TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/25 2000/13/0022

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Veröffentlicht am 25.09.2002
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §184 Abs1;
EStG 1988 §15 Abs2;
EStG 1988 Bewertung bestimmter Sachbezüge 1992 1993 §2 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde der W GmbH in W, vertreten durch Dr. Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 22. Juli 1999, Zl. RV/260-16/17/99, betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen sowie Säumniszuschläge u.a. für die Jahre 1992 bis 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der Beschwerdeführerin, einer auf dem Gebiet der Steuerberatung tätigen GmbH, fand für den Zeitraum vom 1. Jänner 1991 bis 31. Dezember 1994 eine Lohnsteuerprüfung statt. Dabei stellte der Prüfer fest, dass die Beschwerdeführerin ihrem Geschäftsführer ab 1. August 1992 eine 351 m2 große, im 19. Wiener Gemeindebezirk gelegene Eigentumswohnung zur Privatnutzung überlassen und als Sachbezug den "ortsüblichen Mittelpreis laut Mietenspiegel" angesetzt habe. Dies sei im Grunde der Bestimmung des § 15 Abs. 2 EStG 1988 zu Unrecht erfolgt, da die Beschwerdeführerin die Eigentumswohnung geleast habe ("Finanzierungsleasing mit Teilamortisation"), sodass "nur die (höheren) Leasingraten als Ausgangsbasis für die Sachbezugsbewertung" herangezogen werden könnten.

Aus dieser Prüferfeststellung resultierten strittige Nachforderungen an Lohnsteuer 1992 - 1994 in Höhe von 798.415 S sowie an Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen dieser Jahre in Höhe von 71.857 S.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung gegen den entsprechenden Haftungs- und Zahlungsbescheid des Finanzamtes mit der Begründung, bei dem Leasingvertrag handle es sich um einen so genannten "gemischten" Vertrag, der nicht nur Elemente der Gebrauchsüberlassung, sondern auch solche der Vermögensbildung enthalte. Demgemäß entspräche die Leasingrate etwa dem Doppelten der üblichen Miete von 120 S/m2 inklusive Umsatzsteuer. Der Leasingvertrag vermittle der Beschwerdeführerin als Leasingnehmerin zusätzliche Rechte, etwa die Option, das Leasingobjekt nach Ablauf der Grundmietzeit von 20 Jahren zum kalkulatorischen Restwert zu erwerben, aber auch zusätzliche Pflichten (Schadenersatz bei vorzeitiger Vertragsauflösung). Demgegenüber sei der Geschäftsführer nur berechtigt, die Wohnung während der Dauer des aktiven Dienstverhältnisses als Dienstwohnung zu benützen. Die vereinbarte Leasingrate könne daher nicht mit der ortsüblichen Miete gleich gesetzt werden. Würde man dies tun, müsste der Dienstnehmer Einkommensteuer auf Wertzuwächse bezahlen, welche ausschließlich dem Dienstgeber als Leasingnehmer zu Gute kämen, was nicht Sinn des § 15 Abs. 2 EStG 1988 sein könne. Der Berufung angeschlossen war ein (nicht unterfertigter) Leasingvertrag, der auf unbestimmte Dauer abgeschlossen war und einen (einseitigen) Kündigungsverzicht der Leasingnehmerin für die Dauer von 20 Jahren vorsah. Das monatliche Leasingentgelt sollte demnach 0,5 % der geschätzten Gesamtinvestitionskosten von 19,612.500 S betragen und - wie näher ausgeführt - Schwankungen des Kapitalmarktes angepasst werden.

Über Vorhalt des Finanzamtes erläuterte die Beschwerdeführerin, der in Kopie vorgelegte Leasingvertrag sei aus gebührenrechtlichen Gründen von den Parteien nicht unterfertigt worden; das Papier stelle somit lediglich eine Gedächtnisstütze dar, welche die mündlich getroffenen Vereinbarungen festhalten solle.

Nach abweisender Berufungsvorentscheidung beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab auch die belangte Behörde der Berufung unter Hinweis auf § 2 Abs. 4 der Verordnung über die bundeseinheitliche Bewertung bestimmter Sachbezüge für 1992 und ab 1993, BGBl. 642/1992, keine Folge. Der gegenständliche Leasingvertrag enthalte keine Elemente der Vermögensbildung. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn der Beschwerdeführerin das Recht eingeräumt worden wäre, die Wohnung nach Ablauf einer bestimmten Vertragsdauer zu einem Preis zu erwerben, welcher deshalb erheblich unter dem Marktwert liege, weil sie bereits Zahlungen geleistet habe, die der Kapitalbildung zuzurechnen gewesen seien. Die Beschwerdeführerin habe vorgebracht, es gebe eine mündliche Abrede, wonach sie berechtigt sei, das Objekt im Jahr 2017 um 15,5 Mio. S zu erwerben. Die belangte Behörde könne nicht finden, dass dieser Betrag erheblich unter dem Marktwert liege, ergäbe sich bei Anwendung der steuerlichen AfA von 1,5 % nach Ablauf der Grundmietzeit doch lediglich ein Wohnungswert von etwa 13 Mio. S. Bei der Option zum Eigentumserwerb handle es sich somit bloß um die Möglichkeit, das Objekt zum Zeitwert zu erwerben. Auch die unbestimmte Vertragsdauer spräche für das Vorliegen eines Mietvertrages. Die "der Finanzlandesdirektion" übermittelte Renditeüberlegung (gemeint wohl im Verfahren zur Umsatzsteuerfestsetzung) ändere daran nichts, habe die Beschwerdeführerin doch nicht glaubhaft machen könne, dass dem Leasingvertrag tatsächlich ein Zinssatz von 5,493 % zu Grunde gelegt worden sei. Ginge man von einem "etwas realistischeren Zinssatz von 6 %" aus, so käme es zu keiner Kapitaltilgung mehr. Der "optionale" Kaufpreis von 15,5 Mio. S trage der in 25 Jahren eintretenden üblichen Entwertung derartiger Objekte Rechnung. Die Leasingrate entspreche einem monatlichen Mietzins von ca. 280 S/m2, welcher angesichts der "teuren Lage" des Objekts und der vereinbarten Nutzung zu Geschäftszwecken gleichfalls keine "Elemente der Kapitaltilgung" erkennen lasse. Bei der vorliegenden Vertragsgestaltung handle es sich - zumal ein Kündigungsverzicht der Leasinggeberin nicht einmal behauptet worden sei - nach Ansicht der belangten Behörde um einen so genanntes "Operating-Leasing", bei dem nach einer festen Mindestdauer eine Kündigungsmöglichkeit durch die Leasingnehmerin bestehe. Das Leasingentgelt würde der Miete für die Nutzungsdauer entsprechen und sei daher zu Recht der Besteuerung der Sachbezüge zu Grunde gelegt worden.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 29. November 1999, B 1495/99, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 15 Abs. 2 EStG 1988 sind geldwerte Vorteile (Wohnung, Heizung, Beleuchtung, Kleidung, Kost, Waren, Überlassung von Kraftfahrzeugen zur Privatnutzung und sonstige Sachbezüge) mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes anzusetzen.

Der übliche Mittelpreis des Verbrauchsortes ist der Betrag, den der Steuerpflichtige hätte aufwenden müssen, um sich die geldwerten Güter am Verbrauchsort im freien Verkehr zu beschaffen. Dieser Betrag ist jeweils in Bezug auf die betroffene Besteuerungsperiode zu ermitteln, wie dies durch die Bewertung der Sachbezüge regelmäßig in Verordnungsform geschieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1987, 86/13/0205).

Gegenständlich hat sich die belangte Behörde auf die "Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die bundeseinheitliche Bewertung bestimmter Sachbezüge für 1992 und ab 1993", BGBl. Nr. 642/1992 (im Folgenden: VO), gestützt. § 2 Abs. 1 der VO sieht bestimmte, vom Baujahr und der Wohnungsart abhängige Quadratmeterpreise als "ortsüblichen Mittelpreis des Verbrauchsortes" vor. Diese - jedenfalls wesentlich unter den von der Beschwerdeführerin selbst angesetzten Beträge liegenden - Quadratmeterpreise hat die belangte Behörde mit dem Hinweis auf Abs. 4 der angeführten Bestimmung nicht zur Anwendung gebracht.

§ 2 Abs. 4 der VO lautet:

"Die Quadratmeterpreise beinhalten auch die üblichen Betriebskosten. Sind die Betriebskosten vom Dienstnehmer zu bezahlen, ist von den Quadratmeterpreisen ein Abschlag von 20 % vorzunehmen. Bei angemieteten Wohnungen sind die Quadratmeterpreise der um 25 % gekürzten tatsächlichen Miete (samt Betriebskosten) einschließlich der vom Arbeitgeber bezahlten Betriebskosten gegenüberzustellen; der höhere Wert bildet den maßgeblichen Sachbezug."

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Anwendung der angeführten Bestimmung mit dem Vorbringen, das monatliche Leasingentgelt könne nicht der im § 2 Abs. 4 der VO angesprochenen "Miete" gleich gesetzt werden. Die monatlich zu leistenden Beträge seien unbestritten höher als ortsübliche Wohnungsmieten. Der Versuch der belangten Behörde, die Höhe des Leasingentgelts mit der vereinbarten Nutzung als Geschäftsräumlichkeit zu erklären, gehe fehl, weil das Objekt zum einen schon auf Grund seiner Lage (im zweiten Stock ohne Lift) für betriebliche Zwecke ungeeignet sei, zum anderen unstrittig Wohnungszwecken diene. Tatsächlich habe sich die Höhe der monatlichen Leasingrate nicht an marktüblichen Mieten, sondern an der Höhe der Gesamtinvestitionskosten orientiert. Insgesamt beinhalte die vorliegende Vereinbarung "sämtliche Elemente, die nach der Judikatur und der herrschenden Verwaltungspraxis für die Qualifikation als Leasingvertrag erforderlich" seien.

§ 2 Abs. 1 der VO sieht im Interesse einer leichteren Handhabung der Gesetzesanordnung des § 15 Abs. 2 EStG zur Ermittlung des geldwerten Vorteiles aus der Wohnungsüberlassung in einer Durchschnittsbetrachtung (nur nach wenigen Kriterien differenzierende) Quadratmeterpreise vor. Andererseits stellt § 2 Abs. 4 der VO - wenn der tatsächlich höhere geldwerte Vorteil der Wohnungsüberlassung durch die Anmietung der Wohnung seitens des Arbeitgebers zu Tage tritt - auf diesen höheren Wert ab, wobei mit dem 25 %igen Abschlag von der tatsächlichen Miete dem schwächeren Rechtstitel des Arbeitnehmers Rechnung getragen wird. Der Bestimmung liegt die (an sich unbedenkliche) Überlegung zu Grunde, dass der vom Arbeitgeber tatsächlich aufgewendete Betrag für die Überlassung der Wohnung jenem Betrag entsprechen wird, den auch der Arbeitnehmer für das entsprechende Objekt aufzuwenden gehabt hätte.

Die für die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 2 Abs. 4 der VO notwendige tatbestandsmäßige Voraussetzung der "Anmietung" ist auch im Falle geleaster Wohnungen - sofern der Arbeitgeber nicht als wirtschaftlicher Eigentümer des Leasingobjektes anzusehen ist -

ungeachtet des Umstandes erfüllt, dass Leasingvereinbarungen neben miet- regelmäßig (mehr oder wenig stark ausgeprägt) auch kauf- und darlehenstypische Elemente enthalten. Soweit der Arbeitgeber im Rahmen von Leasingverträgen allerdings Aufwendungen für solche Gegenleistungen seines Vertragspartners tätigt, welche über die bloße Gebrauchsüberlassung zu Wohnungszwecken hinausgehen und nicht dem Arbeitnehmer (sondern dem Arbeitgeber selbst) zu Gute kommen, können diese Entgeltbestandteile - soll die VO in § 15 Abs. 2 EStG 1988 Deckung finden - nicht als "tatsächliche Miete" im Sinne der VO der Besteuerung zu Grunde gelegt werden. In diesem Fall ist die Aufteilung des einheitlichen Entgelts im Schätzungswege vorzunehmen, wobei die für vergleichbare Wohnobjekte am Markt üblicherweise bezahlten Mietentgelte als Anhaltspunkt dienen können.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde das volle Leasingentgelt mit der Begründung herangezogen, dass die Beschwerdeführerin nach der gewählten Vertragsgestaltung nur das Recht habe, die Wohnung zum Zeitwert zu erwerben, die Leasingraten keinen Anteil enthielten, der als Vorauszahlung für den später möglichen Eigentumserwerb anzusehen wäre, und die Leasingraten deshalb höher als übliche Wohnungsmieten lägen, weil sich die Beschwerdeführerin als Leasingnehmerin die Verwendung des Leasingobjektes zu geschäftlichen Zwecken sowie die Möglichkeit der "Bauführung" und der "Einbringung von Maschinen" ausbedungen habe. Da die geleaste Wohnung dem Arbeitnehmer unstrittig nur zu Wohnzwecken zur Verfügung gestellt wurde, hat die belangte Behörde mit diesen Überlegungen zu üblichen Geschäftsraummieten die Rechtslage verkannt. Ob die belangte Behörde darüber hinaus ihre Feststellung, die Leasingvereinbarung enthalte keine Finanzierungskomponente - wie die Beschwerdeführerin meint - zu Unrecht und unter Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere der Gewährung des Parteiengehörs, getroffen hat, kann somit dahin gestellt bleiben.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 25. September 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000130022.X00

Im RIS seit

23.12.2002

Zuletzt aktualisiert am

16.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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