TE Vfgh Beschluss 1999/10/6 B786/99

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Veröffentlicht am 06.10.1999
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags mangels Vorliegen bloß leichter Fahrlässigkeit bei irrtümlicher Einbringung der Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof durch die als Verfahrenshelferin bestellte Rechtsanwältin; gleichzeitige Zurückweisung der Beschwerde als verspätet

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Verfassungsgerichtshof gab mit Beschluß vom 23. November 1998, B2179/98-2, dem Verfahrenshilfeantrag des Einschreiters zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. November 1998 statt. Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien wurde in der Folge die nunmehrige Beschwerdevertreterin zur Verfahrenshelferin bestellt. Dieser Bescheid wurde ihr durch den Verfassungsgerichtshof am 21. Jänner 1999 zugestellt, gemeinsam mit der Aufforderung, innerhalb von sechs Wochen die Beschwerde einzubringen. Diese Frist verstrich ungenützt.

2. Mit dem am 6. Mai 1999 zur Post gegebenen Schriftsatz beantragt der Einschreiter, vertreten durch die bestellte Verfahrenshilfeanwältin, nunmehr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde. Unter einem wird die entsprechende Beschwerde eingebracht, in der die Bescheidaufhebung und - hilfweise - die Beschwerdeabtretung an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

Zur Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrags bringt der Einschreiter vor, daß seine Rechtsvertreterin erst am 22. April 1999 von der Versäumung der Frist zur Erhebung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde Kenntnis erlangt habe, uzw. durch die Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1999, mit welchem die dort am 4. März 1999 eingebrachte Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen wurde, daß die Verfahrenshelferin nicht für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof sondern vor dem Verfassungsgerichtshof bestellt worden war.

Der Antragsteller legt dar, die irrtümliche Beschwerdeeinbringung beim Verwaltungsgerichtshof sei darauf zurückzuführen, daß die stets zuverlässige, u.a. für die Vornahme von Fristvermerken zuständige Kanzleimitarbeiterin im Fristenbuch den Vermerk "Vw-Beschwerde" angebracht habe. Für die Verfahrenshelferin habe sodann bei der Abfassung der Beschwerde - aufgrund der bisher einwandfreien Tätigkeit der Kanzleiangestellten - keine Veranlassung bestanden, die Richtigkeit der Verfahrenshilfebestellung, insbesondere durch eine Einschau in die Bestellungsunterlagen der Rechtsanwaltskammer, zu überprüfen. Zur Bescheinigung dieses Vorbringens legt der Einschreiter eidesstattliche Erklärungen der Kanzleiangestellten und seiner Rechtsvertreterin sowie Kopien aus dem Fristenbuch vor.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den - zulässigen - Wiedereinsetzungsantrag erwogen:

1. Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VerfGG im §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff ZPO sinngemäß anzuwenden.

Nach §146 Abs1 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 10489/1985, 10880/1986).

2. Im vorliegenden Fall kann jedoch von leichter Fahrlässigkeit nicht mehr die Rede sein. Es kann nicht als "minderer Grad des Versehens" gewertet werden, wenn der der Kanzleiangestellten unterlaufene Fehler bei der Bezeichnung des anzurufenden Gerichtshofs nicht spätestens bei der Abfassung der Beschwerde der Rechtsvertreterin auffiel. Die Einbringung einer Beschwerde bei dem die Verfahrenshilfe bewilligenden Gericht ist eine grundlegende Voraussetzung für deren Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit, weshalb die hiefür maßgebenden Schriftstücke, darunter das das weitere Vorgehen des bestellten Vefahrenshelfers näher erläuternde Schreiben des Verfassungsgerichtshofes, mit zureichender Aufmerksamkeit zu beachten sind. Diese notwendige Sorgfalt hat die Vertreterin des Beschwerdeführers, die sich keineswegs allein auf den Fristvermerk der Kanzleiangestellten verlassen durfte, in krasser Weise vernachlässigt.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher abzuweisen.

III. Die unter einem eingebrachte

Beschwerde nach Art144 B-VG war wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist (§82 Abs1 VerfGG) zurückzuweisen, ohne daß auf den - bloß hilfsweise gestellten - Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof einzugehen war.

IV. Dieser Beschluß konnte gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B786.1999

Dokumentnummer

JFT_10008994_99B00786_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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