrag sofort zu leisten und damit den Zessionskredit zu tilgen, sei er genötigt gewesen, einen Blankowechsel zu unterfertigen. Die Übernahme der Bürgschaft werde daher als betrieblich veranlasst angesehen, da sie "quasi" zur Sicherung einer Betriebsschuld gedient habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen vom Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde erwogen:

Vor dem Hintergrund einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit tritt der beschwerdeführende Präsident vorerst nur der Annahme der belangten Behörde entgegen, der Mitbeteiligte habe der Bank gegenüber eine Bürgschaftserklärung abgegeben. Tatsächlich sei "in Widerspruch dazu aber" die Kaufpreisforderung der J GmbH ("entspricht der Kaufpreisschuld des" Mitbeteiligten) an die Bank zediert worden. Der Mitbeteiligte habe sich somit lediglich als debitor cessus verpflichtet, seine der J GmbH gegenüber bestehenden Verbindlichkeiten der Bank gegenüber zu erfüllen. Als Schuldner vermochte er aber - eine zivilrechtliche Unmöglichkeit - nicht gleichzeitig Bürge sein.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf: Der beschwerdeführende Präsident übersieht, dass die "Bürgschaftsübernahme" (richtig: die Übergabe eines Blankowechsels mit Ermächtigungsschreiben) des Mitbeteiligten gegenüber der Bank zur Sicherstellung eines von der Bank an die J GmbH eingeräumten Kredites erfolgte. An die Bank zediert wurde hingegen darüber hinaus eine Kaufpreisforderung der J GmbH gegen den Mitbeteiligten. Der Umstand, dass die Forderung der Bank an die J GmbH und die in der Folge an die Bank zedierte Forderung der J GmbH an den Mitbeteiligten zum Zeitpunkt der Unterfertigung des Blankowechsels etwa in gleicher Höhe bestanden, rechtfertigt ebenso wenig wie der Umstand, dass die Bank die Zustimmung zum Kauf der Wirtschaftsgüter der J GmbH durch den Mitbeteiligten zusätzlich an die Voraussetzung weiterer Sicherheiten durch den Mitbeteiligten knüpfte, die Annahme, der Mitbeteiligte habe für seine eigene Schuld eine "Bürgschaft" übernommen.

Es mag im Hinblick auf die unbestritten etwa gleiche Höhe der jeweiligen Forderungen zutreffen, dass bei Bezahlung der durch den Mitbeteiligten im Jahr 1987 gekauften Wirtschaftsgüter die Forderung der Bank gegenüber der J GmbH hätte getilgt werden können. Dies ändert aber nichts daran, dass der Mitbeteiligte einerseits für Verbindlichkeiten der J GmbH gegenüber der Bank Sicherheit leistete und andererseits den Kaufpreis für die erworbenen Wirtschaftsgüter zunächst der J GmbH und nach Zession der Bank schuldete. Im Übrigen hat die belangte Behörde gerade den Umstand, dass der Mitbeteiligte über die Mittel zur Bezahlung des Kaufpreises für die in Rede stehenden Wirtschaftsgüter nicht verfügte, als betrieblichen Grund des Mitbeteiligten dafür beurteilt, dass er das Verlangen der Bank nach Fertigung eines Blankowechsels akzeptiert hat, um die von ihm benötigten Wirtschaftsgüter erwerben zu können.

Vom beschwerdeführenden Präsidenten wird nicht behauptet, dass bei dieser Sachlage dem Umstand, dass es sich beim Geschäftsführer der J GmbH um den Vater des Mitbeteiligten gehandelt hat, Bedeutung zugekommen wäre.

Zutreffend rügt der beschwerdeführende Präsident allerdings, dass die belangte Behörde bei Stattgabe der Berufung die vom Prüfer im Hinblick auf die Gewinnermittlung des Mitbeteiligten gemäß § 4 Abs. 1 EStG gebildete Gewerbesteuerrückstellung nicht angepasst hat. Mangels entsprechender Anpassung der Gewerbesteuerrückstellung erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig.

Er war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 25. September 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1998130052.X00

Im RIS seit

23.12.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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