TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/25 2000/12/0197

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Veröffentlicht am 25.09.2002
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Index

L22007 Landesbedienstete Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;
65/01 Allgemeines Pensionsrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §52 Abs1;
LBG Tir 1998 §2 litd Z1 sublitaa;
PG 1965 §4 Abs3 impl;
PG/Tir 1998 §4 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Dipl. Ing. W in I, vertreten durch Riedl & Ringhofer, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 6. Juni 2000, Zl. Präs.I-0081604/15, (hier) betreffend Bemessung des Ruhegenusses, zu Recht erkannt:

Spruch

Der in seinem Spruchabschnitt II. angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1949 geborene Beschwerdeführer steht - auf Grund des nicht in Beschwerde gezogenen Spruchabschnittes I. des angefochtenen Bescheides - seit 1. Juli 2000 als Oberrat in einem öffentlichrechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Land Tirol. Seine letzte Dienststelle war die Abteilung VI b 3, Brücken- und Tunnelbau, des Amtes der Tiroler Landesregierung.

Mit Schreiben vom 21. Jänner 2000 ersuchte der Beschwerdeführer um seine Versetzung in den Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen. Hierauf beauftragte die Abteilung Personal des Amtes der Tiroler Landesregierung die Landessanitätsdirektion mit der Erstattung eines Gutachtens zur Frage, ob die Voraussetzungen für eine Ruhestandsversetzung nach § 14 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 gegeben seien.

Das Gutachten (im engeren Sinn) der Landessanitätsdirektion gelangte zu folgender Schlussfolgerung:

"Beim Beschwerdeführer liegt eine endogene Psychose vor, gekennzeichnet durch eine völlig fehlende Krankheitseinsicht und Selbstverkennung. Der Beschwerdeführer fühlt sich zwar krank, glaubt aber nicht, an einer Krankheit zu leiden. Auf Grund des Krankheitsbildes ist er unfähig, auch nur kleinste Entscheidungen zu treffen oder sich noch so geringen Veränderungen anzupassen, hat sich in eine vordergründige Scheinwelt zurückgezogen mit zunehmendem Realitätsverlust. Er ist unfähig, komplexe Zusammenhänge rasch zu erkennen und zu verarbeiten, was in Stresssituationen zu völligen Verwirrtheitszuständen führt. Die offensichtlich bereits seit Jahren bestehende und schleichende verlaufende Erkrankung erklärt auch den völligen Leistungseinbruch am Arbeitsplatz im Verlauf der letzten Jahre, was auch die Akzeptanz von Mitarbeiterseite zunehmend empfindlich störte, Ablehnung auslöste und dieses Verhalten andererseits die psychotische Persönlichkeitsentwicklung weiter förderte.

Der Beschwerdeführer ist nicht dienstfähig, ein weiterer Fortschritt der Erkrankung ist zu erwarten. Die vorliegende ausgeprägte Affektstörung und Denkstörung lässt auf eine schlechte Prognose der Erkrankung schließen. Auf Grund dieses gesundheitlichen Zustandes wäre der Beschwerdeführer auch nicht in der Lage, irgendeine andere Tätigkeit in erwerbsfähigem Ausmaß auszuüben und ist diese Erkrankung als schweres Gebrechen einzustufen, welches nicht nur keine Besserung, sondern eine Verschlechterung im weiteren Verlauf erwarten lässt.

Von amtsärztlicher Seite muss somit vorgeschlagen werden, den Beschwerdeführer aus gesundheitlichen Gründen in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen."

Laut einem Vermerk auf dem Gutachten wurde der Gewerkschaft öffentlicher Dienst am 18. Mai 2000 eine Ablichtung des Gutachtens ausgehändigt. Weitere Verfahrensschritte sind den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen.

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde wie folgt ab:

"I. Auf Grund ihres Ansuchens vom 21.01.2000 werden Sie gemäß § 14 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 in Verbindung mit § 2 des Landesbeamtengesetzes 1998 mit Ablauf des 30.06.2000 in den Ruhestand versetzt.

II. Gemäß §§ 3 bis 7 des Pensionsgesetzes 1965 in Verbindung mit § 2 des Landesbeamtengesetzes 1998 gebührt Ihnen ab 01.07.2000 gegen Einstellung der Dienstbezüge ein monatlicher Ruhegenuss in der Höhe von S 30.387,10 zuzüglich einer Kinderzulage von monatlich S 1.280,00.

Gemäß § 9 des Pensionsgesetzes 1965 wurde Ihnen zu Ihrer ruhegenussfähigen Landesdienstzeit ein Zeitraum von 4 Jahren, 5 Monaten und 6 Tagen zugerechnet."

Begründend führte die belangte Behörde aus, auf Grund des amtsärztlichen Gutachtens der Landessanitätsdirektion ergebe sich, dass der Beschwerdeführer dienstunfähig im Sinn des § 14 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 sei. Er werde daher nach der genannten Bestimmung in den Ruhestand versetzt.

Gemäß § 4 Abs. 3 des Pensionsgesetzes 1965 in Verbindung mit § 2 des Landesbeamtengesetzes 1998 sei die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 % für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monates liege, in dem der Beamte sein

60. Lebensjahr vollendet haben werde, um 0,1667 Prozentpunkte zu kürzen. Zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand (1. Juli 2000) und dem Ablauf des Monates, in dem der Beschwerdeführer sein 60. Lebensjahr vollenden werde (31. Jänner 2009), lägen 103 Monate. Die Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage betrage daher 17,17 Prozentpunkte.

Die Höhe des dem Beschwerdeführer gebührenden Ruhebezuges sei aus der beiliegenden Berechnung ersichtlich.

Das amtsärztliche Gutachten der Landessanitätsdirektion sei auf Grund einer vorgelegten Vollmacht des Beschwerdeführers einem Bediensteten der Gewerkschaft öffentlicher Dienst in Ablichtung übergeben worden. Innerhalb der im Rahmen des Parteiengehörs eingeräumten Frist sei keine Äußerung abgegebenen worden.

Gegen Spruchabschnitt II. dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung dieses Spruchabschnittes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides in seinem Recht auf Ruhegenuss in gesetzlicher Höhe nach den Bestimmungen des Pensionsgesetzes 1965 als Bestandteil des Dienstrechtes der Tiroler Landesbeamten gemäß § 2 des Landesbeamtengesetzes 1998 durch unrichtige Anwendung dieser Gesetze, insbesondere des § 2 lit. d leg. cit., sowie durch unrichtige Anwendung der Verfahrensvorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.

Der Beschwerdeführer sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zusammengefasst darin, dass die belangte Behörde zu Unrecht die Abschlagsregelung des § 4 Abs. 3 des Pensionsgesetzes 1965 in der Fassung des § 2 lit. d Z. 1 des Landesbeamtengesetzes 1998 angewendet habe. Im Hinblick auf das vorliegende Gutachten (betreffend die Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers) hätte es einer Erörterung der Anwendbarkeit der vorzitierten Norm bedurft.

Damit zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Spruchabschnittes II. auf:

Der vorliegende Beschwerdefall gleicht in den für seine Erledigung wesentlichen Punkten - sowohl hinsichtlich des Sachverhaltes als auch in Ansehung der zu lösenden Rechtsfrage des Vorliegens einer außerordentlich schweren Erkrankung oder eines außerordentlich schweren Gebrechens im Sinn des § 2 lit. d Z. 1 lit. aa des (Tiroler) Landesbeamtengesetzes 1998, LGBl. Nr. 65 - jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2000, Zl. 99/12/0047, zu Grunde lag; gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird vorweg auf diese Entscheidung verwiesen und darüber hinaus ausgeführt:

Nach dem das Verwaltungsverfahren beherrschenden Grundsatz der Amtswegigkeit und der materiellen Wahrheit hat die Behörde von sich aus den wahren Sachverhalt festzustellen. Die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof setzt nach ständiger Rechtsprechung das Vorliegen eines Bescheides voraus, in dessen Begründung die Ergebnisse eines nach den Bestimmungen des § 39 Abs. 2 AVG unter Bedachtnahme auf § 52 Abs. 1 AVG nach Maßgabe der Vorschrift des § 37 AVG geführten Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte beurteilende Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst sind. Die gesetzmäßige Begründung eines Bescheides erfordert somit in einem ersten Schritt die Feststellung jenes, in einem nach Maßgabe der Verfahrensgesetze amtswegig geführten Ermittlungsverfahren erhobenen Sachverhaltes, welchen die Behörde ihrer rechtlichen Beurteilung zu Grunde legt, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche sie im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung von Recht und Pflicht nach § 45 Abs. 2 AVG bewogen, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnis zum Spruch des Bescheides zu führen hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. November 2000, Zl. 99/12/0112, mwN).

Der Umstand, dass die Gewerkschaft öffentlicher Dienst - innerhalb einer an Hand der vorgelegten Verwaltungsakten nicht nachvollziehbaren Frist - zum vorliegenden Gutachten, das überdies nur zur Frage der Dienstfähigkeit, nicht jedoch zur Frage des Vorliegens einer außerordentlich schweren Erkrankung oder eines außerordentlich schweren Gebrechens Stellung nahm, keine Äußerung abgab, entband die belangte Behörde nicht von ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes im Hinblick auf das Vorliegen einer außerordentlich schweren Erkrankung (eines außerordentlich schweren Gebrechens). Die im amtsärztlichen Gutachten konstatierte fehlende Krankheitseinsicht und Selbstverkennung des Beschwerdeführers steht der Annahme einer Erkrankung im Sinne der zitierten Gesetzesstelle nicht entgegen.

Da die belangte Behörde - ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung - die erforderlichen Ermittlungen (und entsprechende, nachvollziehbar begründete Tatsachenfeststellungen) unterließ, belastete sie den angefochtenen Spruchpunkt II. mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501; die im Betrag von S 2.500,-- entrichtete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 25. September 2002

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000120197.X00

Im RIS seit

20.12.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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