TE Vwgh Erkenntnis 2002/10/11 2002/02/0056

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.10.2002
beobachten
merken

Index

25/01 Strafprozess;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §61 Abs1;
StPO 1975 §180 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des GS in I, vertreten durch Dr. Kasseroler & Partner, Rechtsanwälte in 6010 Innsbruck, Lieberstraße 3, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 11. Jänner 2002, Zl. Fr 3/320/01, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. Jänner 2002 wurde über den Beschwerdeführer, einen italienischen Staatsangehörigen, gemäß § 61 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75 - FrG 1997, mit sofortiger Wirkung ab Ende der Gerichtshaft die Festnahme und Anhaltung (Schubhaft) zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Begründend führte die belangte Behörde aus:

"Der Genannte wurde am 27.9.2001 auf Grund einer Haftverfügung des Landesgerichtes Innsbruck in die Justizanstalt Innsbruck eingeliefert. Er war am 27.9.2001 von Gendarmeriebeamten in Innsbruck wegen Verdachtes des Verbrechens nach § 28 Suchtmittelgesetz festgenommen worden. SP befindet sich nach wie vor in der Justizanstalt Innsbruck in Untersuchungshaft. Das gerichtliche Strafverfahren ist noch anhängig. Dem Fremden wird auf Grund der Erhebungen der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Tirol vorgeworfen, als Mitglied einer italienischen Tätergruppierung im Raum Innsbruck in den Monaten vor seiner Festnahme massiv am Handel mit Kokain beteiligt gewesen zu sein. In diesem Zusammenhang wurde auch der Vater des SP festgenommen. Dieser befindet sich ebenfalls in Untersuchungshaft. Die Telefonanschlüsse des SP und seines Vaters waren im Auftrag des Gerichtes von der Gendarmerie überwacht worden und ergab sich daraus der dringende Verdacht, dass SP aktiv im Drogenhandel tätig war. SP wird weiters angelastet, selber Drogen konsumiert zu haben. Die über SP verhängte Untersuchungshaft stützt sich auch auf den Haftgrund der Fluchtgefahr.

Der Fremde weist bereits eine rechtskräftige Verurteilung durch das Landesgericht Innsbruck vom 3.11.2000 auf. Er wurde wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 StGB zu einer bedingten Geldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt. SP hatte im Juni 2000 in Innsbruck in Bankfilialen falsche Kronen-Goldmünzen verkauft bzw. zu verkaufen versucht.

Dem Fremden wurde mit ha. Schreiben vom 5.10.2001 zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt ist, ihn nach Beendigung der Gerichtshaft in Schubhaft zu nehmen. Ihm wurde die Möglichkeit der Stellungnahme eingeräumt. Im Rahmen nachfolgender schriftlicher Eingaben brachte er vor, in Bezug auf die Vorwürfe nach dem Suchtmittelgesetz nur eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Er würde schon seit Jahren in Innsbruck leben. Er hätte hier als Pizzakoch gearbeitet. Er würde bei einer österreichischen Freundin leben. Es bestünde keine Gefahr, dass er sich dem fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen würde. Er würde in Hinkunft bei seiner Lebensgefährtin Aufenthalt nehmen. Nachfolgende Erhebungen ergaben, dass er bis zu seiner Festnahme an seiner Meldeadresse in der Fallmerayerstraße tatsächlich nicht gewohnt hatte. In der von ihm in Wirklichkeit benützten Unterkunft bei seiner Bekannten war er hingegen polizeilich nicht gemeldet. Er wurde deswegen wegen Übertretungen nach dem Meldegesetz zur Anzeige gebracht. Aus diesem Verhalten ist ersichtlich, dass entgegen den Beteuerungen des SP im Rahmen dieses Verfahrens sehr wohl die Gefahr besteht, dass er sich nach einer eventuellen Entlassung aus der Gerichtshaft dem fremdenpolizeilichen Verfahren in Bezug auf die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, insbesondere aber auch in Bezug auf die Sicherung der Abschiebung entziehen könnte. Nicht zuletzt sieht derzeit nach wie vor auch das Landesgericht Innsbruck den Haftgrund der Fluchtgefahr als gegeben an. Tatsache ist auch, dass SP bereits eine rechtskräftige Verurteilung wegen schweren Betruges aufweist, die ein schwerwiegendes Indiz dafür ist, dass dieser Fremde eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt. Die Vorwürfe gegen SP im Zusammenhang mit dem Verdacht des Verbrechens nach dem Suchtmittelgesetz sind offensichtlich so schwerwiegend, dass sich das Landesgericht Innsbruck nach wie vor veranlasst sieht, über SP die Untersuchungshaft aufrecht zu erhalten. Die ha. Behörde ist der Auffassung, dass es unbedingt erforderlich ist, über den Genannten für die Zeit nach Ende der Gerichtshaft die Schubhaft zu verhängen, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und das Verfahren zur Sicherung der Abschiebung durchführen zu können. Es bestünde andernfalls die Gefahr, dass sich SP diesen Maßnahmen entzieht, im Bundesgebiet verbleibt und hier neuerlich 'untertaucht'. Die Zusicherung seiner österreichischen Bekannten dafür zu sorgen, dass er sich diesem Verfahren nicht entzieht und zum Beispiel ordnungsgemäß zur Anmeldung bringt, erscheinen jedenfalls in keiner Weise ausreichend zu sein, noch dazu wo SP in den Monaten vor seiner Festnahme bei dieser Frau unangemeldet wohnhaft war und sie bereits damals nicht in der Lage war, dafür zu sorgen, dass er sich an ihrer Unterkunft anmeldet."

Dieser Sachverhalt lasse begründet annehmen, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 48 Abs. 1 FrG 1997 darstelle. Es sei beabsichtigt, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung der Abschiebung sehe sich die belangte Behörde veranlasst, ab Ende der Gerichtshaft die Schubhaft anzuordnen. Diese Maßnahme sei wegen des "vorgeschilderten Sachverhaltes" notwendig, um zu verhindern, dass sich der Beschwerdeführer den erforderlichen fremdenpolizeilichen Maßnahmen gegen seine Person entziehe. Die gemäß § 61 Abs. 1 FrG 1997 bei Fremden, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, für die Verhängung der Schubhaft erforderliche bestimmte Tatsache dahingehend, der Fremde würde sich dem Verfahren entziehen, nahm die belangte Behörde damit an, dass der Beschwerdeführer "keinen Wohnsitz im Bundesgebiet" habe und er im dringenden Verdacht stehe, einen schweren strafgesetzlichen Verstoß während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet begangen zu haben.

Die Verhängung der Schubhaft stehe angesichts des vom Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes in Österreich gesetzten, aus den obigen Ausführungen ersichtlichen Verhaltens, in einem angemessenen Verhältnis zum Ausmaß, den dieser Eingriff in das Rechtsgut der persönlichen Freiheit des Beschwerdeführers darstelle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 61 Abs. 1 FrG 1997 können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

Der Beschwerdeführer bringt, gestützt auf den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 29. September 2001, Zl. 30 Ur 1078/01 V, vor, die über ihn verhängte Untersuchungshaft stütze sich lediglich auf die Tatbegehungsgefahr. Fluchtgefahr sei nicht anzunehmen, weil sich der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers in Österreich befinde und er keine Anstalten zur Flucht getroffen habe. In den folgenden Haftprüfungsbeschlüssen sei keine Änderung eingetreten. Der Teil der Begründung des angefochtenen Bescheides, welcher sich auf die vom Gericht angenommene Fluchtgefahr beziehe, sei unrichtig. Zudem habe die belangte Behörde seine dauernde Unterkunftnahme bei seiner Lebensgefährtin, Cornelia S, insoferne unrichtig dargestellt, als die belangte Behörde sie zu einer "Bekannten" gemacht habe, um die Verbindung des Beschwerdeführers zu Innsbruck möglichst lose darzustellen. Dagegen habe aber das vorliegende Beweisergebnis deutlich ergeben, dass es seine Lebensgefährtin sei, die nach wie vor zu ihm stehe und auch nach seiner Entlassung aus der Gerichtshaft mit ihm zusammenleben möchte. Ebenso habe das Ermittlungsergebnis ergeben, dass er sich seit Jahren (1996) rechtmäßig in Österreich aufhalte. Er sei im Lokal seines Vaters beschäftigt gewesen und habe dort auf einer Couch wiederholt genächtigt.

Es stimme sohin nicht, dass er "neuerlich untertauchen" könnte, weil er bisher "zu keinem Zeitpunkt untergetaucht" sei. Damit lägen keine bestimmten Tatsachen im Sinne des § 61 Abs. 1 FrG 1997 vor.

Wenngleich sich die vom Strafgericht gegen den Beschwerdeführer verhängte Untersuchungshaft nicht auf den Haftgrund der Fluchtgefahr stützt, ist damit für ihn im gegenständlichen Verfahren nichts gewonnen: Denn die Voraussetzungen für die Verhängung der Untersuchungshaft aus diesem Haftgrund sind nicht mit jenen vergleichbar, aus denen ein Fremder in Schubhaft genommen werden kann.

Wie sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt, wurde der Beschwerdeführer nach der "Stellungsanzeige" bzw. dem Bericht über die Festnahme in der Wohnung der Cornelia S festgenommen. Im "Festnahmebericht" ist als Wohnadresse F-Straße 12/I./Top 1 (das ist die u.a. von seinem Vater betriebene Pizzeria, in welcher der Beschwerdeführer beschäftigt war), in der "Stellungsanzeige" hingegen die Adresse E-Weg Nr. 1/5/Top 58 (das ist die Adresse der Lebensgefährtin, an welcher die Festnahme erfolgte) angeführt. Die Mitbetreiberin der Pizzeria SA bestätigte in der niederschriftlichen Einvernahme vom 25. Oktober 2001, dass der Beschwerdeführer in der Pizzeria gearbeitet und fallweise dort bis zwischen Mitte und Ende April 2001 genächtigt habe, er habe aber bei bestehender polizeilicher Meldung an der Lokaladresse "immer bei seiner Freundin gewohnt". Nach Haftentlassung werde er nicht mehr in der Pizzeria arbeiten dürfen. Cornelia S gab niederschriftlich am 7. Dezember 2001 an, dass sie mit dem Beschwerdeführer seit 2. Jänner 2001 einen gemeinsamen Haushalt bewohne. Sie halte weiter zu ihm und werde nach Ende der Gerichtshaft ihre Beziehung zu ihm fortsetzen. Er wolle dann wieder bei ihr einziehen, die Fortsetzung der gemeinsamen Lebensführung sei geplant. Die belangte Behörde erließ auf Grund dieses Sachverhaltes gegen den Beschwerdeführer wegen Unterlassung der Abmeldung an der Adresse der Pizzeria bzw. Unterlassung der Anmeldung an der Adresse der Lebensgefährtin zwei Strafverfügungen, welche rechtskräftig wurden.

Zu diesem Verstoß gegen Meldevorschriften kommt, dass der Beschwerdeführer erst vor kurzer Zeit wegen der Begehung des Verbrechens des schweren Betruges (Tathandlungen im Juni 2000) rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde und im Verdacht der Begehung weiterer (im Jahr 2001 verübter) schwerwiegender Straftaten steht.

Angesichts des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers kann aber nicht davon gesprochen werden, dass die belangte Behörde zu Unrecht vom Vorliegen bestimmter Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, der Beschwerdeführer würde sich dem Verfahren entziehen, im Sinne des § 61 Abs. 1 zweiter Satz FrG 1997 ausgegangen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1999, Zl. 99/02/0011).

Gleiches gilt im Hinblick auf diese Umstände für die Ansicht der belangten Behörde, die Anwendung gelinderer Mittel komme nicht in Betracht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 11. Oktober 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002020056.X00

Im RIS seit

20.12.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten