TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/30 2000/11/0207

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.09.2002
beobachten
merken

Index

L92703 Jugendwohlfahrt Kinderheim Niederösterreich;

Norm

JWG NÖ 1991 §24 Abs1;
JWG NÖ 1991 §24 Abs2;
JWG NÖ 1991 §24 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der E in P, vertreten durch Mag. Georg Morent, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. April 2000, Zl. GS6-A-3104/125-00, betreffend Widerruf einer Pflegebewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 9. September 1996 wurde der Beschwerdeführerin die Bewilligung erteilt, die Pflegekinder Ke. (geboren am 6. März 1992), Ka. (geboren am 23. Juni 1994) und C. (geboren am 23. Jänner 1996) in Pflege zu übernehmen. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Horn vom 2. Juli 1997 wurde den leiblichen Eltern der drei Pflegekinder (es handelt sich um drei Schwestern) die Obsorge entzogen und in ihrer Gesamtheit der Bezirkshauptmannschaft Horn übertragen.

1.2. Im (nur zum Teil vorgelegten) Verwaltungsakt erliegt ein "heilpädagogischer Bericht" des NÖ Heilpädagogischen Zentrums Hinterbrühl (im Folgenden: heilpädagogischer Bericht) vom 20. Dezember 1999, gezeichnet von Dr. H. (einer klinischen Psychologin und Psychotherapeutin) sowie Prim. Dr. T. (Facharzt für Kinder- und Jugendneuropsychiatrie und Psychotherapeut, Leiter der Station). Der heilpädagogische Bericht handelt von den beiden älteren Schwestern Ke. und Ka., welche zur Klärung der Entwicklungsbedürfnisse im Zusammenhang mit der Pflegefamilie im Herbst 1999 auf die heilpädagogische Station des Heilpädagogischen Zentrums Hinterbrühl aufgenommen worden waren.

Zu Ke. führt der Bericht aus, sie erweise sich in der Alltagsroutine als sehr hilfsbereites und in hauswirtschaftlichen Angelegenheiten auch manuell geschicktes Kind, die Erledigung solcher Aufgaben habe für sie im Gegensatz zu den schulischen Verpflichtungen einen hohen Stellenwert. Im Kontakt mit anderen Kindern mache sie sich durch ihre "verpetzende" und bevormundende Art, der sich nur die jüngere Schwester Ka. widerspruchslos unterordne, zur Außenseiterin. Das "permanente, kaum abzustellende Reden" sei Ausdruck ihrer mangelnden Selbstwahrnehmung und Mittel zur Beachtung zugleich. Ke. empfinde sich immer anderen Kindern gegenüber benachteiligt. Grenzen und Regeln seien schwer zu akzeptieren. Der Widerstand dagegen komme oft über destruktive Handlungen zum Ausdruck. Freie Aktivitäten bestünden vorwiegend aus Rollenspielen, in denen erlebte Alltagssituationen nachgespielt werden, aus denen das strenge Erziehungskonzept der Pflegemutter (der Beschwerdeführerin) und deren derber Umgangston ebenso wie die schulischen Auftragserteilungen der Lehrerin als Hauptthemen zu erkennen seien. Im schulischen Lernen zeige sich die beeinträchtigte Auffassung und geringe Merkfähigkeit des Mädchens. Unter viel persönlicher Zuwendung sei der anfängliche Lernwiderstand "doch allmählich einer Aufnahmebereitschaft und Selbstständigkeit gewichen". Auch die rastlose Unruhe und starke Distanzlosigkeit hätten sich insgesamt vermindert.

Zu Ka. führt der Bericht aus, die Eingewöhnung in die neue Situation sei ihr viel schwerer gefallen. Für sie sei vor allem der Abend anfangs mit Heimweh verbunden gewesen, sie habe sich gern von ihrer Schwester Ke. verwöhnen lassen. Auf Anforderungen nach altersadäquater Selbstständigkeit habe sie zunächst oft mit Trotzreaktionen reagiert. Der Anspruch auf verwöhnendes Umsorgen einerseits und die Rolle als jüngstes Kind in der Gruppe andererseits hätten zu vielfältigen Regressionstendenzen beigetragen. Das freie Spielen mit Gleichaltrigen im Kindergarten sei bevorzugt ein Rollenspiel mit Verkleidung und Puppen gewesen. Insgesamt sei im Verlauf des Aufenthaltes eine deutliche Verbesserung in der Arbeitshaltung und Selbstständigkeit zu verzeichnen.

Unter der Überschrift "Kontakte zur Familie" führt der Bericht aus, die stationäre Aufnahme sei ein Anliegen des Jugendamtes gewesen, welches die Obsorge für die Kinder habe, und sei gegen den Wunsch der Pflegemutter erfolgt. Die Umstellung auf die neue Situation sei für Ke. unproblematisch und kaum mit Heimweh verbunden gewesen, auch wenn sie immer wieder nach ihrer Entlassung frage bzw. die Pflegemutter den Kindern auch Termine nenne. Ka. habe einen längeren Zeitraum mit Heimwehreaktionen zu kämpfen gehabt. Die Pflegemutter erkundige sich während des Aufenthaltes zum Teil mehrmals in der Woche nach dem Befinden der Kinder und nach Entlassungsterminen bzw. schreibe den Kindern, wie anfangs "unsererseits" zur Vorbeugung eventueller Heimwehreaktionen beim Telefonieren angeraten.

Der Kontakt zur leiblichen Familie werde von der Pflegemutter abgelehnt und die Kinder damit auch unter Druck gesetzt bzw. negativ beeinflusst. Aus manchen Äußerungen der Kinder sei die ablehnende und negative Haltung auch klar herauszuhören. Die Pflegemutter habe in der Vergangenheit auch eine Unterschriftenliste mobilisiert, um ihren Status als gute Pflegemutter festzuhalten. Zur leiblichen Familie habe es während des Aufenthaltes "bis jetzt" nur zur väterlichen Großmutter (drei Mal) und zum Kindesvater (fünf Mal) Besuchskontakte gegeben. Die Kindesmutter habe sich zu Beginn des Aufenthaltes einmal telefonisch gemeldet, ebenso die mütterliche Großmutter, welche "lobenswert" über die Pflegemutter gesprochen habe. Der Erstkontakt mit der väterlichen Großmutter sei zunächst eine distanzierte Begegnung gewesen, welche aber schnell in Distanzlosigkeit umgeschlagen habe. Das Hauptinteresse der Kinder habe nicht ihrer Person, sondern den mitgebrachten Naschereien gegolten. Vor dem zweiten Besuch habe Ke. deutliche Ablehnung geäußert, die Großmutter sehen zu wollen, um dann nach einem klärenden Gespräch mit der Pflegemutter freudig mitzuteilen, diese erlaube es ohnehin, dass sie mit der "Oma" reden dürfen. Die weiteren zwei Besuche seien von Seiten der Kinder überschwänglich distanzlos verlaufen, ohne dass die Großmutter versucht habe, Grenzen zu setzen. Bei Ankündigung der Besuche des Kindesvaters habe vor allem Ke. sehr abwehrend reagiert. Er solle nicht ins Haus dürfen, sie wolle sich selbst verstecken. Als er dann tatsächlich gekommen sei, habe sie ihn jedoch ohne Widerstreben sehen wollen und ihn zunächst sehr unsicher, aber interessiert angesehen. Das "begleitete" Spiel sei ausgelassen und laut verlaufen. Ke. habe im Kontakt dominiert, Ka. sei eher Nachahmerin ihrer Schwester gewesen. Bei der Verabschiedung sei es stets Ke. gewesen, welche eine Verlängerung der Besuchszeit erreichen wollte und sich auch mit Kuss vom Kindesvater verabschiedet habe, während Ka. meist ohne Verabschiedung weggelaufen sei. Der letzte Kontakt sei ruhiger verlaufen, beide Kinder hätten den Kindesvater mehr als zuvor in ihr Spiel integriert. Er selbst sei von der Lebhaftigkeit der Kinder überfordert und nicht im Stande gewesen, Grenzen zu setzen oder das Spiel zu strukturieren. Er habe die Zeit zum Teil auch dazu benützt, "um über seine schwierige Lebenssituation zu berichten und wiederholt zu beteuern, zu einem Geständnis gezwungen worden, aber selbst unschuldig zu sein".

Unter der Überschrift "Psychologische Befunde" führt der Bericht weiters zu Ke. aus, bei eingeschränktem Aufgabenverständnis, geringer Motivation und schlechter Konzentrationsfähigkeit erziele Ke. intellektuell weit unterdurchschnittliche Leistungen ("HAWIK-R: IQ=59"). Gravierende Mängel seien im logisch-schlussfolgernden Denken, der visuellen Vorstellungsfähigkeit, der verbalen Merkfähigkeit und im Zahlenverständnis, aber auch im Wortschatz und praktischen Situationsverständnis zu verzeichnen. In persönlichkeitsmäßiger Hinsicht dominiere die planlos-funktionale Materialbeschäftigung, der ein konstruktives Gestaltungselement fehle. Die schwer wiegende graphomotorische Beeinträchtigung, die zum Teil auf einer unzureichenden Förderung basiere, lasse aussagekräftige bildliche Interpretationen nicht zu. In verbalen Themen dominierten Unfälle und erzieherische Disziplinierungen durch Schimpfen und Schlagen, emotionale Zuwendungen würden von den Großeltern und dem Kindesvater erhofft.

Zu Ka. wird ausgeführt, die intellektuelle Begabung sei knapp unterdurchschnittlich ("KRAMER: IQ=81"), die leistungsmäßige Schwäche liege vor allem in der optischen Auffassung und Mengenerfassung, sowie im schlussfolgernden Denken und verbalen Gedächtnis. Auch die graphomotorischen Leistungen seien nicht altersentsprechend. In persönlichkeitsmäßiger Hinsicht konzentriere sich das zentrale Thema auf die dressurähnliche Disziplinierung von Kindern, denen es an emotionaler Geborgenheit durch geeignete Erziehungspersonen fehle. Die zeichnerischen Tests seien auf Grund der eingeschränkten Graphomotorik kaum interpretierbar, ließen aber ein Suchen nach Halt erkennen.

Als Therapien sind für Ke. Musiktherapie und Einzelförderung, für Ka. Einzelförderung angegeben.

Abschließend lautet der Bericht wie folgt (anonymisiert):

"Zusammenfassend ist festzuhalten, dass auf Grund des genetisch-organischen Potenzials beide Kinder einen Entwicklungsrückstand zu verzeichnen haben, der besonders bei Ke. infolge der zusätzlich unzureichenden Förderung in noch gravierender Form als bei Ka. zum Ausdruck kommt.

Beide Kinder habe eine enge Bindung an die PfM entwickelt, erleben diese allerdings auch sehr streng und disziplinierend; die massive Abwertung der leiblichen Familie und der damit auf die Kinder ausgeübte Druck durch die PfM löst bei den Mädchen einen enormen Loyalitätskonflikt und innere Spannungen mit Verstellungstendenzen aus.

Um den Entwicklungsbedürfnissen der Kinder ausreichend Rechnung zu tragen, ist eine adäquate Beschulung für Ke. in die ASO und ein regelmäßiger KIG-Besuch für Ka. ebenso notwendig wie eine weit reichende Förderung im sprachlichen und graphomotorischen Bereich.

Für die emotionale Entwicklung ist die konfliktfreie Ermöglichung eines Kontaktes zur leiblichen Familie (vGM, KV unter Begleitung durch das JA) wichtig, wenn diese auch als primäre Erziehungspersonen auf Grund mangelnder pädagogischer Kompetenz ausscheiden. Ob diese Bedingungen durch die derzeitige Pflegefamilie gewährleistet werden können, wird von deren Kooperationsbereitschaft und Akzeptanz der leiblichen Familie abhängen. Sollte diese nicht garantiert werden können, wird an eine außerfamiliäre Unterbringung (z.B. in Form einer Außenwohngruppe der Gesellschaft 'Rettet das Kind') zu denken sein, von wo aus Kontakte zur Pflegefamilie weiterhin bestehen, aber auch jene zur leiblichen Familie wertfrei weiterhin beobachtet werden könnten.

Vor einer endgültigen Entscheidung wird der Stellenwert der emotionalen Bindung der Kinder an die Pflegefamilie mit jenem der Kooperationsfähigkeit bzw. -bereitschaft der Pflegefamilie abzuwägen und zu überprüfen sein."

1.3. Mit Bescheid vom 15. Februar 2000 widerrief die Bezirkshauptmannschaft Horn der Beschwerdeführerin die Pflegebewilligung für Ke., Ka. und C. Einer allfälligen Berufung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Als Rechtsgrundlage wurde § 24 Abs. 1 des NÖ Jugendwohlfahrtsgesetzes 1991 (NÖ JWG 1991) angegeben. Begründend wurde ausgeführt, die drei Kinder befänden sich seit September 1996 "auf Grund einer unvorhergesehenen familiären Situation der leiblichen Eltern" bei der Familie der Beschwerdeführerin. Der anfangs gute Kontakt zur leiblichen Familie der Kinder (Eltern und Großeltern) habe sich jedoch "zusehends" verschlechtert, insbesondere durch die Verurteilung des Kindesvaters wegen sexuellen Missbrauchs der ältesten Tochter. In dieser Phase habe sich auch merklich die Zusammenarbeit zwischen der Pflegefamilie und der Jugendabteilung verschlechtert, was sich insofern geäußert habe, als die Beschwerdeführerin kaum bereit gewesen sei, Unterstützung in Erziehungsfragen anzunehmen, und andererseits rechtliche Auskünfte seitens der Jugendabteilung immer wieder in Frage gestellt habe. Im September 1999 habe sich die Jugendabteilung dafür entschieden, die beiden älteren Mädchen an der heilpädagogischen Station in Hinterbrühl "vorzustellen", um das aktuelle Befinden und die tatsächlichen Bedürfnisse der Kinder unter Einbeziehung aller Bezugspersonen abzuklären, und weitere Maßnahmen für die künftige Gewährleistung des Kindeswohls festzulegen. Die Bezirkshauptmannschaft Horn gibt in weiterer Folge die oben zitierte Passage des heilpädagogischen Berichts wieder, nicht aber den letzten Absatz. Wenn die Pflegemutter der Meinung sei, dass die Kinder bei ihr bestens aufgehoben seien und deshalb auch bei ihr bleiben sollten, so könne ihr hinsichtlich der Versorgung und Pflege der Kinder sicherlich kein Vorwurf gemacht werden. Da die Kinder jedoch auf Grund ihrer bisherigen Geschichte eine besondere Förderung und Unterstützung benötigten, welche von einer normalen Pflegefamilie nicht erbracht und auch nicht gefordert werden könne, habe sich die Bezirkshauptmannschaft Horn als Obsorgeträger der Kinder unter Berücksichtigung des "vorliegenden Ergebnisses", "des doch bedenklichen" Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin, welche in der Vergangenheit öfter eine Betreuung der Kinder durch andere Personen notwendig gemacht habe, sowie der bisherigen Erfahrungen mit der Pflegefamilie, nunmehr entschlossen, die Kinder in einer Außenwohngruppe von "Rettet das Kind" unterzubringen, um den hohen Anforderungen und Bedürfnissen der Kinder gerecht werden zu können und so eine positive Weiterentwicklung der Kinder zu gewährleisten.

1.4. In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, es könne unter keinen Umständen den Entwicklungsbedürfnissen der Kinder entsprechen, wenn diese aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen würden, damit sie in eine so genannte "Außenwohngruppe", sohin in einem Heim, untergebracht würden. Für einen weiteren Verbleib der Kinder bei der Beschwerdeführerin spreche insbesondere, dass sich die Kinder im Laufe der Zeit in den Familienverband eingelebt hätten, diese Familie ihre einzige wirklich vertraute Umgebung sei und ihnen vor allem durch die Beschwerdeführerin als Pflegemutter eine kinder- und altersgerechte Erziehung zuteil werde. Gerade die tragischen Ereignisse rund um Ke., die letztlich eine rechtskräftige Verurteilung des Kindesvaters wegen sexuellen Missbrauchs zur Folge gehabt hätten, zeigten, dass Ke. einer besonderen Zuwendung bedürfe, welche sie ausschließlich in einem Familienverband erfahren könne. Dies habe zur Folge, dass auch die übrigen beiden Kinder im selben Familienverband zu bleiben hätten, um die drei Geschwister nicht zu trennen. Die Unterbringung in einem Heim welcher Art auch immer berge nach allgemeiner Erfahrung stets die Gefahr der Vereinsamung und Verrohung mit sich und könne und dürfe nicht Lösung in einem Fall sein, in dem die Rahmenbedingungen für den weiteren Aufenthalt der Kinder in der Familie der Beschwerdeführerin vorlägen. Die Unterbringung in einem Heim sollte stets nur ultima ratio sein. Die Beschwerdeführerin habe als Mutter zweier Söhne ihre Fähigkeiten als Mutter unter Beweis gestellt und vorbildhaft gezeigt, dass sie für die drei Kinder nach Kräften sorge. Das von der Behörde sowohl im Verfahren als auch im angefochtenen Bescheid ständig zitierte "Gutachten" der heilpädagogischen Station Hinterbrühl vom 20. Dezember 1999 bringe auf Seite 4 zum Ausdruck, dass vor einer endgültigen Entscheidung der Stellenwert der emotionalen Bindung der Kinder an die Pflegefamilie mit jenem der Kooperationsfähigkeit bzw. Bereitschaft der Pflegefamilie abzuwägen und zu überprüfen sein würden. Diese ausdrücklich als Entscheidungsgrundlage geforderte Überprüfung habe nicht stattgefunden, vielmehr übergehe der Bescheid die zahlreich eingegangenen Stellungnahmen Dritter, obwohl darin stets lobende Worte für die Beschwerdeführerin gefunden würden und die Befähigung derselben zur Kindererziehung unterstrichen würden. Die Beschwerdeführerin erkläre sich weiterhin zur aktiven Mitarbeit mit dem Jugendamt und der leiblichen Familie der Kinder bereit, damit dem Kindeswohl genüge getan werde. Weiters seien die Kindeseltern und die leibliche Großmutter mütterlicherseits ausdrücklich mit dem weiteren Verbleib der Kinder bzw. Enkelkinder in der Familie der Beschwerdeführerin einverstanden. Soweit bei Ke. eine Musiktherapie, darüber hinaus auch bei Ka. eine so genannte Einzelförderung erforderlich sei, werde sich die Beschwerdeführerin nicht gegen diese Maßnahmen stellen und diese auch fördern. Als Beweis wurden eine Erklärung der Kindesmutter, die Einvernahme der leiblichen Eltern, der Beschwerdeführerin sowie namentlich angegebener Zeugen, darunter der Großmutter mütterlicherseits, angeboten. Als weitere Personen, welche auf Grund eigener Wahrnehmung bezeugen könnten, dass die Beschwerdeführerin als Pflegemutter ihren Aufgaben gewachsen sei und sich darüber hinaus aufopfernd und liebevoll um die Kinder kümmere, wurde eine Reihe von namentlich genannten Zeugen angeboten. Hinsichtlich C. sei auszuführen, dass laut Bericht der Psychologin Mag. S. vom 21. Jänner 2000 vom Haus der Zuversicht (dieser Bericht ist nicht im Verwaltungsakt enthalten) deutlich zum Ausdruck gekommen sei, dass aus deren Sicht kein Anhaltspunkt dafür bestehe, dass sich das Milieu, in dem C. lebe, in irgendeiner Art negativ auf die Entwicklung des Kindes auswirken würde. Aus der Sicht der Psychologin würde eine Trennung von der Pflegemutter daher unweigerlich eine weitere Gefahr für eine Traumatisierung des Kindes und in weiterer Folge zur möglichen Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten darstellen. Zum Beweis wurde u.a. die Einvernahme der Psychologin angeboten.

1.5. Die Niederösterreichische Landesregierung wies mit Bescheid vom 10. April 2000 die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 Abs. 1 des NÖ JWG 1991 ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid, hob allerdings den Ausspruch über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung auf.

Begründend führte die Niederösterreichische Landesregierung aus, zur Entwicklung der psychologischen Beobachtung und Beurteilung der beiden älteren Mädchen (Ke. und Ka.) sei seitens der Bezirkshauptmannschaft Horn eine Überstellung dieser beiden Kinder in die heilpädagogische Station des Landes Niederösterreich verfügt worden. Der Aufenthalt der beiden Mädchen in dieser Einrichtung habe von Anfang September 1999 bis Anfang Februar 2000 gedauert. Mit Schreiben vom 27. Jänner 2000 (dieses Schreiben ist im Verwaltungsakt nicht enthalten) sei der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehöres schriftlich bekannt gegeben worden, dass die Bezirkshauptmannschaft Horn als Obsorgeträger die Absicht habe, die Pflegebewilligung zu widerrufen. In der darauf folgenden schriftlichen Stellungnahme der Beschwerdeführerin (auch diese ist im Verwaltungsakt nicht enthalten) habe sich diese aus noch näher zu nennenden Gründen gegen eine solche Abnahme der Kinder ausgesprochen.

Nach Wiedergabe des weiteren Verwaltungsgeschehenes und des § 24 Abs. 1 erster Satz NÖ JWG 1991 führte die Niederösterreichische Landesregierung aus, das Wohl der Kinder habe mit der getroffenen Entscheidung in Einklang zu stehen. Nicht erforderlich sei es hingegen, der Pflegemutter mangelnde Erziehungskompetenz oder gröbere Vernachlässigung der Kinder oder Ähnliches vorzuwerfen, zumal sich auch bei bestmöglicher Versorgung von Kindern im Rahmen einer Pflegeplatzunterbringung herausstellen könne, dass diese Kinder auf Grund ihrer oft sehr negativen Erlebnisse im Elternhaus einer besonderen Form der Betreuung bedürften. Es werde nicht verkannt, dass im Einklang mit der Ansicht der Beschwerdeführerin der familiäre Rahmen in allgemeinen am ehesten als Garantie einer gesunden individuellen Entwicklung und Sozialisation von Kindern angesehen werden könne. Es gebe aber auch Kinder, die in einem solchen Rahmen trotz aller Bemühungen nicht mehr führbar seien und eine professionellere Form der Betreuung brauchten. Gemäß § 44 Abs. 3 NÖ JWG 1991 hätten vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern Pflege und Erziehung durch Pflegeeltern (Personen) oder familienähnliche Betreuungsformen Vorrang. Unter familienähnlichen Betreuungsformen verstehe die Jugendwohlfahrt Einrichtungen, die ihrem äußeren Rahmen, ihrem Erscheinungsbild und ihrer Tagesstruktur nach durchaus mit klassischen Familien vergleichbar seien, allerdings hinsichtlich der Professionalität der Betreuungspersonen und der Möglichkeiten regelmäßiger psychologischer und therapeutischer Begleitung für Kinder - auch Kleinkinder - mit besonderen Bedürfnissen als geeigneter anzusehen seien. Die Entscheidung des Obsorgeträgers sei daher nicht als Widerruf der Pflegebewilligung und gleichzeitige Unterbringung der drei Kinder in einem Heim zu interpretieren, sondern als Absicht, die Kinder in einer familienähnlichen Einrichtung im Sinne der vorhin zitierten Bestimmung unterzubringen, wie dies auf Außenwohngruppen des Vereines "Rettet das Kind NÖ" zutreffe. Die in der Berufung geäußerte Ansicht, dass Heime nach allgemeiner Erfahrung stets die Gefahr der Vereinsamung und Verrohung mit sich brächten, werde zur Kenntnis genommen, weil diese Aussage in ihrer pauschalen Art jedoch nicht haltbar und auch nicht näher begründet worden sei, könne im Rahmen des Berufungsverfahrens auch nicht darauf eingegangen werden. Letztlich stelle sich für die Berufungsbehörde die Frage, ob die Entscheidung, die Kinder aus einer klassischen Pflegefamilie herauszunehmen und in eine professionelle familienähnliche Einrichtung mit psychologischem und therapeutischem Begleitrahmen zu bringen, dem Wohl der Kinder eher entspreche als ein Verbleib in der Pflegefamilie. Eine solche Frage könne nicht durch die Einvernahme der leiblichen Verwandten oder angeheirateter Kinder der Beschwerdeführerin oder von Nachbarn beantwortet werden, weshalb die in der Berufung beantragte Einvernahme all dieser Personen zur Entscheidungsfindung nichts beigetragen könne und daher abgelehnt werde. Für die fachliche Beurteilung und letztlich Beantwortung dieser Frage könne seitens der Berufungsbehörde vor allem der heilpädagogische Bericht vom 20. Dezember 1999 herangezogen werden.

Die Niederösterreichische Landesregierung gab im Folgenden ausschnittweise die bereits oben wiedergegebene Zusammenfassung des heilpädagogischen Berichts wieder, allerdings ohne den Schlussabsatz.

Weiters führte die Niederösterreichische Landesregierung aus, wichtig für die emotionale Entwicklung der beiden Kinder erscheine der "fallführenden" Psychologin auch die konfliktfreie Ermöglichung von Besuchskontakten zur leiblichen Familie. Daran werde gleichzeitig die Empfehlung der Herausnahme der Kinder aus der Pflegefamilie geknüpft, wenn die oben genannten Kontaktmöglichkeiten der Kinder zu der leiblichen Familie nicht garantiert werden können. Gerade in diesem Bereich sei nach Meinung der Berufungsbehörde allerdings "ein Spannungsfeld entstanden", das auch durch gegenteilige Beteuerungen der Beschwerdeführerin, sich zur aktiven Zusammenarbeit mit dem Jugendamt und der leiblichen Familie der Kinder zu bekennen, nicht aus der Welt geschafft werden könne. Wie dem Bericht der zuständigen Sozialarbeiterin vom 8. November 1999 im Anschluss an ein Gespräch mit der zuständigen Psychologin der Heiltherapeutischen Station (dieser Bericht erliegt nicht im vorgelegten Verwaltungsakt) zu entnehmen sei, könne das Wohl der Kinder langfristig gesehen nur gewährleistet werden, wenn die Mädchen spannungsfrei Kontakt zu den diversen Bezugspersonen halten könnten. Viele der Blockaden und Auffälligkeiten der Kinder könnten das "derzeit" bestehende Spannungsfeld als Ursache haben, sodass eine (alleinige) Einzeltherapie der Kinder nicht wirklich erfolgreich sein könne.

Auf Grund der nachvollziehbaren und in sich schlüssigen psychologischen Stellungnahme der heiltherapeutischen Station gehe die Berufungsbehörde davon aus, dass zunächst für die beiden Kinder Ke. und Ka. eine Herausnahme aus der bisherigen Pflegefamilie und die Unterbringung in einer familienähnlichen Einrichtung mit professionellem Rahmen wie zum Beispiel in einer Außenwohngruppe von "Rettet das Kind NÖ" dem Wohl dieser beiden Mädchen eher entspreche als ein Verbleib in der derzeitigen Pflegefamilie.

Hinsichtlich des dritten Mädchens (C.) sei die Beurteilung insofern erschwert, als dieses im Gegensatz zu ihren Schwestern nicht in der heilpädagogischen Station aufhältig gewesen sei und daher auch von dort keine psychologische Stellungnahme habe erstellt werden können. Die Beschwerdeführerin habe mit C. in regelmäßigen halbjährlichen Abständen zum Zweck der psychologischen Entwicklungskontrolle das Haus der Zuversicht in Waidhofen/Thaya besucht. Offenbar von der Beschwerdeführerin auf den Umstand angesprochen, dass die Jugendabteilung einen Widerruf der Pflegebewilligung beabsichtige, habe die zuständige Psychologin am 21. Jänner 2000 in ihrem klinisch-psychologischen Bericht festgehalten, dass eine Trennung Cs. von der Pflegemutter eine weitere Gefahr für eine Traumatisierung des Kindes und in weiterer Folge eine mögliche Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten darstellen könnte. Dieser Umstand sei zweifellos sehr ernst zu nehmen und mit der Gefahr einer Traumatisierung durch die Trennung der Geschwister, mit denen sie auch gemeinsam von der leiblichen Familie in die Pflegefamilie überstellt worden sei, abzuwägen. Die Berufungsbehörde gehe davon aus, dass eine Trennung der drei Mädchen für das Wohl der Kinder von größerem Nachteil wäre als ein Verbleib auch nur eines Kindes in der Pflegefamilie. Die emotionale Beziehung der Beschwerdeführerin zu den Pflegekindern, die bei C. stärker ausgeprägt sein dürfte, sollte insofern auch weiterhin Beachtung finden, als der Pflegemutter, wie auch der leiblichen Familie regelmäßige Besuchskontakte zu den drei Kindern ermöglicht werden sollten.

Zusammenfassend werde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Grundversorgung im Bereich der Pflege und Erziehung der drei Minderjährigen durchaus ihren Beitrag zu einer Weiterentwicklung der Kinder geleistet habe. Auf Grund des genetisch-organischen Potenzials der Kinder (vor allem Ke. und Ka.), des festgestellten Entwicklungsrückstandes, der unzureichenden Förderung (Ke.) und nicht zuletzt der massiven Spannungen mit der leiblichen Familie und des dadurch bedingten Loyalitätskonfliktes bei den Kindern erscheine der Berufungsbehörde der Rahmen einer klassischen Familie nicht mehr ausreichend, um dem Wohl der drei Kinder bestmöglich zu entsprechen. Die Erstbehörde habe demnach zu Recht einen Widerruf der seinerzeit erteilten Pflegebewilligung ausgesprochen.

1.6. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Für den Fall einer Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof wurde die Beschwerde bereits vorab ausgeführt.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 13. Juni 2000, B 997/00-3, ab und trat die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof ab.

Die belangte Behörde legte - wie aufgezeigt unvollständig - die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

2.1. Im Beschwerdefall ist das NÖ JWG 1991 in der Fassung der zweiten Novelle maßgeblich.

Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen (§ 21 idF. LGBl. 9270-0, § 24 idF. LGBl. 9270-1) lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 21

Pflegebewilligung

...

(3) Im Bewilligungsverfahren haben die Pflegeeltern (- personen) und die Erziehungsberechtigten Parteistellung. Der Minderjährige ist jedenfalls persönlich zu hören. Der noch nicht zehnjährige Minderjährige darf nur dann nicht persönlich gehört werden, wenn durch die Befragung sein Wohl gefährdet wäre oder wegen seines Alters oder seiner Entwicklung eine Meinungsäußerung nicht zu erwarten ist.

...

§ 24

Widerruf und Änderung der Pflegebewilligung

(1) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat die Pflegebewilligung mit Bescheid zu widerrufen, wenn es das Wohl des Minderjährigen erfordert; § 21 Abs. 3 gilt sinngemäß.

(2) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat die Pflegebewilligung mit Bescheid zu ändern und erforderlichenfalls durch Auflagen zu ergänzen, wenn das Wohl des Minderjährigen dadurch sichergestellt werden kann.

(3) Auflagen im Sinne des Abs. 2 umfassen insbesondere Maßnahmen der gesundheitlichen Prophylaxe und Therapie, im Bereich der Pflege und Erziehung und zur Verbesserung der äußeren Lebenssituation des Minderjährigen."

2.2.1. § 24 Abs. 1 NÖ JWG 1991 erklärt für Fälle des Widerrufs einer Pflegebewilligung § 21 Abs. 3 leg. cit. für sinngemäß anwendbar. Gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz NÖ JWG 1991 ist der Minderjährige jedenfalls persönlich zu hören. Von der persönlichen Anhörung eines noch nicht zehnjährigen Minderjährigen darf gemäß § 21 Abs. 3 dritter Satz NÖ JWG 1991 nur dann abgesehen werden, wenn durch die Befragung dessen Wohl gefährdet wäre oder wegen seines Alters oder seiner Entwicklung eine Meinungsäußerung nicht zu erwarten ist.

Im Beschwerdefall ist aus den vorgelegten Verwaltungsakten ebenso wenig wie aus dem erstinstanzlichen und dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen, dass eine Anhörung der drei Pflegekinder stattgefunden hätte. Da alle drei Pflegekinder jünger als zehn Jahre sind, hätte eine Anhörung jedoch nur bei Vorliegen der in § 21 Abs. 3 dritter Satz NÖ JWG 1991 angeführten Vorrausetzungen entfallen können. Dass diese Voraussetzungen im Beschwerdefall vorliegen, hat die belangte Behörde allerdings nicht festgestellt. Ungeachtet der von der belangten Behörde betonten Entwicklungsrückstände von Ke. und, wenn auch in geringerem Ausmaß, von Ka. ist es keineswegs offensichtlich, dass auf Grund der Entwicklung dieser beiden Kinder eine Meinungsäußerung im Sinn des § 21 Abs. 3 dritter Satz NÖ JWG 1991 nicht zu erwarten gewesen wäre, aus der die belangte Behörde Ermittlungsergebnisse für die von ihr zu beurteilende Rechtsfrage hätte gewinnen können, ob das Wohl der Minderjährigen den Widerruf der Pflegebewilligung erfordert. Der angefochtene Bescheid ist schon aus diesen Erwägungen mit Rechtswidrigkeit behaftet.

2.2.2. § 24 Abs. 1 NÖ JWG 1991 räumt der Behörde kein Ermessen ein (vgl. zur Rechtslage nach dem Kärntner Jugendwohlfahrtsgesetz das hg. Erkenntnis vom 18. November 1997, Zl. 96/11/0139). Aus dem Zusammenhang mit § 24 Abs. 2 und 3 NÖ JWG 1991 ergibt sich, dass die Behörde vom Widerruf einer Pflegebewilligung abzusehen hat, wenn sie mit der Änderung oder Ergänzung der Bewilligung durch Auflagen das Wohl des Minderjährigen sicherstellen kann. Der Widerruf der Bewilligung ist demnach als "ultima ratio" zu verstehen. Er setzt mängelfreie und begründete Feststellungen über die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß der Gefährdungen voraus, die dem Minderjährigen aus der Beibehaltung der aktuellen Pflegekindschaft drohen, wobei auch darzulegen ist, weshalb mit Maßnahmen nach § 24 Abs. 2 und 3 NÖ JWG 1991 nicht das Auslangen gefunden werden kann, um das Wohl des Kindes zu sichern (diesbezügliche Ausführungen fehlen im angefochtenen Bescheid zur Gänze).

Die belangte Behörde beruft sich zur Begründung ihrer Auffassung, das Wohl der drei minderjährigen Mädchen erfordere den Widerruf der Pflegebewilligung, wie bereits die Erstbehörde primär auf den oben wiedergegebenen heilpädagogischen Bericht vom 20. Dezember 1999. Wie in der Beschwerde zutreffend aufgezeigt wird, haben freilich weder die Erstbehörde noch die belangte Behörde den letzten Absatz dieses Berichts wiedergegeben. Darin bringen die Berichtsverfasser zum Ausdruck, dass vor einer endgültigen Entscheidung der Stellenwert der emotionalen Bindung der Kinder an die Pflegefamilie mit jenem der Kooperationsfähigkeit bzw. -bereitschaft der Pflegefamilie abzuwägen und zu überprüfen sein werde. Dieser Schlussabsatz des heilpädagogischen Berichts lässt klar erkennen, dass dieser sich selbst nicht als endgültige Beurteilungsgrundlage dahingehend versteht, dass eine Beibehaltung der Pflegekinder durch die Beschwerdeführerin eine Gefährdung des Kindeswohls der beiden im Bericht behandelten Kinder mit sich bringen würde.

Aussagen über die Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung der Entwicklung der Kinder bei Beibehaltung der aktuellen Pflegekindschaft enthält der heilpädagogische Bericht selbst, wie aufgezeigt, nicht. Er stellt daher nach dem bisher Gesagten keine ausreichende sachverständige Grundlage für die Beantwortung der Rechtsfrage nach der Gefährdung des Kindeswohls dar und vermag die Auffassung der belangten Behörde nicht zu tragen.

Die belangte Behörde zieht neben dem heilpädagogischen Bericht ergänzend einen Bericht der zuständigen Sozialarbeiterin heran. Auch dieser (dem Verwaltungsgerichtshof, wie erwähnt, nicht vorliegende) Bericht, der älter ist als der heilpädagogische Bericht, bietet freilich, soweit er in der Bescheidbegründung wiedergegeben wird, keine ausreichende sachverständige Grundlage für den Widerruf der Pflegebewilligung für die beiden älteren Mädchen. Wenn die belangte Behörde, wie oben wiedergegeben, ausführt, das "derzeit bestehende Spannungsfeld" (gemeint ist die Beziehung der Pflegefamilie zur leiblichen Familie) könnte Ursache für viele "Blockaden und Auffälligkeiten der Kinder" sein, lässt sie erkennen, dass sie sich in Mutmaßungen ergeht, aber über keine konkreten sachverständigen Aussagen verfügt.

Der angefochtene Bescheid ist sohin auch mit einem relevanten Feststellungs- und Begründungsmangel behaftet.

Soweit die belangte Behörde schließlich den Widerruf der Pflegebewilligung auch hinsichtlich C. für geboten hält, gründet sich der angefochtene Bescheid nur auf Mutmaßungen. Der heilpädagogische Bericht geht auf C. überhaupt nicht ein. Die im angefochtenen Bescheid vertretene - und nicht von Vornherein als unzutreffend zu erkennende - Auffassung, eine Trennung der drei Mädchen sei für das Wohl der Kinder von größerem Nachteil als ein Verbleib auch nur eines Kindes in der Pflegefamilie, ist nach Ausweis der Verwaltungsakten von keinerlei Ermittlungsergebnissen getragen. Mit der sowohl in der Berufung als auch im angefochtenen Bescheid erwähnten Stellungnahme der Psychologin Mag. S. vom 21. Jänner 2000, welche der Berufung zufolge von der Gefahr einer Traumatisierung Cs. bei Trennung von der Pflegemutter spricht, setzt sich die belangte Behörde nicht ernsthaft auseinander. Dass eine Trennung der drei Mädchen für das Wohl der Kinder von größerem Nachteil wäre als ein Verbleib auch nur eines Kindes in der Pflegefamilie, wie das die belangte Behörde, in diesem Punkt ohne jegliche Bezugnahme auf Sachverständigenwissen, als erwiesen annimmt, erscheint auch nicht etwa notorisch. Der angefochtene Bescheid entbehrt daher auch hinsichtlich des Widerrufs der Pflegebewilligung für C. einer mängelfreien Begründung.

2.2.3. Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

2.3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.

Wien, am 30. September 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000110207.X00

Im RIS seit

21.11.2002

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten