TE Vwgh Beschluss 2002/10/22 98/01/0088

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Veröffentlicht am 22.10.2002
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §17;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
EGVG 1991 Anlage Art5;
VStG §51;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, in der Beschwerdesache 1. des G und 2. der W, beide in B, beide vertreten durch Dr. Michael Kinberger, Dr. Alexander Schuberth und Mag. Franz Lochbichler, Rechtsanwälte in 5700 Zell am See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 6. März 1997, Zl. 6/371-3391-1996, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Akteneinsicht, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 332,-- binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 3. Dezember 1996 ereignete sich auf der L 269 in Bischofshofen ein Verkehrsunfall, bei dem die Zweitbeschwerdeführerin als Lenkerin eines PKW ins Schleudern geriet, von der Fahrbahn abkam und über die Fahrbahnböschung auf einen Firmenparkplatz stürzte. Der PKW prallte dort gegen einen Lichtmast und einen Baum sowie ein geparktes Fahrzeug. Die Zweitbeschwerdeführerin sowie ihre beiden Mitfahrer (darunter der Erstbeschwerdeführer) wurden bei diesem Verkehrsunfall verletzt. Am 19. Dezember 1996 erstattete der Gendarmerieposten Bischofshofen hinsichtlich dieses Verkehrsunfalles an das Bezirksgericht Werfen eine Strafanzeige und übermittelte mit dieser Strafanzeige das Ergebnis der durchgeführten Erhebungen "zur strafrechtlichen Beurteilung". Eine weitere Ausfertigung der Strafanzeige und der Erhebungsergebnisse wurden der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau (belangte Behörde) übermittelt.

Am 17. Jänner 1997 ersuchte die Zweitbeschwerdeführerin durch ihren bevollmächtigten Rechtsvertreter bei der belangten Behörde um Akteneinsicht und Übermittlung einer Aktenabschrift. Da die belangte Behörde diesem Ersuchen unter Hinweis auf die mangelnde Parteistellung der Zweitbeschwerdeführerin nicht nachkam, beantragten in der Folge beide Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28. Februar 1997 hinsichtlich der Verweigerung der Akteneinsicht und -ablichtung einen schriftlichen Bescheid zu erlassen und führten aus, dass ihrem Rechtsvertreter trotz Hinweises auf die von beiden Beschwerdeführern gemäß § 8 RAO mündlich erteilte Vollmacht das Recht auf Akteneinsicht mit dem Hinweis darauf verweigert worden sei, gegen die Zweitbeschwerdeführerin läge kein Verwaltungsverfahren vor.

Über diesen Antrag erging der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid der belangten Behörde, mit dem der Antrag der Beschwerdeführer "auf Akteneinsicht und -abschrift zum ha. Akt Zl. 6/371-3391-1996" gemäß §§ 8 und 17 AVG "zurückgewiesen" wurde. Die belangte Behörde begründete diese Entscheidung damit, dass zu der genannten Zahl die Verkehrsunfallanzeige des Gendarmeriepostens Bischofshofen vom 19. Dezember 1996 gegen einen der genannten Antragsteller protokolliert sei. Ein Verwaltungsverfahren oder Verwaltungsstrafverfahren sei in Ansehung dieser Zahl nicht anhängig. Aufgrund der Subsidiaritätsregelung des § 99 Abs. 6 lit. c StVO bzw. des § 134 Abs. 2 Z 2 KFG 1967 liege bei einem Verstoß gegen Verkehrsvorschriften, der gleichzeitig den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung (idR nach den §§ 80, 81, 88 und 89 StGB - ausgenommen die Fälle des § 88 Abs. 2 StGB) verwirkliche, eine von der Verwaltungsbehörde zu ahndende Verwaltungsübertretung nicht vor. Strafanzeigen auf Grund von Verkehrsunfällen mit Personenschäden seien daher (zumindest bis zum Einlangen einer Mitteilung nach Art. IV Abs. 2

Verkehrsrechtsanpassungsgesetz 1971) nicht Gegenstand eines Verwaltungs(straf)verfahrens und damit einer Akteneinsicht. Ein geltend gemachter Anspruch auf Akteneinsicht, der in keinem Zusammenhang mit einer Verwaltungsangelegenheit stehe, in der der Anspruchswerber Parteistellung habe, sei "abzuweisen".

Der Bescheid enthielt die Rechtsmittelbelehrung, dass gemäß § 17 Abs. 4 AVG ein Rechtsmittel gegen diesen Bescheid nicht zulässig sei, sowie den Hinweis, dass gegen den Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof erhoben werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem mit Beschluss vom 27. November 1997, B 972/97, nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Aus dem angefochtenen Bescheid und den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass die belangte Behörde und der ihr unterstehende Gendarmerieposten bei ihrer Ermittlungstätigkeit im vorliegenden Fall im Dienste der Strafjustiz im Sinne des Art. V EGVG tätig wurden. Mangels einer die Zurechnung des strittigen Vorganges zur Gerichtsbarkeit bewirkenden konkreten Anordnung eines Gerichtes ist für den Beschwerdefall daher davon auszugehen, dass der strittige Vorgang der Verwaltungsbehörde (und nicht dem Gericht) zuzurechnen war.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat im Verfahren über Nachforschungen und vorbereitende Anordnungen im Dienste der Strafjustiz über die Verweigerung der Akteneinsicht ein im Instanzenzug anfechtbarer Bescheid zu ergehen (vgl. die bei Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz. 176, zitierte Judikatur, sowie Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren2 I Anm. 9 zu § 17 AVG). Diese Auffassung hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0402 - jedenfalls für den hier vorliegenden Fall des Handelns einer Verwaltungsbehörde ohne konkreten Auftrag eines Gerichtes - ausdrücklich aufrechterhalten.

Der über die Verweigerung der Akteneinsicht ergangene Bescheid war - ungeachtet der darin erteilten Rechtsmittelbelehrung - entsprechend der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Instanzenzug anfechtbar. Wie der Verwaltungsgerichtshof im bereits angeführten Erkenntnis vom 31. März 1993 ausgesprochen hat, wäre den Beschwerdeführern gegen diesen (verfahrensrechtlichen) Bescheid das Rechtsmittel der Berufung gemäß § 51 VStG iVm Art. V EGVG an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes zugestanden (vgl. seither ähnlich auch den hg. Beschluss vom 23. Mai 2000, Zl. 2000/11/0100). Die vorliegende Beschwerde wurde daher vor Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges eingebracht, welche Erschöpfung aber Voraussetzung für die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes wäre (Art 131 Abs. 1 Z 1 B-VG).

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG war die Beschwerde daher wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandesatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001 (vgl. zur Kostenersatzpflicht des Beschwerdeführers auch im vorliegenden Fall der Erteilung einer falschen Rechtsmittelbelehrung die hg. Beschlüsse vom 23. Februar 1973, VwSlg. 8372, und vom 14. März 1995, Zl. 92/07/0162, sowie Mayer, Bundes-Verfassungsrecht3, 794).

Hinsichtlich der offenbar unrichtigen Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheids wird auf § 71 Abs. 1 Z 2 AVG hingewiesen.

Wien, am 22. Oktober 2002

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetze

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1998010088.X00

Im RIS seit

30.01.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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